Coruscant, Jedi-Tempel – beim Nunabrater – diverse Jedi, Levice, Rilanja, Sarid und Zasuna – Bailee und Brianna
Liebe Zeit, wann stand Bailee denn auf? Brianna sah die Nautolanerin geschockt an. Um sieben Uhr morgens hatte sie bereits mindestens zweieinhalb Stunden Leistungssport hinter sich. Mit irgendwas musste man sich das Frühstück ja auch verdienen… Talery war schon eine Langschläferin und selbst die schaffte es pünktlich zur ersten Mahlzeit des Tages. Zugegebenermaßen wurde sie auch zwangsläufig von ihrer alten Meisterin geweckt, mit der sie ein Quartier teilte. ‚Lange nach‘ sieben aufzustehen, da würde sie bei ihrem Arbeitspensum ja überhaupt nicht mehr zum Sport kommen, überlegte Brianna. In der Folge würde sie wahrscheinlich in kürzester Zeit recht aggressiv werden und schließlich durchdrehen und das konnte und sollte besser niemand wollen.
Zum Glück musste die Jedi das nicht und würde im besten Fall sogar nautolanische Leckereien probieren können, was definitiv ein Grund war, sich auf morgen zu freuen. Brianna probierte immer gern neue Sachen, was wohl zwangsläufig war, wenn man von Kindesbeinen an die Galaxis bereiste. Darüber gelang es der Silberhaarigen sogar, den Kummer mit dem Rat endlich ruhen zu lassen. Fast, natürlich. Die Silberhaarige würde nie aufhören, sich über vermeintliche oder tatsächliche Schlechterstellung von Frauen zu beklagen. Dabei waren die Geschlechterrollen in der Galaxis ja gar nicht so eindeutig verteilt. Bei den Echani hatten die Frauen bekanntermaßen das Sagen (und es wäre Brianna nicht im Traum eingefallen, sich über die auf Eshan durchaus reale Benachteiligung von Männern zu beschweren). Bei so mancher anderen Spezies war es ähnlich – nur von solchen, bei denen die Männer gebährten, hatte sie noch nie gehört.
„Was fällt denen ein?!“
Brauste die Jedi-Ritterin kurz auf und wurde dann still. Sie war keineswegs überzeugt davon, dass sie sich mit einem der Geschlechter der fraglichen Rassen identifizieren könnte. Bei Neti fiel ihr das durchaus schwer und mit etwas mehr Überlegen war Brianna sich nicht einmal mehr sicher, dass diese überhaupt Geschlechter hatten. Bailee hingegen fand, sie sollten Größe zeigen und beweisen, dass sie über derartigen Vorurteilen standen. Dazu schüttelte sie eine kleine Geschichte aus dem Ärmel, so dass Brianna die Nautolanerin nur verwundert ansehen konnte und sich fragte, wo die nur immer herkamen.
„Ja. Man muss die Stärke besitzen, die Dinge zu ändern, die man nicht ändern kann, die Weisheit, die zu erkennen, die man ändern kann und die Ausdauer, aus dem einen das andere zu machen – oder wie das Sprichwort eben geht. Vielleicht hast du recht. Es bringt nichts zu versuchen, die Männer zu ändern, denn die ändern sich nie. Ich befürchte nur, dass die Probleme mit der Einstellung da anfangen, wo ein Mann mir sagt, was ich zu tun habe,“
Fand Brianna. Zum Glück ließen sie das Thema, für das sich ohnehin keine kurzfristige Lösung finden würde, schließlich ruhen und kamen auf angenehmere Dinge zu sprechen. Eine Tempelführung mit Bailee würde sicherlich Spaß machen, vor allem, weil sie da selbst noch so manches lernen würde. Dass nach einem langen Arbeitstag ein Ausgleich vonnöten war, darin bestand ebenfalls Einigkeit. Nur war es bei ihrer Gesprächspartnerin genau andersrum.
„Macht Sinn,“
Bestätigte sie das Bedürfnis von Leuten, nach stupider körperlicher Arbeit abends den Kopf zu fordern, auch wenn sie stark annahm, dass sie selbst auch in einem solchen Fall beim Sport bleiben würde – Echani-Kampfkunsttraining ließ sich auch geistig fordernd gestalten. Nur der Vorteil des an das Patientinnenbefinden angepassten Wetters schien Bailee nicht ganz klar zu sein.
