Assassin's Creed: Odyssey (Xbox One)
Ja, es ist vollbracht. Ich bin mit der Hauptquest des (noch) aktuellen Assassin’s Creed durch. Damit habe ich nun den Storymodus eines jeden bisher erschienenen Assassin’s Creed vollendet (mit Ausnahme der Spin-Offs oder Add-Ons oder wie man es nennnen will „Rogue“ und „Liberation“ sowie den Chronicles-Teilen).
Oh… mein… Gott. Was für ein Koloss von Spiel. Annähernd 70 Stunden stecken ich nun in meinem Spielstand, bei dem ebenfalls schon sehr umfangreichen Vorgänger „Origins“ hatte ich die Hauptquest nach ich glaube ca. 40 Stunden inklusive Nebenbeschäftigungen erledigt. Bei „Odyssey“ dürfte alleine die Hauptquest schon mit 30 bis 40 Stunden zu Buche schlagen. Die titelgebende Odyssee trifft den Nagel auf den Kopf.
Zum Spiel selbst, wo fangen wir da an? Vielleicht bei der Story, denn die ist einer der Gründe, warum das Spiel keinen so leichten Stand bei vielen Fans der Reihe hat. Während wir in „Origins“ die Geburt der Assassinen im (stark römisch und griechisch geprägten) Ägypten des ersten Jahrhunderts v. Chr. erlebt haben, spielt „Odyssey“ im antiken Griechenland zur Zeit des Peloponnesischen Kriegs zwischen Athen, Sparta und jeweiligen verbündeten griechischen Stadtstaaten (431 – 404 v. Chr.) und damit einige Jahrhunderte vor der Entstehungsgeschichte. Also: Ja, mit dem eigentlichen Konflikt Assassinen vs. Templer hat die Geschichte von Odyssey – im Grunde – nichts zu tun (jedenfalls nicht das eigentliche Spiel, es gibt auch hier die Gegenwartsstory, aber... ja, lassen wir das). Allerdings gibt es mit dem Kult des Kosmos eine feindliche Fraktion im Spiel, die ganz eindeutig die Vorläuferorganisation der Templer darstellt, wohingegen die Spartiaten, die vom Kult unterdrückt werden und sich dagegen erheben, als Vorläufer der Assassinen gesehen werden können. Vielleicht wäre es besser gewesen, das Spiel einfach als Prequel zur Assassin’s Creed – Reihe zu vermarkten und nicht als regulären Bestandteil, dann hätte es hier sicher weniger Kritik gegeben.
Als Spieler schlüpft man jedenfalls in die Rolle von entweder Kassandra oder Alexios, Bruder und Schwester ähnlich wie das Geschwisterpaar in „Syndicate“. Allerdings ist die Wahl der Spielfigur bindend und gilt dann für das gesamte Spiel. Ich habe als Kassandra gespielt, denke aber, dass sich beide Charaktere exakt gleich spielen. Man erlebt eine sehr persönliche Geschichte auf der Suche nach den eigenen Eltern, welche die Spielfigur als Söldnerin bzw. Söldner in den Krieg hineinschliddern lässt und, erstmals in der Spielreihe, Dialoge mit vielen Entscheidungsmöglichkeiten bietet, welche auch zu verschiedenen Enden der Hauptquest führen. Die Story war bei einem Assassin’s Creed eigentlich noch nie das Gelbe vom Ei, und auch hier dümpelt sie teilweise vor sich hin. Gegen Ende nimmt sie dann aber doch nochmal Fahrt auf und bei mir hat die Story einen Ausgang gefunden, mit dem ich sehr zufrieden bin und der mich sogar ziemlich berührt hat.
Die Spielwelt ist gigantisch groß und besteht aus einer Vielzahl kleinerer und größerer Inseln sowie Festland. Entsprechend spielt auch die Schifffahrt eine große Rolle, was an „Black Flag“ erinnert. Hier finde ich sie aber deutlich besser umgesetzt, weil sich das eigene Schiff gerade in Seegefechten deutlich besser steuert, in „Black Flag“ war die Schiffssteuerung meiner Ansicht nach recht träge. In erster Linie ist die Spielwelt jedenfalls ein echter Hingucker. Die Landschaften sind wunderschön gestaltet und natürlich lassen sich auch bedeutende Städte der antiken griechischen Welt wie Athen oder Sparta besuchen, die detailliert dargestellt sind. Eine so tolle Spielwelt hatte wohl noch kein Assassin’s Creed zuvor, hier macht es einfach Spaß, auch mal ganz ziellos zu Fuß, reitend oder mit dem Schiff durch die Spielwelt zu ziehen und sich treiben zu lassen. Wobei man wiederum auch kaum ziellos unterwegs ist, immerhin ist die Spielwelt bis zum Bersten mit Nebenquests, feindlichen Festungen und Lagern, Orten zum Entdecken etc. gefüllt. Dies ist ein oft genannter Kritikpunkt am Spiel, dass die Spielwelt zu groß ist und es zu viel zu tun gibt, als dass man jemals damit fertig werden könnte. Ich sehe das nicht negativ, ich sehe die Spielwelt mit all ihren Aktivitäten einfach als gigantische Spielwiese an, mit der man sich praktisch so lange beschäftigen kann, wie man selbst das möchte.
