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Ruul
Gast
Mit Hingabe hatte sich der Duros in die Aufgabe zur Kontrolle der Ausrüstung gestürzt, kaum dass die Schülerin von Darth Draconis ihm die Erlaubnis gegeben hatte. Die folgenden Momente verschwanden im einem Nebel der frommen Akribie, in denen Ruul seine Umgebung gänzlich vergaß. Alle Gedanken an Intrigen, eine mögliche kämpferische Auseinandersetzung, an Gunst und Missgunst waren vergessen. Die Überprüfung des Equipments füllte sein ganzes Dasein aus. Auch als er schon längst fertig war, der Sith-Lord zurückkehrte und die gesammelte Expedition zur Eile antrieb, wanderte der Geist des Nichtmenschen in ferne Gestade. Er sinnierte über Energiespulen, Halbleiter, Stromkreise und Hydrospanner. Dessen physische Manifestation befingerte der Duros unentwegt in der Tasche seiner Ordensmontur. Die dadurch erzeugte Ablenkung ging auch mit einem gewissen Sicherheitsgefühl einher.
Ruul bekam vom kurzen Flug hinab zu den unteren Hangar-Etagen kaum etwas mit. Wie ein seelenloser Beherrschter reagierte sein körperliches Dasein bloß auf die Vibrationen des Raumgefährts. Als die anderen Jünger die Ausrüstung zusammenklaubten, schlurfte er wie in Trance dahin, griff sich all das, was er seiner Meinung nach zu tragen hatte und folgte dienstbar dem Tross. Als sie sich jedoch den untersten Etagen des Ordensgebäudes näherten, wurde ihm mulmig. Mehr noch, seine Eingeweide fühlten sich an, als würden sie in eine gewaltige Presse gezwängt. Es war kein großer Schmerz, aber ein beklemmender Druck, der sich ausbreitete. Sein Schädel drohte ihm auf den Schultern zu bersten - zumindest nagte die Sorge davor an ihm. Und dann nahm er auch optische Grausamkeiten bisher ungekannten Ausmaßes wahr: Die schrecklichen Figuren, die garstigen Statuen.
Sein Mund trocknete von einem Moment auf den anderen aus, seine Augen begannen zu tränen. Eine kalte Zwinge legte sich förmlich um seinen Hals. Ruul dräute ein nahes Übel. Es war so unendlich falsch hinab in diese tödliche Finsternis zu steigen. Alles in ihm schrie danach diesen Ort so schnell es ging zu verlassen. Sogar die innere Stimme schwieg. Kein Wort von Reparaturen mehr, von der Grausamkeit der Sith. Alle seine Sinne schrillten warnend in der ihnen zur Verfügung stehende Weise auf. Dennoch führte Draconis sie hinab in die Schwärze. In die Nicht-Existenz. In das Gegenteil des lebenden Seins. Ruul atmete stockend, seine Finger krallten sich in die Werkzeuge in seinen tiefen Taschen. Die Nägel schabten über das Metall der Gegenstände. Deren Wärme ließ nach.
Schritt um Schritt folgte er dem großen Sith. Seinen Blick senkte er, starrte nur auf die eigenen Füße. Für Seitenblicke fehlte dem Duros der Mut. Aus den Augenwinkel jedoch erahnte er die Obskurität dieser Stätte. Er befürchtete, dass all die schemenhaften Schädel, die er hier wähnte, früher einmal lebendige Besitzer hatten. Ein Mausoleum also, eine Nekropole. Eine Schädelstätte. Ein Ort des Todes. Hier wurde das Nichtleben zelebriert und lobgepriesen. Dem Duros wurde schwindelig, doch er musste sich zusammenreißen. Hier in blanke Panik zu verfallen hieß alles Ansehen zu verlieren. Er durfte nicht scheitern. Er musste weitermachen. Wo war nur die innere Stimme? Wieso lenkte sie ihn nicht ab? Wozu konnte er sie brauchen, wenn sie ihm nicht half?
