Darth Sting
Kreatur der Finsternis
Bastion | Bastion Center | Sith-Tempel | Domäne des Imperators | Thronsaal] Chiffith, Darth Allegious
Sobald Chiffith eingetroffen war, schickte der Imperator alle anderen Personen nach draußen. Das konnte etwas Schlechtes oder etwas Gutes bedeuten. Der Lamproid wusste einfach nicht, was auf ihn zu kam. Doch auch als die Portale sich schlossen, machte sein Meister keine Anstalten, ihn zu züchtigen oder gar zu töten. Offenbar war also Darth Allegious' Urteil über den Ausgang des Kampfes gnädiger ausgefallen, als Chiffiths Phantasie sich ausgemalt hatte. Mit den ersten Sätzen seiner Antwort betonte der Herrscher sogar, dass es keine Möglichkeit gegeben hätte, Jolina zu besiegen. So gesehen hatte er also alles geleistet, was von ihm verlangt worden war. Doch warum hatte das nicht ausgereicht? Und warum war es ihm, ganz entgegen Allegious' Vermutung, nicht klar gewesen, wie aussichtslos die Sache gewesen war? Der Lamproid hatte auf seine Stärke und Schnelligkeit gesetzt, die ihn Menschen und anderen Humanoiden deutlich überlegen machte. Und eine Weile hatte es so ausgesehen, als hinge Jolinas Leben am seidenen Faden. Doch letztlich war die Lage von einem Moment auf den anderen umgeschlagen, als es der Sith gelungen war, in seinen Geist einzudringen. Von diesem Zeitpunkt an war er wohl tatsächlich chancenlos gewesen. Ihm wurde bewusst, dass es in diesem Kampf nicht auf seine Kraft oder sein Gift angekommen war. In den Kämpfen gegen Darth Baal und Lady Kezia waren die Rahmenbedingungen andere gewesen: In beiden Fällen war die Kampfsituation unüberschaubarer gewesen. Er hatte Verbündete gehabt, die verhindert hatten, dass der mächtige Gegner sich allein auf ihn konzentrierte. Ein Getümmel war entstanden, in dem er seine Fähigkeiten voll ausspielen konnte - was letzten Endes zum Sieg geführt hatte. Siege, die in beiden Fällen nicht sein alleiniger Verdienst gewesen waren, sondern eine Teamleistung. Doch nun hatte er sich einem direkten Vergleich gegen jemanden stellen müssen, der zwar körperlich schwächer, doch wesentlich mächtiger war. Und die Überlegenheit in der Beherrschung der Dunklen Seite hatte seine überragenden körperlichen Fähigkeiten einfach hinweggeschwemmt. Imperator Allegious hatte natürlich Recht mit seinen Worten: Er war chancenlos gewesen.
Er erkannte nun den Irrtum, den er seit seinem ersten Tag in diesem Tempel mit sich herumgetragen hatte. Er hatte sich stets an Siegen gemessen, die er gegen scheinbar überlegene Gegner eingefahren hatte. Er hatte Wookiees und Chevins die Knochen gebrochen, hatte Rakghouls mit seinen Klauen zerfleischt, bewaffnete Trandoshaner gejagt wie harmloses Niederwild. Er hatte sich auf mehreren Welten die übelsten, verrufensten Kreaturen ausgesucht und sie zum Kampf herausgefordert. Und auf Florn war er ein Schlächter unter Seinesgleichen gewesen. In vielen dieser Kämpfe hätten die Wetten sicher gegen ihn gestanden, doch er hatte es gewagt, hatte seinen Vorteil genutzt und letztlich triumpfhiert. Über viele Jahre hinweg hatte er auf diese Weise Erfahrungen gesammelt und seine Kampf- und Jagdinstinkte waren gereift. Sie waren mit ihm gewachsen und er mit ihnen. Als er in den Sith-Tempel gekommen war, hatte er sich weiterhin von ihnen leiten lassen, hatte seine Entscheidungen von seinen Trieben abhängig gemacht und seine Erfahrungen in Hunderten blutigen Kämpfen als Maßstab angelegt. Natürlich war ihm klar gewesen, dass die Macht eine zusätzliche Variable war, die seine Rechnung beeinflusste. Aber Jolina und Darth Allegious hatten ihm mit dieser Demonstration seiner Unterlegenheit nun klargemacht, dass die Macht hier die einzige Variable war, auf die es ankam! Was nützte es, das fürchterlichste Monstrum auf dem Planeten Bastion zu sein, wenn ein schwaches menschliches Wesen so einfach die Kontrolle übernehmen konnte? Gegenüber einer Gegnerin wie der ›Tochter‹ des Imperators waren seine Muskeln und Sehnen nichts. Nur die Kraft seines Geistes war der Maßstab. Und die war, das musste er sich eingestehen, kaum der Rede wert.
