Ich hab mal ein wenig in die Protokolle der Füherkonferenzen zu Marinefragen und in die Denkschriften und Lagebeurteilungen der Seekriegsleitung geschaut und versuche hier mal einige Gedanken und Ideen zu skizzieren, die letztendlich die Entscheidungen beeinflusst haben.
1934 Wie macht man sowas?
Die Planung wird mit Deutscher Gründlichkeit angegangen. Man guckt sich erstmal Träger anderer Nationen an. Deutsche Delegationen besuchen HMS Furious und Akagi. Die Auswahl ist wohl nur moderat günstig. HMS Furious ist durch ihre gesammte Kariere hindurch ein skuriles Schiff gewesen, Akagi stand kurz vor einem massiven Umbau, als die Deutschen sie beguckten.
Wenig hingegen scheint von SMS Ausonia in das Deutsche Projekt einzufliessen. Als die Eckdaten schliesslich feststehen, beschreiben sie fast einen Hybridträger mit ganz formidabler Panzerung und Artillerie:
Verdrängung: ca. 20.000 t
Geschwindigkeit: ca. 33 kn
Bewaffnung: 50 bis 60 Flugzeuge, 8 – 20.3 cm Geschütze
Panzerung entsprechend eines leichten Kreuzers
Und doch – von HMS Furious hätte man viel lernen können darüber was ein Kompromiss wegschaffen kann, wenn man nur bereit ist ihn einzugehen.
1935 Gekauft!
In diesem Jahr wird der Träger A bei den Deutschen Werken geordert. Die Daten haben sich nur leicht verschoben. Schneller soll er werden und die Hauptartillerie wird von 20.3 auf 15.5 abgespeckt.
Abgespeckt wird aber auch die Anzahl der Flugzeuge. Nur mehr rund 4o Maschienen wird der neue Träger haben.
1936 Los gehts!
Am 28. Dezember wird der Flottenträger Graf Zeppelin bei den Deutschen Werken in Kiel auf Kiel gelegt.
1938 Der Flugzeugträger an sich ist unnütz!
Im Jahre des Stapellaufes beschäftigt man sich bei der Kriegsmarine erstmalig ernsthaft mit der Möglichkeit eines Seekrieges gegen England. Die sogenannte “England Denkschrift” ist ein Meisterstück Deutsche Seestrategie. Gekonnt werden die Schwächen des potentiellen Gegners ausgelotet und der Bau von Schiffen gefordert, die genau die Lücken in der Verteidigung des Gegners ausnutzen können.
Hier wird vier Jahre bevor die ersten Einheiten schliesslich von der Gegenseite mit grossem Erfolg in Betrieb gebracht werden das Grundkonzept des Geleitträgers angedacht!
Grosse Flottenträger hingegen seien zu verwundbar. Um eine sinnvolle Risikominimierung zu betreiben, solle man leichte, kleine und einfache Träger konzipieren. Von den Flottenträgern heisst es nach den Trägern A und B seinen keine weiteren erwünscht oder erforderlich!
194o Ein unglücklicher Sieg!
In 194o hatte die Seekriegsleitung es wahrlich nicht eilig mit ihren Neubauten. Der Krieg neigte sich ja schon einem absehbaren Siegfrieden zu. Den einen eigenen Träger würde man hinterher fertig bauen.
Nur zwei Jahre nachdem Hellmuth Heye in der England Denkschrift die Verletzlichkeit grosser Träger herausstreicht, versenken
Die Schwestern HMS Glorious und bestätigten damit nur, was man bei der Seekriegsleitung schon wusste: Der Flottenträger an sich ist schutzlos dem Grosskampfschiff ausgeliefert. Anders als die Britsche Admiralty erholte sich die Seekriegsleitung nicht von ihrem Sieg.
Schon am 29. April hatte Admiral Raeder in einer Füherkonferenz die Einstellung des Baues der Graf Zeppelin vorgeschlagen. Das Schiff werde erst Ende 194o einsatzbereit sein. Artilleristische Einsatzbereitschaft gar könne erst gegen Ende 1941 erreicht werden.
Die Flak sei in Norwegen im Einsatz, die Feuerleitanlage mit Lützow an die Russen verkauft.
Der Führer ergänzt, dass Träger mit Benzinflugzeugen nicht mehr zeitgemäss sein und nach dem Kriege kein Rolle mehr spielen würden. Man machte sich auf Deutscher Seite Sorgen um die enormen Mengen Flugbenzin, die ein grosser Träger mitführen würde. Verlusste Japanischer Träger bestätigten diese Sorge später in gewissem Grade.