Als der Slicer etwas anmerkte schwieg der Duros, was gut war, denn der Houk herrschte den Menschen an. Die Stimme des Riesen war knorrig und knackte wie ein brechender Ast. Doch an diesem Ort war es das Übel von geringstem Ausmaße. Diese sinistren Gänge - wurden sie enger? - hatten ein Eigenleben. Ruul hatte den Eindruck, als würden gestaltlose Hände nach ihm greifen .. nach seinem Körper, seinem Geist, seiner Essenz. Er wankte, als er ausweichen wollte. Doch rasch schon bemerkte er die Sinnlosigkeit dieses Tuns. Keine körperliche Macht wollte seiner habhaft werden, sondern eine allgegenwärtige Präsenz. Es war ein Ort der puren Bösartigkeit. Hier gedieh' lediglich Düsternis. Hier wurde Unbill geboren. Der Duros konzentrierte sich auf seine Schritte, begann sie in einem Rythmus zu zählen und diesem Takt dann zu folgen. Das half - ein wenig. Sein Fokus galt nur dem Schritttempo, der geräuschvollen Abfolge .. doch dann brachte ihn Stimmengeflüster aus dem Konzept. Wisperte jemand seinen Namen? Nein, woher sollten SIE ihn kennen? Unmöglich. Er war ein unbedeutender, technikbegabter Jünger eines Ordens, dessen Mitglied er eigentlich gar nicht sein wollte. Er war nicht hier um Macht zu erlangen. Er war hier, weil JEMAND etwas in ihm gesehen hatte, das er nicht war. Ruul liebte Greifbares. Mechanisches. Nicht unstoffliche Ideale oder mystisches Werken.
Das Flackern der Fackeln, die hier als Lichtquelle fungierten, tat ein Übriges zum schaurigen Spektakel bei. Überall ahnte man dunkle Gestalten, meinte finstere Figuren zu entdecken. Und doch war es ein Spiel der Schatten, ein namenloses Tun der Schemen. Es war markerschütternd und surreal. Es war das komplette Gegenteil von all dem, was der Duros mochte. Dies hier war seine ganz persönliche Hölle. Sollte es eine Form der Verdammnis geben, so sah sie EXAKT SO aus!
Das Sammelsurium an Schrecknissen, die Schädel, die Finsternis, die Übelkeit erzeugenden Gerüche, die Einflüsterungen aus dem Nichts, all das war purer Horror. Ruul stand kurz vor einem Zusammenbruch. Das Einwirken solch düsterer Fährnisse auf solch mannigfaltige Weise rüttelte an den Grundfesten seiner Weltordnung. Es war Marter in ihrer rohesten Form.
Seine Aufmerksamkeit galt wieder den Schritten, der Schrittfolge, den daraus resultierenden Geräuschen. Dennoch nahm er immer wieder diese lachenden Schädelfratzen im unstet flackernden Licht der Fackeln wahr. Sie verhöhnten ihn. Sie, die längst dahingesiecht waren, wagten es zu spotten. Obschon sie im Tode nur noch dazu dienten anderen Leid zuzufügen, erfüllten sie ihren Zweck mit mehr Hingabe als der Duros. Er klammerte sich förmlich an ihm bekannte Strukturen. Er suchte Schutz, Sicherheit und Bequemlichkeit. Sie hingegen, jene die ihr Ende fanden und zu abschreckendem Wandschmuck wurden, erreichten durch ihr Tun einen neuen Nutzen. Im Leben möglicherweise ungewollt, verjagten sie im Leben danach die Hasenfüßigen und Weichbeherzten. Die Feiglinge eben. Wesen wie Ruul. Ein einzelnes, beinernes Haupt reichte also aus, um den Duros in die Flucht zu treiben ...
NEIN! Er würde hier nicht aufgeben. Er musste durchhalten, trotz der Bedrohungen. Auch wenn er die Gegenwart des Todes förmlich schmecken konnte, er durfte nicht aufgeben. Nicht, nachdem er am heutigen Tag schon so viel erreicht hatte! Seine rechte Hand klammerte sich um den Hydrospanner. Er war der technische Leiter der Expedition. Er musste weitermachen ...