[Kessel – imperialer Minenkomplex – Stollen – Schwebeloren]- Squit, andere Gefangene, Aufseher
Polternd und quälend langsam öffneten sich die schweren Metalltore, das kratzige, durch schrilles Quietschen begleitete Geräusch nicht nur von zu lange dem Verschließ ausgesetzten Materialien, sondern ebenso sehr von schlecht abgestimmten Zugmechanismen zeugend. Durch den sich langsam öffnenden Spalt fiel erstes Licht in die absolute Dunkelheit des Stollens und sorgte bei dem ein oder anderen „Fahrgast“ der nicht weniger ramponiert wirkenden Schwebeloren für gepeinigtes, doch ebenso erschöpft wirkendes Keuchen. Nach einer Schicht tief in den Glitzerstimstollen von Kessel hatte man keine Kraft mehr, sich eloquenter oder gar energischer über die Blendung der Augen – oder was auch immer einige der Kreaturen auf dieser Schwebelore anstelle von Augen haben mochten – durch den plötzlichen Lichteinfall zu beschweren.
Erst, als die Tore sich vollends vor ihnen aufgetan hatten wie die Schlünde der Höllen von Malastare – tatsächlich waren sie im Begriff, eine gänzlich andere Hölle für eine gnädige Pause wieder zu verlassen – setzte die Schwebelore sich wieder rumpelnd in Bewegung und gewann an Geschwindigkeit, wie ihre Passagiere langsam und unter hektischem Blinzeln an Sehkraft gewannen und begannen, ihre Umgebung zu mustern. Es sei denn – natürlich – sie schafften es nicht, über den Rand der Loren hinauszublicken.
Squit Matuzzel gab ein frustriertes Zischen von sich und beließ es schließlich dabei, den dürftig geflickten Schutzanzug seines Nebenmannes – eines Weequay, der vermutlich keine drei Sätze Basic zustande brachte und das Glitzerstim langsamer sammelte als ein Hutt, dem man beide Arme amputiert hatte – zu studieren und einmal mehr sein mehr als ungerechtes Schicksal zu verfluchen.
Dieses Schicksal begann damit, dass sein eigener Schutzanzug viel zu groß war. Man brauchte diese Anzüge in den Minen von Kessel, da sie die Körper der Arbeiter wärmten – es war dort bitter kalt, wie man spätestens an seinen zur Bergung des fasrigen Glitzerstims entblößten Händen oder Greifwerkzeugen unschwer erkennen konnte – und die Atmosphärengeneratoren, die das imperiale Gefängnis auf dem Planeten mit einer für die meisten Spezies angenehmen Atmosphäre versorgte, übertrug diese Gnade mitnichten auf die verwinkelten Gewürzstollen. Also Schutzanzüge. Dummerweise hatte sich das Imperium scheinbar dazu entschlossen, einen Exklusivvertrag mit einem Versorger abzuschließen, dessen einziges Anzugmodell zwar den Menschen und einer ganzen Reihe ähnlich gebauter Spezies passte, aber niemanden sonst. Ob seiner bescheidenen Größe – Chadra-Fan wurden nie größer als einen Meter – hatte man Squit also einen Anzug verpasst, der für einen jugendlichen Menschen gedacht war (vor geschätzten hundert Jahren, als der Anzug sich noch in einem neuwertigen Zustand befunden haben durfte). Selbst so ein Jugendlicher war scheinbar noch ein gutes Stück größer als Squit… und es erschwerte die reibungslose Fortbewegung maßgeblich, in einem so gut wie unförmigen Sack herumzulaufen und kaum durch das schmutzige Visier des Helmes sehen zu können. Und das Schicksal hatte natürlich noch einiges mehr in petto…
… doch sich auch noch deswegen zu bemitleiden wurde dadurch unterbrochen, dass in diesem Moment ein harter Gegenstand mit durchaus zur Zufügung temporärer Schmerzen geeigneter Geschwindigkeit gegen Squits Kopf krachte. Nach den paar Wochen, die er nun bereits auf Kessel verbracht hatte, wusste er, was das bedeutete, ohne sich nach seinem Peiniger umzudrehen – Bewegung.
Die Schwebeloren waren zum Stillstand gekommen und die Gruppe aus knapp dreißig gebrochen wirkenden Gefangenen, begleitet von fünf Aufsehern, verließ ihre Waggons, um zum „Appell“ anzutreten.
Die Aufseher. Bewaffnet mit antiquiert wirkenden E 11-Blastern, die vermutlich mehrere Feldzüge durch sumpfige Planeten erlebt hatten, ehe sie auf Kessel gelandet waren, und sich somit eher zum Prügeln als zum Schießen eignen durften, trugen die Angestellten der imperialen Gefängnisanlage die Körperpanzer imperialer Scouttruppen, erweitert um eine Heizung und Atemmaske. Obwohl sie diese elfenbeinfarbenen Rüstungen einer Stumtruppenunterart trugen, hatte selbst der in imperialer Militärkunde wenig bewanderte Squit schnell bemerkt, dass es sich kaum um echte Sturmtruppen handeln konnte. Die Rüstungen waren schmutzig, zeigten wie die Waffen extreme Gebrauchs- und Verschleißspuren, und machten nicht den Eindruck, als würden sie in jeder freien Sekunde geputzt und poliert, wie es die Eliteschocktruppen des Imperators angeblich taten. Außerdem konnte Squit sich nicht vorstellen, dass Sturmtruppen ständig fluchten.