Aus dem Juni des selben Jahres datiert die Denkschrift zu “Raumerweiterungs- und Stützpunktfragen nach dem Kriege”. Hier wird deutlich herausgestrichen, dass grosse Träger mit Dieselflugzeugen weit besser bedient wären. Generell aber gilt: “Der Nutzeffekt eines grossen Flugzeugträgers im Verhältnis zu seinem riesigen Aufwand an Kosten und Personal ist gering”. Abschliessend heisst es: “Wenn uns bei Friedenschluss Flugzeugträger anfallen kann es uns willkommen sein. Einem Neubau sollte man erst näher treten, wenn der Bedarf an lebenswichtigen Typen gedeckt ist”.
Was man unter lebenswichtigen Typen verstand macht die Denkschrift über den “Aufbau der Flotte nach dem Kriege” vom Juli des Jahres deutlich.
Angestrebt wird der Bau von Flugdeckkreuzern. Eine relativ Deutsche Lösung eines Problems. Der Bau eines Hybridschiffes. Die offensichtliche Verwundbarkeit des Trägers (HMS Glorious) liess diese Lösung als besser erscheinen denn einen Verband aus Panzerschiff und Geleitträger.
1941 Katzenjammer
Im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung vom 31. Mai 41 liesst man: “Der ungünstige Verlauf der Bismarck Operation und die Erfolge der gegnerischen Flugzeugträger haben erneut die ausserordentliche Bedeutung des Flugzeugträgers für die Atlantik Kriegsführung erwiesen. Die operativen Überlegungen […] machen es erforderlich, immer wieder nach Möglichkeiten für den Weiterbau des eigenen Trägers ‘Graf Zeppelin’ zu suchen.”
Ja – da musste man schon nach Möglichkeiten “suchen”! Der sofortige Weiterbau war nicht möglich. Mit behelfsmässiger Feuerleitanlage hoffte man den Träger innerhalb von acht Monaten in Dienst zu haben. Mit einer vollständigen Anlage nicht vor in 15 Monaten.
Es fehlte aber am Personal für den Weiterbau. Man könne frühestens nach Abschluss von ‘Barbarossa’ mit dem Fertigbau beginnen!
Im Juli 1941 fordert der Führer selbst im Rahmen einer Konferenz zu Marinefragen, dass die Träger Graf Zeppelin und Seydlitz unmittelbar nach dem Abschluss des Ostfeldzuges fertigzustellen sein.
Im November 1941 unterstreicht Admiral Raeder auf einer Füherkonferenz “die SkL legt nach wie vor auf den Weiterbau der Flugzeugträger besonderen Wert.”
Er macht aber auch deutlich, dass von den Originalträgerflugzeugen Bf1o9T und Ju87C nur wenige übrig sein. Er bittet den Füher ausdrücklich um Arbeiter für den Fertigbau der Träger und um die Order an die Luftwaffe neue Trägerflugzeuge bereitzustellen.
1942 der zahnlose Tiger!
Im März wird auf einer Füherkonferenz wiederum der beschleunigte Weiterbau von Graf Zeppelin gefordert. Um Seydlitz umzubauen müsste der Kreuzer bis aufs Panzerdeck abrasiert werden. Der Umbau von Seydlitz wird hintenangestellt.
Wenig später muss jedoch der Weiterbau von Graf Zeppelin, von zwei Holländischen Beutekreuzern und von Seydlitz neben mehreren kleineren Einheiten wegen Materialmangel eingestellt werden.
Die Ausstattung mit Flugzeugen hat sich zu diesem Zeitpunkt dramatisch zugespitzt. Es sind noch 5o Bf1o9T Jäger, nur 4 Ju87 Marine-Stuka und 13 Fi167 Allzweckflugzeuge vorhanden. Das reicht für die Erprobung des Träger nicht aber für den Einsatz. Die Luftwaffe meldet, dass die unsprünglichen Trägermaschienen nicht nachgebaut werden können!
Alternativ wären adaptierte Landflugzeuge denkbar. Diese Typen aber hätten ein höheres Startgewicht. Der Träger wird also stärkere Flugzeugschleudern brauchen und leistungsfähigere Bremsseilwinden.
Die Entwicklung neuer Schleudern würde etwa zwei Jahre dauern! Können die bestehenden Katapulte adaptiert werden, so wären wohl 1 Jahr und sechs Monate denkbar.
Der Träger wird damit im Winter 1943 / 44 einsatzbereit sein.
Im April 1942 wird bei einer Führerkonferenz dann die ganze Misere deutlich dargelegt: Die Luftwaffe könnte adaptierte Baumuster zur Verfügung stellen. Das wären die Bf1o9F und die Ju87D. Wegen der fehlenden Klappflügel könnten nur 1o Jäger und 22 Stuka mitgeführt werden. Der Führer fordert zusätzlich unbedingt Ausstattung mit Torpedoflugzeugen.
