[Duro | Orbitalstadt Rana Prime | Militärbasis | Sports Center | Faith, Team & Duros]
Das Spiel verlief ausgeglichen. Sehr ausgeglichen. Und das war gut. Die gegnerische Mannschaft, die ausschließlich aus männlichen Duros bestand, war mit vier rasch erzielten Punkten in Führung gegangen, ehe Faiths Mannschaft überhaupt richtig realisiert hatte, was mit ihnen geschah. Dennoch vollbrachten sie das Kunstwerk, das Ruder irgendwie wieder herumzureißen. Die Duros hatten sie unterschätzt. Besonders, nachdem sie ohne nennenswerte Gegenwehr in Führung gegangen waren, waren sie sich ihres Sieges zu sicher. Inzwischen stand es fünfzehn zu fünfzehn und das Spiel neigte sich dem Ende zu. Die letzten Zähler fielen Schlag auf Schlag. Die Stimmungen der beiden Teams verliefen entlang einer Klinge. Mal erlebten die Einen das Hoch eines Torerfolgs, kurz darauf die anderen. Die Gefühle waberten so klar erkennbar durch den Raum, dass Faith sie oft für ihre eigenen hielt. Oft hatte sie trainiert, die Gefühle der Personen, die sie umgaben, wahrzunehmen. Noch nie hatte sie versucht, sich vor ihnen zu schützen und sich abzuschirmen. Es gelang ihr auch nicht. Erzielte das andere Team einen Punkt, sah sie nicht nur die Freude ihrer Gegenspieler, sie fühlte sie auch, als wäre es ihre eigene Freude. Gepaart mit ihrem eigenen Frust, der sie in diesen Momenten befiel, mischte sich so bei jedem Ereignis auf dem Spielfeld ein gefährlicher Cocktail in ihr zusammen. Sie war gereizt. Die Leidenschaft hatte sie gepackt.
“Jaaaa! Verdammt gut, Denni! Schon bei den letzten beiden Toren war sie in solche Jubelstürme verfallen, dass ihre Stimme nun bereits brüchig wurde. Denni, der dunkelhäutige Private aus dem Inner Rim, erzielte nun bereits seinen neunten Punkt. Keiner hatte sich so schnell in dieser Sportart verbessert, wie der Neunzehnjährige. Es war kein Wunder, dass Taylor ihn bei seinen Angriffen immer wieder als Passempfänger auserkor. Faith riss die Arme hoch und gab ihm einen lobenden Klaps auf die Schulterpolster mit, als sie an ihm vorbeisauste. Mit breitem Grinsen auf dem Gesicht nickte er ihr zu, als sie alle wieder ihre Positionen einnahmen. Sie warf einen raschen Blick auf die Uhr. Es war nur noch Zeit für einen einzigen Angriff übrig. Sie lagen mit einem Punkt in Führung, doch den Duros stand nun der Ballbesitz zu. Ihre Aufgabe als Flügelspielerin lag nun in der Verteidigung darin, den gegnerischen Flügelspieler daran zu hindern, den Ball zugespielt zu bekommen. Das Problem beim Manövrieren des eigenen Körpers auf dem Spielfeld lag darin, dass die Repulsorstiefel nur eingeschränkte Richtungsänderungen zuließen. Wollte ein Spieler besonders schnell die Richtung ändern, oder Geschwindigkeit aufnehmen, musste er sich von Wand, Boden, Decke oder einem anderen Spieler abstoßen.
Faith war schnell bewusst geworden, warum dieser Sport bei den Duros (und ganz besonders dem Militär) so beliebt war. Ihr Leben spielte sich in jeder Hinsicht im Raum ab. Auf Rana Prime, der Weltraumstadt, herrschte mehr als ein G. Die Duro hatten ihre Standardgravitation an die Gravitation auf ihrer ursprünglichen Heimatwelt angepasst. Die selben Gravitationsgeneratoren, die ihnen ein Leben in gewohnter Anziehungskraft ermöglichten, konnten jedoch auch schnell zur Falle werden, sobald sie einmal ausfielen. Und Faith wusste, wie schnell soetwas geschehen konnte. Da diese Spezies ihr Leben im All führte, musste sie auch mit solchen Fällen souverän umgehen. Dieses Spiel simulierte kein Zero-G-Training, doch es war schon ziemlich nahe dran.
