[Lianna | Lola Curich | Jedi-Basis | Garten] Nen-Axa, Krazark Shaat
Dass Krazark Shaat Fragen über die geplante Mission stellte, war natürlich völlig normal und auch wünschenswert. Nen-Axa freute sich darüber, dass sein Padawan die Intelligenz und das Interesse besaß, sich über das zu informieren, was ihm bevorstand, anstatt es einfach als gegeben hinzunehmen. Dennoch brachte ihn gleich die erste Frage etwas aus dem Konzept, denn sie war ganz anders, als er sie erwartet hatte. Dass jemand nicht wusste, was das Imperium und die Republik waren, wäre ihm nicht in den Sinn gekommen - eine ziemlich kleingeistige, engstirnige Ansicht, wie er sich selbst vorwerfen musste. Es zeugte nicht unbedingt von geistiger Flexibilität, dass er es nicht geschafft und nicht einmal richtig versucht hatte, sich weit genug auf die Gedankenwelt seines Schülers einzustellen, um mit dieser Frage zu rechnen. Oder sie vorwegzunehmen, indem er von sich aus Krazark diese grundlegenden Dinge erläuterte. Es war nun also höchste Zeit, das nachzuholen. Schließlich ging es hier um eine Grundfrage des Selbstverständnis der Jedi. Eine zu kurze Antwort konnte dem Padawan dabei ebenso wenig dienlich sein wie eine zu lange.
»Das Imperium und ihr Gegenstück, die Neue Republik, sind zwei politische Mächte in der Galaxis«, erläuterte er. »Beide sind sehr groß, sie umspannen hunderte Planetensysteme, haben enorme wirtschaftliche Macht und gewaltige Armeen und Flotten. Sie führen Krieg gegeneinander, seit vielen Jahren schon. Gründe für diesen Krieg gibt es viele. Dass bis heute keine Aussöhnung möglich war, liegt daran, dass Republik und Imperium sehr unterschiedliche Prinzipien vertreten.
Das Imperium wird von einem einzigen mächtigen Individuum, dem Imperator, angeführt. Seine Macht stützt sich auf Gewalt und Zwang, auf Eroberung, Unterwerfung und Sklaverei. Selbst vor der Vernichtung ganzer Welten mit all ihren Bewohnern schreckt es nicht zurück, um seine Ziele zu erreichen.«
Nen-Axa war sich gar nicht so sicher, wie viel davon überhaupt Krazarks persönlichen Moralvorstellungen zuwider lief. Sein eigenes Volk war ebenfalls recht kriegerisch und kämpfte für seinen persönlichen Vorteil. Da er aber eine Vergangenheit als Sklave durchgemacht hatte, war dies höchstwahrscheinlich ein Punkt, der ihm zuwider war.
»Zudem nehmen im Imperium Menschen eine vorherrschende Rolle ein«, fügte er hinzu. »Nichtmenschliche Völker wie deines oder unseres werden als minderwertig angesehen und unterjocht.
Die Neue Republik hingegen folgt den Prinzipien von Gleichheit und Freiheit. Alle Welten, die ihr angehören, haben sich ihr freiwillig angeschlossen und bilden gemeinsam einen Rat, den Senat, der die Regierung wählt und alle wichtigen Entscheidungen mehrheitlich fällt. Die Republik bemüht sich, all ihren Bewohnern, unabhängig von Volk, Herkunft und Geschlecht, die gleichen Chancen einzuräumen und jedem neben Sicherheit auch persönliche Freiheiten zu garantieren.
Wie du siehst, sind diese Positionen so unterschiedlich, dass sie ein friedliches Miteinander beinahe unmöglich machen. Daher tobt schon seit Jahrzehnten ein blutiger Konflikt in der Galaxis. Und an diesem sind - leider - auch die Jedi beteiligt.«
Was jetzt kam, war über die Maßen wichtig, denn es ging um die Rolle der Jedi in der Galaxis. Und damit auch um die Pflichten, die Krazark sich selbst auferlegte, indem er sich den Jedi anschloss. Eigentlich hätte dieses Gespräch das erste sein sollen, das Nen-Axa mit seinem Schüler führte. Er nahm sich vor, dies bei seinem nächsten Padawan unbedingt zu beachten.
»Die Jedi haben es sich zur Aufgabe gemacht, für Freiheit und die Zivilisation einzutreten und den Frieden in der Galaxis zu bewahren. Die Prinzipien und Ziele des Ordens decken sich in weiten Teilen mit denen der Republik und laufen denen des Imperiums zuwider. Das führte dazu, dass auch wir nicht neutral blieben in diesem Krieg, sondern klar Partei für die Neue Republik ergriffen haben. Wir wurden in den Krieg hineingezogen, auch wenn das dem Ziel, Frieden zu wahren, widerspricht. Dem Imperium sind wir zutiefst verhasst, und wann immer es Jedi in seine Gewalt bringen kann, droht ihnen der Tod, manchmal sogar Schlimmeres. Du solltest dir darüber im Klaren sein, dass dein Wunsch, ein Jedi zu werden, zugleich bedeutet, Feinde zu haben. Viele mächtige und gefährliche Feinde.«
Ein Umstand, den man sich immer wieder klar machen musste. Die wenigsten traten dem Jediorden bei, um sich am Krieg zu beteiligen, doch schlug man sich damit - ob beabsichtigt oder nicht - auf eine Seite, Neutralität war nicht mehr möglich und sich herauszuhalten manchmal auch nicht.
