Heute hatte ich mein skurrilstes COVID-19-Erlebnis der letzten Wochen: Ein Tag vor dem Lockdown, die Mähne musste dringend ab. In Tagen, in dem ein freier Frisörtermin rar ist, nimmt man, was man bekommt. Bei mir war es ein über 70-jähriger Inhaber, dem seine beiden Mitarbeiterinnen in den letzten Monaten weggelaufen sind, wie ich während des Schneidens erfuhr. Der Herr war sehr freundlich, sehr redselig, ich habe so manche Anekdote aus seinem Leben erfahren, er trug aber die ganze Zeit keinen Mundschutz. Na ja, er war meine letzte Chance, meine FFP 2-Maske wurde von mir besonders geradegerückt. Vielleicht liegt die Risikobereitschaft in seinen Genen, sein Großvater war ein Wilddieb, wie er erzählte. Mit 50 Jahren wurde er, der Großvater, auf frischer Tat ertappt und mit Schrott vollgepumpt – nach drei Tagen war er tot.
Aber warum ich dies alles erzähle: Beim Zahlen öffnete sich die Tür und eine gebeugte Frau, optisch der 90 näher als der 80, schlurfte zu einem freien Stuhl, setzte sich, stellte ihre große Handtasche neben sich ab, nahm ihren Mundschutz ab und stopfte ihn zielstrebig in ihre Handtasche. Dabei krächzte sie energisch: "Den brauchen wir hier nicht". Der Frisör fröhlich: "Nein, den brauchen wir hier nicht."
Palim-Palim.