Coruscant – Jedi-Tempel, Krankenstation, mit Ian
Eowyn kniff die Lippen zusammen, um bloß nichtss Falsches zu erwidern. Er würde Alisah und Kyran also nicht links liegen lassen, wenn er aufbrach? Ihrer Ansicht nach schon, was allerdings nicht zwingend ein Vorwurf war - eher eine Verwunderung. Andererseits, vielleicht hatte er Recht. Er hatte schließlich nicht gesagt, wann er aufbrechen würde, wenn er es tat - vielleicht würde er noch ein paar Tage bleiben, sich vorher um die beiden kümmern... Aber es war einfach zu konfus. Was genau wollte Ian nun? Was würde ihm helfen, was würde ihn in die richtige Richtung zu einem Punkt bringen, an dem er sich nicht mehr immer nur Selbstvorwürfe machen würde? Eowyn war völlig hilflos, was diese Sache anging, und langsam stellte sich ihr die Frage, ob sie nicht wirklich jemanden um Hilfe bitten sollte. Aber Wes war zu beschäftigt, und sonst war niemand hier, den Eowyn kannte, dem sie sich anvertrauen konnte, der Bescheid wusste über alles, was Ian anging. Wen sollte sie sonst fragen? Alisah etwa? Natürlich.
Sie hatte das Gefühl, dass sie ohnehin nichts richtiges sagen konnte, denn obwohl ihre Worte kein Vorwurf gewesen waren reagierte Ian ungehalten. Und vielleicht hätte sie sich mehr zusammenreißen sollen, hätte diesen allerletzten Satz nicht sagen sollen - aber er war wahr, und musste Ian nicht langsam einmal beginnen, die Wahrheit zu erkennen? Er konnte nun einmal nicht alle retten, würde es niemals können, dieser Gleiter war schon längst abgefahren. Es war nun einmal geschehen, und das Chrono lag zerschmettert an der Wand. Er wusste es... Eowyn war sich da nicht so sicher. Wenn er es wusste... weshalb probierte er es dennoch?
Jetzt begann er allerdings, ihr unfaire Dinge an den Kopf zu werfen. Gehen... alles hinter sich lassen... Es war nicht so, dass diese Sache sie nicht noch immer irgendwie lockte. Ja, sie wusste tief in ihr, dass sie beide vermutlich nicht ewig würden davonlaufen können. Aber es zu versuchen... wäre es so falsch? War es so falsch, davon zu träumen, so falsch, sich ein normales Leben zu wünschen? Ian verletzte sie durch diese dahingeworfene Frage mehr, als er vermutlich ahnte. Ich habe nicht gesagt, dass es richtig gewesen wäre, antwortete sie schließlich leise und gepresst. Aber durchdacht... Sie schluckte kurz. In diesem Moment war es vielleicht nicht hundertprozentig durchdacht gewesen, aber es hatte sich nichts geändert. Nichts. Es hat sich nichts geändert, flüsterte sie schließlich kaum hörbar, nicht sicher, ob es überhaut bei Ian ankam, nicht sicher, ob sie überhaupt wollte, dass er es hörte.
Aber selbst wenn nicht, fuhr sie ein wenig kräftiger fort, ich habe doch niemals behauptet, ich würde alles richtig machen, oder? Im Gegenteil. Doch Ian hörte sich momentan an, wie ein kleines Kind, das einen Fehler gemacht hatte - "Aber Mirax hat das zuerst gemacht!". Seit wann bin ich perfekt?
Aber was hatte sie nun falsch gemacht? Er fand es nicht fair... aber was hätte sie sonst sagen sollen? WIE hätte sie es sagen sollen? Sie hatte doch niemals davon gesprochen, dass die Sache feststand, auch wenn sie eigentlich davon ausging, dass sie das für Ian tat - schließlich hielt er es für einen Fehler, auf Coruscant zu bleiben! Sie hatte niemals so getan, als hätte er eine Entscheidung getroffen, im Gegenteil, sie hatte ihm vorher gedankt, dass er sie einbezog... Es waren Vorwürfe, die er ihr machte, die einfach nicht fair waren, und langsam aber sicher ging Eowyn die Kraft aus.
Sie drehte sich mit dem Rücken zur Wand, lehnte sich an, stützte sich, denn sie war sich nicht sicher, wie lange ihre Beine sie noch tragen würden. Ihr Körper war vollauf damit beschäftigt, ihren Geist zu unterstützen, ihr zu helfen, mit allen Gedanken fertig zu werden, da blieb nicht mehr viel übrig für die lächerliche Aufgabe, ihren Rumpf zu tragen.
Der nächste Vorwurf.
Sie glaubte doch nicht... hörte Ian ihr eigentlich zu? Das genau war es doch gewesen! Sie glaubte eben nicht, dass Ian das können würde, sie glaubte nicht, dass er überzeugend genug darstellen konnte, dass Ian noch immer ein Sith war. Genau deshalb machte sie sich doch Sorgen!
Kraftlos schüttelte sie nur den Kopf, öffnete kurz den Mund, war aber nicht in der Lage, Ian zu unterbrechen, der schon längst weitersprach, ihr kaum die Gelegenheit gab, überhaupt etwas zu erwidern.