Es war eine erschütternde, tiefgreifende Erkenntnis, die etwas in Chiffith zerbrechen ließ. Sein Selbstbild stürzte in sich zusammen. Er war nicht der, für den er sich selbst unter der Knute von Darth Draconis, auf Reisen mit Janus Sturn und in Gefangenschaft bei Darth Baal gehalten hatte. Er war nicht Chiffith, der schreckliche Lamproid, den alle - selbst seine Herren und Meister - fürchten sollten. Er war Chiffith, der Schüler - einer unter Tausenden, die noch ganz am Anfang eines Weges standen, den zu vollenden den meisten die Kraft fehlte. Er war, ebenso wie jeder andere, auf Unterstützung und Förderung durch Mächtigere angewiesen. Nicht, wie er geglaubt hatte, um von diesen an den Platz gesetzt zu werden, der ihm ohnehin zustand. Sondern um sich einen Platz zu verdienen und gelegentlich daran erinnert zu werden, wo er sich derzeit befand. Ganz unten. Diese Erinnerung hatte er nun durch seinen neuen Lehrmeister erhalten. Eigentlich sollte er dafür dankbar sein.
Um diese Gefühle und Erkenntnisse auszudrücken, fehlte es Chiffith am nötigen Vokabular. Sowohl in der Sprache der Menschen als auch in seiner eigenen - es gab Gelehrte und Philosophen unter den Lamproiden, doch er hatte nie zur geistigen Elite gehört. Im Umgang mit dem Galactic Basic Standard war er sogar vom Durchschnitt noch ein ganzes Stück entfernt. Aber wahrscheinlich war es gar nicht nötig, große Worte zu machen. Er zweifelte nicht daran, dass Darth Allegious genau wusste, was in ihm vorging. Vielleicht besser als er selbst.
Der Imperator schien indes auch gar keine Antwort von ihm zu erwarten. Er sprach weiter und forderte Chiffith auf, sich mit ihm an die Stufen des Thrones zu setzen. Selbst ihm, der in gesellschaftlicher und höfischer Etikette überhaupt nicht bewandert war, kam es ein wenig merkwürdig vor, sich mit dem Ersten der Sith auf den Boden zu hocken. Doch er tat, was ihm befohlen worden war, und rollte seinen Leib zu etwas zusammen, das einer sitzenden Haltung so weit ähnelte, wie es ihm anatomisch möglich war. Ein rundes Knäuel aus grauer, narben- und sehnendurchzogener Haut, auf dem seine Krallen ruhten und aus dem Hals und Kopf hervorragten. Darth Allegious saß ihm gegenüber wie ein Gleichgestellter - das mochte nicht zu seiner neuen Erkenntnis seiner neu gelernten Demut passen.
