Hey
@lightside1985 !
Danke für Deine Sicht der Dinge. Ich wollte schon eher antworten, war aber in letzter Zeit doch etwas schreibfaul und konnte mich angesichts der doch umfangreicheren Antwort nicht eher dazu durchringen. Das hole ich nun nach.
Ich kann selbstverständlich nicht für alle EU-Freunde sprechen, doch aber versuchen, dir meine Sicht der Dinge zu erklären. Es geht mir dabei weniger darum, dass ich durch die Entkanonisierung des alten EUs befürchte, dass ein Disneymitarbeiter in meiner Wohnung auftaucht und alle Romane auf einen Haufen legt und verbrennt. Natürlich stört mich durchaus, dass diese Romane, die für mich ebenso Star Wars sind, wie es die Filme sind, keine offizielle Gültigkeit mehr haben. Betrauern tue ich aber weniger die alten Geschichte, denn die bleiben mir wie du ja zu recht sagst erhalten. Ich betrauere die Zukunft. Es wird keine Geschichten mehr über die Charaktere geben, die ich über 20 Jahre kennen und lieben gelernt habe. Selbst die Charaktere aus den Filmen sind für mich "gestorben", da diese Charaktere eine Geschichte erlebt haben, die sie geprägt haben. Ändere die Geschichte und du änderst den Charakter. Das ist zumindest für mich der Hauptgrund warum ich immer noch über die Entkanonisierung betrübt bin.
Ich muss zugeben, dass ich das bis jetzt so nicht gesehen habe. Das liegt aber daran, dass ich eine andere Herangehensweise an das Thema habe. An der Stelle muss ich aufpassen, dass ich mir selbst nicht widerspreche, denn nachstehendes ist mit einer Aussage meinerseits aus einem anderen Thread nicht so leicht unter einen Hut zu bringen. Doch dazu gleich mehr. Zunächst zu der von mir angesprochenen Herangehensweise:
Auf den ersten Blick betrachtet stimmt es, dass mit der Entkanonisierung des LEU auch etliche Eigenschaften der Charaktere "verlorenen" gegangen und die Charaktere demnach nicht mehr dieselben, oder um mit Deinen Worten zu sprechen:"gestorben", sind. Wir blicken nun auf den neuen Kanon und dieser ist im Hinblick auf die Helden der OT leer, wenn man mal die Ep. IV-VI ausblendet. Vieles, was man über Han, Luke und Leia weiß, stammte aus einer Zeit nach dem Fall des Imperiums (ein Bereich im EU, mit dem ich nicht sonderlich vertraut bin). Eine Epoche, die notwendig geändert werden muss, jetzt wo Episode VII herauskommt. Eine Epoche, in der mir - so stelle ich gerade fest - meine Herangehensweise nicht so sehr hilft, wie in anderen Zeitabschnitten, wie wie Du gleich sehen wirst. Denn mein EU-Wissen basiert vor allem auf den von Panini abgedruckten Dark Horse Comics der letzten 15 Jahre. Ich habe mir die Covers erst heute wieder angesehen und möchte kurz festhalten, was für Storys da vorwiegend behandelt wurden: Zunächst ist da einmal gaaaaanz viel zu Darth Vader (einerseits aus einer Zeit kurz nach Ep. III, anderseits eine Epoche zwischen IV und V), einige eigenständige Klonkriegs/Dark Times-Geschichten, Rebellen-Storys, ein bisschen was zu den letzten Jahren der Alten Republik und ganz am Anfang der Reihe noch Crimson Empire. Bis auf das Letztgenannte spielt also nichts nach Episode VI und kaum eine Geschichte hat eine besondere Relevanz für den Rest der Saga. Vielmehr handelt es sich um einzelne Episoden aus dem Leben vorwiegend der Hauptcharaktere, die für sich genommen kleine abgeschlossene Geschichten darstellen. Nichts also, was zwingend geändert bzw eben für ungültig erklärt werden hätte müssen. Ganz im Gegensatz zu größer angelegten Werken der Post-Endor-Zeit, die man ausradieren muss, um Platz für Episode VII und seine Vorgeschichte zu machen. Nun ist meine Herangehensweise diese, dass ich mir denke, dass alles, dem nicht irgendwie durch neue Geschichten widersprochen worden ist, doch passiert sein
