[Bastion | Sith-Orden | Kellergewölbe | Auf dem Weg zu den Archiven] Chiffith
Die Katakomben unter dem Sith-Tempel von Bastion waren unerwartet weitläufig und zudem unübersichtlich und verwinkelt wie ein Labyrinth. Die Gänge und Hallen waren von sehr unterschiedlicher Bauart und schienen über sehr lange Zeiträume hinweg entstanden zu sein. Manche von ihnen waren neueren Datums. Diese waren mit Beton, Metall und ähnlichen Baustoffen verschalt, hatten Computeranschlüsse und moderne Beleuchtungsanlagen. Andere Teile aber, die aus Mauerwerk bestanden oder in den nackten Fels geschlagen waren, schienen schon vor unendlicher Zeit entstanden und erst später den Kellern des Ordens einverleibt worden zu sein. Jedenfalls erforderte es nicht wenig Mut, diese Wege zu beschreiten. Selbst bei überaus rationalen, gefühlskalten und abgestumpften Charakteren mussten die düsteren Winkel, flackernden Lichter, huschenden Schatten, sowie eine Unzahl von unheimlichen Geräuschen und von krabbelndem, kriechendem oder flatterndem Leben, unterstrichen von modrigem Geruch, die Phantasie auf unangenehme Weise anregen. Wer ohnehin schon furchtsam veranlagt war, musste hier unbedingt paranoid werden und verzweifeln. Keine Vernunft und Weisheit konnte vollends vor dem unwillkommenen Gedanken an unsägliche Dinge bewahren, die vielleicht in den Schatten und Winkeln lauern mochten.
Üblicherweise war Chiffith vor solchen Gedanken gefeit. Wenn er unheimliche Orte betrat, gab es dort für gewöhnlich nichs, was er zu fürchten hatte. Er wusste um seine Stärke und seine Fähigkeiten, die ihn üblicherweise selbst zu dem Schrecken machten, den andere Wesen - selbst diejenigen, die selbst als grauenerregend empfunden werden mochten - in der Finsternis erahnten. Doch diesmal war es anders. Hier, in den Tiefen unter dem Sithtempel, fühlte auch er das Grauen, das ebenso greifbar war wie die Finsternis. Er verspürte nicht die geringste Lust, sich länger hier unten aufzuhalten, als unbedingt nötig.
Seit er in das Labyrinth eingedrungen war, hatte Chiffith nur dreimal andere intelligente Lebewesen gesehen. Beide hatten bleich und hohlwangig ausgesehen. Das erste Wesen war ein Mensch gewesen. Er hatte einen gehetzten Blick gehabt und die Furcht war deutlich wahrnehmbar aus jeder seiner Poren gedrungen. Als er Chiffiths Nähe wahrgenommen hatte, war er bemüht gewesen, ihm aus dem Weg zu gehen, und als der Lamproid ihm gefolgt war, hatte er, kreischend vor Entsetzen, die Flucht ergriffen. Chiffith hatte erkannt, dass dieses nervliche Wrack ihm nicht nützlich sein konnte, und sich wieder seinem Weg zugewandt. Dann war ihm ein großer Whiphid begegnet. Ob dieser ein Jünger oder ein Sith gewesen war, konnte er nicht mit Sicherheit sagen. Jedenfalls hatte die große Kreatur ihm keinerlei Beachtung geschenkt, schien ihn - trotz seiner fauchenden Fragen und seiner ungewöhnlichen Gestalt - überhaupt nicht wahrgenommen zu haben, und war einfach vorübergegangen, so als gäbe es hier unten keinen Lamproid. Erst der dritte, abermals ein Mensch, hatte ihm auf seine Frage nach dem Weg zum Archiv stumm eine Richtung gewiesen. Chiffith war diesem Wink gefolgt und sich kurz darauf in einigen weitläufigen, spärlich beleuchteten Hallen wiedergefunden, die mit Schriftstücken und Datenträgern aller Art bis unters Gewölbe vollgestopft waren.