So gut er konnte, folgte Chiffith den Anweisungen seines Herrn und Meisters. Er begann damit, sich selbst durch die Macht zu anzusehen. Das hatte er noch nie getan - nicht bei sich selbst. Die Auren und Abbilder anderer hatte er schon mehrfach betrachtet, doch es war das erste Mal, dass er sich selbst auf diese Weise sah. Früher hätte es vielleicht gar nichts genützt: Das Bild wäre überlagert worden von der übersteigerten Vorstellung, die er von sich selbst hatte. Sein Ego hätte es ihm unmöglich gemacht, sich nüchtern und objektiv zu bewerten. Das hatte sich soeben geändert. Dadurch sah er sich zum ersten Mal so, wie andere Sith ihn sahen. Dass er dabei nicht die Aura eines furchteinflößenden Gegners sah, sondern die eines gewöhnlichen Schülers, die lediglich im Gewand einer schlangenartigen Monstrosität steckte, konnte ihn nun nicht mehr überraschen. Sich vorzustellen, dass diese Aura noch weiter schrumpfte, war im Moment wirklich einfach - es entsprach ganz und gar seiner aktuellen Stimmung. Etwas überrascht war er jedoch darüber, dass es in dem Moment, in dem er es dachte, auch tatsächlich geschah. Mit seinen eigenen Machtsinnen konnte er sehen, wie seine Präsenz in sich zusammensank. Als könne sich ein Kadaver im Zeitraffer dabei zusehen, wie er unter gnadenloser Wüstensonne verschrumpelte. Doch wenn die Worte des Imperators stimmten (woran der Lehrling nicht zweifelte), dann war alles, was seine Präsenz ausmachte, noch immer da - nur war es verkleinert und schwerer zu erkennen. Fasziniert beobachtete er das Ergebnis. Ihm wurde nun klar, wieso es ihm so schwer fiel, die Ausstrahlung mächtigerer Sith wahrzunehmen, während es bei Schülern und Jüngern so einfach war. Hätte er schon über diese Fähigkeit verfügt, als Allegious ihn und Jolina zum Kampf aufgefordert hatte, wäre es ihr möglicherweise nicht ganz so leicht gefallen, in sein Bewusstsein vorzudringen. Und auch seine Attacken wären vielleicht nicht allesamt ins Leere gegangen. Seine Absichten mussten ja in der Macht gestrahlt haben wie ein Leuchtfeuer!
Dasselbe tat nun auch der Imperator. Er ließ seine Abschirmung fallen, seine Präsenz breitete sich aus. Auch als sie noch auf einen molekülgroßen Punkt konzentriert gewesen war, hatte seine Gegenwart noch ausgereicht, um Chiffith Respekt einzuflößen. Doch nun, als sie sich vor ihm entfaltete, war Allegious' Größe einfach nur überwältigend. Chiffith musste sich Mühe geben, nicht dem Entsetzen nachzugeben, das sich in ihm auszubreiten drohte, als er die fürchterliche Macht des Herrschers der Galaxie nun so unverschleiert vor sich sah. Unzählige Eindrücke brandeten auf ihn ein. Gefühle nie gekannter Intensität. Bilder, Geräusche und Gerüche aus der Vergangenheit. Worte und Namen. Wahrnehmungen, für die er gar keine Worte kannte, weil sie Sinnen entstammten, über die er gar nicht verfügte. Und über allem lag ein tiefdunkler Schatten aus schierer Macht und... etwas, das manche als Wahnsinn und andere (oder vielleicht auch dieselben) als Genialität bezeichnet hätten. Das also war das wahre Wesen des Imperators, vor dem die Galaxis erzitterte und mächtige Lords der Sith sich in den Staub warfen. Sie taten gut daran!
Was der Wurm wahrnahm, schien jedoch absolut chaotisch. Er konnte eine Ordnung bestenfalls erahnen, sie aber nicht erkennen. So wie man im Gewirr eines Dschungels zwar wusste, dass jeder Zweig und jedes Blatt miteinander verwachsen waren und sich zu einem Stamm und einer Wurzel zurückverfolgen ließen, aber sehen konnte man es nicht, solange man sich nicht durch das üppige grüne Durcheinander wühlte. So verhielt es sich hier - nur hatte Chiffith nicht die Zeit, um nach Zusammenhängen zu suchen, die er vielleicht gar nicht verstanden hätte. Ohnehin wusste er ja nicht, wonach er eigentlich suchte. Also griff er einfach zu: Er konzentrierte sich auf das nächste Bild, das sich vor ihm auftat, und versuchte, es sich einzuprägen.
Dann entglitt ihm das Bild wieder. Wie die Szene weiter ging, konnte er nicht erkennen. Oder vielleicht endete dieser Erninnerungsfetzen auch hier, und um mehr zu erfahren, hätte man an anderer Stelle suchen müssen. Aber Chiffith hatte genug. Er kannte eine kleine Begebenheit aus Darth Allegious' Vergangenheit. Auch wenn sich der Kontext nicht erschloss, er konnte beweisen, dass es ihm gelungen war, die Gedanken seines Meisters zu lesen, wie dieser von ihm verlangt hatte. Dass mittlerweile dessen Aura wieder schrumpfte, war eine Erleichterung für den Lamproiden, denn er konnte die finstere Pracht kaum noch ertragen - sie überlastete seinen Geist wie ein überlaufendes Gefäß. Schließlich verschwand die Präsenz des mächtigsten aller Sith wieder in einem kaum wahrnehmbaren Punkt, dessen spürbare Ausstrahlung sich auf jene subtile Einschüchterung beschränkte, die in der Umgebung des Imperators allgegenwärtig war.
