Wenn man sich auf
tvtropes,
wikipedia,
knowyourmeme,
fanlore, oder
fanfiktion.de zu diesem Thema umschaut, dann ist einer der ersten Sätze zur eigentlichen Definition einer "Mary Sue" eben genau diese Geschichte mit dem Abziehbild bzw. der Selbstinszenierung des Autors.
Und das macht deine Definition jetzt gleich richtig und Chrisaels Verständnis falsch? Ich denke nicht
Aber gut, schauen wir mal exemplarisch in den Wikipedia-Artikel. Dort wird Mary Sue also folgendermaßen (im Anfangssegment) definiert:
"Mary Sue ist eine abwertende Bezeichnung für eine weibliche und oft sehr junge Protagonistin, die mit höchst
idealisierten Zügen und Charaktereigenschaften dargestellt wird. Sie vertritt moderne Ansichten und zieht in der Handlung das Interesse aller anderen Figuren auf sich. Dieses
Phänomen, das vor allem durch
Fan-Fiction zu Büchern und Filmen bekannt geworden ist, findet sich immer häufiger in aktuellen Filmen und Videospielen wieder. Auch in
Rollenspielen ist dieser Begriff sehr beliebt geworden."
Semantische Merkmale einer Mary Sue wären demnach:
+ weiblich
+ höchst idealisierte Züge
+ vertritt moderne Ansichten
+ zieht in der Handlung das Interesse aller anderen Figuren auf sich
(Vermutlich sind diese Merkmale für eine wirkliche strukturalistische Analyse noch nicht elementar und vielleicht auch nicht allgemein genug, aber für das Forum reicht es sicher.) Von einem "Abziehbild des Autors" lese ich in dieser Definition erst einmal nix. Gut, in der ersten Definition können auch wirklich nur die grundsätzlichen Definitionsmerkmale stehen. Und ja, im Wikipedia-Artikel wird dann unter dem nächsten Punkt "Kritik" dann geschrieben:
"Es wird oft unterstellt, dass es sich bei einer Mary Sue um eine stark geschönte Version der Autorin handelt, etwa mit perfektem Körper, Reichtum oder einem großen Freundeskreis, die dann als neue Hauptfigur stark die Handlung beeinflusst und die übrigen Figuren in die Unterstützerrolle drängt."
Hier wären für mich zwei Dinge interessant.
Zum einen steht da "Autorin", nicht"Autor", wie bei dir oben. Japp, ist Erbsenzählerei, aber eben ein Beispiel dafür, dass es da unterschiedlich enge Auffassungen gibt.
Zum anderen eben nicht, dass eine Mary Sue tatsächlich eine stark geschönte Version der Autorin
ist, sondern da steht "Es wird oft unterstellt". Das ist für mich eben kein zwingendes Definitionsmerkmal. Dem Menschen wird beispielsweise auch oft unterstellt, von Grund auf schlecht zu sein. Trotzdem würden wir nicht sagen, dass jemand von Grund auf schlecht sein muss, um Mensch zu sein.
Wer hätte gedacht, dass dieser Nebenschauplatz so lange überlebt?