[Lianna | Lola Curich | Jedi-Basis | Untergeschoss | Werkraum] Nen-Axa, Cethra Jayne
»Tu es«, nickte Nen-Axa, als Cethra darum bat, seine Waffe wieder zusammensetzen zu dürfen. »Aber aktiviere es anschließend nicht, wir müssen erst die Ausrichtung des Kristalls untersuchen. Wir werden dir allerdings nicht sagen, ob du erfolgreich warst oder nicht. Das soll dich nicht beeinflussen, wenn es daran geht, dein eigenes Schwert zu vollenden.«
Nen-Axa begrüßte Cethras Entscheidung, sich zuerst noch einmal mit der Theorie des Lichtschwertbaus auseinanderzusetzen und ein holographisches Modell anzufertigen, bevor sie an die praktische Umsetzung ging. Viele andere hätten vielleicht einfach ein Stück Metall und eine Feile geschnappt, losgelegt und dann geschaut, was dabei heraus kam. Natürlich konnte auch dieser Weg zum Erfolg führen. Sie hatte sich jedoch entschieden, ihren berechtigten Eifer zurückzustellen, um Besonnenheit und Vernunft walten zu lassen. Offenbar hatte sie einige seiner Lehren wirklich verinnerlicht. Er war sicher, dass ihr Lichtschwert etwas Besonderes sein würde, selbst als klar war, dass ihre Wahl auf ein sehr schlichtes, zweckdienliches Design ohne viele Zusatzfunktionen fiel. Zumindest was die technischen Komponenten anging, erwartete er eine hervorragende Qualität, wahrscheinlich deutlich besser als sein erstes. Allerdings würde der Punkt kommen, an dem Planung und Überlegung an ihr Ende kamen: Der Moment, in dem der Stein in das Lichtschwert eingesetzt wurde. Das war etwas, das sich mit technischen Methoden, egal wie perfekt diese waren, nicht angemessen realisieren ließ. Auch Fabrikarbeiter oder Droiden wären in der Lage, Lichtschwertgehäuse in Massen herzustellen, aber ihnen fehlten die Voraussetzungen für den letzten, alles entscheidenden Schritt, um die Arbeit zu vollenden. Nur ein Jedi oder ein anderes Wesen mit Bezug zur Macht konnte den Kristall so austarieren, dass er den Energiefluss in genau die passenden Bahnen lenkte. Und das war ein Prozess, der nicht auf einem Plan basierte, sondern auf reinem Gefühl und Vertrauen. Dementsprechend würde Cethras Waffe beides in sich vereinen: Rationalität und Intuition. Wenn ihr das gelang, war es ein wichtiger Meilenstein in ihrer Ausbildung. Der Bau des Lichtschwerts fand in einer späten Phase der Lehre statt und die Miraluka war da keine Ausnahme. Vielleicht war ihr das noch nicht bewusst: Sie näherte sich ihren Prüfungen und ihrem Ritterschlag. Nen-Axa hatte ihr bereits einen großen Teil von dem beigebracht, was er konnte. Und seit heute, seit ihrer Rückkehr von ihrer Selbstfindungsreise, hatte er auch das Gefühl, dass es ihm gelungen war, ihr die Denkweise, die Philosophie des Ordens zu vermitteln. Ein wenig Feinschliff noch, dann war sie soweit. Das Lichtschwert würde das unter Beweis stellen.