Mit zischender stimme ergriff der Apprentice das Wort und fasste zusammen, was er gesehen hatte:
»Es gab eine Menschenfrau namens Alisah. Ihr habt mit ihr gesprochen, hier im Thronsaal. Sie musste in die Kammern Korribans und beweisen, dass sie eine Sith ist.«
Chiffith hoffte, dass das fürs Erste genügte.
»Was ist aus ihr geworden?« wagte er zu fragen.
Bastion | Bastion Center | Sith-Tempel | Domäne des Imperators | Thronsaal] Chiffith, Darth AllegiousEr erkannte nun den Irrtum, den er seit seinem ersten Tag in diesem Tempel mit sich herumgetragen hatte. Er hatte sich stets an Siegen gemessen, die er gegen scheinbar überlegene Gegner eingefahren hatte. Er hatte Wookiees und Chevins die Knochen gebrochen, hatte Rakghouls mit seinen Klauen zerfleischt, bewaffnete Trandoshaner gejagt wie harmloses Niederwild. Er hatte sich auf mehreren Welten die übelsten, verrufensten Kreaturen ausgesucht und sie zum Kampf herausgefordert. Und auf Florn war er ein Schlächter unter Seinesgleichen gewesen. In vielen dieser Kämpfe hätten die Wetten sicher gegen ihn gestanden, doch er hatte es gewagt, hatte seinen Vorteil genutzt und letztlich triumpfhiert. Über viele Jahre hinweg hatte er auf diese Weise Erfahrungen gesammelt und seine Kampf- und Jagdinstinkte waren gereift. Sie waren mit ihm gewachsen und er mit ihnen. Als er in den Sith-Tempel gekommen war, hatte er sich weiterhin von ihnen leiten lassen, hatte seine Entscheidungen von seinen Trieben abhängig gemacht und seine Erfahrungen in Hunderten blutigen Kämpfen als Maßstab angelegt. Natürlich war ihm klar gewesen, dass die Macht eine zusätzliche Variable war, die seine Rechnung beeinflusste. Aber Jolina und Darth Allegious hatten ihm mit dieser Demonstration seiner Unterlegenheit nun klargemacht, dass die Macht hier die einzige Variable war, auf die es ankam! Was nützte es, das fürchterlichste Monstrum auf dem Planeten Bastion zu sein, wenn ein schwaches menschliches Wesen so einfach die Kontrolle übernehmen konnte? Gegenüber einer Gegnerin wie der ›Tochter‹ des Imperators waren seine Muskeln und Sehnen nichts. Nur die Kraft seines Geistes war der Maßstab. Und die war, das musste er sich eingestehen, kaum der Rede wert.
Es war eine erschütternde, tiefgreifende Erkenntnis, die etwas in Chiffith zerbrechen ließ. Sein Selbstbild stürzte in sich zusammen. Er war nicht der, für den er sich selbst unter der Knute von Darth Draconis, auf Reisen mit Janus Sturn und in Gefangenschaft bei Darth Baal gehalten hatte. Er war nicht Chiffith, der schreckliche Lamproid, den alle - selbst seine Herren und Meister - fürchten sollten. Er war Chiffith, der Schüler - einer unter Tausenden, die noch ganz am Anfang eines Weges standen, den zu vollenden den meisten die Kraft fehlte. Er war, ebenso wie jeder andere, auf Unterstützung und Förderung durch Mächtigere angewiesen. Nicht, wie er geglaubt hatte, um von diesen an den Platz gesetzt zu werden, der ihm ohnehin zustand. Sondern um sich einen Platz zu verdienen und gelegentlich daran erinnert zu werden, wo er sich derzeit befand. Ganz unten. Diese Erinnerung hatte er nun durch seinen neuen Lehrmeister erhalten. Eigentlich sollte er dafür dankbar sein.
