Also räumen wir mal ein bisschen auf hier, soweit ich das als normaler Pilot kann. Auf Spekulationen verzichte ich. Erstens ist das nicht meine Art, zweitens emfinde ich das meinem verunglückten, zur Crew gehörenden Freund gegenüber angemessen:
1. Man kann nicht am Flight Monitoring System rumspielen - ein solches gibt es schlicht nicht. Was sollte ein "Flugbeobachtungssystem" auch machen? Gemeint ist vermutlich eher "Flight Management System". Dazu ist ein Pilot auch da, dieses zu bedienen.
2. In der Regel wird der Autopilot bei FL 100 des Flug übernehmen. Viele Crews fliegen bis zu dieser Höhe von Hand. Manche schalten den AP früher ein, bei schönem Wetter oder zu Trainingszwecken wird auch gerne weiter per Hand geflogen. Das ist insofern wichtig, als daß der AP bei starken Turbolenzen oder bei einem technischen Defekt auch durchaus mal rausfällt oder ausfällt. Gelandet wird ebenfalls wieder von Hand, ein Autoland beherrschen nur wenige Typen, der Flughafen muß entsprechend technisch aufgerüstet sein und die Crew muß entsprechende Ratings haben.
3. Der "Knopf für den Sinkflug" muß nicht zweimal gedrückt werden. Für gewöhnlich steuert man den Sinkflug über das Multifunktionspanel des Autopiloten. Es gibt verschiedene Modi, um die Flughöhe zu ändern - ich kann eine Sinkrate vorgeben oder eine einzuhaltende Geschwindigkeit. Einen Knopf für den Sinkflug gibt es also direkt gar nicht, es gibt nur den Drehknopf für die neue Zielhöhe und den jeweiligen Taster für den Modus.
4. Die genaue Türsteuerung für die Cockpittüren kenne ich nicht, jedoch mußten diese nach 2001 so umgerüstet werden, daß ein Eindringen ins Cockpit vermieden wird - es ist also gut möglich und durchaus gewollt, daß die Türen von innen verriegelt werden können.
5. Bisher befindet sich nur der Voice Recorder in Auswertung. Ohne den Flight Data Racorder kann eine vernünftige Auswertung nicht belastbar stattfinden.
6. Flugunfälle werden sehr genau und sehr transparent untersucht. Man kann sämtliche Bulletins, Zwischen- und Abschlußberichte nachlesen, denn diese werden veröffentlicht. Für Unfälle mit deutscher Beteiligung auf den Seiten der BFU:
http://www.bfu-web.de/DE/Publikationen/Untersuchungsberichte/untersuchungsberichte_node.html
In aller Regel arbeiten sämtliche Beteiligten (auch die Hersteller und Fluglinien) sehr gut mit bei der Suche nach Ursachen. Oft fließen draus resultierende Änderungen in die aktuellen Produktionen oder in die Regelwerke der Airlines mit ein.
7. Psychische Probleme kann ich mir nicht so recht vorstellen. Piloten (insbesondere mit in Deutschland ausgestellter Lizenz) müssen sich vielen Kontrollen unterziehen bis hin zur nur in DE üblichen Zuverlässigkeitsüberprüfung, wo bei nahezu sämtlichen Behörden nach allen möglichen Auffälligekeiten gesucht wird. Berufspiloten bewältigen zudem mehrere mehrtgige Tests vor Ausbildung und Einstellung bei der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt und bei der einstellenden Company. Der Einstellungstest der Lufthansa (wozu Germanwings gehört) gilt dabei als einer der härtesten überhaupt. Die psychologische Eignung spielt dabei eine sehr bedeutende Rolle. Natürlich ist aber nichts unmöglich. Daran zu glauben fällt mir aber in diesem Fall sehr schwer.
Weiterhin gibt es altersabhängig in regelmäßigen Zeitabständen medizinische Untersuchungen der Piloten.
Die Forderung nach noch mehr Kontrollen und Untersuchungen ist m.M.n. Unsinn und auch kaum noch durchführbar dann.
8. Auch die Maschinen werden sehr genau überprüft. Airlines, die die Mindeststandards nicht erfüllen, haben in der EU Landeverbot. Wenn man sich ansieht, was selbst bei Kleinflugzeugen an Lufttüchtigkeitsanweisungen herauskommt und umgesetzt werden muß oder wie Hersteller sogenannte SIDs herausgeben, die umgesetzt werden müssen, dann kann man sich im Strassenverkehr sicher die ein oder andere Maßnahme abgucken. Oder mußtet ihr schonmal ein älteres Auto mit irgendwelchen Sicherheitspakten nachrüsten (den Gurt seinerzeit mal ausgenommen)?
Eine Ursache für den Unfall, bei dem es sich übrigens NICHT um einen Absturz handelt, sondern um "controlled flight into terrain" - also einen kontrollierten Flug gegen den Berg, kann nach den derzeit veröffentlichten Informationen also nicht abschließend geklärt werden. Die Medien bringen zwar eine Suizidabsicht des First officer ins Spiel - soweit ich das mitbekommen habe, wurde durch die Behörden bisher jedoch nur erklärt, daß der FO allein im Cockpit war und den Sinkflug absichtlich eingeleitet habe. Daraus einen Suizid zu erklären ist schon sehr hanebüchen zu diesem Zeitpunkt. Es ist durchaus normal, daß einer der Piloten (in der Fliegerei sprechen wir von Pilot Flying und Pilot Monitoring - also fliegenden und überwachenden Piloten) mal aufs Töpfchen muß. Der zweite Pilot fliegt in der Zeit die Maschine und reagiert natürlich entsprechend auf Anweisungen oder technische Gründe. Dazu kann auch das Einleiten eines Sinkfluges gehören.
Nun zu den Ängsten: Mit 250 km/h auf der Autobahn unterwegs zu sein ist verrückt. Hier können unzählige Ursachen selbst bei bestens gewarteten Fahrzeugen zu Unfällen führen: ausscherende Fahrzeuge, Gegenstände auf der Fahrbahn, Tiere die auf die Fahrbahn springen, Reifenplatzer, ...
Die meisten Autofahrer sind nicht so gut ausgebildet, mit solchen Situationen bei derart hohen Geschwindigkeiten umzugehen. Und es ist durchaus ein großer Unterschied, ob ich mit 160 km/h irgendwo einschlage oder mit 250.
Piloten werden sehr viel mehr auf alle möglichen Gefahren trainiert und wiederholen dies auch stets. Als Pilot ist man sich gewöhnlich zu jeder Zeit darüber bewußt, welchen technischen Störungen eintreten können und ich habe auch immer einen Plan B in der Tasche, wenn zum Beispiel bei der einmotorigen Cessna der Motor den Dienst quittiert. Solche Sachen übt man auch regelmäßig immer wieder. Welcher Autofahrer geht den halbjährig zu den dagegen noch recht harmlosen Fahrtrainings der Automobilclubs?
Für Leute mit Flugangst gibt es übrigens sehr gute und professionelle, praxisnahe Seminare, die auch gar nicht so teuer sind. Wer Interesse daran hat im Raum Hamburg/Bremen/Hannover kann mir gerne eine PN schicken - ich möchte hier jetzt keinen Link einstellen.