Das allgemeine Gameplay ähnelt ansonsten sehr stark demjenigen aus dem Vorgänger. Ein für die Reihe ganz neues Gameplay-Element stellen die Eroberungsschlachten dar. Die Spielwelt ist in verschiedene Gebiete unterteilt, welche entweder von Athen oder von Sparta kontrolliert werden. Bei einer anstehenden Schlacht um die Herrschaft über das Gebiet kann man wahlweise auf der Seite der verteidigenden oder der angreifenden Fraktion eingreifen und muss diese dann zum Sieg führen, indem man genügend Soldaten der gegnerischen Fraktion tötet, bevor zu viele eigene sterben. Gerade für ein Videospiel sind diese Schlachten beeindruckend dargestellt, so 50 bis 100 Krieger sind da bestimmt gleichzeitig auf dem Bildschirm zu sehen. Das Gefühl, in einer großen Schlacht zu kämpfen, wird durchaus vermittelt, darüber hinaus werden siegreiche Schlachten großzügig mit Erfahrungspunkten und Loot belohnt.
Damit ist jedoch auch schon ein Stichwort für Kritik gefallen, denn ein paar Unzulänglichkeiten hat das Spiel dann doch. Eine davon ist definitiv das Lootsystem, mit dem man es völlig übertrieben hat. Man kann gefühlt keine zwei Meter gehen, ohne mit neuen Waffen oder Rüstungsteilen eingedeckt zu werden. Kaum hat man die besten Gegenstände angelegt, die man besitzt, erhält man schon wieder neue, noch bessere und kommt irgendwie kaum mehr zum Atmen vor lauter Loot. So entsteht auch nie die Notwendigkeit oder das Bedürfnis, sich neue Gegenstände zu kaufen, was durchaus möglich ist, weil man ohnehin damit rechnen kann, nach der nächsten Quest wieder bessere Ausrüstungsgegenstände zu erhalten oder diese in der nächsten Schatztruhe zu finden. Man verliert einfach die Übersicht und hat dauernd ein prall gefülltes Inventar. Hier bin ich im Hinblick auf „Assassin’s Creed: Valhalla“ froh, dass man das Problem wohl erkannt hat und es in bisherigen Berichten heißt, dass der Lootfaktor deutlich zurückgefahren wurde. Eine andere Schwäche des Spiels sehe ich bei den Kämpfen: Sie funktionieren grundsätzlich ähnlich wie im Vorgänger, wobei man, anders als dort, wieder im richtigen Moment blocken muss, was ich gut finde. Aber das Kampfsystem setzt auch stark auf freischaltbare Spezialangriffe, und da sind dann so Sachen wie Feuer- und Giftklingen, Schockwellen etc. dabei. Außerdem schleudert es die Gegner schon mal einige Meter weit weg, wenn sie von einer Angriffskombo getroffen werden. Ich weiß nicht, mir ist das ein bisschen „too much“ und ich hätte bodenständigere, realistischere Kämpfe besser gefunden.
Das alles ist jedoch Kritik auf hohem Niveau und insgesamt halte ich „Assassin’s Creed: Odyssey“ für ein sehr gutes Spiel, gerade auch innerhalb der Reihe. Ich bin aber auch froh, jetzt mit der Hauptquest fertig zu sein, deren Vorantreiben ich eine ganze Weile vor mir hergeschoben habe, weil das Spiel eben doch sehr groß ist und man teilweise schon das Gefühl hat, davon so ein bisschen erschlagen zu werden. Man muss bereit sein und auch die Lust mitbringen, sich darauf einzulassen, dann wird man aber auch mit einem tollen und vor allem unglaublich schön anzusehenden Spielerlebnis belohnt. Ich werde das Spiel jedenfalls sicher noch öfter einlegen, wie gesagt gibt es noch viele Dinge, die man dort machen kann und dann sind da ja noch die DLCs. Ansonsten wäre ich dann jetzt dann auch langsam bereit für „Assassin’s Creed: Valhalla“
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