Um diese Gefühle und Erkenntnisse auszudrücken, fehlte es Chiffith am nötigen Vokabular. Sowohl in der Sprache der Menschen als auch in seiner eigenen - es gab Gelehrte und Philosophen unter den Lamproiden, doch er hatte nie zur geistigen Elite gehört. Im Umgang mit dem Galactic Basic Standard war er sogar vom Durchschnitt noch ein ganzes Stück entfernt. Aber wahrscheinlich war es gar nicht nötig, große Worte zu machen. Er zweifelte nicht daran, dass Darth Allegious genau wusste, was in ihm vorging. Vielleicht besser als er selbst.
Der Imperator schien indes auch gar keine Antwort von ihm zu erwarten. Er sprach weiter und forderte Chiffith auf, sich mit ihm an die Stufen des Thrones zu setzen. Selbst ihm, der in gesellschaftlicher und höfischer Etikette überhaupt nicht bewandert war, kam es ein wenig merkwürdig vor, sich mit dem Ersten der Sith auf den Boden zu hocken. Doch er tat, was ihm befohlen worden war, und rollte seinen Leib zu etwas zusammen, das einer sitzenden Haltung so weit ähnelte, wie es ihm anatomisch möglich war. Ein rundes Knäuel aus grauer, narben- und sehnendurchzogener Haut, auf dem seine Krallen ruhten und aus dem Hals und Kopf hervorragten. Darth Allegious saß ihm gegenüber wie ein Gleichgestellter - das mochte nicht zu seiner neuen Erkenntnis seiner neu gelernten Demut passen.
So gut er konnte, folgte Chiffith den Anweisungen seines Herrn und Meisters. Er begann damit, sich selbst durch die Macht zu anzusehen. Das hatte er noch nie getan - nicht bei sich selbst. Die Auren und Abbilder anderer hatte er schon mehrfach betrachtet, doch es war das erste Mal, dass er sich selbst auf diese Weise sah. Früher hätte es vielleicht gar nichts genützt: Das Bild wäre überlagert worden von der übersteigerten Vorstellung, die er von sich selbst hatte. Sein Ego hätte es ihm unmöglich gemacht, sich nüchtern und objektiv zu bewerten. Das hatte sich soeben geändert. Dadurch sah er sich zum ersten Mal so, wie andere Sith ihn sahen. Dass er dabei nicht die Aura eines furchteinflößenden Gegners sah, sondern die eines gewöhnlichen Schülers, die lediglich im Gewand einer schlangenartigen Monstrosität steckte, konnte ihn nun nicht mehr überraschen. Sich vorzustellen, dass diese Aura noch weiter schrumpfte, war im Moment wirklich einfach - es entsprach ganz und gar seiner aktuellen Stimmung. Etwas überrascht war er jedoch darüber, dass es in dem Moment, in dem er es dachte, auch tatsächlich geschah. Mit seinen eigenen Machtsinnen konnte er sehen, wie seine Präsenz in sich zusammensank. Als könne sich ein Kadaver im Zeitraffer dabei zusehen, wie er unter gnadenloser Wüstensonne verschrumpelte. Doch wenn die Worte des Imperators stimmten (woran der Lehrling nicht zweifelte), dann war alles, was seine Präsenz ausmachte, noch immer da - nur war es verkleinert und schwerer zu erkennen. Fasziniert beobachtete er das Ergebnis. Ihm wurde nun klar, wieso es ihm so schwer fiel, die Ausstrahlung mächtigerer Sith wahrzunehmen, während es bei Schülern und Jüngern so einfach war. Hätte er schon über diese Fähigkeit verfügt, als Allegious ihn und Jolina zum Kampf aufgefordert hatte, wäre es ihr möglicherweise nicht ganz so leicht gefallen, in sein Bewusstsein vorzudringen. Und auch seine Attacken wären vielleicht nicht allesamt ins Leere gegangen. Seine Absichten mussten ja in der Macht gestrahlt haben wie ein Leuchtfeuer!