»Oft kämpfen Jedi auf der Seite der Republik. Erst kürzlich hat es eine große Schlacht auf einer Welt namens Corellia gegeben, an der viele von uns beteiligt waren und einige gestorben sind. Dennoch - und das ist wichtig! - sind die Jedi keine Krieger! Wir sind bereit und in der Lage zu kämpfen, doch ist dies weder unser Wunsch noch unser Ziel. Auch gehören wir nicht den Streitkräften der Republik an, sondern unterstützen diese nur im eigenen Ermessen. Es gehört zu den wichtigsten Prinzipien des Ordens, nur dann den Kampf zu suchen, wenn es unbedingt nötig ist, um sich und andere zu schützen und wenn alle gewaltlosen Wege ausgeschöpft sind.«
Das entsprach nicht hundertprozentig der Wahrheit. Es hatte durchaus schon Situationen gegeben und gab sie immernoch, in denen Jedi selbst zur Gewalt griffen. Präventiv, um Bedrohungen auszuräumen, bevor diese sich zu akuten Gefahren auswuchsen. Manche Ordensgeschwister waren in der Galaxis unterwegs, um Sith zu jagen und ›auszuschalten‹, was nichts anderes bedeutete, als sie zu ermorden. Und vor der Schlacht von Corellia, bei welcher die Republik in der Rolle des Angreifers gewesen war, hatte auch niemand versucht, zuvor eine friedliche Lösung mit dem Imperium auszuhandeln. Doch fand Nen-Axa, dass es zu früh war, die Lehre von der Gewalt als letztem aller Mittel durch diese Präzedenzfälle aufzuweichen. Zu einem späteren Zeitpunkt würde Krazark in der Lage sein, selbst zu beurteilen, unter welchen Umständen es angebracht und vertretbar war, sich über dieses Prinzip hinwegzusetzen. Vorerst allerdings war es besser für alle Beteiligten, wenn er sich einfach daran hielt. Auch ihm bot diese klare Regel Sicherheit, indem sie ihm schwierige Konflikte ersparte.
Unterdessen setzten sie ihre Arbeit im Garten fort. Auch wenn wichtige Reisevorbereitungen bevor standen, war dies kein hinreichender Grund, die begonnene Arbeit einfach unerledigt zu lassen. Eine Hecke wollte fertig gepflanzt werden. Das bot Krazark außerdem die Möglichkeit, sich ein paar Gedanken zu Nen-Axas Erklärungen zu machen.
Nach einer Weile stellte der Tusken eine weitere Frage, die sich jedoch nicht mit der Politik oder der grundsätzlichen Philosophie des Jediordens beschäftigte, sondern sich konkret auf die Mission bezog. Er wollte wissen, was ihn auf Cona erwartete.
»Cona unterscheidet sich sehr von Lianna«, erklärte der Jediritter, während die Bilder der Vergangenheit bis hin zu seiner frühen Kindheit in ihm wach wurden. »Und ebenso von Tatooine. Wir würden sagen, diese Welt ist wunderschön, aber wir können nicht sagen, ob du diese Ansicht über unsere Heimat teilen wirst. Cona ist heiß und trocken, mehr noch als Tatooine. Es gibt dort überhaupt kein Wasser an der Oberfläche, keine Oasen oder Brunnen oder Niederschläge, nicht einmal Wolken. Dennoch ist der Planet keine Wüste, sondern ein Dschungel. Das bedeutet, er ist dicht mit Pflanzen bewachsen, viele von ihnen sehr hoch teilweise viel undurchdringlicher, als diese Hecke jemals sein wird, und unübersichtlicher als die Häuserschluchten von Lianna. Das Wichtigste für die bevorstehende Mission ist jedoch, dass die Luft auf Cona anders ist. Sie enthält nicht den Sauerstoff, den Lebewesen wie die Tusken dringend benötigen um nicht zu ersticken, sondern stattdessen eine Substanz, die für euch giftig ist. Erinnerst du dich an die Nahrungsergänzung? Den übelriechenden Ammoniak? Die Atmosphäre unserer Heimatwelt ist voll davon. Uns macht das nichts aus, aber du wirst technische Hilfsmittel benötigen, um dort überhaupt atmen zu können.«
Während der Flug nach Cona für den Jediritter eine Heimkehr in vertraute Umgebung bedeutete, stand Krazark Shaat eine sehr beschwerliche Reise bevor.