Ja, sie wusste, dass es noch keinen Plan gab. Natürlich wusste sie das! Sie war dabei gewesen, als ihm der Gedanke kam, aber wenn sie selbst auf Anhieb die Löcher sah, musste er das dann nicht auch? Oder war er zu blind, zu fanatisch dafür? Er fragte doch nach ihrer Meinung! Es war nun einmal ihrer Ansicht nach ein Fehler... wenn sie ihm nicht sagte, was er tun sollte, dann war es falsch, dann fehlte da das "wir", wenn sie es tat, dann war es auch nicht richtig... Sie schloss die Augen, ließ Ians nächste Worte in der wohltuenden Dunkelheit auf sie einstürmen. Plötzlich drehte sie ihm wieder einen Strick... Egal was sie sagte, es war falsch. Völlig egal. Ja, sie war wohl wirklich zu unfähig dazu, zu kommunizieren. Vielleicht sogar unfähig dazu, eine Beziehung zu führen, denn war nicht Kommunikation die Basis von allem?
Wann hatte sie ihm verboten, zu sagen, was er dachte? Und nein, offiziell hatte Ian nichts verlangt, aber vor ihr, da hatte er oft genug gesagt, wie schwer es war. Was nur völlig verständlich war, es war hart, und sie war der Grund für all das; es war richtig so, sie wünschte sich schließlich, dass er mir ihr sprach, aber - was er gerade sagte war damit einfach nicht wahr.
Die nächste Frage, so ernst, so überhaupt nicht wütend, sondern so, als würde er es wirklich glauben, traf sie dann aber so hart, dass sie die Augen öffnete und Ian entsetzt, ungläubig anstarrte. Wie, wie, WIE kam er darauf, dass sie seine Loyalität in Frage stellte? WIE? Sie hatte absolut gar nichts in dieser Hinsicht gesagt, sie hatte von seiner fragwürdigen Loyalität bei den Sith gesprochen, das war das einzige Mal, dass dieses Wort überhaupt gefallen war, wie kam er nun darauf, dass sie, die sie immer hinter ihm gestanden, die sich vor den Jedi andererseits immer vor ihn gestellt hatte, seine Loyalität in Frage stellte? Glaubte er wirklich, dass sie glauben könnte, dass er bewusst jemanden quälte oder tötete? Kannte er sie denn so gar nicht?
Eowyns Magen zog sich zusammen, auf eine völlig unangenehme Art und Weise, ihr wurde beinahe schlecht. Sie war schon längst über den Punkt hinaus, an dem sie Ian etwas erwidern konnte, selbst, wenn er ihr die Chance dazu gegeben hätte - was er jetzt, als er das Chrono aufhob, zum ersten Mal tat. Aber sie starrte ihn an, starrte auf das Chrono in seinen Händen und dann auf dem Tisch, und wusste nicht, was sie sagen sollte. "Wie kannst du das denken?" - er würde wieder sagen, sie machte ihm einen Vorwurf. "Das habe ich nie gesagt!" - eine lahme Verteidigung, die er ihr verächtlich kopfschüttelnd nicht glauben würde. Weitere Möglichkeiten kamen ihr nicht in den Sinn, bevor Ian sich umdrehte und sie ansah - sie seltsam ansah.
Sie hörte den Unterschied in der Stimme sofort. Das war wieder der Ian, den sie kennengelernt hatte. Nein, das war nicht Ian - das war... Keebo, ein Name, der ihr schon ewig nicht mehr in Verbindung mit Ian in den Sinn gekommen war. Jetzt spürte sie es sogar, spürte einen Teil von Ians alter Aura - gefährlich, das hier im Tempel zu tun, schoss ihr durch den Sinn, was dachte er sich dabei - nichts, natürlich, antwortete sie sich gleich selbst.
Was ihr für einen Moment Angst machte war allerdings nicht, wie leicht es Ian fiel, wieder in diese Haltung, in diese Denkweise zu verfallen - nein, allzu lange war Ians Abwenden nicht her, sie rechnete damit, dass Ian nun kein völlig anderer Mensch war.
Nein. Es war der Gedanke, dass Ian - nein, Keebo - Recht hatte. Sie waren wie Kinder... sie waren ungeschützt, sie waren hilflos. Griffen die Sith oder das Imperium jetzt an... Alles, wofür sie in den letzten Jahren gekämpft hatten, wäre umsonst. Sie alle waren am Rande ihrer Kräfte, sie sah es an sich selbst, sie sah, wie sehr sie sich gerade an diese starken Mauern stützte, weil ihre Knie weich waren, weil ihr Bauch verkrampft war.
Es wäre so leicht... so leicht für sie...
Mit aller Macht, die sie gerade noch aufbringen konnte, schob sie diese Gedanken fort. Die Sith wussten nichts davon. Sie ahnten es vielleicht, aber wie sehr sie getroffen waren... oder war genau das der Plan von Allegious gewesen? Wartete er nur darauf, noch ein paar Tage, noch ein paar Wochen, bis kaum ein Jedi noch in der Lage sein würde, sich halbwegs anständig zu wehren, so, dass er nur noch in den Tempel einmarschieren musste, um ihn erneut in Besitz zu nehmen, dieses Mal völlig ohne Gegenwehr, bis...
Ian hörte auf, sie so anzustarren, und Eowyn riss ebenfalls ihre Augen los, drehte sich halb zur Seite. Warum war noch niemandem dieser Gedanke gekommen? Oder war es das, schon längst, und der Rat versuchte, einen Weg aus dieser Misere zu finden?
Sie schüttelte den Kopf, verdrängt diesen Gedanken, zumindest so lange, wie sie noch mit Ian hier stand. Eins nach dem anderen.