Der Angriff der Gegenspieler begann. Der hellgrüne Center Striker der Duros, der jeden Angriff begann, und selbst für einen Vertreter seiner Spezies eher kleingeraten war, stieß sich von einem seiner Mitspieler ab und ließ sich nach hinten fallen. Es war ein Spielzug, den sie in diesem Spiel bereits drei Mal gespielt hatten, und jedes Mal am Ende trafen. Als nächstes würde er den Ball weit nach vorne schlagen, sodass einer seiner Flügelspieler ihn erreichen und punkten konnte. Faith bereitete sich gerade darauf vor, sich von der Wand abzudrücken, und so ihrem Gegenspieler auf den Versen bleiben zu können, da hörte sie Taylors Stimme. „Faith pass auf!“
Sie verstand erst, was er meinte, als sie sich nach ihrem Mann umsah. Statt zu versuchen, mit hohem Tempo an ihr vorbeizukommen, schwebte er mit geringer Geschwindigkeit auf sie zu und packte ihren linken Arm am Ellenbogen. Ihr dämmerte erst, was vor sich ging, als sie sah, dass der Duros-Keeper ebenfalls auf sie zuflog, sich kurzerhand von ihr abstieß und mit rasantem Tempo in Richtung ihres Tor zusteuerte. Panisch versuchte Faith sich loszureißen. Körperkontakt war im Grav-Ball keinesfalls verboten; Halten allerdings schon. Da dieses Spiel jedoch keinen Schiedsrichter hatte, würde sich niemand darum kümmern. Erst, nachdem sie mit Händen und Füßen um sich geschlagen hatte, ließ er von ihr ab. Mit vor Wut verzerrtem Gesicht trat sie nach ihm, um sich von ihm abzustoßen, flog an einem ihrer eigenen Fullbacks vorbei, nutzte dessen Rücken ebenfalls zur Beschleunigung und steuerte auf den freien Mann zu. Sie musste ihn daran hindern, an den Ball zu kommen. Notfalls mit allen Mitteln. Sie würde dieses Spiel auf keinen Fall mehr aufgeben. All ihre Gefühle entluden sich in diesem einen Moment. Die Leidenschaft hatte sie gepackt, die Kontrolle übernommen und steuerte sie, als sie den Arm ausstreckte und den Körper des Duros mithilfe der Macht in ihre Richtung zog. Kurz schien die Zeit stillzustehen. Er wurde langsamer. Sie jedoch nicht. Die letzten Meter an Distanz hatte Faith innerhalb eines Wimpernschlags hinter sich gebracht, als sie mit aller Wucht in den Keeper rauschte.
Sie hörte einen Knochen knacken, bevor beide in einem Gewirr aus Armen und Beinen Richtung Boden stürzten. Alles überschlug sich. Sie wusste nicht einmal, ob es ihr Knochen oder der ihres Gegenspielers gewesen war. Sie fühlte in diesem Moment das selbe wie er. Schmerz, Frust. Im Hintergrund war etwas Freude und über allem der Deckmantel der Leidenschaft. Mit einem dumpfen Geräusch schlugen sie auf dem Boden auf.
Das erste, was Faith tat, war sich nach dem Ball umzuschauen. Er flog irgendwo im leeren Raum herum. Die Zeit war um. Faith und ihr Team hatten gewonnen. Freude überkam sie, und sie wollte sich umdrehen und zusammen mit ihren Kammeraden feiern, doch keiner von ihnen schien in Feierlaune. Kyra war ihr am nächsten. Sie schwebte auf Faith zu und hatte ein eher schockiertes Gesicht aufgesetzt. Nun erst hörte Faith das Wimmern in ihrem Rücken. Sie drehte sich um, und riss die Augen auf, als sie den Duros sah. Sein Arm stand in einem äußerst unnatürlichen Winkel von seinem Körper ab und an seiner großen, haarlosen Stirn war Blut zu erkennen, obwohl er einen Helm trug.
“Oh nein…, flüsterte Faith und beugte sich schnell zu dem Duros herunter, um ihm den Helm abzunehmen. Dort, wo der Helm begann, war eine Platzwunde zu erkennen und sie merkte, dass er nicht ganz bei sich war. Sie tastete vorsichtig nach seinem Arm, den er wimmernd zurückzog. Es brauchte keinen Profi, um zu erkennen, dass er ein-, vielleicht auch mehrfach gebrochen war.
