[Coruscant - Jedi-Tempel - Medizinische Abteilung - Behandlungszimmer] Ian Dice, Levice Vajetsi; Jedi-Meister Eekhal, Jedi-Heilerin, Patientin
In allen Dingen, so unbedeutend sie erscheinen mochten, lag eine Lektion. Als Jedi wurde Levice in aller Regelmäßigkeit daran erinnert, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Täglich achtete sie darauf, mit ihren Gedanken nicht in der Zukunft oder der Vergangenheit zu verharren. Zumindest versuchte sie es, auch wenn weisere Jedi als sie darauf beharrten, dass ein Versuch nur ein verfehltes Gedankenkonstrukt war, doch das war ein Dilemma für einen anderen Tag. Nichts zu erwarten, aber auf alles vorbereitet zu sein, war eine Variation des allgemeingültigen Erfahrungssatzes, der sie alle hieß, sich auf den Moment zu konzentrieren.
Auf ihren fragenden Blick hin hatte die ältere Jedi der Padawan bei ihrer Rückkehr erklärt, dass
Ian Dice maßgeblich an der Heilung eines mit dem C-Virus erkranken Kindes beteiligt gewesen war. Was sich im Tempel wie ein Lauffeuer verbreitet haben musste, schien sie nicht erreicht zu haben, während sie sich in der üblichen Quarantäne kurz vor ihrer Abreise von dem Stadtplaneten befunden hatte. Die Nachricht erfüllte sie mit ungeahnter Freude. Zwar bedeutete der bahnbrechende Heilungserfolg nicht, dass die Krise überstanden war. Er bildete aber ein zuversichtliches Leuchten in einer Zeit, die Levice insgesamt mit finsteren Gedanken betrachtete.
Erwartet hatte sie daher, dass ein älterer Jedi den Behandlungsraum betreten würde. Jemand, dessen Alter man versuchen würde, anhand seiner Bartlänge festzumachen und der sein vom Alter reduziertes Gewicht vielleicht auf einen Gehstock stützte. Nach seinem Bart beurteilt war
Ian Dice jedoch nicht einmal drei Tage alt.
‘Und die Gehhilfe fehlt.‘ dachte Levice in einem Anflug von Selbstironie und erinnerte sich kurz an Meister
Agoch, der seinen Gehstock zuletzt jedoch verloren hatte. Aus der Sicht einer beinahe Zwanzigjährigen stand
Ian Dice zweifelsohne mitten im Leben. Die Gestalt des Mannes reichte bis fast unterhalb der Türschwelle. Er war in mehr als einer Hinsicht eine düstere Erscheinung. Seine Kleidung war noch dunkler als das kurzes Haar und seine markante Augenbrauenpartie senkte sich in einem ernsten Gesichtsausdrück über den tiefbraunen Augen herab. Und er wirkte jedoch nicht, als sei er soeben aus einem anderen Stockwerk des Tempels angekommen. Wäre er nicht binnen weniger Minuten in dem Behandlungszimmer erschienen, hätte Levice in Anbetracht seines Äußeren vermutet, er habe eine schwere und aufzehrende Anreise hinter sich.
‘Vielleicht hat er das auch und hatte gehofft, den Rest des Tages in Ruhe zu verbringen..‘ begannen sich ihre Gedanken aus Gewohnheit tiefer in dem selbstgestellten Rätsel zu verbeißen. Schließlich schob sie sein abgekämpftes Erscheinungsbild auf die Arbeit, die er sicherlich leisten musste. Jemand mit seinen Fähigkeiten sah sich auf Coruscant mehr Gelegenheiten gegenüber, sie sinnvoll einzusetzen, als eine Person allein bewältigen konnte.
Zufrieden mit ihrer Überlegung versuchte Levice, die deutlich sichtbaren Augenringe und den matten Ausdruck in seinen Augen nicht länger zu beachten. Dazu war es nur nötig, ihn in der Macht wahrzunehmen. Seiner Präsenz wusste der Mann den üblich gelassenen, in sich ruhenden Anschein zu verleihen, den erfahrene Machtnutzer so selbstverständlich trugen, wie ein Glücksspieler sein Sabacc-Gesicht. Dann fiel sein Augenmerk auf das junge Leben auf dem Behandlungstisch und etwas veränderte sich in seiner Mimik, vielleicht auch in seiner Haltung. Was genau mit dem Herzen des Mädchens nicht in Ordnung war, hatte Levice nicht einmal sicher ausmachen können, obwohl sie die beiden Heiler auch in der Macht bei ihrer Arbeit beobachtet hatte.
»Eine neue Ampulle Bota-B, bitte, Padawan.« Die Basic-Aussprache des Mon Calamari war für seine Spezies ungewöhnlich präzise. Nur die Ränder einiger Silben verwischte der gewohnte Zungenschlag seiner Muttersprache. Während Levice sich zu der seitlich gelegenen Kühleinheit begab, wandte sich der Arzt an den hochgewachsenen Mann.