Handeln, ohne sich die Finger schmutzig zu machen... war er naiv oder sie voller falscher Vorstellungen? Nie im Leben glaubte Eowyn daran, dass man Ian einfach so vertrauen würde. Selbst mit dieser Geschichte nicht. Er würde zumindest Geheimnisse, echte Geheimnisse verraten müssen, er würde seine Skrupellosigkeit beweisen, Überläufer, Gefangene, andere Beweise mitbringen müssen, damit man ihm glaubte, oder zumindest halbwegs glaubte. Dann konterte er auch noch mit ihren eigenen Worten... Eowyn schüttelte den Kopf. Es war nicht fair. Es war einfach nicht fair, Ian redete hier auf sie ein, bemerkte er nicht, wie sehr er sie verletzte, mit jedem Wort? Sie, die normalerweise ein Temperament hatte, das für zehn Jedi ausreichte, sie stand hier und war unfähig, irgendetwas zu erwidern, sich zu wehren; bemerkte er nicht, dass er ihr nicht einmal eine Chance gab, sich zu wehren? Langsam wollte sie einfach nur raus hier, sie ertrug das alles nicht. Aber einfach hinauszurennen, das wäre ebenfalls nicht fair gewesen. Sie durfte Ians Worte nicht einfach abwerten, ihn nicht aussprechen lassen, auch wenn Eowyn das Gefühl bekam, dass Ian hier einen Redefluss bekam, der kaum zu stoppen war. Irgendjemand... er verdrehte ihre Worte. Sie hatte es ehrlich gemeint. Ian meinte es... spöttisch. So, als ob er doch schon längst etwas hätte tun können. Aber alle, die Jedi, sie, hielten ihn einfach bloß auf... Und nein. Das war nicht bloß eine Laune. Diese... Besessenheit, die Ian in diese Richtung besaß, die kannte Eowyn seit Wochen. Sie hatte alles mögliche versucht, um dem auszuweichen, aber letzten Endes... Letzten Endes würde dies immer...
Und er hörte nicht auf.
Eowyn wandte sich wieder zu ihm, stand wieder mit dem Rücken zur Wand, beinahe sinnbildlich dafür, wie sie sich fühlte. Nein, er hatte natürlich immer nur gebeten. Sie hatte immer verlangt. Sie war die Böse, sie war die, die ihn einschränkte, er hatte immer nur das Beste für sie gewollt, für ihn wäre es natürlich völlig in Ordnung, sie begäbe sich auf eine Selbstmordmission, auch wenn dies ihr Job war, wenn dies die Aufgabe war, die sie kannte...
Ihre Hände verkrampften sich in das Mauerwerk, zu glatt, um sich wirklich daran festhalten zu können, doch rau genug, um zumindest die Struktur, ein klein wenig Halt zu finden. Ich habe dir nicht... versuchte sie erstmals, zu widersprechen, aber die Worte kamen zu krächzend, zu leise heraus, als das Ian sie vermutlich verstehen konnte, so hatte das keinen Sinn...
Er hatte versprochen, keine Dummheiten zu machen, ja! Und was hatte er dann getan? Beinahe sein Leben für Kyran geopfert, zum Beispiel! Wie konnte sie sich auf ein solches Versprechen, das er nicht beachtete, verlassen, wie konnte sie? Dieses Versprechen, so Leid es Eowyn tat, war nichts mehr wert. Für mich sind andere Dinge eine Dummheit, wisperte sie schmerzhaft, dieses Mal darauf bedacht, dass die Worte verständlich ihren Mund verließen, und sah Ian beinahe verzweifelt an.
Was durfte sie? Was erlaubte Ian ihr? Sie wusste doch, dass es Gedanken gewesen waren? Und das war überhaupt nicht das, worum es ging! Ian musste doch zumindest zugeben, dass dieser Plan, nach Bastion zu gehen, kein Plan war, den er einfach so über Bord werfen würde. Nein. Es war zumindest etwas, worüber er ernshaft nachdachte, kein kleines Hirngespinst. Sie hatte doch nur ihre Meinung dazu geäußert... Das, was er vorhin gewollt hatte, als sie von den unteren Ebenen sprachen... Und ihm sogar gesagt, weshalb sie so dachte, sie hatte ihm gesagt, welche Angst sie um ihn hatte!
Ein Kloß im Hals gesellte sich zu ihrem Unwohlsein hinzu, es fiel ihr immer schwerer, zu schlucken, und sprechen... das war es wohl erst einmal... Er verlangte nicht, dass sie bei ihm blieb. Er hielt sie nicht ab. Oh, sie verstand sehr wohl, dass er sie nicht im Allgemeinen von sich stoßen wollte oder dergleichen, sondern einfach nur anmerken wollte, dass es für ihn kein Problem war, nun alleine zu bleiben, dass er nicht auf sie angewiesen war, nicht, wenn sie eigene Pläne hatte. Dass er so großzügig war, sie gehen zu lassen... würde er auch noch, wenn er wüsste, wohin? Oder wäre es ihm vielleicht sogar tatsächlich egal, plötzlich? Er mochte sie nicht gezwungen haben... aber was hätte sie tun sollen? Ihn im Stich lassen? Es wäre falsch gewesen, und das war es noch immer, er war fremd unter Feinden... aber vielleicht unterschätzte sie ihn. Vielleicht... musste er auf einen Beinen stehen. Vielleicht hielten seine ihn besser als die ihren momentan, und vielleicht brauchte er sie nicht mehr, zumindest nicht mehr, um sich hier nicht mehr völlig verloren zu fühlen.