“Es tut mir so leid! Es tut mir so leid!“, beteuerte sie, als jemand sie grob packte und nach hinten zog. Alle Duros waren nun auf dem Boden und scharrten sich um ihren Kammeraden.
“Wir müssen ihn ins Hospital bringen!“, keuchte sie. Allerdings hörte niemand auf sie. Sie redeten durcheinander, und Faith verfluchte sich diesmal dafür, dass sie ihre Sprache nicht sprach.
“Ins Hospital!“, sagte sie abermals. Erleichtert nahm sie zur Kenntnis, dass sie ihren verletzten Mann gemeinsam anhoben und sich anschickten, ihn wegzubringen. Ohne einen weiteren Blick an sie, oder die anderen Menschen zu verlieren, gingen sie vom Feld. Faith wollte ihnen folgen, wurde jedoch von Kyra zurückgehalten, die sachte den Kopf schüttelte und ihr in die Augen sah. Resignierend blieb Faith an Ort und Stelle zurück, während die Duros aus dem Blickfeld marschierten.
„Das war ein echt hartes Foul, Lieutenant.“ Taylor sprach das Offensichtliche aus. „Zum Glück sind die Duros eher friedliche Kammeraden. Die meisten anderen wären auf dich losgegangen.“
„Nicht nur das“, sagte Kyra. „Faith, du hast die Macht benutzt. Sie wissen es nicht, aber wir schon. Ich hab‘ gesehen, wie er immer langsamer wurde, als du die Hand ausgestreckt hast.“
Natürlich wusste ihr ganzer Zug inzwischen schon lange, dass sie diese Fähigkeiten hatte. Selten im Leben hatte Faith sich so geschämt. Nicht nur, dass sie die Macht zu ihrem eigenen Vorteil genutzt hatte, sie hatte dieses Mal jemandem unmittelbar Leid zugefügt und sich selbst von ihren Gefühlen und der Leidenschaft leiten lassen. Wenn Arlen und Chesara sie nun gesehen hätten, wären sie mit Sicherheit unglaublich enttäuscht von ihr gewesen. Es war eine der ersten Lektionen, die sie bekommen hatte. Leidenschaft führt zur dunklen Seite. Erst recht, wenn man die Macht mit ihr in Verbindung brachte. Faith nahm sich den Helm vom Kopf und strich fuhr sich mit der Hand durch die blonde, verschwitzte Mähne, die sie immernoch kurz trug.
“Ich wollte nicht… Das wollte ich nicht, wirklich. Das tut mir so leid.“
„Nicht ganz sportlich, aber Sieg ist Sieg“, sagte Baelor Ceff und zuckte gleichgültig mit den Achseln. „Die haben den Lieutenant vorher auch gehalten, habt ihr’s nicht gesehen?“
Sofort entbrannte eine Diskussion über Recht und Unrecht, der Faith nicht mehr folgen konnte. Sie fühlte sich einfach nur noch schlecht. Nachdem sich alle umgezogen und geduscht hatten, gingen sie in die Unterkünfte zurück. Noch immer drehten sich die Gespräche nur um das Spiel. Faith sagte nichts mehr dazu. Sie würde am nächsten Morgen direkt nach dem Duros suchen, den sie verletzt hatte, und sich persönlich entschuldigen. Den Rest des Abends verbrachte sie in ihrem Quartier und meditierte, unterbrochen nur durch das gelegentliche Piepsen ihres Astromechdroiden Dreibein. Sie fragte sich, ob es das richtige war, zur Armee zu flüchten, bevor sie ihre Jedi-Ausbildung beendet hatte. Eines Tages würde sie in den Tempel zurückkehren und eine Jedi-Ritterin werden, doch woher wusste sie, wann sie soweit war?
Bevor sie ins Bett ging, wollte sie noch etwas erledigen. Sie setzte sich an ihren persönlichen Terminal und zeichnete eine Nachricht für ihre Eltern auf, in der sie sie über alles unterrichtete, was seit Lianna passiert war. Sie hatte absichtlich keinen Kontakt gepflegt. Je mehr sie darauf herumüberlegte, verschwammen jedoch die Gründe für diese Entscheidung. Und so redete sie fast eine Stunde lang, bevor sie die Holo-Aufzeichnung stoppte und den Sendeknopf drückte.
[Duro | Orbitalstadt Rana Prime | Militärbasis | Quartier | Faith & Dreibein]