»Wir schließen eine Autoimmunreaktion aus. Kein Flüssigkeitsrückstau, vermutlich keine Herzschwäche. Wir wissen noch nicht, ob Bakterien es auslösen oder eine Virusinfektion vorliegt.« Levice zog die Stirn bei dem Wort in Falten, während sie die Kühleinheit verschloss. „Virus“ war ein eindeutig vorbelastetes Wort. Selbst wenn sich die Bewohner von dem Virus erholt hatten und außer Gefahr waren, würde es noch lange dauern, bis die Wunden verheilten, die das C-Virus in Körper und in Gedanken der Leute gerissen hatte.
»Jedenfalls lassen sich die Entzündungsherde nicht eindämmen. Es ist, als würde man mit bloßen Händen mehrere Lecks zu stopfen versuchen – wenn nicht eines schon undicht ist, bricht irgendwo eine neues auf.«
Levice tauschte die Ampullen aus und meinte in der Macht förmlich zu spüren, wie das Mädchen kurz darauf wieder in tieferer Bewusstlosigkeit versank. Sorgenvoll betrachtete sie es einen Augenblick, bevor sie nach der alten Ampulle greifen wollte.
»Und räum‘ das hier aus dem Weg, wenn es nicht mehr gebraucht wird. Ich bin mir darüber im Klaren, dass deine Sorgfalt nicht den Ansprüchen dieser Station genügt. Ja, Dr. Ruuh hat davon berichtet.«, fügte er an sie gewandt hinzu, als Levices Blick hochruckte und auf seinen traf.
»Für ein Lazarett gilt derselbe Anspruch wie in diesem Behandlungszimmer. Darauf habe ich ein Auge.« Levice hieß die Erinnerung nicht willkommen, als vor ihrem inneren Auge das Bild des Virus-Erkrankten aufleuchtete, der aufgrund ihrer Nachlässigkeit eine leichte Möglichkeit erhalten hatte, seinem Leben ein Ende zu bereiten. Sie hatte anschließend in Zweifel gezogen, ob sie überhaupt jemals den Anforderungen genügen könnte, die sie an das Ideal eines Jedi stellte und ob sie deshalb ihre Ausbildung beenden sollte.
Dr. Ruuh hatte seinerseits ihre Zusammenarbeit beendet, allerdings aus völlig anderen Gründen – die Meister
Solo ebenso wie ihr Versagen auf eine Weise abgetan hatte, die Levice noch immer mit Verwunderung erfüllte. Seitdem war viel Zeit vergangen. Trotzdem konnte sie nicht umhin, den älteren Jedi für einen Augenblick entgeistert anzusehen. Sie wollte es sich ungern eingestehen, doch die Worte trafen sie mehr, als sie es erwartet hatte. Ein flüchtiges Lächeln trat unwillkürlich auf ihre Lippen, als sie bemerkte, zum zweiten Mal aufgrund ihrer Erwartungen unvorbereitet getroffen worden zu sein. Die kugelförmigen Augen des Mon Calamari verengten sich.
»Ich werde Euch keinen Anlass zur Unzufriedenheit geben.« sagte sie schließlich und nahm die geleerte Ampulle beiseite. Über den Punkt, an dem sie die Bemerkung des Arztes noch vor einem halben Jahr völlig aus dem Gleichgewicht gerissen hätte, war sie hinaus, auch wenn es nicht verhinderte, dass sich ihre Gesichtshaut rötlich färbte. Sie hätte sich wortreich und dennoch respektvoll zu verteidigen gewusst, schluckte die Worte aber hinunter. In dieser Situation auf einer Diskussion zu beharren, war aus mehr als einem Grund verfehlt. Hauptsächlich jedoch täte sie der jungen Falleen ein Unrecht, das sie nicht hätte wiedergutmachen können.
»Versprechen sind ein heikles Ding, vor allem für Jedi.« hörte Levice hinter ihrem Rücken, als sie die Ampulle entsorgte. Sie entließ ihren aufkeimenden Ärger in die Macht, bevor er von ihr Besitz ergriff. Ohne Zweifel lag der Mon Calamari damit richtig, doch auch Weisheiten hatten einen rechten Ort und eine rechte Zeit. Dieser Ort benötigte bloß die Weisheit, einer komplexen Erkrankung ihren tödlichen Stachel zu nehmen.
»Im Übrigen haben wir einen leichten Sauerstoffmangel des Blutes festgestellt.« warf die Heilerin mit richtungsweisendem Unterton ein.
»Der Herzrhythmus scheint ungewöhnlich stetig. Die Eltern sind aus einem Krankenhaus zu uns gekommen, in dem man das Mädchen seit einiger Zeit behandelt, ihm aber nicht mehr zu helfen wusste. Ich hatte die Hoffnung, Ihr würdet einen Blick auf sie werfen können.«
[Coruscant - Jedi-Tempel - Medizinische Abteilung - Behandlungszimmer] Ian Dice, Levice Vajetsi; Jedi-Meister Eekhal, Jedi-Heilerin, Patientin