Dasselbe tat nun auch der Imperator. Er ließ seine Abschirmung fallen, seine Präsenz breitete sich aus. Auch als sie noch auf einen molekülgroßen Punkt konzentriert gewesen war, hatte seine Gegenwart noch ausgereicht, um Chiffith Respekt einzuflößen. Doch nun, als sie sich vor ihm entfaltete, war Allegious' Größe einfach nur überwältigend. Chiffith musste sich Mühe geben, nicht dem Entsetzen nachzugeben, das sich in ihm auszubreiten drohte, als er die fürchterliche Macht des Herrschers der Galaxie nun so unverschleiert vor sich sah. Unzählige Eindrücke brandeten auf ihn ein. Gefühle nie gekannter Intensität. Bilder, Geräusche und Gerüche aus der Vergangenheit. Worte und Namen. Wahrnehmungen, für die er gar keine Worte kannte, weil sie Sinnen entstammten, über die er gar nicht verfügte. Und über allem lag ein tiefdunkler Schatten aus schierer Macht und... etwas, das manche als Wahnsinn und andere (oder vielleicht auch dieselben) als Genialität bezeichnet hätten. Das also war das wahre Wesen des Imperators, vor dem die Galaxis erzitterte und mächtige Lords der Sith sich in den Staub warfen. Sie taten gut daran!
Was der Wurm wahrnahm, schien jedoch absolut chaotisch. Er konnte eine Ordnung bestenfalls erahnen, sie aber nicht erkennen. So wie man im Gewirr eines Dschungels zwar wusste, dass jeder Zweig und jedes Blatt miteinander verwachsen waren und sich zu einem Stamm und einer Wurzel zurückverfolgen ließen, aber sehen konnte man es nicht, solange man sich nicht durch das üppige grüne Durcheinander wühlte. So verhielt es sich hier - nur hatte Chiffith nicht die Zeit, um nach Zusammenhängen zu suchen, die er vielleicht gar nicht verstanden hätte. Ohnehin wusste er ja nicht, wonach er eigentlich suchte. Also griff er einfach zu: Er konzentrierte sich auf das nächste Bild, das sich vor ihm auftat, und versuchte, es sich einzuprägen.
Allegious entließ den Thron aus seinen Ketten und stieg die Treppen herab. Er lachte während er ausatmete. Kein schallendes Gelächter- eher ein solches bei dem man nicht eindeutig unterscheiden konnte ob es durch einen Hustenreiz ausgelöst worden war, oder er immer so lachte. Mit einem Handzeig öffnete er die Tore des Thronsaales. Alisah wandte ihm den Kopf hinterher. Gerade als er ihre Höhe passierte, ertönte seine Stimme, die aus dem hüstenden Lachen direkt in seinen dunkle Stimme überging.
»Ich werde Euch bestrafen, kleine Närrin. Ihr werdet die Kammern Korribans passieren. Wenn Ihr wirklich eine Sith seid, wie Ihr behauptet, werdet Ihr bestehen, wenn nicht- hatte ich recht gehabt.«
Dann entglitt ihm das Bild wieder. Wie die Szene weiter ging, konnte er nicht erkennen. Oder vielleicht endete dieser Erninnerungsfetzen auch hier, und um mehr zu erfahren, hätte man an anderer Stelle suchen müssen. Aber Chiffith hatte genug. Er kannte eine kleine Begebenheit aus Darth Allegious' Vergangenheit. Auch wenn sich der Kontext nicht erschloss, er konnte beweisen, dass es ihm gelungen war, die Gedanken seines Meisters zu lesen, wie dieser von ihm verlangt hatte. Dass mittlerweile dessen Aura wieder schrumpfte, war eine Erleichterung für den Lamproiden, denn er konnte die finstere Pracht kaum noch ertragen - sie überlastete seinen Geist wie ein überlaufendes Gefäß. Schließlich verschwand die Präsenz des mächtigsten aller Sith wieder in einem kaum wahrnehmbaren Punkt, dessen spürbare Ausstrahlung sich auf jene subtile Einschüchterung beschränkte, die in der Umgebung des Imperators allgegenwärtig war.
Mit zischender stimme ergriff der Apprentice das Wort und fasste zusammen, was er gesehen hatte:
»Es gab eine Menschenfrau namens Alisah. Ihr habt mit ihr gesprochen, hier im Thronsaal. Sie musste in die Kammern Korribans und beweisen, dass sie eine Sith ist.«
Chiffith hoffte, dass das fürs Erste genügte.
»Was ist aus ihr geworden?« wagte er zu fragen.