könnte. Es handelt sich eben um "Legenden" aus diesem Universum vor langer langer Zeit, von denen wir nicht genau wissen, ob sie sich genau so zugetragen haben. Aber summa summarum kann man doch die Motive und Eigenschaften der einzelnen Charaktere aus diesen "Mythen" ableiten kann. Eben so lange bis die "neue Wissenschaft" in Form der Story-Group neue Erkenntnisse zu Tage fördert. Das bedeutet also für mich: Vieles, was ich bis jetzt konsumiert habe,
kann also durchaus passiert sein (der Unterschied zu früher: es muss nicht zwingend passiert sein). Alles was zB Anakin und Obi-Wan in den Klonkriegs-Comics erlebt haben, behalte ich mir auch weiterhin in meinem privaten Kanon, sofern dem wie gesagt nicht ausdrücklich widersprochen wird. Und sollte es dazu kommen, dass das LEU im Widerspruch zu dem neuen Kanon steht, dann sehe ich das einfach so, dass diese alten "Legenden" eben falsch überliefert, aufgeplustert oder teils auch erfunden wurden. Das ermöglicht es mir, dass die mir bekannten Charaktere eben nicht mit einem Schlag getötet werden, sondern dass sich sie sich eben je nach Gegebenheit und neuen Erkenntnissen allmählich verändern (können, nicht müssen). Auch wenn ich einräumen muss, dass diese Herangehensweise auf alles nach Endor schwerer umzulegen ist, als beispielsweise auf Klonkriegs-Geschichten, so hoffe ich doch, dass ich Dir so vielleicht zu einem kleinen Gedankenanstoß verhelfen konnte, der Dir deine geliebten Charaktere zumindest zu einem Teil am Leben erhält.
Ich möchte auf letzten Satz noch ganz kurz eingehen. Nehmen wir zur Veranschaulichung zB den Imperator und seine Beziehung zu Vader an und blicken kurz auf das Wesentliche, was wir von den Filmen wissen. Der Imperator wird in Ep. III von Anakin vor Mace gerettet (darüber kann man zwar diskutieren, aber wir lassen es jetzt mal so stehen) und hält Anakin seinerseits auf Mustafar am Leben. Er beauftragt Vader später mit wichtigen Aufgaben und bezeichnet ihn sogar als Freund ("Erhebt euch mein Freund"). Er vertraut daher in seine Fähigkeit und empfindet wohl auch so etwas wie Sympathie für ihn - zumindest so lange er nützlich ist oder nicht der nächste potentielle Schüler auftaucht. Was wir hingegen später in "Dark Empire" vom Imperator hören, passt da nicht wirklich dazu und zeigt uns Palpatines wahres Gesicht. So sagt er beispielsweise zu Luke, dass Vader nicht mehr als ein kranker alter Mann hinter einer eisernen Maske war. Das LEU hat uns also gezeigt, dass Palpatine Vader in Wahrheit ebenso nur als bloßes Werkzeug betrachtet, also weit weniger als einen Partner oder gar Freund, wie es die Filme teils suggerieren. Nun wissen wir aber, dass Dark Empire wohl nie stattgefunden haben wird. Nimmt uns dass aber das Wissen um Palpatines Charakter? Ich für meinen Teil möchte und werde das, wie oben bereits beschrieben, nicht so einfach wegstreichen, sofern es nicht sein muss. Auf den Punkt gebracht: es gibt eben etwas, was man von Palpatine weiß (Filme, TCW), etwas worüber gemunkelt wird, was den Charakter aber auch definiert (LEU) und etwas, dass noch ans Tageslicht gefördert wird (neuer Kanon).