„Es macht halt trotzdem einen Unterschied, ob draußen die Sonne scheint oder ob es trüb ist und in den ganzen Feldlazaretten gibt es natürlich keine Klimatisierung wie im Tempel-Medizentrum. Von den Infizierten, die nichtsahnend zuhause sind ganz zu schweigen,“
Erklärte Brianna im Inbrunst der Überzeugung. Bailees Tentakel funktionierten entweder ganz anders als Talerys Näschen oder Okins übersensible Machtfühler oder die Nautolanerin war einfach abgehärteter. Für die ganze Spezies schien das freilich nicht zu gelten, denn N'derim war ja doch ein sehr empfindsamer Knabe und in den Augen der Echani ein wenig fehl am Platz in seinem Job als Frachterpilot. Da waren doch wesentlich abgebrühtere Typen gefragt.
„Bei uns hat so manche ein Problem damit, das von außen kommende wie du einfach nicht so ernst zu nehmen. Was ist mit dem Ekelfaktor? Stehst du da wirklich drüber? N'derim kenne ich ja nicht so gut wie du, aber in seinem Fall hätte ich da wenig Hoffnung,“
Unkte die 27jährige. Was die Ausbildungsgewohnheiten der Jedi anging, musste sie sich irgendwie unklar ausgedrückt haben. Brianna versuchte sich in einer Klarstellung:
„Nein keineswegs, wie kommst du denn darauf? Talery hat auch einen N'derim namens Okin als Schüler. Bei mir hat sich das eben so ergeben. Ich hatte männliche Meister, kam aber mit keinem wirklich klar und erst bei Kestrel lief es anders. Vielleicht ist das ein kulturelles Thema. Echani-Lehrmeisterinnen sind praktisch immer Frauen. Mit einem männlichen Schüler hätte ich dagegen kein Problem.“
So einen nautolanischen Anzug hätte die Echani auf Naboo gut gebrauchen können bei ihren morgendlichen Schwimmrunden. Kein lästiges Umziehen, kein Zwang, an derselben Stelle wieder aus dem Wasser zu müssen, an der sie hineingestiegen war und wahrscheinlich auch ein besserer Warmhalteeffekt wären nur ein paar der Pluspunkte und sicherlich ließen sich für diese Kleidungsstücke noch weitere Einsatzszenarien finden. Brianna strahlte daher, als Bailee versprach, sich um einen solchen zu bemühen.
„Welche Farbe? Hmm… irgendwas zwischen weiß und schwarz, würde ich sagen. Aber nicht schwarz, das wird zu heiß in der Sonne. Vielleicht auch nicht unbedingt weiß, dann sehe ich wie ein Geist aus. Zugegebenermaßen spiele ich gern mit dem Effekt, aber nicht am Strand,“
Überlegte Brianna und erkannte selbst, dass es mit den Einschränkungen auf Mausgrau als einzig verbliebene Farbe hinauslaufen würde. Bei Jedi-Roben, wie der die sie gerade trug, war das ja okay. Bei Jedi gab es nun mal keine beeindruckenden Farben und nach deren Maßstäben setzte sie mit grau und anthrazit schon modische Akzente, aber anderswo galt das nicht unbedingt.
„Naja, silber wäre nicht verkehrt, und blau. Wenn ein nicht zu knalliges Orange dabei ist, auch okay. Meine Maße bekommst du, keine Frage, ich trage ohnehin nur maßangefertigte Kleidung. Etwas anderes passt mir auch gar nicht. Außerdem sollte die Kleidung ja schon einigermaßen eng anliegend geschneidert sein, um im Wasser warmgehalten zu werden.“
Der eigentliche Grund war freilich, dass die Echani zu gern mit ihrem perfekten Athletinnenkörper angab – den gestählten Muskeln, den langen, kraftvollen Beinen und der schmalen Wespentaille. Wenn man einen Sack trug, ging das nicht so gut. Aber bestimmt hatte ein gut sitzender Schwimmanzug auch im Wasser Vorteile.
Zum Glück blamierte sich die Jedi-Ritterin sich nicht, als sie ihre Begleiterin nach dem Verlassen der Terrasse zum Quartier der nautolanischen Padawan führte. Sie fanden ohne Umwege dorthin und würden nicht als skelettierte Leichen enden, von denen es einige geben müsste, wie Bailee unkte.