Eine hagere, wie eine halb mumifizierte Leiche aussehende Menschenfrau bemerkte Chiffith und schritt mit abwehrender Haltung auf ihn zu. Mit krächzender, aber lauter und von den Wänden widerhallender Stimme keifte sie:
»Dies ist kein Ort für dich, Kreatur! Dieses Wissen ist nur für besondere Augen und Ohren bestimmt! Niemand, der nicht Sith ist, darf diese Räume betreten. Also geh deiner Wege oder leide!«
Chiffith ließ sich von dieser Drohung nicht abschrecken, auch wenn die Frau trotz ihrer verhungerten Statur den Anschein erweckte, als wäre sie durchaus willens, ihren Worten Taten folgen zu lassen. Doch der Lamproid war im Auftrag eines Sith hier und würde keinesfalls unverrichteter Dinge wieder gehen.
»Meister Lo-Tsodnuth schickt mich«, zischte er. »Ich soll Schriften für...« er warf nochmals einen Blick auf das Datapad »...für Darth Draconis abholen und sie nach Coruscant schaffen.«
Mit misstrauschem Blick musterte die Frau ihn, dann streckte sie ihre mageren, knorrigen Finger nach dem Pad aus und musterte dessen Inhalt.
»Die Dokumente liegen bereit«, sagte sie. »Wir haben schon darauf gewartet, dass jemand sie abholt. Nur hätten wir nicht gedacht, dass es jemand wie du sein würde.«
Verachtung lag in ihrer Stimme und ihrem Blick. Doch das war Chiffith egal. Hauptsache, er erhielt was er wollte. Die Archivarin wandte sich um und wies eine bucklige, schwarz vermummte Gestalt an, ihr eine bestimmte Kiste zu bringen, was dieser nur mit einer Repulsoreinheit fertigbrachte. Der große, gepanzerte Behälter öffnete sich, nachdem sie eine komplizierte Folge von Knöpfen bedient und tief in ein kleines rotes Licht geblickt hatte. Darin befanden sich die bestellten Schriften. Manche davon waren auf Flimsiplast gedruckt und zu Büchern oder dicken Rollen gebunden. Bei den meisten handelte es sich jedoch um Speicherkristalle, und auch einige Datapads wie das, welches Chiffith von Lo-Tsodnuth erhalten hatte, waren darunter.
»Es ist alles da«, behauptete die Menschenfrau und zählte dann auf: »›Die Anfänge des alten Sith-Imperiums‹; ›Aufstieg und Niedergang des alten Sith-Imperiums‹; ›Abriss der galaktischen Geschichte Band 23-29‹; ›Geschichte und Kultur des alten Sith Imperiums von der Frühzeit bis zur Blütezeit‹; und ›Das Machtkompendium‹.«
Sie gab Chiffith die Liste wieder und dieser versicherte sich, dass die von ihr genannten Titel tatsächlich die waren, die er abholen sollte. Dann versiegelte sie den Behälter wieder. Der Lamproid musste den Empfang mündlich bestätigen, was auf Holo aufgezeichnet wurde, und ihm wurde versichert, dass ihn ein überaus hässliches Schicksal erwartete, wenn er es wagen sollte, die Schriften zu stehlen, sie zu lesen, Außenstehenden zugänglich zu machen oder unerlaubt Kopien anzufertigen. Nichts von alledem hatte Chiffith vor. Er wollte nur möglichst schnell von hier verschwinden, und zwar mit dem Container. Es wurde ihm jedoch nicht erlaubt, den Repulsor mitzunehmen, also blieb ihm nichts anderes übrig, als die schwere Kiste durch das meilenweite System von Gängen und Kavernen zu schleifen.
Als er endlich in die oberen Ebenen des Tempels zurückkehrte, war er sicher, dass mindestens drei Stunden vergangen sein mussten. Nun musste er sich beeilen, das Shuttle zu finden und den Rest der Fracht zu überprüfen. Schon bald sollte das Schiff starten.
Die Landebuchten waren leicht zu finden und hatten eindeutige Numerierungen, und auch die Wesen, denen er hier oben begegnete, waren etwas kooperativer, so dass es Chiffith das Schiff schnell fand. Gerade waren Droiden dabei, die letzte Frachtkiste zu verladen. Ein Chadra-Fan - ein kleiner, pelziger Humanoider mit großen Augen und Ohren - beaufsichtigte sie dabei. Er bemerkte den Lamproid nicht, bis dieser sich direkt hinter ihm befand, und auch jetzt schien er nicht dessen Präsenz zu spüren, sondern nur durch das schleifende Geräusch des Büchercontainers auf ihn aufmerksam zu werden. Er wandte sich um und musterte Chiffith sowie dessen Gepäckstück kurz.