Aber nun war Ian der Märtyrer. Er fügte sich. Er blieb, wenn sie es sagte. Jetzt plötzlich. Oder ging es wieder nur um die unteren Ebenen? Ihr schwirrte der Kopf, um was ging es nun? Bastion, Coruscant, Bastion, Coruscant, Bastion... Oder... war er einfach nur... eifersüchtig? Eifersüchtig auf ihre Möglichkeiten, die er eben nicht hatte? Aber das war absurd, sie hatte die meisten Möglichkeiten ebenfalls nicht, und außerdem hatte sie in den letzten Wochen nicht mehr getan als er, auch jetzt nicht, das wäre lächerlich... Sie konnte außerdem nichts dafür. Sie hatte mit Joseline gestritten, sie hatte vor Wes seine Aufrichtigkeit beteuert, sie hatte sich neben ihn, vor ihn, hinter ihn gestellt, was auch immer nötig gewesen war. Aber sie, sie war die, die alles falsch machte. Sie hatte immer Unrecht... machte alles falsch... machte Vorwürfe... drängte ihn... antwortete nicht...
Ihr Schädel pochte, aber Eowyn hatte keine Kraft, um ihre Hand zu heben und auf die Stelle zu drücken, außerdem, was machte es schon aus? Ein kleines bisschen Schmerz. Nichts im Vergleich dazu, was Ian ihr zutraute. Dass sie seine Loyalität in Frage stellen würde, dass sie dachte, er würde Gewalt einsetzen, dass sie ihn bevormundete...
Er hielt sie nicht auf.
Er hielt sie nicht auf...
Nein, natürlich nicht. Aber wenn sie nun ging, um zu suchen, dann, das wusste Eowyn genau, würde etwas zerbrechen, unwiederbringlich. Ian würde zurückbleiben. Dass sie sich, zum ersten Mal seit Nar Shaddaa, für längere Zeit trennen würden, das war nicht das Problem. Das Problem wären die Situationen... und die Gefühle, die entstehen würden. Ian meinte das momentan vielleicht sogar tatsächlich ehrlich, aber auf Dauer würde es nicht gutgehen.
Aber vielleicht irrte sie auch. Vielleicht irrte sie, wie in allem anderen, wie in diesem ganzen, verflixten Gespräch. Irrte sie nicht immer?
Eowyn versuchte zu schlucken, ein Mal, zwei Mal, drei Mal, beim vierten Mal schließlich war sie halbwegs erfolgreich. Ein Räuspern folgte, während Ian sie noch immer beinahre auffordernd ansah. Jetzt, jetzt gab er ihr die Gelegenheit, etwas zu sagen, und jetzt - jetzt wusste sie nicht, was.
Aber vielleicht war es genau das, was sie sagen sollte...
Es spielt doch keine Rolle, was ich sage, flüsterte sie, froh, überhaupt etwas herauszubringen. Ich habe das Gefühl, du drehst mir ohnehin jedes Wort herum, und auch das wirst du vielleicht wieder als Vorwurf auffassen, oder gerade deshalb, weil ich es anspreche... Sie stockte kurz. Es war zu verworren. Wie kannst du überhaupt nur denken, ich könnte glauben, du würdest irgendwelchen Jüngern Gewalt antun? Wie kannst du nur denken, ich würde an deiner Loyalität zweifeln? Wie? Wie, wenn ich nichts anderes tue, als für dich da zu sein, dir zu zeigen, wie viel du mir bedeutest, dir zu sagen, wie viel du wert bist, und dir klarzumachen, wie sehr ich dich liebe? Sie schüttelte leicht den Kopf. Ja, wieder ein Vorwurf. Aber war es nun nicht letzten Endes auch egal? Wenn ich dir sage, entscheide selbst, dann handle ich falsch, wenn ich dir meine Sorgen mitteile, ebenfalls. Ich mache einfach alles falsch. Also... Sie betete, dass ihre Beine nicht nachgeben würden, sammelte die letzte Kraft, die sie hatte. Werde ich jetzt wieder etwas falsch machen und diesen Raum verlassen. Denn egal ob ich bleibe oder gehe, es ist ein Fehler, und so... So kannst du dich um andere Dinge kümmern. Alisah, um deine Pläne, um deine Gedanken. Ich weiß es nicht. Sie nahm ihr Komlink vom Gürtel und warf es auf das Bett. Ich nehme an, du darfst nun eines besitzen, und selbst wenn nicht, was soll es? Eowyn verließ schließlich die schützende Wand und stakste so fest, wie sie konnte, auf die Tür zu. Es war, als ob ihre Beine ihr kaum gehörten, aber immerhin kam sie voran. Ich melde mich, wenn ich alles organisiert habe. Vielleicht... Vielleicht konnten sie dann miteinander reden? Ohne diese Vorwürfe? Aber wäre das nicht wieder ein Vorwurf? Eowyn legte die Hand auf die altmodische Türklinke und schüttelte dann den Kopf. Nicht noch mehr Worte. Je mehr sie sprach, desto schlimmer machte sie es, das wusste sie. Ich melde mich, wiederholte sie also nur, in der Absicht, sich ein neues Komlink zu besorgen und es dann mit dem, was sie Ian eben geliehen hatte, auszutauschen, öffnete die Tür und verließ den Raum.
