- Coruscant – City – Wohnung der Cortinas – Mit Cris, Leandro, Ricardo, Cloé, Thalia, Jesper, Camilla, Matteo –
Für sie selbst kam ihr Sieg in der ersten Runde selbstverständlich nicht überraschend, doch Noa hatte sich immerhin so weit im Griff, nicht selbstgefällig zu grinsen, wie Leandro es an ihrer Stelle getan hatte. Trotzdem freute sie sich innerlich über den guten Start der gesamten Partie. Wer am Anfang gewann, konnte gleich genug Selbstbewusstsein für die weiteren Runden mitnehmen. Die zweite Runde begann und entgegen Thalias ursprünglicher Zusage, in der sie Ricardo nur die erste Runde erlaubt hatte mitzuspielen, durfte er noch einen Moment bleiben. Als es für ihn dann aber tatsächlich nach Hause ging, schrumpfte auch Noas Glück wieder, was mit dem Fortgang ihres Neffen tatsächlich allerdings nur wenig zu tun hatte. Von Mal zu Mal konnte sie mit ihren Karten weniger anfangen. Es war einfach wie immer. Sheldon schien es insgesamt nicht besser zu gehen. Seine Ergebnisse hinkten seinem großspurigen Auftreten hinterher, während Leandro fast regelmäßig der einzige war, der abzuräumen wusste. Noa versuchte, ihrem Bruder nicht all zu viel Aufmerksamkeit zu schenken (was schwierig war, wenn man nur zu dritt spielte), denn je öfter er gewann, umso besser gelaunt wurde er. Als sie schließlich aufhörten, hatte sie den Überblick über die Uhrzeit längst verloren und war überrascht, wie spät es tatsächlich schon war. Thalia und die Kinder waren längst nach Hause gegangen. Außer den drei Spielern waren nur noch ihr Vater, Cloé und Jesper übrig, die noch immer zusammen um den Tisch saßen und sich unterhielten. Noa lehnte sich zurück, als sie fertig waren und schielte zu Sheldon rüber. So wirklich gezeigt hatte er seine Profi-Tricks, mit denen er angegeben hatte, nicht.
“Hat nicht ganz geklappt, was?“
Zog sie ihn auf, konnte sich dies jedoch erlauben, da sie nicht viel besser gewesen war. Sie hatten sich, was das Pech anging, regelmäßig abgewechselt.
“Ach, Noa, beim nächsten Mal wieder.“
Leandro beugte sich vor und klopfte ihr auf den Oberschenkel. Sie hätte ihn umbringen können.
“Hahaha.“
Erwiderte sie ironisch. Mit Leandro zu spielen, konnte ganz lustig sein, war in den meisten Fällen aber eine Höchststrafe. Warum sie sich überhaupt immer wieder darauf einließ, war ihr schleierhaft. Wahrscheinlich, weil er ihr Bruder war. Bei jedem anderen hätte sie längst aufgegeben.
“Seid ihr endlich fertig?“
Fragte Cloé. Noa stand auf und streckte sich.
“Jepp. Wie spät ist es? Ihr hättet ja schon mal gehen können. Ihr musstet nicht auf uns warten.“
Sagte sie. Cloé schüttelte den Kopf.
“Schon gut, haben wir nicht.“
Antwortete sie.
“Aber wir gehen jetzt. Es ist spät genug und wir müssen morgen arbeiten.“
In solchen Momenten war Noa froh, einen Job mit einer flexiblen Arbeitszeit zu haben. Cloé machte es vermutlich nichts aus, weil sie es gewöhnt war, aber sie selbst hätte enorme Schwierigkeiten, morgen früh aus dem Bett zu kommen.