„In die Reihe, Rattengesicht, oder ich stutz dir deine Schneidezähne…“
So schnell wie möglich hatte Squit den Helm seines Anzugs abgesetzt und unter den Arm geklemmt, um zumindest wieder einigermaßen sehen zu können, und musste so damit leben, die Worte des Aufsehers hinter ihm – des Aufsehers also, der ihn mit dem Kolben seiner Waffe sanft dazu aufgefordert hatte, sich zu bewegen – genauestens verstehen. Und er musste feststellen… im Kontext des Gefängnisses auf Kessel war „Rattengesicht“ fast schon eine zuvorkommend höfliche Anrede.
Die Gefangenen stellten sich in dem fast schon als Halle zu bezeichnenden Raum, in dem die Schwebeloren sie abgesetzt hatten, wie sie es gelernt hatten in einer Reihe auf und positionierten die an ihren Gürteln befindlichen Sammelbehälter möglichst vorne. Da Glitzerstim seine diversen Wirkungen beim Einfall von Licht entfaltete, durfte kein einziger Strahl davon bis zum Konsum mit der Droge in Kontakt treten. Selbst in den Räumlichkeiten, in denen andere Arbeiter das Gewürz weiter verarbeiteten, würde es ebenso stockfinster sein wie in den Stollen und in dem zylindrischen Behälter vor Squits Bauch (der fast so groß war wie sein Kopf, da es – Überraschung! – für diese Sammelbehälter nur eine Standardgröße gab).
Squit warf einen raschen Blick an der Reihe der anderen Gefangenen entlang. Traurige Gestalten, allesamt. Auch wenn zu vermuten war, dass die meisten ihre Zeit auf Kessel verdienten – anders als er, natürlich.
„Was seid ihr doch für ein lahmes Pack…“
Wieder dieser Aufseher. Squit hatte sein Gesicht hinter dem auf die meisten Intelligenzwesen einschüchternd wirkenden Sturmtruppenhelm nie gesehen, doch er stellte sich das Gesicht eines aufgedunsenen und abgrundtief hässlichen Menschen vor. Das half enorm. Jedenfalls liebte dieser Aufseher es, mit ebenso gehässigen wie unzivilisierten Worten um sich zu werfen. Seine vier Kameraden begnügten sich damit, mit ihren Waffen wahllos auf einen der Gefangenen zu zielen – einer auch auf Squit. Dieser knirschte vernehmlich mit den Zähnen. Selbst auf diese Distanz würden sie ihn selbst mit diesen Waffen kaum verfehlen – und ihre Witze – bestehend aus den Komponenten Blaster, Womp-Ratte und Squit – waren zu präsent in seinem Gedächtnis, das jede auf ihn abzielende Schmähung sorgsam speicherte. Nur für den Fall, dass es so was wie kosmische Gerechtigkeit gab.
Die sechste Gestalt, die kein Gefangener war und nun zu der Gruppe stieß, war ebenso das Imitat eines echten imperialen Offiziers wie die Aufseher die Imitate echter imperialer Sturmtruppen waren. Vorlost Mahoney, ein magerer, kahlköpfiger Mann, der stets ein selbstzufriedenes und zuweilen gieriges Grinsen zur Schau trug, war die rechte Hand des Direktors dieses Gefängnisses und ließ es sich nicht nehmen, eine jede Glitzerstimladung persönlich entgegenzunehmen. Squit bezweifelte, dass je mehr als ein mageres Prozent der beträchtlichen Schwarzmarkteinnahmen aus dem Verkauf des Gewürzes ihren Weg in die Staatskassen des Imperiums fand. Nicht, dass ihn das kümmern würde.
„Nun? Ich hoffe doch, wir haben heute reichlich Beute gemacht…“
Jetzt war das Grinsen eindeutig eines der gierigen Sorte. Squit konnte sich nur an eine Gelegenheit erinnern, an der Mahoney das Grinsen vergangen war – und zwar, als man ihm die Leiche des Aufsehers gezeigt hatte, der einer Energiespinne zum Opfer gefallen war. An diesen Tag erinnerte sich auch Squit nicht gerne.
Mahoney schritt die Reihe ab und riss jedem Gefangenen den Sammelbehälter vom Gürtel, um diese in einer durch Repulsoren gestützten Kiste zu verstauen. Squit wusste nicht, welchen Rang die acht blauen und roten Quadrate an der Brust von Mahoneys olivgrüner Uniform symbolisierten, er war sich jedoch vollkommen sicher, dass der Kahlkopf diesen nie erreicht hatte. Mahoney bückte sich – wie jedes Mal wurde sein Grinsen auch jetzt offen hämisch – und nahm den Sammelbehälter von Squits Gürtel. Da der Chadra-Fan der letzte in der Reihe war, beendete das seinen kleinen Raubzug.