Auch ist die Entwicklung von Kriegsflugzeugen nicht stehengeblieben. Die Luftwaffe braucht ab diesem Jahr ihre letzten Me1o9 auf, die Ju87 Stuka gilt längst als deklassiert. Der Gegner verfügt über mehr und mehr Sea-Hurricane, die für die Ju87 einen kaum überwindbaren Gegner darstellen würden.
Angesichts all der Einschränkungen lehnt die SkL die Verwendung adaptierter Maschienen ab und fordert die Entwicklung neuer Flugzeugtypen.
Im Mai 1942 macht Admiral Raeder auf einer Führerkonferenz nocheinmal deutlich, dass nicht nur Materialmangel und fehlende Flugzeugmuster die Fertigstellung von Graf Zeppelin behindern.
Der Bedarf an Arbeitern für die Reparatur von Prinz Eugen (Heck ab), Gneisenau (Turmtreffer) und die Fertigstellung von Graf Zeppelin wird veranschlagt mit: 774 Mann für Prinz Eugen, 13o7 für Gneisenau und 1555 für Graf Zeppelin.
Seydlitz ist zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in der Debatte.
Der Druck der Seekriegsleitung zeigt Folgen. Im Mai 42 wird der Befehl zum Weiterbau erteilt.
Unterdessen machen sich die Messerschmitt Werke an die Entwicklung der Me155; im Wesentlichen eine Bf1o9 mit adaptierten Flügeln für wesentlich schnellere und robustere Handhabung beim Klappen.
Im September des Jahres ist das Design der Me155 abgeschlossen. Es wird aber kein Bauauftrag erteilt, da nach wie vor erhebliche Verzögerungen bei der Fertigstellung des Trägers absehbar sind.
Das Jahr klingt eher unglücklich aus mit der Schlacht in der Barents See.
1943 Alle verschrotten!
Der Füher ist ärgerlich! Sehr ärgerlich! Um die schweren Einheiten der Flotte zu retten, legt die SkL im Januar 1943 die Denkschrift “Bedeutung der Überwasserstreitkräfte für die Dreierpaktmächte” vor.
Hier heisst es explizit: “Weil sie [Flugzeugträger] uns bisher fehlten, war die Wirkung unserer schweren Streitkräfte eingeschränkt” Im weiteren wird deutlich gemacht, warum die schweren Einheiten unverzichtbar sind. Eine Versuch Graf Zeppelin selbst zu retten wird aber nur halbherzig unternommen. Es heisst: “Im Küstenvorfeld selbst werden die Aufgaben des Flugzeugträgers zweckentsprechender von Luftstreitkräften von Land aus übernommen”
Die Seekriegsleitung rettet tatsächlich die Mehrzahl ihrer einsatzklaren schweren Einheiten. Ein Weiterbau an Graf Zeppelin, Seydlitz oder Gneisenau aber ist erst nach dem Friedenschluss möglich.
Allen Unkenrufen zum Trotz melded die Britische Aufklärung 1943 dass Piloten mit Training auf Ju87 Stuka und Blindflugzertifikat für den Träger Graf Zeppelin abgestelt werden.
Ob dass eine Geheimdienst-Ente war oder ob das die letzten Verwaltungsakte in einem eingehenden Projekt waren, ist schwer zu beurteilen. Ich kenne keine Deutsche Quelle, die die Britische Meldung bestätigen oder widerlegen würde.
Im August 1943 jedenfalls wird das Projekt Me155 von Messerschmitt an Blohm und Voss abgegeben. B&V nimmt die Arbeiten am Design unter der Kennung BV155 wieder auf. Das Projekt wird nie abgeschlossen.
Relativ früh im Krieg sieht die Seekriegsleitung die Zeichen am Horizont. In einer Lagebeurteilung vom November des Jahres heist es ausdrücklich, dass ein Sieg mit militärischen Mitteln nicht mehr zu erreichen sei. Diese Beurteilung wird dem Füher aus begreiflichen Gründen nicht vorgelegt.
Unter diesen Vorzeichen macht die Wiederaufnahme das Baues der Graf Zeppelin keinerlei Sinn.
… und aus!
1947 Wir wollen den auch nicht!
Im August 1947 schliesslich tun die Soviets ihrer Verpflichtung genüge sich das Deutsche Beuteschiff vom Hals zu schaffen. Die Hulk PO-1o1 wird auf die Ostsee geschleppt und versenkt.
Gern steht die Kriegsmarine da als die hilflose dritte Macht, die mit ansehen musste, wie alle ihre Bemühungen vom Führer durchkreuzt und von der Luftwaffe sabotiert wurden.