»Ah, das müssen die Schriften sein, auf die ich gewartet habe«, sagte der Chadra-Fan.
Zu Chiffiths Erstaunen schien er keineswegs beunruhigt zu sein über den Anblick des Lamproids. Das war bei Humanoiden, besonders bei den kleinsten unter ihnen, sehr ungewöhnlich.
»Ich komme von Lo-Tsodnuth«, erklärte er abermals. »Ich soll die Ladung überprüfen und bewachen.«
Auch der Chadra-Fan nahm zunächst das Datapad entgegen und studierte es. Ihm schien das Lesen ebenso wenig Schwierigkeiten zu bereiten wie der Menschenfrau unten im Archiv. Chiffith wurde bewusst, wie begrenzt seine eigenen Fähigkeiten im Umgang mit Schrift waren.
»Ah, ja... Scheint alles seine Richtigkeit zu haben. Du heißt also Chiffith, nicht wahr? Ich bin Keshi Quiss, die Pilotin dieses Schiffs.«
Also handelte es sich um ein weibliches Exemplar dieser Spezies. Der Jünger hatte dies an ihrer äußeren Erscheinung nicht erkannt.
»Du bist ein Lamproid, nicht wahr? Ich habe zwei von deiner Art auf Nal Hutta getroffen. Sie hießen Ticen und Hannaar. Kennst du sie zufällig?«
»Nein«, fauchte Chiffith kurz angebunden. Ihm war nicht nach Smalltalk. »Ich bin hier um einen Auftrag zu erfüllen.«
»Natürlich, klar. Es ist alles an Bord, bis auf die Schriften. Warte, ich fasse mit an... wir stellen sie zu den anderen. So, hier ist das Frachtregister. Du kannst es mit deiner Liste abgleichen. Außerdem ist jeder der Behälter beschriftet und du kannst auch hinein sehen. Aber verpacke alles wieder ordentlich, wir wissen ja nicht wie holprig der Flug wird.«
Chiffith knurrte nur. Er nahm sich die beiden Schriftstücke vor und verglich die Schriftzeichen mit denen auf den Kisten. Das dauerte eine beträchtliche Zeit. Auch warf er einen Blick in die verschiedenen Behälter (wobei sich zeigte, dass manche der Verschlüsse für humanoide Hände gemacht waren, und nicht für seine Klauen), doch das brachte wenig. Denn der Lamproid hatte keine Ahnung, wie eine Emittermatrix, Fokussierlinsen, eine negativ geladene Fluxblende oder eine Aggregatorbefestigung auszusehen hatte und wie man Verdichtungskristalle von adeganischen Kristallen unterschied. Auch die verschiedenen Droiden, die deaktiviert an der Wand hockten, konnte er ihren Typenbezeichnungen nicht zuordnen. Also musste er sich ohne jede Kontrollmöglichkeit darauf verlassen, dass die Beschriftungen stimmten, und sich damit begnügen, dass zu jedem Punkt auf der Liste ein scheinbar passender Gegenstand vorhanden war - ob richtig oder nicht.
»Alles in Ordnung?« fragte Keshi Quiss. »Können wir aufbrechen? Ich habe einen Flugplan einzuhalten, weißt du...«
»Ja, schon gut«, zischte Chiffith ungehalten. Ihm war die Gesellschaft der Chadra-Fan schon jetzt unangenehm. Sie redete einfach zuviel. »Wir starten.«
Keshi Quiss trat durch eine Verbindungstür ins Cockpit des Frachters, wo bereits ein Droide auf dem Copilotensitz wartete und die Checkliste für den Start abarbeitete. Es dauerte nicht lange, bis sich das Schiff in die Lüfte erhob und zügig an Höhe gewann.
[Bastion | Luftraum | Frachtschiff ›Silver Starlet‹] Chiffith mit Keshi Quiss (NPC)
[OP:] Weiter im Thema ›Weltraum (Imperium)‹