[Orbit um Byss - ISDII Nir'Taj - Janems Quartier - Meditationskammer] Menari, Vincent
Solche innere Ruhe hatte er schon lange nicht mehr gespürt, nicht einmal als seine Eltern noch lebten, doch dieser Gedanke entfleuchte ihm immer wieder, was ihn im Moment aber eher erfreute als belastete. Es war seltsam sich einfach in der Macht treiben und von jemandem führen zu lassen. Er wusste, dass Menari ihm in diesem Moment jeden einzelnen und noch so intimen Gedanken entreisen könnte und noch dazu ohne sein Wissen. Es war also viel mehr eine Vertrauensübung als ein Machttraining und es fiel ihm schwer sich einem Sithlord anzuvertrauen, der ihn mit einem einzigen Gedanken im wahrsten Sinne des Wortes in den Wahnsinn treiben konnte. Irgendwie zwang er sich dazu es trotzdem zu tun und nach kurzer Zeit hatte er seine Befangenheit überwunden, lies sich vollkommen von seinem Meister führen.
Unglaublich und unbeschreiblich waren wohl die Begriffe, die das von ihm in diesem Moment empfunden Gefühl am präziesesten umschrieben, aber wirklich erklären lies es sich mit keinem ihm bekannten Wort, nicht einmal in seiner Muttersprache, welche noch viel detailliertere Begriffe beinhaltete um Gefühle zu umreisen. Als geeignetster Vergleich erschien ihm wohl eine noch nicht allzu ferne Erinnerung, das Gefühl wenn er auf Fresia, seiner zweiten Heimat, das Wasser des Ozeans auf seiner Haut prickeln fühlte. So wie er im kühlen Nass des Planeten umhergetrieben war, so fühlte sich auch die Macht an. Es war nicht wirklich so als könnte er die Macht fühlen, vielmehr erahnte er sie, denn sie war nichts Materielles und so blieb ihm nur der Glaube sie spüren zu können. Auch verlies sein Geist nicht wirklich seinen Körper, da er an den Neopositivismus glaubte missfiel ihm diese Formulierung sowieso, aber anders lies sich dieses Erlebnis wohl nicht beschreiben, sondern dehnte sich darüber hinaus und sprengte die Grenzen des Physischen, was ihm erlaubte sein Bewusstsein auszuweiten wie eine sich in alle Dimensionen ausbreitende Sphäre, die nicht begrenzt ist durch Gesetze wie die der Schwerkraft oder der Masse.
Während er sich so treiben lies schlich sich ein neues Gefühl in sein Bewusstsein, die Erkenntnis. Er erkannte zum ersten mal in seinem nun mehr nichtig erscheinenden Leben die ganze Wahrheit, das allumfassende Wissen um das Universum. Es war als könnte er teilhaben an allen Prozessen, die darin abliefen, Teil davon sein und nicht nur stiller Beobachter, wie es die durch körperlich bedingte Aspekte beschränkten Lebewesen waren. Es wurde so unendlich viel Wissen bereitgehalten für ein so kleines Nichts wie ihn und genau deshalb war er dazu verdammt alles Wissen vor sich ausgebreitet zu sehen, danach greifen zu können, doch es sofort wieder vergessen zu müssen um nicht dem Wahnsinn anheim zu fallen. Es waren schlichtweg zu viele Informationen für einen solch kleinen Geist.
Plötzlich fühlte er in seiner tiefsten Trance wie etwas ihn ihm zerbrach. Ein Teil von ihm zerfloss und diffundierte durch die imaginäre Membran seiner Sphäre aus ihm heraus und noch während er dies dachte, wusste er dass es nicht ein Teil von ihm war, sondern das Bewusstsein seines Meisters, welches sich ihm entzog und ihn hilflos zurücklies. Menari zog sich hektisch, fast panisch, aus seinem Geist zurück und sein Unverständnis dafür schürte seine Angst. Wie ein Lauffeuer breitete sie sich in seinem Inneren aus, fraß sich durch jeden Winkel seines Seins und lies ihm metaphorisch gesprochen keinen Platz zum Atmen mehr. Schlimmer als die nun fast schon blanke Panik selbst war nur das mit ihr verbundene Gefühl des totalen Ausgeliefertseins an eine höhere Macht, die er nicht verstand.