„Der Tempel wurde vor Jahrzehnten vom Imperium besetzt, ist seitdem verwahrlost und die Wiederaufbauarbeiten sind noch im vollen Gange. Vor lauter C-Virus gerät das gerne in Vergessenheit, aber du wirst es merken, wenn wir unsere Führung machen. Abseits der Bereiche, die für die Patientenbetreuung erforderlich sind, herrscht nach wie vor eine Menge Chaos und Verwüstung und ich würde darauf wetten, dass noch das eine oder andere Skelett dabei zum Vorschein kommt,“
Führte die 27jährige aus, bevor sie schließlich das Quartier von Mira erreichten. Zunächst hatte Brianna das Gefühl, es lief ganz gut an, doch es hielt nicht lange. Man konnte sich die Nichtbeförderung von heute Morgen ja auch verschiedenste Art und Weise schönreden; dass man im Grunde moralische Meisterin war und dass es an den Männern im Rat lag, die nicht mit starken weiblichen Jedi zurechtkamen. Es half auch ein bisschen gegen den Schmerz der brüsken Abfuhr, doch all das wurde zunichte gemacht durch eine kleine, eingebildete Padawan die ihr ins Gesicht sagte, wie wichtig ihr der Rang ihrer Lehrmeisterin war. Vor allem wie sie es sagte. Kein ‚Liebend gern, Meisterin Kae, doch unglücklicherweise habe ich bereits Meisterin Kryvuld zugesagt.‘ Es war vielmehr ein: ‚Ich hätte Euch jederzeit gegen die Aussicht auf Ausbildung bei einer Jedi-Meisterin eingetauscht.‘
Dankenswerterweise überbrückte Bailee die durch Briannas Sprachlosigkeit verursachte Stille. Der Versuch, Mira aufzuzeigen wie blöd es war, auf eine Meisterin zu warten, anstatt ab sofort bei einer Ritterin ausgebildet zu werden, verlief im Sande. Die Nautolanerin war überzeugt davon, dass das Bantha auf dem Dach besser war als das Nuna auf der Hand. Nicht, dass die Echani sich mit einem Nuna vergleichen wollte, das war schließlich nur so eine Redensart. Wobei sie sich zur Zeit schon manchmal wie ein Nuna beim Nunaball vorkam… und das war so ein Moment. Die reale Mira war nicht ganz so umgänglich wie die Mira, die gerade etwas von einer wollte. Sicherlich würde Brianna sich auch diese Padawan zurechtbiegen können, doch gab es zweifellos bessere Kandidatinnen.
„Weißt du was? Dann mach' das, warte auf deine Meisterin. Es gibt nämlich genug Padawane, die liebend gerne meine Schüler werden würden. Aber ich werde lachen, wenn du eines Tages bei meinen Lichtschwerttrainings erscheinst, weil dir ohne deine tolle Meisterin in spe ach so langweilig ist, oder weil sie als Meisterin eben doch nicht automatisch alles gut kann. Aber glaube nicht, dass ich nochmals meine knappe Freizeit als Jedi-Heilerin opfern werde, nur weil dir langweilig ist!“
Zischte Brianna, die beim besten Willen nicht ruhig bleiben konnte bei so viel Ignoranz. Dummerweise stand der Vorwand noch im Raum, den sie benutzt hatte, um hier einzudringen.
„Dann lasse ich euch allein, damit ihr euch ungestört über das Neue aus der Heimat austauschen könnt. Obwohl… so viel ist ja nicht passiert auf Glee Anselm, nicht wahr? Nur das übliche Eben, wie jedes Jahr um diese Zeit, nehme ich an. In diesem Sinne… Möge die Macht mit dir sein, Mira!“
Mit der traditionellen Jedi-Formel verabschiedet zu werden anstatt mit etwas Persönlicherem war bei der Silberhaarigen schon beinahe sowas wie Höchststrafe, was sonst für Leute wie Elliundi oder Janson reserviert blieb. Mira hatte sich diese aber redlich verdient – auch wenn sie keinerlei Ahnung davon hatte. Brianna konnte es nicht erwarten, draußen vor der Tür und noch ein paar Schritte davon entfernt zu sein (wer wusste schon, wie gut das Gehör eine machtbegabten Nautolanerin war?), um endlich frei sprechen zu können, immer noch hörbar erregt:
„Ich wünschte, eure Plätze wären vertauscht, dass du machtbegabt wärst und sie den ganzen Tag N'derim betreuen müsste. Warum kann es nicht einfach so sein? Danke für deine Hilfe jedenfalls, auch wenn sie am Ende nichts gebracht hat. Ich hoffe, du bist mir nicht böse, dass ich jetzt gerne auf mein Quartier zurück möchte.“
Talery war sicherlich längst dort und die Echani wollte wissen, wie es ihr mit Okin ergangen war und ihr natürlich auch von ihrer eigenen Enttäuschung berichten zu können.
Coruscant, Jedi-Tempel – Gänge vor Miras Quartier – Bailee und Brianna