Coruscant – Jedi-Tempel, Krankenstation, mit Ian
Eowyn kniff die Lippen zusammen, um bloß nichtss Falsches zu erwidern. Er würde Alisah und Kyran also nicht links liegen lassen, wenn er aufbrach? Ihrer Ansicht nach schon, was allerdings nicht zwingend ein Vorwurf war - eher eine Verwunderung. Andererseits, vielleicht hatte er Recht. Er hatte schließlich nicht gesagt, wann er aufbrechen würde, wenn er es tat - vielleicht würde er noch ein paar Tage bleiben, sich vorher um die beiden kümmern... Aber es war einfach zu konfus. Was genau wollte Ian nun? Was würde ihm helfen, was würde ihn in die richtige Richtung zu einem Punkt bringen, an dem er sich nicht mehr immer nur Selbstvorwürfe machen würde? Eowyn war völlig hilflos, was diese Sache anging, und langsam stellte sich ihr die Frage, ob sie nicht wirklich jemanden um Hilfe bitten sollte. Aber Wes war zu beschäftigt, und sonst war niemand hier, den Eowyn kannte, dem sie sich anvertrauen konnte, der Bescheid wusste über alles, was Ian anging. Wen sollte sie sonst fragen? Alisah etwa? Natürlich.
Sie hatte das Gefühl, dass sie ohnehin nichts richtiges sagen konnte, denn obwohl ihre Worte kein Vorwurf gewesen waren reagierte Ian ungehalten. Und vielleicht hätte sie sich mehr zusammenreißen sollen, hätte diesen allerletzten Satz nicht sagen sollen - aber er war wahr, und musste Ian nicht langsam einmal beginnen, die Wahrheit zu erkennen? Er konnte nun einmal nicht alle retten, würde es niemals können, dieser Gleiter war schon längst abgefahren. Es war nun einmal geschehen, und das Chrono lag zerschmettert an der Wand. Er wusste es... Eowyn war sich da nicht so sicher. Wenn er es wusste... weshalb probierte er es dennoch?
Jetzt begann er allerdings, ihr unfaire Dinge an den Kopf zu werfen. Gehen... alles hinter sich lassen... Es war nicht so, dass diese Sache sie nicht noch immer irgendwie lockte. Ja, sie wusste tief in ihr, dass sie beide vermutlich nicht ewig würden davonlaufen können. Aber es zu versuchen... wäre es so falsch? War es so falsch, davon zu träumen, so falsch, sich ein normales Leben zu wünschen? Ian verletzte sie durch diese dahingeworfene Frage mehr, als er vermutlich ahnte. Ich habe nicht gesagt, dass es richtig gewesen wäre, antwortete sie schließlich leise und gepresst. Aber durchdacht... Sie schluckte kurz. In diesem Moment war es vielleicht nicht hundertprozentig durchdacht gewesen, aber es hatte sich nichts geändert. Nichts. Es hat sich nichts geändert, flüsterte sie schließlich kaum hörbar, nicht sicher, ob es überhaut bei Ian ankam, nicht sicher, ob sie überhaupt wollte, dass er es hörte.
Aber selbst wenn nicht, fuhr sie ein wenig kräftiger fort, ich habe doch niemals behauptet, ich würde alles richtig machen, oder? Im Gegenteil. Doch Ian hörte sich momentan an, wie ein kleines Kind, das einen Fehler gemacht hatte - "Aber Mirax hat das zuerst gemacht!". Seit wann bin ich perfekt?
Aber was hatte sie nun falsch gemacht? Er fand es nicht fair... aber was hätte sie sonst sagen sollen? WIE hätte sie es sagen sollen? Sie hatte doch niemals davon gesprochen, dass die Sache feststand, auch wenn sie eigentlich davon ausging, dass sie das für Ian tat - schließlich hielt er es für einen Fehler, auf Coruscant zu bleiben! Sie hatte niemals so getan, als hätte er eine Entscheidung getroffen, im Gegenteil, sie hatte ihm vorher gedankt, dass er sie einbezog... Es waren Vorwürfe, die er ihr machte, die einfach nicht fair waren, und langsam aber sicher ging Eowyn die Kraft aus.
Sie drehte sich mit dem Rücken zur Wand, lehnte sich an, stützte sich, denn sie war sich nicht sicher, wie lange ihre Beine sie noch tragen würden. Ihr Körper war vollauf damit beschäftigt, ihren Geist zu unterstützen, ihr zu helfen, mit allen Gedanken fertig zu werden, da blieb nicht mehr viel übrig für die lächerliche Aufgabe, ihren Rumpf zu tragen.
Der nächste Vorwurf.
Sie glaubte doch nicht... hörte Ian ihr eigentlich zu? Das genau war es doch gewesen! Sie glaubte eben nicht, dass Ian das können würde, sie glaubte nicht, dass er überzeugend genug darstellen konnte, dass Ian noch immer ein Sith war. Genau deshalb machte sie sich doch Sorgen!
Kraftlos schüttelte sie nur den Kopf, öffnete kurz den Mund, war aber nicht in der Lage, Ian zu unterbrechen, der schon längst weitersprach, ihr kaum die Gelegenheit gab, überhaupt etwas zu erwidern.