Kein Zweifel: Die Protokolle der Führerkonferenzen machen mehr als deutlich, dass der oberste Deutsche Kriegsherr ein Dilletant war! Nach jeden Deutschen Schiffsverlust jammert der Führer in der folgenden Konferenz, ob man nicht noch dieses oder jenes Schiff mit in den Tod hätte nehmen können. Hätte die Graf Spee nicht noch HMS Exeter versenken müssen? Hätte Bismarck nicht noch HMS Prince of Wales versenken müssen? Hätte Scharnhorst nicht noch zwei Kreuzer mitnehmen müssen?
Wieder und wieder erläutern ihm seine Admiräle, dass man Seekrieg führe, keine Vendetta. Wieder und wieder wird versucht dem Führer die jeweilige Taktische Situation vor Ort zu erläutern. Die Einwände fallen auf taube Ohren.
Und doch – die “Krise Graf Zeppelin” war hausgemacht.
Die erste Gelegenheit zur Fertigstellung wurde 194o weggeworfen. Man erwartete innerhalb kurzer Zeit einen Siegfrieden, spekulierte gar auf die Erprobung von Trägern, die von den unterlegenen Gegnern als Reparationsleistungen hätten abgeliefert werden sollen. Die Versenkung von HMS Glorious warf einen langen und unglücklichen Schatten.
Viel zu lange klammerte man sich an die zeitverzögernde Ausrüstung mit einer Feuerleitanlage, die einem schweren Kreuzer Ehre gemacht hätte. Die “artilleriestische Fertigstellung” erwies sich lange als ein Bremsklotz.
Im Mai 1941 hätte man aufwachen müssen. Keiner der Träger, die Bismarck zum Verhängnis wurden schleppte irgendeine ernstzunehmende Artillerie mit sich herum. Hier wäre noch die Möglichkeit gewesen den Graf Zeppelin ohne Artillerieleitstände und Rechenanlage als “nur” Flugzeugträger in Dienst zu stellen.
Die Forderung nach zeitgemässen Flugzeugen ist verständlich. 1943 waren die Bf1o9 und die Ju87 altes (zumindest ältliches) Eisen. Und doch – Bismarck, damals mit das Modernste, was an Schlachtschiffen die sieben Meere befuhr, war erledigt worden von einem Flugzeug, welches liebevoll ‘Das Einkaufsnetz’ genannt wurde und das in seinen Flugleistungen schon von der Fokker des Roten Barons deklassiert worden wäre.
Auch der Raid auf Tarento wurde mit Mut, Erfolg und deklassierten ‘Einkaufsnetzen’ geflogen.
Perfektionismus kann unheilige Formen annehmen.
Die Seekriegsleitung wollte keine adaptierten Landmaschienen, die unter anderem wegen ihrer Starrflügel zuviel Hangarplatz wegnahmen. Auch hier vergleicht man leicht mit der Fairey Swordfish, die beileibe keine Klappflügel hatte und die im Hangar so handlich wie ein Biedermeyerschreibtisch war.
Die letzte wirkliche Gelegenheit wurde 1942 vergeben, als man unter keinen Umständen mit Provisorien auf dem Flugdeck in See stechen wollte. Manche Träger anderer Nationen fuhren, kämpften und siegten mit schlechteren Flugzeugen.
Trotzdem ist die Entscheidung den Bau im Jahre 1943 endgültig aufzugeben sicher nachvollziehbar.
Nicht so sehr, weil der Träger ohne Artillerie Leitanlage und mit adaptierten Maschienen so sehr behindert gewesen wäre. Andere Kompromisse haben sich auf See nicht schlecht geschlagen!
Die gesammte Seestrategische Lage aber war zu diesem Zeitpunkt schon soweit den Bach hinuntergegangen, dass der Träger nach seiner Fertigstellung kaum mehr als einen einzelnen Kamikaze Einsatz im Nordmeer hätte fahren können.
Die Lagebeurteilung der Seekriegsleitung in 1943 zeigt, dass man die hoffnungslose Luftüberlegenheit der Allierten durchaus sah und ihre langfristigen Konsequenzen verstand. Ein grosser Flugzeugträger war unter den Bedingungen sinnlos geworden.
So - das ist meistenteils aus den Protokollen der Konferenzen zwischen dem Fueher und dem Oberbefehlshaber der Kriegsmarine. Einige Passagen nach den Denkschriften und Lagebeurteilungen der SkL und aus dem Kriegstagebuch der SkL sowie aus dem Public Records Office in London.
Tja - das laesst natuerlich allerlei Fragen offen. Wo haette man umkehren, umdenken koennen?
Oder waren die Entscheidungen der SkL letztendlich einfach objektiv richtig? Waren die Sachzwaenge so drueckend, dass ein Fertigbau zu irgendeiner Zeit sowieso unsinnig gewesen waere?