„Schicken Sie sie zum Essen, Aufseher.“
„Verstanden, Vizedirektor!“
Es war fast lustig, dem Aufseher dabei zuzuhören, wie er versuchte, den schneidigen Tonfall eines echten Soldaten zu imitieren. Squit vermutete, dass die gerüchteweise aus imperialer Sicht schlechte Kriegslage im Rest der Galaxis dazu beitrug, dass für Außenposten wie Kessel nur das Personal übrig blieb, das andernfalls für die Müllabfuhr auf Coruscant eingeteilt worden wäre.
„Essen fassen, Leute! Der Koch hat sicher was Leckeres für Euch!“
Also Essen. Der „Koch“ war ein vermutlich seit Ewigkeiten nicht mehr gewarteter Lebensmittelsynthesizer, der schleimigen Proteinbrei produzierte, gegen den die berüchtigten Nährpasten der Infanterie wirken mussten wie ein Vier-Gänge-Menü im Manarai auf Coruscant. Immerhin schloss diese Art der Zubereitung Unverträglichkeiten der unterschiedlichen Spezies aus, die das Imperium hier zusammengepfercht hatten. Diesen Brei vertrug niemand wirklich – selbst die Menschen nicht. Aber er sorgte dafür, dass man nicht starb. Und die Idee eines Hungerstreiks war nur so lange eine gute Idee gewesen, bis Squit Zeuge des Versuchs eines eben solchen wurde. Der Medidroide des Gefängnisses schien mit einer leicht sadistischen Programmierung versehen worden zu sein – jedenfalls hatte es den Anschein gemacht, als bereitete ihm die Zwangsernährung des glücklosen Gefangenen himmlisches Vergnügen.
Die Gefangenen legten ihre schmutzigen Schutzanzüge ab und offenbarten darunter noch schmutzigere Gefangenenoveralls in dunkelgrau – Squits Ärmel waren ebenso energisch hochgekrempelt worden wie seine Hosenbeine, seine Stiefel gefühlte sechs Nummern zu groß - ehe sie von den Aufsehern begleitet den tristen Speisesaal dieses Bereichs des Gefängnisses aufsuchten. Die Routine war ewig gleich – mit Vertiefungen versehenes Tablett und Blechbecher nehmen, tausendmal wieder aufbereitetes, lauwarmes Wasser in den Becher füllen (Squit musste sich dazu jedes Mal auf die äußersten Spitzen seiner übergroßen Stiefel stellen), Tablett aus einem mit Proteinschleim verkrusteten Schlauch mit eben diesem Schleim füllen, hinsetzen, essen. Wenn man konnte.
Da Squit der letzte in der Reihe war, blieb ihm bei der Wahl seines Sitzplatzes eben diese nicht. Der Tisch, an den er sich setzte, war besetzt von einer Menagerie wie aus dem Zoo – ein Besalisk, eine erstaunlich fette Twi’lek, ein Zabrak… wenigstens war der tumbe Weequay am anderen Ende des Raumes und gerade dabei, in seinem Brei herumzustochern.
Mühsam wuchtete Squit sich auf den letzten freien Stuhl. Und griff nach seinem Blechlöffel. Also Proteinschleim. Und aufbereitetes Wasser zum Runterspülen.
„Quid pro quo…“, murmelte der Chadra-Fan in sich hinein und nahm eine Portion Brei. Widerlich.
Plötzlich musterten seine flinken Augen seine Tischgenossen scharf. Was sie wohl verbrochen hatten? Der Zabrak hatte vermutlich jemanden umgebracht – seine Art tat so was ständig -, der Besalisk machte den Eindruck, als würde er in seiner Freizeit imperiale Finanzbeamte verprügeln, und die rundliche Twi’lek – wie absurd! Waren die ganzen Holovideos gelogen, deren Raubkopien besonders bei menschlichen Kunden äußerst beliebt zu sein schienen? – schätzte er als klassische Tänzerin in einer zwielichtigen Spelunke ein. Vielleicht nicht ganz so typisch. Und vermutlich sehr, sehr zwielichtig. Ein kaum vertrauenswürdiger Haufen, Aber wollte er tatsächlich hier auf Kessel enden? Um hier zu verschwinden, brauchte er neben seinen eigenen Fähigkeiten weitere Werkzeuge… und diese hier machten im Gegensatz zum Weequay immerhin den Eindruck, bis drei zählen zu können.
“Was gäbe ich dafür, von hier verschwinden zu können…“seufzte er und nahm, ohne es rechtzeitig zu bemerken, einen weiteren Löffel voll Schleim. Verdammt.
[Kessel – imperialer Minenkomplex – Gefangenen“kantine“]- Squit, Boomer, Siris Zur, Mary Jane, andere Gefangene, Aufseher