Ja, sie wusste, dass es noch keinen Plan gab. Natürlich wusste sie das! Sie war dabei gewesen, als ihm der Gedanke kam, aber wenn sie selbst auf Anhieb die Löcher sah, musste er das dann nicht auch? Oder war er zu blind, zu fanatisch dafür? Er fragte doch nach ihrer Meinung! Es war nun einmal ihrer Ansicht nach ein Fehler... wenn sie ihm nicht sagte, was er tun sollte, dann war es falsch, dann fehlte da das "wir", wenn sie es tat, dann war es auch nicht richtig... Sie schloss die Augen, ließ Ians nächste Worte in der wohltuenden Dunkelheit auf sie einstürmen. Plötzlich drehte sie ihm wieder einen Strick... Egal was sie sagte, es war falsch. Völlig egal. Ja, sie war wohl wirklich zu unfähig dazu, zu kommunizieren. Vielleicht sogar unfähig dazu, eine Beziehung zu führen, denn war nicht Kommunikation die Basis von allem?
Wann hatte sie ihm verboten, zu sagen, was er dachte? Und nein, offiziell hatte Ian nichts verlangt, aber vor ihr, da hatte er oft genug gesagt, wie schwer es war. Was nur völlig verständlich war, es war hart, und sie war der Grund für all das; es war richtig so, sie wünschte sich schließlich, dass er mir ihr sprach, aber - was er gerade sagte war damit einfach nicht wahr.
Die nächste Frage, so ernst, so überhaupt nicht wütend, sondern so, als würde er es wirklich glauben, traf sie dann aber so hart, dass sie die Augen öffnete und Ian entsetzt, ungläubig anstarrte. Wie, wie, WIE kam er darauf, dass sie seine Loyalität in Frage stellte? WIE? Sie hatte absolut gar nichts in dieser Hinsicht gesagt, sie hatte von seiner fragwürdigen Loyalität bei den Sith gesprochen, das war das einzige Mal, dass dieses Wort überhaupt gefallen war, wie kam er nun darauf, dass sie, die sie immer hinter ihm gestanden, die sich vor den Jedi andererseits immer vor ihn gestellt hatte, seine Loyalität in Frage stellte? Glaubte er wirklich, dass sie glauben könnte, dass er bewusst jemanden quälte oder tötete? Kannte er sie denn so gar nicht?
Eowyns Magen zog sich zusammen, auf eine völlig unangenehme Art und Weise, ihr wurde beinahe schlecht. Sie war schon längst über den Punkt hinaus, an dem sie Ian etwas erwidern konnte, selbst, wenn er ihr die Chance dazu gegeben hätte - was er jetzt, als er das Chrono aufhob, zum ersten Mal tat. Aber sie starrte ihn an, starrte auf das Chrono in seinen Händen und dann auf dem Tisch, und wusste nicht, was sie sagen sollte. "Wie kannst du das denken?" - er würde wieder sagen, sie machte ihm einen Vorwurf. "Das habe ich nie gesagt!" - eine lahme Verteidigung, die er ihr verächtlich kopfschüttelnd nicht glauben würde. Weitere Möglichkeiten kamen ihr nicht in den Sinn, bevor Ian sich umdrehte und sie ansah - sie seltsam ansah.
Sie hörte den Unterschied in der Stimme sofort. Das war wieder der Ian, den sie kennengelernt hatte. Nein, das war nicht Ian - das war... Keebo, ein Name, der ihr schon ewig nicht mehr in Verbindung mit Ian in den Sinn gekommen war. Jetzt spürte sie es sogar, spürte einen Teil von Ians alter Aura - gefährlich, das hier im Tempel zu tun, schoss ihr durch den Sinn, was dachte er sich dabei - nichts, natürlich, antwortete sie sich gleich selbst.
Was ihr für einen Moment Angst machte war allerdings nicht, wie leicht es Ian fiel, wieder in diese Haltung, in diese Denkweise zu verfallen - nein, allzu lange war Ians Abwenden nicht her, sie rechnete damit, dass Ian nun kein völlig anderer Mensch war.
Nein. Es war der Gedanke, dass Ian - nein, Keebo - Recht hatte. Sie waren wie Kinder... sie waren ungeschützt, sie waren hilflos. Griffen die Sith oder das Imperium jetzt an... Alles, wofür sie in den letzten Jahren gekämpft hatten, wäre umsonst. Sie alle waren am Rande ihrer Kräfte, sie sah es an sich selbst, sie sah, wie sehr sie sich gerade an diese starken Mauern stützte, weil ihre Knie weich waren, weil ihr Bauch verkrampft war.
Es wäre so leicht... so leicht für sie...
Mit aller Macht, die sie gerade noch aufbringen konnte, schob sie diese Gedanken fort. Die Sith wussten nichts davon. Sie ahnten es vielleicht, aber wie sehr sie getroffen waren... oder war genau das der Plan von Allegious gewesen? Wartete er nur darauf, noch ein paar Tage, noch ein paar Wochen, bis kaum ein Jedi noch in der Lage sein würde, sich halbwegs anständig zu wehren, so, dass er nur noch in den Tempel einmarschieren musste, um ihn erneut in Besitz zu nehmen, dieses Mal völlig ohne Gegenwehr, bis...
Ian hörte auf, sie so anzustarren, und Eowyn riss ebenfalls ihre Augen los, drehte sich halb zur Seite. Warum war noch niemandem dieser Gedanke gekommen? Oder war es das, schon längst, und der Rat versuchte, einen Weg aus dieser Misere zu finden?
Sie schüttelte den Kopf, verdrängt diesen Gedanken, zumindest so lange, wie sie noch mit Ian hier stand. Eins nach dem anderen.