Diese Erkenntnis gab Nen-Axa zu denken. Als Cethra noch dabei war, das Holomodell zu programmieren, verabschiedete er sich für eine Weile von ihr. Sie sollte den Entwurf ohnehin alleine fertigstellen, ohne dass er sich einmischte, also musste er ihr auch nicht die ganze Zeit über die Schulter schauen. Stattdessen zog er sich in eine kleine Meditationskammer zurück. Sie war kaum größer als ein Wandschrank und sehr spärlich eingerichtet; es gab nichts, das den Geist ablenken konnte. Er löschte das Licht und ließ sich im Schneidersitz nieder. Der Arcona schloss die Augen und begann zu meditieren. Mehrere Stunden blieb er mit sich und seinen Gedanken allein, um Antwort ein paar Fragen zu finden, die er sich stellte. Die erste konnte er sich sehr leicht beantworten: Ja, er war tatsächlich der Meinung, dass Cethra auf ein Ende ihrer Ausbildung zusteuerte. Sein Vertrauen in seine Schülerin war tief und er war sicher, dass sie eine hervorragende Jediritterin abgeben könnte - sofern sie den Gefahren und Versuchungen widerstand, denen jeder Jedi ausgesetzt war. Sie verfügte aber beinahe über alles Rüstzeug, das sie brauchte, um in die Prüfungen gehen zu können. Manches hatte er ihr vermittelt, anderes hatte sie schon mitgebracht, vieles sich selbst erarbeitet. Das brachte ihn zur zweiten Frage: Wie musste er nun also seine Fähigkeiten als Lehrer beurteilen? Immerhin hatte das Scheitern seiner ersten beiden Padawane große Zweifel in ihm geschürt. Auch in den letzten Tagen waren sie wieder in ihm laut geworden, als er noch nicht gewusst hatte, mit welchen Erkenntnissen Cethra zurückkehren würde. Nun aber stellte er fest, dass die zweifelnde Stimme in ihm vollständig verstummt war. Ob sie endgültig gewichen war, das wusste er noch nicht, aber im Moment schwieg sie. Es war die richtige Entscheidung gewesen, sich der Lehre zu widmen, und ganz egal wann und wie die Miraluka ihre Ausbildung beenden würde, er würde auch danach weiterhin lehren. Es war ihm wichtig und er liebte es. Das war der Weg, den er hatte beschreiten wollen, und der, den er fortsetzen wollte. Bisher hatte er sich noch nicht auf eine der zahlreichen Richtungen festgelegt, in die ein Jedi-Ritter sich spezialisieren konnte. Doch nun zeichnete sich deutlich ab, dass er in Philosophie und Lehre seinen Schwerpunkt setzen würde. Und mit noch einem dritten Thema musste er sich beschäftigen. Einen Padawan erfolgreich durch die Prüfungen begleitet zu haben, war die entscheidende Voraussetzung dafür, in den Rang eines Jedi-Meisters aufzusteigen. Es war nicht ausgeschlossen, dass der Rat hm schon bald diese Möglichkeit eröffnen würde. Und dann sollte er eine Antwort auf die Frage haben, ob er sich bereit dazu fühlte. Das war von allen drei Fragen die schwierigste, denn es setzte voraus, dass er tief in sich ging und sich selbst einigermaßen objektiv bewertete. Was genau machte eigentlich einen Meister aus? Was unterschied ihn von einem Ritter? Konnte er, Nen-Axa, diese Kriterien erfüllen? Als er schließlich den meditativen Zustand beendete und die kleine Zelle verließ, hatte er in dieser Sache keine vollkommene Klarheit erlangt. Aber zumindest wusste er, was er dem Rat antworten würde, wenn dieser ihn in naher Zukunft damit konfrontieren würde. Falls das überhaupt der Fall war, denn nur der Rat traf diese Entscheidung, und nicht immer nach offensichtlichen Kriterien. Aber die Meisterschaft zu erringen war ihm im Moment auch nicht wichtig. Erste Priorität war es, Cethra Jayne in der letzten und entscheidenden Phase ihrer Ausbildung die Stütze und Hilfe zu sein, die sie brauchte.
Um einige Erkenntnisse reicher, machte der Arcona sich auf den Rückweg zu den Werkräumen. Mit den Krallen klopfte er gegen die Tür. Sofort öffnete die Miraluka - er störte sie offenbar nicht mitten in einer wichtigen Tätigkeit.
»Und, wie geht es voran?« fragte er.
