Tali
Freedom is a pure idea
Das deutsche Grundgesetz hilft dir in der Türkei allerdings eher wenig. Es ist auch etwas verquert zu erwarten, dass die Bundesregierung ihre Gesetzestheorie und -praxis außerhalb ihres Herrschaftsgebietes anwendet. Das Grundgesetz verliert mit einem Urlaub im Ausland für dich seine Gültigkeit. Und es kann und darf bzw. sollte von niemandem ernsthaft erwartet werden, dass die deutsche Regierung, nur weil ein Tatverdächtiger in einem anderen Staat in Untersuchungshaft sitzt, dann nach ihrer Rechtsprechung oder ihrem Wertesystem zu bemessen hat, wie lange diese Haft dauern darf. Das gab es früher mal, beispielsweise nach dem Untergang Westroms, als germanische Herrschaftsgebiete verschiedene Rechtsprechungen für Germanen und Römer in ihren Grenzen besaßen, aber heutzutage gilt eben (im Idealfall): Jeder wird in dem Staat de iure gleich behandelt. Ob das hier der Fall ist, darf natürlich bestritten werden. Ich schließe mich - in Auszügen - übrigens deiner Meinung an, dass der Prozess ein Witz geworden ist, aber hier demagogisch zu fordern, dass eine Spezialeinheit den Jungen aus dem türkischen Gefängnis holt, ist irgendwo weltfremd; anders sollte man das als aufgeklärter und unpolemischer Bürger nicht sehen können. Das ist, wie von Igi auch erwähnt, ein Eingriff in die Souveränität eines Staates, der niemandem nützen kann, sondern heutzutage eher wie eine Rückbesinnung in archaische Urzeiten wirkt. Von den tatsächlichen, politischen Konsequenzen eines solchen Eingriffes braucht man hierbei nicht mal zu sprechen, die Deutschland weniger in Relation zur Türkei schaden würden, als viel mehr dem Ansehen unseres Landes international. Wobei dir das möglicherweise auch gleich zu sein scheint, wie laut diesem Thema doch relativ viel, was wir uns hier in den letzten Jahrzehnten als fortschrittliches supranationales Ideologiengebilde aufgebaut haben. Irgendwo hattest du auch behauptet, dass wir nichts zu sagen hätten. Das muss auch definitiv bestritten werden. Deutschland gilt als Führungsstaat der EU und trägt dort auch die größte Verantwortung, ist die tragende Richtlinienkraft innerhalb dieses Staatenbundes. Ich hoffe übrigens, dass du dich bald von der Vorstellung löst, dass Politik nur ödes Debattieren und Wortzanken ist, was eine etwas naiv-kindliche Idee vom politischen Apparat mit seinen schwierigsten Automatismen und Mechanismen darstellt. Stünde an der Spitze unseres Staates ein Mensch mit solchen unpolitisch erdachten Forderungen und Vorstellungen wie du sie hier teilweise suggerierst (Gleichgültigkeit des Völkerrechts, deutsche Jurisdiktion in fremden Staaten, Befreiung eines Tatverdächtigen durch eine Spezialeinheit ), wäre das eine totale Isolation unseres Landes und die letzten sechzig Jahre der Annäherung und wachsenden Kooperation Europas zerstört. Bitte tu uns also einen Gefallen und werde niemals Politiker, das würde einfach nicht funktionieren.Mein Recht auf Freiheit basiert auf dem GG und das ist das einzige was zählt. In anderen Staaten schützt mich das deutsche GG nicht mehr einen milimeter und daher sehe ich es als verpflichtend an das die Bundesregierung für den Schutz deutscher Bürger vor unrechtmäßigen Übergriffen sorgt. Mit allen notwendigen Mitteln.
Übrigens hast du mit deiner Argumentation teilweise Recht, dass die Vergewaltigung (wohl) vorerst vom Tisch zu sein scheint. Das ist schon richtig. Insofern ist hier derzeit kein Tatverdacht gegeben und man könnte - theoretisch - erst einmal davon ausgehen, dass eine weitere Untersuchungshaft unberechtigt ist. Das ist aber falsch. Es ist nunmal so, dass weiterhin zumindest der Vorwurf der sexuellen Nötigung im Raum steht und man daher durchaus hier noch eine gewisse Fluchtgefahr sehen könnte, wenn man es unbedingt möchte - was hier der Fall zu sein scheint. Zum anderen liegt nun ja die ~150-seitige Aussage des Opfers vor, die jetzt erst überprüft werden muss. Gerade letzter Punkt macht die Freilassung von Marco momentan eher unmöglich oder zumindest sehr unwahrscheinlich, denn hier verspricht man sich logischerweise, die Verdachtsmomente konkret verhärten zu können. Dass diese Aussage erst jetzt vorgelegt wird, ist derweil freilich sehr...dubios.
Nur so aus Neugierde. Mit anderen Worten: Du gehst davon aus, dass du in Deutschland jemandem eine Körperverletzung (wobei bei der Beschreibung durchaus auch ein anderes Delikt zu Grunde liegen könnte...) zufügen darfst, "nur" weil er dich als Nazi bezeichnet? Eine Beleidigung, wie auch immer sie nun geartet ist, ist definitiv keine Rechtfertigung zur Begehung einer Straftat. Sie mag sich im Urteil später möglicherweise strafmildernd (denkbar: minder schwerer Fall, tiefer mag ich in die Juristerei nun aber auch nicht gehen) auswirken, aber als Freibrief zum "in die Fresse hauen" solltest du sie lieber nicht sehen. Es sei denn, du magst dich selbst einmal eingehender mit der deutschen Methodik der Untersuchungshaft und des Verfahrensrechts befassen.Wenn wir uns RL gegenüberstehen würden und du hättest eben diesen Begriff zu mir gesagt, ich zitiere: "Dann bist du nicht besser als die Menschen im dritten Reich!" dann hätte ich dir einen in die Fresse gehauen das dir der Kopf zwischen den Ohren weggeflogen wäre, denn das ist eine Ehrverletzung sondergleichen. Sollte es dadurch zu rechtlichen Konsequenzen kommen(was ich bei einer derartigen Beleidigung zu bezweifeln wage) dann würde ich diese erhobenen Hauptes tragen. Denn etwas derartiges brauche ich mir nicht sagen lassen.