- Lianna - City - Straße - Mit Cris und Ray -
Eine große Familie zu haben konnte ein Segen sein. Wirklich, Noa liebte ihre Eltern und Geachwister, deren Partner und Kinder... sie hatte sogar Tanten und Onkel gehabt, irgendwann mal, als sie noch klein gewesen war und bevor der Kontakt abgebrochen war. Sie erinnerte sich an einen Cousin, der sie ständig an den Haaren gezogen hatte, und an einen weiteren, älteren, der Cloé und ihr schrecklich gruselige Geschichten erzählt hatte wegen denen sie nächtelang nicht hatte schlafen können. Es war gut, drei Brüder zu haben. Ohne sie, das wusste Noa bestimmt, wäre sie heute nicht die Frau die sie war. Vor allem Pablo hatte ihr mehr als einmal geholfen, ihr Mut gemacht wenn sie hatte aufgeben wollen, sie bestärkt wenn sie unsicher gewesen war. Von ihrer Mutter hatte sie ihren starken Willen und den Wunsch, etwas in der Galaxis zu verändern, ihr Vater hatte sie gelehrt, wie wichtig es war als Familie zusammen zu halten und Cloé... Cloé war einfach immer da gewesen. Zwilling zu sein war manchmal gar nicht leicht. Im Teenageralter hatte es eine Zeit gegeben, in der sie beide, jede für sich ihre Identität gesucht hatten. Doch davon abgesehen, ebenso wie von dem Nachteil, sich die Aufmerksamkeit am eigenen Geburtstag immer teilen zu müssen, war es eine großartige Sache, eine Schwester im gleichen Alter zu haben, die auch noch die beste Freundin war. Neben den Vorteilen einer großen Familie gab es aber auch negative Aspekte, zum Beispiel wenn man einen Neffen mit einem losen Mundwerk hatte, der ungefragt Dinge ausplauderte, die Noa lieber unter Verschluss gehalten hätte. So geschehen vor guten fünf Minuten.
"Ich habe nicht behauptet, dass es hier gut schmeckt."
Wehrte sich Noa gegen die Verantwortung, die Entscheidung über ihr gemeinsames Abendessen beeinflusst zu haben.
"Ich sagte, ich war auch noch nie hier, aber es sieht von aussen gut aus."
Ein gutes Zeichen war, dass das Bistro gut besucht war. Metallene Tische mit rundlichen Sitzen standen in Dreier- und Fünfergruppen in dem zwar überschaubaren aber bis auf zwei Sitzgruppen voll besetztem Restaurantbereich. Zwei Droiden patrouillierten die Tische und nahmen Bestellungen auf. Es roch stark nach Frittiertem. Sie wählten einen Dreiertisch in der Mitte des Raumes. Hinter Noa saß eine Clique junger Erwachsener, die ihrem Alter entsprechend ausgelassen waren. Vor ihr, innerhalb ihres Blickfeldes, saß eine Familie und an einem anderen Tisch drei Geschäftsleute in Businesskleidung, mit Aktenkoffern zu ihren Füßen.
"Okay, Vorschlag: wenn's scheisse schmeckt bezahle ich."
Nahm Noa einen eventuellen Reinfall auf ihre Kappe, allerdings auch nur, weil sie inzwischen glaubte, dass die Chancen auf ein leckeres Essen gut standen. Frittiertes schmeckte immer gut. Fett im Allgemeinen war ein verlässlicher Geschmacksträger. Sie grinste in Lorraines Richtung.
"Ansonsten muss Daddy blechen. Inklusive Nachtisch nach Wahl."
Zu versuchen, die Stimmung mit Witzen aufzubessern, ein ernstes Thema auszusparen indem man es völlig ignorierte, dass war Noas übliche Taktik um mit einer unangenehmen Situation umzugehen. Sie wusste, dass Cris nicht doof war. Für doofe Männer hatte sie nichts übrig. Okay, Dragan war seinerzeit nicht unbedingt der Hellste gewesen, aber das waren anderen Umstände gewesen. Dragan war sexy gewesen. Für eine gewisse Zeit hatte Noa das gereicht - bis sie gecheckt hatte, dass er sie nur ausnutzte und ihr Geld versoff. So wahnsinnig schlau war sie damals wohl auch nicht gewesen. Cris aber war es. Er war klug und er verstand, wenn andere etwas sagten, auch ohne dass sie wirklich etwas sagten. Mit anderen Worten, er wusste jetzt, dass es Dinge gab, die Noa ihm nicht erzählt hätte. Danke, Ricardo.
"Ja... war cool im Zoo, oder?"
Sie drückte auf den in den Tisch eingelassenen Knopf zum Aufrufen der Speisekarte und vor ihnen erschien ein Holo-Modell.
"Ziemlich cool..."
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