“Okay. Ich denke... wir gehen dann auch.“
Sagte sie selbst. Es klang ein bisschen seltsam. Dieses „wir“ sagte man eigentlich nur im Zusammenhang mit einem Partner, mit dem man deshalb nach Hause ging, weil man zusammen wohnte. Ihr Verhältnis zu Cris Sheldon dagegen konnte nicht weiter von so etwas entfernt sein. Er schlief lediglich bei ihr, weil er verletzt war, es mehr oder weniger ihre Schuld war (eigentlich Leandros, aber das machte es zu ihrer Schuld) und sie ihn so nicht einfach weg schicken wollte. Etwas seltsam war es schon, ihn jetzt wieder mit in ihre Wohnung zu nehmen und sie sagte sich selbst, dass es die zweite und letzte Nacht sein würde. Morgen musste er sich selbst etwas suchen oder im Hauptquartier der Defender schlafen. Oder bei seinen Geheimdienstkollegen. Oder sonstwo. Sie konnte ihn jedenfalls nicht länger beherbergen, dazu hatte sie einfach keinen Platz und sie brauchte ihre Erfrischungszelle für sich alleine. Darüber hinaus waren sie noch nicht einmal Freunde, was das Ganze noch komischer machte. Und außerdem, aber das hätte sie niemals offen zugegeben, machte er sie irgendwie nervös. Nicht nervös im Sinne von flatterig, sondern nervös im Sinne von... unsicher. Zumindest von Zeit zu Zeit. Hin und wieder.
“Sheldon. Gut gespielt. Müssen wir mal wiederholen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.“
Leandro streckte dem Geheimdienstagenten die Hand hin. Okay, vielleicht war Leandro nicht ganz so schlimm wie Noa sich eingebildet hatte, aber vielleicht hatte er sich heute auch einfach ein bisschen beherrscht.
“Noa.“
Cloé war, ohne dass Noa es bemerkt hatte, in der Küche verschwunden und kam jetzt wieder. In der Hand hielt sie einen quadratischen Frischhalter. Oh nein.
“Ich habe dir die Reste eingepackt. Kannst du dir morgen machen.“
Cloé, noch immer die perfekte weibliche Erscheinung in ihrem glitzernden Kleid, reichte Noa die Box aus Kunststoff. Normalerweise liebte Noa es, wenn sie Essen von ihrer Schwester bekam, weil es für sie bedeutete, dass sie nicht kochen musste und sie kannte niemanden, der das besser konnte als Cloé. Heute aber war es ihr ungewohnt peinlich und der Grund war klar: Sheldon. Er musste denken, dass Noa von selbst nichts auf die Reihe bekam und von ihrer Familie durchgefüttert werden musste. Sie selbst hatte ihm ja auch nichts anderes präsentiert als ein meisterlich aufgewärmtes Fertiggericht aus dem Supermarkt.
“Mhh, ja, danke.“
Machte sie etwas betreten. Sie freute sich im Grunde ja. Es hatte wahnsinnig gut geschmeckt und morgen würde sie noch einmal das gleiche essen können. Lediglich der Zeitpunkt war einfach nicht so...passend. Noa ging zu ihrem Vater und drückte ihm zwei Küsse auf.
“Nacht, Daddy. Ich meld mich die Tage, ja?“
Verabschiedete sie sich, während sie aus den Augenwinkeln sehen konnte, wie Jesper und Cloé sich von Sheldon verabschiedeten.
“Nett, Sie kennen gelernt zu haben.“
War Jesper wie immer die Höflichkeit in Person. Matteo Cortina tätschelte seiner Tochter die Wange.
“Komm gut nach Hause, Kleines.“
Sagte er, bevor sich Noa zu Cloé umdrehte.
“Nacht, Schatz. Dein Essen war fantastisch. Wie immer.“
Sie drückte Cloé kurz und diese lächelte.
“Danke, war schön mit euch.“
Da war es schon wieder: „euch“. Noa versuchte es schnell zu übergehen.
“Ja, war schön. Bis dann.“
Sie winkte und Cloé hielt noch Sheldon die Hand hin. Das hatte sie offenbar vorher noch nicht gemacht.
“Gute Nacht, Cris.“
Sagte sie und begegnete ihm mit einem direkten Blick.
“Und passen Sie auf meine Schwester auf.“
Sie sagte es ganz normal, doch etwas in ihrer Stimme veranlasste Noa dazu zu denken, das sie mehr meinte als den bloßen Nachhauseweg. Natürlich tat sie das – sie war Cloé. Sie machte sich immer Sorgen um ihre Geschwister und sie wusste, wer Cris Sheldon war. Sie sprach es nicht aus, aber das musste sie auch nicht.
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