Dann wurde er fortgerissen, alles vor ihm zerfiel zu Scherben, wie wenn man einen Spiegel zerbrach, dessen einzelne Splitter jede Facette der Umgebung reflektierten. So wurden auch die Informationen, die ihm entgegenströmten tausendfach gebrochen und verschmolzen zu einer einzigen zähflüssigen Masse mit der sein Verstand nichts anzufangen wusste und sie daraufhin völlig ausschloß. Er glaubte schon verrückt zu werden, als sich das breiige Etwas, in dem er schwamm, zu etwas formte was sein Verstand als logisch erkannte, nämlich Lichtreflexe und irgendwann ein Bild. Zuerst war es nur Schwärze, doch dann, ganz allmählich, schälten sich Konturen aus diesem Nicht heraus und formten Körper, die wiederum langsam an Tiefe gewannen, wie etwas das sich erst entscheiden musste, ob und wenn ja, wie es existieren wollte.
Nach und nach erkannte er was er wirklich sah. Dies musste ein Traum sein, eine Art der eingegebenen Erleuchtung oder auch Vision, beispielsweise der Zukunft beziehungsweise der Vergangenheit. Dieser Gedanke hätte so absurd geklungen, doch unter den gegebenen Umständen erschien er ihm völlig begründet. Auf dieser Astralebene besaß er keinen materiellen Körper, er war nur ein unbeteiligter Beobachter, der ein Szenario miterlebte, dass eigentlich nicht für ihn bestimmt war. Dies war eine Vision seines Meisters und er war unbewusst und ungewollt von ihm gezwungen worden daran teilzuhaben. Am liebsten wäre er geflohen, hätte sich befreit von den Fesseln, die ihn an diese Illusion ketteten, doch wenn er seit Beginn der Trance jemals wirklich ein klein wenig Kontrolle über sich selbst besessen hatte, war ihm jetzt sogar diese abhanden gekommen.
Vor ihm blitzte das surreale Bild eines ihm sehr bekannt erscheinenden Planeten auf, dessen Name ihm im Moment jedoch partout nicht einfallen wollte, über dem im Hintergrund der einztige Todessternes thronte und dabei paradoxerweise völlig fehlplatziert wirkte. Diese künstliche Raumstation utopischer Ausmaße war in Wirklichkeit schon lange von der Rebellenallianz vernichtet worden, was ihm verdeutlichte, dass dies eine längst vergangene, aber offensichtlich noch nicht verblasste Erinnerung seines Meisters sein musste... oder die Vision einer neuen Superwaffe, welche die ganze Galaxie erneut in Angst und Schrecken versetzen mochte und zum wiederholten Male Millionen von Leben kosten könnte.
Seine Aufmerksamkeit wande sich zu dem Raum in dem er sich befand, wohl einem Teil der Brücke eines Sternenzerstörers, von dem er schon zahlreiche Bildern gesehen hatte. Durch ein überdimensionales vieleckiges Glasfenster sah er den Planeten und den synthetisch erschaffenen Trabant vor sich wie zwei Spielbälle, mit dem einzigen Unterschied, dass einer der beiden weder Freude noch Spaß mit sich brachte. Zwei Gestalten standen sich vor ihm gegen und schienen sich im Stillen abzuschätzen, ihn dabei jedoch weder zu bemerken noch eines Blickes zu würdigen, wodurch er sich wieder seiner Körperlosigkeit bewusst wurde. Beide waren Humanoid, hatten einen blauen Hautteint und rote Augen, waren also unverkennbar Chiss, doch es gab noch eine andere unbestreitbare Ähnlichkeit, die sich auf ihre Gesichtspartien bezog. Er kannte sich mit der Anatomie der Chiss nicht sehr gut aus, doch ihr Äußeres unterschied sich von dem der Menschen in nur wenigen Aspekten, und so glaubte er zu erkennen, dass sich ihre Züge zu stark glichen um eine bloße Laune der Natur zu sein. Das erste Wort, das Janem, einer der beiden Gestalten, wie er erst bemerkte, als dieser zu reden began, sprach bestätigte ihn in seiner Annahme. Die beiden waren sich nicht nur annährend ähnlich, die Züge seines Meisters waren genetisch bedingt aus denen des anderen Chiss hervorgegenagen, denn er war sein Vater. Auch die Ausstrahlung der beiden, ihre Auren, schien sich irgendwie auf der gleichen Wellenlänge zu befinden.