Bevor ich damit schließe noch eine kurze Anmerkung: Aufpassen muss ich, da ich an anderer Stelle (im Marvel-Comic-Thread) geschrieben habe, dass beim Lesen der neuen Comics die alten komplett ausblende. Damit meine ich, dass ich sie auf Kanon-Ebene ausblende. Dies mache ich vor allem deswegen, weil es zB zu Darth Vader von Dark Horse in den letzten Jahren so viele (teils unbedeutende) Geschichten gab, dass es einfach nötig ist, um sich nicht zu denken, dass man hier "schon wieder" denselben Brei vor sich hat - so habe ich eben etwas total Neues vor mir, eben weil der offizielle Kanon noch leer ist.
Nun wurde verkündet, dass das alte EU ausgelöscht wird und ein neues entstehen soll. Daraufhin sind besagte Kritiker in Begeisterungsstürme ausgebrochen, dass man doch endlich die miserablen Geschichten los wird und nun ja endlich den kreativen Freiraum hat um ausschließlich qualitativ hochwertige Romane zu veröffentlichen und Star Wars insgesamt ca. 1000fach zu verbessern. Ich habe damals meines Erachtens plausibel begründet, dass diese Erwartungshaltung illusorisch sei, aber man hat mich nicht ernst genommen. Nun zu sehen, dass meine Prognose zutrifft ist natürlich auf der einen Seite traurig, da die Romane noch schlimmer zu sein scheinen als ursprünglich gedacht, zum anderen erfüllt es mich natürlich doch mit einer gewissen Häme, dass die Leute, die meinten, man müsse das komplette EU los werden und man hätte im Nu ein gutes EU, nun im Unrecht sind.
Diese Aussagen, vor allem von offizieller Seite, habe ich immer so aufgefasst, dass das Gesamtprodukt ein besseres sein wird. Sprich: wenn wir in 5-10 Jahren auf den Kanon schauen, dann werden wir hoffentlich sagen können:" Hey, das ist wirklich durchdacht, denn das ein oder andere hängt hier sogar zusammen". Eine Aussage, die man über das LEU nur bedingt tätigen kann, beachtet man doch die Vielzahl der in sich geschlossenen Geschichten.
Ich glaube daher jetzt schon zu sagen, dass die "Prognose eingetroffen" ist, vor allem, wo es so gut wie keine Literatur gibt bzw die, die es gibt eigentlich noch für das LEU gedacht war (Tarkin), ist viel zu verfrüht. In einigen Jahren lasse ich mich aber (un)gern eines Besseren belehren
In diesem Zusammenhang übrigens noch einen kleinen Kommentar zu der "Romanflut" allein diesen Jahres. Wenn es so weiter geht, dann haben wir in 5 Jahren ein EU, das genauso voll ist wie das LEU nur anstatt große Geschichten mit echten Konsequenzen haben wir ein Sammelsurium an belanglosem Einzelgeschichten.
Wie bereits schonmal erwähnt wurde glaube ich eher, dass man jede größere Geschichte, die auch nur ein bisschen Substanz hat in einem Film gießen wird, weil man logischerweise damit erheblich mehr Geld macht, als mit einem guten Buch. Was man dann noch hat hat mit einem Expanded Universe wirklich gar nichts mehr gemein.
Widerspruch zu Absatz 1, denn wie sich bereits bei den Comics bei der Vader- und Star Wars-Reihe zeigt, stehen die Geschichten hier immerhin in einem Zusammenhang. Man kann die Geschichten zwar für sich genommen einzeln betrachten, ein Blick auf das große Ganze wird aber auch ermöglicht.
Absolute Zustimmung so Absatz 2. Die Romane, die ja vor allem für die Alt-EUler ein Kernstück dargestellt haben, wird es in der Form vermutlich nicht mehr geben. Hat man früher den Imperator noch in Comics zurückkehren lassen (Dark Empire), so würde man das heute bestimmt im Kino zeigen. Auf der anderen Seite wird man allerdings nicht bis in alle Ewigkeiten nur Kinofilme produzieren können. Irgendwann flacht das ein wenig ab und dann gibt es ja vielleicht wieder gewichtige Literatur. Wobei das schon ein recht weiter und gewagter Blick in die Zukunft ist, das gebe ich zu. Geduld wird es dafür, so fürchte ich, jedenfalls brauchen.