Sie berichtete ihm, dass sie gerade die Energiezellen fertiggestellt hatte. Sie war also schon ziemlich weit gekommen und wollte sich an die Kristallkammer machen. Allerdings war ihr vorher nach einer Pause zumute. Doch bevor sie ihren Satz beenden konnte, waren plötzlich merkwürdige Geräusche aus dem Inneren des Werkraumes zu hören. Nen-Axa glaubte im ersten Sekundenbruchteil, dass sie ein Werkzeug nicht ausgeschaltet hatte, aber dann spürte er, dass etwas wesentlich Gefährlicheres im Gange war. Er fühlte keine akute Lebensgefahr für sich und seine Schülerin, aber er wusste, dass es gar keine gute Idee wäre, jetzt die Tür zum Werkraum zu öffnen. Mit seinem Thermosinn beobachtete er, dass plötzlich helle Wärmestrahlung durch den schmalen Spalt unter der Tür strömte. Schon im nächsten Augenblick gab es einen Donnerschlag, die Hitzeentladung wurde noch intensiver und führte zu einem intensiven infraroten Nachleuchten des Bodens direkt vor der Tür sowie der Tür selbst, die sich merklich erwärmt hatte. Er hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was passiert war. Doch die unmittelbare Gefahr schien vorüber zu sein, also ließ er zu, dass seine Padawan nun die Tür öffnete, um sich die Bescherung anzusehen.
Der Werkraum war verwüstet. Die Ursache wurde von der Miraluka korrekt benannt: Ein Verdrahtungsfehler. Von der Energiezelle war nicht viel mehr geblieben als ein dunkler Fleck auf der Arbeitsplatte. Es war eine glückliche Fügung, dass sich niemand in dem Raum befunden hatte. Hätte Cethra noch an der Werkbank gesessen, wäre sie wahrscheinlich verletzt worden.
»Tja, deine bisherige Arbeit war wohl umsonst«, stellte er nüchtern fest. »Aber es hätte viel schlimmer kommen können. Immerhin ist dir nichts passiert!«
In diesem Augenblick ging der Alarm los. Die Sensoren der Basis hatten wohl den Rauch sowie auch die Hitze und die Erschütterung registriert. Rote Blitzlichter und der ohrenbetäubende Lärm einer Sirene signalisierten nun allen Jedi in der Basis, dass eine Gefahr bestand, und riefen die Löscheinheiten in den Werkraum. Nen-Axa zückte sofort sein Comlink und rief den Empfang der Basis an. Die leicht verstörte Stimme eines Protokolldroiden antwortete.
»Folder? Hier ist Jediritter Nen-Axa. Du kannst den Alarm beenden und Entwarnung geben. Wir sind im Werkraum. Eine Energiezelle ist explodiert, es gibt aber kein Feuer und keine Verletzten, nur eine Menge Unordnung.«
Die Sirenen schwiegen wenige Augenblicke später. Nen-Axa widmete seine Aufmerksamkeit wieder seiner Schülerin und dem Chaos, das sie angerichtet hatte. Allerdings sah er auch bei sich eine nicht unwesentliche Mitschuld. Es war wohl ein Fehler gewesen, diese entscheidende und gefährliche Arbeit nicht zu beaufsichtigen.
»Es wird eine Weile dauern, bis dieser Raum wieder verwendbar ist«, sagte er. »Aber wir glauben, du solltest ohnehin eine Pause machen, bevor du von vorne beginnst. Ist der Bauplan noch in Ordnung?«
Cethra überprüfte das. Der Holoprojektor hatte offenbar keinen Schaden genommen.
»Nimm ihn mit. Wir werden ihn gemeinsam überprüfen, um festzustellen, ob der Fehler im Entwurf oder der Umsetzung lag. Das müssen wir aber nicht hier machen. Lass uns noch auf das Reinigungsteam warten und dann in die Kantine gehen. Wir wissen nicht ob dir der Appetit nun vergangen ist, aber ich könnte auf den Schreck nun eine Kleinigkeit vertragen!«
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