Karl May-Bücher waren in erster Linie als Kinder- und Jugendliteratur gedacht. Ich habe die Bände als Kind / Jugendlicher gerne gelesen. Für mich war es die nächste Stufe nach den Enid Blyton Büchern. Karl May-Bücher waren das Tor zu mehrheitlich spannenden Abenteuergeschichten, die auf Kontinenten spielten, die man nicht aus eigener Anschauung kannte. Insofern war die Ausgestaltung dieser Welten, trotz detaillierter geografischer Beschreibungen in den Büchern, der eigenen Fantasie überlassen.
Die Freizeitmöglichkeiten und das Freizeitverhalten von Kindern und Jugendlichen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt.
Bis Mitte der 1980iger konnte man im Fernsehen nur drei, vier Programme empfangen und diese liefen nicht ganztägig. Der Computer spielte noch gar keine Rolle. Das Internet, Computerspiele, Social Media, die bei vielen Kids heute einen großen Anteil ihrer Freizeit einnehmen, existierten nicht. Andere Freizeitgestaltungen nahmen früher ihren Raum ein. Das Lesen von Büchern war wesentlich verbreiteter als heute.
Die großen Klassiker des amerikanischen Western wurden noch in den 1980ern abends zur besten Sendezeit gezeigt. Im Vorabendprogramm liefen Westernserien. Western waren allgegenwärtig.
Mitte der 1990er Jahre gab es zumindest in den großen Buchhandlungen noch große Karl May-Ecken. Aber bereits in meinem Geburtsjahrgang spielte Karl May nicht mehr die Rolle, die es in den ersten Nachkriegsjahrzehnten unter Kindern-und Jugendlichen gespielt hat. Unter den heute über 60-jährigen Akademikern muss die Mehrheit mit Karl May-Büchern aufgewachsen sein, wenn ich meine Erfahrungen mit Menschen, die in den 50ern, 60ern aufgewachsen sind, auf ganz Deutschland verallgemeinern kann.
Mit jedem Jahrzehnt was vergeht, wird für Heranwachsende Karl Mays Sprache eigentümlicher und damit schwerer zugänglich. Es ist die Sprache des 19. Jahrhunderts. Außerdem spielt das Christentum für die meisten heute Heranwachsenden keine oder nur noch unbedeutende Rolle. Insofern werden die heutigen Kids auch die christlichen Anspielungen in Karl Mays Büchern befremdlich finden, während das Christentum und dessen allgegenwärtige Präsenz für die Nachkriegsgeneration noch Alltag war.
Mit den Karl May-Verfilmungen konnte ich hingegen nie etwas anfangen.