Handeln, ohne sich die Finger schmutzig zu machen... war er naiv oder sie voller falscher Vorstellungen? Nie im Leben glaubte Eowyn daran, dass man Ian einfach so vertrauen würde. Selbst mit dieser Geschichte nicht. Er würde zumindest Geheimnisse, echte Geheimnisse verraten müssen, er würde seine Skrupellosigkeit beweisen, Überläufer, Gefangene, andere Beweise mitbringen müssen, damit man ihm glaubte, oder zumindest halbwegs glaubte. Dann konterte er auch noch mit ihren eigenen Worten... Eowyn schüttelte den Kopf. Es war nicht fair. Es war einfach nicht fair, Ian redete hier auf sie ein, bemerkte er nicht, wie sehr er sie verletzte, mit jedem Wort? Sie, die normalerweise ein Temperament hatte, das für zehn Jedi ausreichte, sie stand hier und war unfähig, irgendetwas zu erwidern, sich zu wehren; bemerkte er nicht, dass er ihr nicht einmal eine Chance gab, sich zu wehren? Langsam wollte sie einfach nur raus hier, sie ertrug das alles nicht. Aber einfach hinauszurennen, das wäre ebenfalls nicht fair gewesen. Sie durfte Ians Worte nicht einfach abwerten, ihn nicht aussprechen lassen, auch wenn Eowyn das Gefühl bekam, dass Ian hier einen Redefluss bekam, der kaum zu stoppen war. Irgendjemand... er verdrehte ihre Worte. Sie hatte es ehrlich gemeint. Ian meinte es... spöttisch. So, als ob er doch schon längst etwas hätte tun können. Aber alle, die Jedi, sie, hielten ihn einfach bloß auf... Und nein. Das war nicht bloß eine Laune. Diese... Besessenheit, die Ian in diese Richtung besaß, die kannte Eowyn seit Wochen. Sie hatte alles mögliche versucht, um dem auszuweichen, aber letzten Endes... Letzten Endes würde dies immer...
Und er hörte nicht auf.
Eowyn wandte sich wieder zu ihm, stand wieder mit dem Rücken zur Wand, beinahe sinnbildlich dafür, wie sie sich fühlte. Nein, er hatte natürlich immer nur gebeten. Sie hatte immer verlangt. Sie war die Böse, sie war die, die ihn einschränkte, er hatte immer nur das Beste für sie gewollt, für ihn wäre es natürlich völlig in Ordnung, sie begäbe sich auf eine Selbstmordmission, auch wenn dies ihr Job war, wenn dies die Aufgabe war, die sie kannte...
Ihre Hände verkrampften sich in das Mauerwerk, zu glatt, um sich wirklich daran festhalten zu können, doch rau genug, um zumindest die Struktur, ein klein wenig Halt zu finden. Ich habe dir nicht... versuchte sie erstmals, zu widersprechen, aber die Worte kamen zu krächzend, zu leise heraus, als das Ian sie vermutlich verstehen konnte, so hatte das keinen Sinn...
Er hatte versprochen, keine Dummheiten zu machen, ja! Und was hatte er dann getan? Beinahe sein Leben für Kyran geopfert, zum Beispiel! Wie konnte sie sich auf ein solches Versprechen, das er nicht beachtete, verlassen, wie konnte sie? Dieses Versprechen, so Leid es Eowyn tat, war nichts mehr wert. Für mich sind andere Dinge eine Dummheit, wisperte sie schmerzhaft, dieses Mal darauf bedacht, dass die Worte verständlich ihren Mund verließen, und sah Ian beinahe verzweifelt an.
Was durfte sie? Was erlaubte Ian ihr? Sie wusste doch, dass es Gedanken gewesen waren? Und das war überhaupt nicht das, worum es ging! Ian musste doch zumindest zugeben, dass dieser Plan, nach Bastion zu gehen, kein Plan war, den er einfach so über Bord werfen würde. Nein. Es war zumindest etwas, worüber er ernshaft nachdachte, kein kleines Hirngespinst. Sie hatte doch nur ihre Meinung dazu geäußert... Das, was er vorhin gewollt hatte, als sie von den unteren Ebenen sprachen... Und ihm sogar gesagt, weshalb sie so dachte, sie hatte ihm gesagt, welche Angst sie um ihn hatte!
Ein Kloß im Hals gesellte sich zu ihrem Unwohlsein hinzu, es fiel ihr immer schwerer, zu schlucken, und sprechen... das war es wohl erst einmal... Er verlangte nicht, dass sie bei ihm blieb. Er hielt sie nicht ab. Oh, sie verstand sehr wohl, dass er sie nicht im Allgemeinen von sich stoßen wollte oder dergleichen, sondern einfach nur anmerken wollte, dass es für ihn kein Problem war, nun alleine zu bleiben, dass er nicht auf sie angewiesen war, nicht, wenn sie eigene Pläne hatte. Dass er so großzügig war, sie gehen zu lassen... würde er auch noch, wenn er wüsste, wohin? Oder wäre es ihm vielleicht sogar tatsächlich egal, plötzlich? Er mochte sie nicht gezwungen haben... aber was hätte sie tun sollen? Ihn im Stich lassen? Es wäre falsch gewesen, und das war es noch immer, er war fremd unter Feinden... aber vielleicht unterschätzte sie ihn. Vielleicht... musste er auf einen Beinen stehen. Vielleicht hielten seine ihn besser als die ihren momentan, und vielleicht brauchte er sie nicht mehr, zumindest nicht mehr, um sich hier nicht mehr völlig verloren zu fühlen.