»Es gibt außer uns Arconiern nur wenige Wesen, die unter den Bedingungen auf Cona überleben können«, fuhr er fort und setzte dabei zugleich zur Antwort auf die nächste Frage an: Weshalb die vermisste Jedi ins Exil gegangen war. »Die H'nemthe, denen auch Va’alii Thinos angehörte, gehören dazu. Und was ihre Gründe angeht... Lianna war nicht immer die Heimat des Jediordens. Unser großer Tempel stand auf einer Welt namens Coruscant. Doch diese wurde vom Imperium erobert, so wie viele andere auch. Vor einigen Jahren sah es so aus, als würde die Republik den Krieg verlieren und vielleicht völlig vernichtet werden - zusammen mit den Jedi. Der Orden wurde damals in alle Winde verstreut und Viele wurden getötet. Andere entschieden sich dazu, sich an sichere Orte zurückzuziehen, um der Verfolgung zu entgehen - manche bis die Zeiten sich änderten, manche für immer. Erstere kehrten nun nach und nach in den Orden zurück, nachdem dieser auf Lianna heimisch wurde und die Republik wieder erstarkte. Aber Thinos gehörte wohl zu letzteren.
Sieh das nicht als einen Akt der Feigheit an. Sie sah darin wohl die Möglichkeit, die Lebensweise der Jedi vor der totalen Vernichtung zu bewahren, indem sie Wissen und Ideale des Ordens bewahrte, damit sie irgendwann wieder verbreitet werden und erneut aufblühen konnten. Viele haben so gedacht. Andernfalls gäbe es den Orden nicht mehr. Denn diejenigen, die nicht bereit waren zurückzuweichen und kämpften bis zuletzt, sind nun alle tot.«
Ihm war bewusst, dass er ein ziemlich düsteres, unheilvolles Bild der jüngeren Ordensgeschichte malte. Doch hielt er den Tusken aufgrund seines bisherigen Lebensweges für abgehärtet genug, dass ihn so etwas nicht unnötig abschreckte.
»Doch nun herrschen wieder andere Zeiten. Der Orden erblüht wieder. Wie man sieht.«
Zufrieden schaute er auf ihr beider Werk. Akkurat nebeneinander standen die Sträucher, die einmal zu einer stattlichen Hecke verwachsen sollten. Allesamt waren sie an die richtigen Stellen gesetzt, fest in der Erde verankert, ohne ihre Zweige und das empfindliche Wurzelgeflecht zu verletzen. Die meisten von ihnen, wenn nicht alle, würden unter der sorgfältigen Pflege des Ordens hier anwurzeln und gedeihen. Sehr symbolträchtig. Der Arconier klopfte sich die Erde von den krallenbewerten Händen, die er als effiziente Grabwerkzeuge benutzt hatte.
»Ja, für heute soll es genügen«, sagte er zu seinem Padawan. Dieser hatte soeben zugegeben, dass er ziemlich geschafft war von der Arbeit. Nen-Axa hatte sie nicht als körperlich strapaziös empfunden, aber Krazark hatte sich dabei ja auch mit mental sehr anstrengenden Übungen beschäftigt und zudem viel Neues gelernt, was ebenfalls eine Belastung darstellen konnte. Kein Wunder, dass er eine Pause benötigte.
»Lass uns etwas trinken und dann in die Bibliothek gehen«, schlug der Lehrmeister vor. »Dort können wir dir Bilder und andere Informationen von Cona zeigen. Es schadet nicht, auch ein wenig über die Pflanzen- und Tierwelt und die Kultur einer Welt zu kennen, die man besuchen will.«
Langsamen Schrittes gingen sie durch den immer grüner und lebendiger wirkenden Garten, um sich zu erfrischen. Anschließend wollte Nen-Axa seinem Schüler in aller Ruhe und kleinen, gut verdaulichen Portionen alles zeigen und erklären, was dieser über seine Heimat wissen musste. Das heiße, planetenweit ziemlich einheitliche Klima. Den dichten Bewuchs merkwürdiger Pflanzen, die Conas einzige Quelle von Sauerstoff und Wasser darstellten, indem sie beides in Wurzeln und Knollen speicherten. Reptilienartige Tiere, die sich - ebenso wie die Arconier, mit denen sie verwandt waren - von diesen Pflanzen und ihren Wasserreservoirs ernährten, oder aber voneinander. Arconische Siedlungen, in denen einzelne Sippen und Klans auf engem Raum in ihren ›Nestern‹ beisammen lebten. Teilweise in traditioneller Lebensweise von Sammlern, die sich rein aus der Natur ernährten, teilweise in modernerer Art unter Einbeziehung neuartiger Technologie und fremder Kultureinflüsse, meist in einer Mischform aus beidem. Zudem die großen Berg- und Tagebauanlagen, in denen dem Boden unter imperialer Aufsicht Mineralien und Erze abgerungen wurden. Auch zeigte er Krazark imperiale Uniformen, Fahrzeuge und Raumschiffe, wie man sie möglicherweise auf der besetzten Welt Cona und in ihrem Orbit antreffen konnte. Wenn sie Feinden begegneten, sollte der Padawan sich dessen auf jeden Fall bewusst sein.
Nur eines sparte Nen-Axa dabei aus: Die Sith. Um sich mit diesem unheilvollen Thema auseinanderzusetzen, war es, wie er fand, für Krazark noch zu früh. Er durfte nicht zu lange damit warten, seinen Schüler auch darauf mental vorzubereiten. Aber nicht an diesem Tag.
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