06.07.2006 Lehmann schenkt Kahn sein Abschiedsspiel
Berlin - Jens Lehmann präsentierte sich aufgeräumt wie immer, wenn er während der WM vor die Presse trat.
Jens Lehmann hat 38 Länderspiele auf dem Buckel, Oliver Kahn 85
Nach der Last-Minute-Niederlage im WM-Halbfinale gegen Italien hatte der zu Tode betrübte Nationaltorwart das Dortmunder Stadion noch durch einen Hinterausgang verlassen.
Doch auch zwei Tage später saß der Schmerz über die zweite bittere Pleite innerhalb von sechs Wochen bei Lehmann noch tief.
"Stimmung schlechter"
"Meine persönliche Stimmung ist eigentlich noch schlechter als direkt nach dem Spiel. Mit etwas Abstand hat man erst Zeit, die Niederlage zu verarbeiten. Nach dem Spiel Frankreich gegen Portugal hat man erst realisiert, was es heißt, ein Finale zu verpassen", sagte der 36-Jährige.
Nach der Roten Karte und der Niederlage im Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona nun der zweite Tiefschlag mit den beiden Gegentreffern in der 118. und 120. Minute, nachdem Lehmann die DFB-Auswahl zuvor mit einer herausragenden Leistung im Spiel gehalten hatte.
Noch keine Antwort gefunden
"Im Moment überwiegt bei mir die Enttäuschung. Ich war jetzt zweimal sehr dicht dran mit Arsenal und jetzt mit der Nationalmannschaft. Es stellt sich natürlich die Frage nach dem Grund des Ausscheidens. Eine Antwort darauf konnte ich leider noch nicht finden", erzählte er.
"Mit Arsenal habe ich nächstes Jahr aber erneut die Chance auf ein Finale. In der Nationalmannschaft muss ich meine Situation erst noch überdenken und mich darüber mit Jürgen Klinsmann unterhalten."
Zukunft im Nationalteam offen
Seine Zukunft im DFB-Dress wird vermutlich auch davon abhängen, ob der Bundestrainer weitermacht oder nicht. Im Moment scheint ebenso eine Fortsetzung seiner Karriere in der Nationalmannschaft möglich wie das Ende nach 38 Länderspielen.
Bei der WM wird er aller Voraussicht nach jedenfalls nicht mehr zu seinem 39. Länderspiel kommen. Denn alle Zeichen sprechen dafür, dass stattdessen Oliver Kahn am Samstag im Spiel um Platz drei gegen Portugal spielen wird.
Belohnung für Kahns vorbildliches Verhalten
Es wäre die Belohnung für Kahns vorbildliches Verhalten in der ungewohnten Rolle der Ersatzmanns. Mit seinem 86. Länderspiel würde der 37-Jährige mit Andy Brehme gleichziehen, mit dem zusammen er auf Platz zehn der DFB-Rangliste liegen würde.
Zudem dürfte die Partie auch Kahns Abschiedsspiel aus der Nationalelf sein, denn zwei weitere Jahre wird er sicher nicht auf der Ersatzbank Platz nehmen. "Die Chance ist schon groß, dass Oliver spielt. Eine endgültige Entscheidung ist aber noch nicht gefallen", erklärte Torwarttrainer Andreas Köpke.
"Oliver hätte es verdient"
Auch Lehmann würde seinem Rivalen den Vortritt lassen. "Ich weiß noch nicht, was die Trainer vorhaben. Aber Oliver hätte es verdient. Das wäre für ihn ein versöhnlicher Abschluss", sagte er.
"Er hat sich hervorragend verhalten, es hat einige schöne Gesten von ihm gegeben."
Vor allem die Szene vor dem Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Argentinien, als Kahn Lehmann Mut zusprach und Glück wünschte, war eines der beeindruckendsten Bilder der WM.
Alle Kritiker überzeugt
Gleichzeitig überzeugte der Matchwinner im Anschluss mit den beiden gehaltenen Strafstößen gegen Ayala und Cambiasso die allerletzten Kritiker an der Entscheidung von Klinsmann, Lehmann zur Nummer eins zu machen.
Die Unterstützung durch die Fans und die große Begeisterung in seinem Heimatland haben beim Wahl-Londoner Spuren hinterlassen. Auch wenn ihm zum zweiten Mal hintereinander der krönende Abschluss versagt blieb, zog Lehmann daher ein rundum positives Fazit.
"Emotionaler Höhepunkt meiner Laufbahn"
"Anerkennung tut jedem Menschen gut. Wenn er für das, was er leistet und für das, wie er ist, gemocht wird, freut sich doch jeder darüber", sagte der gebürtige Essener.
"Ich betrachte diese WM als emotionalen Höhepunkt meiner Fußballzeit. Ich war so überrascht von der Offenheit der Leute und von den Emotionen, die sie uns entgegengebracht haben. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich das miterleben durfte. Für mich bleibt das ein absolut einmaliges Ereignis."
Quelle: Sport1