Als der andere Chiss nun began zu Sprechen dröhnte die Stimme in seinem Kopf, als wäre es nicht nur eine einzige sondern hunderte, tausende von Stimmen, die sich zu einer vereinigten, so als könnten sie sich nicht entscheiden welche die Rolle des Sprechers übernehmen sollte. Die Laute drangen wegen dieser Mannigfaltigkeit anfangs versetzt an sein Ohr, wurden mit der Zeit jedoch immer konformer, so als müssten sie erst lernen synchron zu klingen, doch schlussendlich waren die Worte klar und deutlich zu verstehen. Menari rechtfertigte sich vor seinem Vater oder besser gesagt vor einem Abbild seines Vaters, denn dies alles musste einfach eine pure Illusion sein. Dieser hingegen machte ihm unablässig Vorwürfe über seine Unbeständigkeit, seinen Verrat und seinen Intrigen, welche angeblich der einzige Grund waren, weshalb er überhaupt an die Macht kam. Dann stieß er ein bösatriges und schadenfrohes Lachen aus, woraufhin seine Stimme brach und erneut in unendlich viele Klänge zerfiel, während der Todesstern im Hintergrund zeitgleich seine grausame Kraft entfaltete und Bastion, so hieß der Planet, schoss es ihm durch den Kopf, in abermillionen kleine Brocken und Staubpartikel zerfetzte.
Alles zerbrach vor seinen Augen, Schwärze umfing ihn und lullte ihn in ihre kalte Umarmung bevor sich sich wieder aus dem innersten seiner Seele zurückzog und ihn in den Strudel aus Informationen zurückschleuderte, in dem er sich ursprünglich befunden hatte. Doch etwas war anders, denn Bilder, denen er sich nicht verschliesen konnte, zuckten an seinem inneren Auge vorbei. Später glaubte er sich an eine dunkle, kathedralenartige Gruft, ein durch ihren Umhang und Kapuze unkenntlich erscheindende Gestalt, die Menari gegenüberstand, und sogar verworrene Worte oder Sätze zu erinnern, aber ganz sicher war er sich nicht. Was ihm jedoch in Erinnerung blieb war, wie der Unbekannte die Kapuze zurückschlug und das Gesicht seines Meisters darunter zum Vorschein kam um anschliesend den Blick seines exakten Ebenbilds, des, wie er wusste, wahren Menari, zu erwiedern.
Dann war nichts mehr und in diesem Nichts trieb er für einige qualvolle Momente, die sowohl Minuten, als auch Stunden oder sogar Jahre hätten sein können. Dann, schlagartig, hörte die Irrealität auf zu existieren und wenn das Irreale vergeht bleibt nur noch das Greifbare, die wahre Welt, wenn es denn so etwas wirklich gab.
Er schlug seine seine Augen auf und spürte wie sein Geist wieder in die physische Welt verfrachtet und gleichzeitig wieder in die Grenzen seines Körpers gebannt wurde. In diesem Moment spürte er rein gar nichts in seinem Inneren, doch als er den Kopf leicht drehte und Menari wie aus einem Reflex heraus in die Augen sah, stellten sich ihm alle Nackenhaare auf und er wusste, dass sie beide nicht nur das gleiche gesehen, sondern auch erlebt hatten und erlangte die ebenfalls schlagartige Erkenntnis, dass er nicht der einzige war, der diese tiefe innere Angst fühlte. Dann explodierten seine Gedanken ohne Vorwarnung in einem einzigen kurzen und grellen Blitz. Ein leises gequältes Stöhnen entwich ihm, während sein Gehirn versuchte all die in der Trance aufgenommenen Informationen zu sortieren, zu verarbeiten und das Unbegreifliche aus seinem Verstand zu bannen, bevor er dem Wahnsinn anheim fiel.
[Orbit um Byss - ISDII Nir'Taj - Janems Quartier - Meditationskammer] Menari, Vincent