Aber nun war Ian der Märtyrer. Er fügte sich. Er blieb, wenn sie es sagte. Jetzt plötzlich. Oder ging es wieder nur um die unteren Ebenen? Ihr schwirrte der Kopf, um was ging es nun? Bastion, Coruscant, Bastion, Coruscant, Bastion... Oder... war er einfach nur... eifersüchtig? Eifersüchtig auf ihre Möglichkeiten, die er eben nicht hatte? Aber das war absurd, sie hatte die meisten Möglichkeiten ebenfalls nicht, und außerdem hatte sie in den letzten Wochen nicht mehr getan als er, auch jetzt nicht, das wäre lächerlich... Sie konnte außerdem nichts dafür. Sie hatte mit Joseline gestritten, sie hatte vor Wes seine Aufrichtigkeit beteuert, sie hatte sich neben ihn, vor ihn, hinter ihn gestellt, was auch immer nötig gewesen war. Aber sie, sie war die, die alles falsch machte. Sie hatte immer Unrecht... machte alles falsch... machte Vorwürfe... drängte ihn... antwortete nicht...
Ihr Schädel pochte, aber Eowyn hatte keine Kraft, um ihre Hand zu heben und auf die Stelle zu drücken, außerdem, was machte es schon aus? Ein kleines bisschen Schmerz. Nichts im Vergleich dazu, was Ian ihr zutraute. Dass sie seine Loyalität in Frage stellen würde, dass sie dachte, er würde Gewalt einsetzen, dass sie ihn bevormundete...
Er hielt sie nicht auf.
Er hielt sie nicht auf...
Nein, natürlich nicht. Aber wenn sie nun ging, um zu suchen, dann, das wusste Eowyn genau, würde etwas zerbrechen, unwiederbringlich. Ian würde zurückbleiben. Dass sie sich, zum ersten Mal seit Nar Shaddaa, für längere Zeit trennen würden, das war nicht das Problem. Das Problem wären die Situationen... und die Gefühle, die entstehen würden. Ian meinte das momentan vielleicht sogar tatsächlich ehrlich, aber auf Dauer würde es nicht gutgehen.
Aber vielleicht irrte sie auch. Vielleicht irrte sie, wie in allem anderen, wie in diesem ganzen, verflixten Gespräch. Irrte sie nicht immer?
Eowyn versuchte zu schlucken, ein Mal, zwei Mal, drei Mal, beim vierten Mal schließlich war sie halbwegs erfolgreich. Ein Räuspern folgte, während Ian sie noch immer beinahre auffordernd ansah. Jetzt, jetzt gab er ihr die Gelegenheit, etwas zu sagen, und jetzt - jetzt wusste sie nicht, was.
Aber vielleicht war es genau das, was sie sagen sollte...
Es spielt doch keine Rolle, was ich sage, flüsterte sie, froh, überhaupt etwas herauszubringen. Ich habe das Gefühl, du drehst mir ohnehin jedes Wort herum, und auch das wirst du vielleicht wieder als Vorwurf auffassen, oder gerade deshalb, weil ich es anspreche... Sie stockte kurz. Es war zu verworren. Wie kannst du überhaupt nur denken, ich könnte glauben, du würdest irgendwelchen Jüngern Gewalt antun? Wie kannst du nur denken, ich würde an deiner Loyalität zweifeln? Wie? Wie, wenn ich nichts anderes tue, als für dich da zu sein, dir zu zeigen, wie viel du mir bedeutest, dir zu sagen, wie viel du wert bist, und dir klarzumachen, wie sehr ich dich liebe? Sie schüttelte leicht den Kopf. Ja, wieder ein Vorwurf. Aber war es nun nicht letzten Endes auch egal? Wenn ich dir sage, entscheide selbst, dann handle ich falsch, wenn ich dir meine Sorgen mitteile, ebenfalls. Ich mache einfach alles falsch. Also... Sie betete, dass ihre Beine nicht nachgeben würden, sammelte die letzte Kraft, die sie hatte. Werde ich jetzt wieder etwas falsch machen und diesen Raum verlassen. Denn egal ob ich bleibe oder gehe, es ist ein Fehler, und so... So kannst du dich um andere Dinge kümmern. Alisah, um deine Pläne, um deine Gedanken. Ich weiß es nicht. Sie nahm ihr Komlink vom Gürtel und warf es auf das Bett. Ich nehme an, du darfst nun eines besitzen, und selbst wenn nicht, was soll es? Eowyn verließ schließlich die schützende Wand und stakste so fest, wie sie konnte, auf die Tür zu. Es war, als ob ihre Beine ihr kaum gehörten, aber immerhin kam sie voran. Ich melde mich, wenn ich alles organisiert habe. Vielleicht... Vielleicht konnten sie dann miteinander reden? Ohne diese Vorwürfe? Aber wäre das nicht wieder ein Vorwurf? Eowyn legte die Hand auf die altmodische Türklinke und schüttelte dann den Kopf. Nicht noch mehr Worte. Je mehr sie sprach, desto schlimmer machte sie es, das wusste sie. Ich melde mich, wiederholte sie also nur, in der Absicht, sich ein neues Komlink zu besorgen und es dann mit dem, was sie Ian eben geliehen hatte, auszutauschen, öffnete die Tür und verließ den Raum.
Coruscant – Jedi-Tempel, Krankenstation, mit Ian