Heute vor genau 80 Jahren, am 07.03.1945, fiel mit der Ludendorff-Brücke bei Remagen den vorrückenden US-Truppen in der Endphase des 2. Weltkrieges die einzige von damals 40 Rheinbrücken nahezu intakt in die Hände.
Die Brücke überspannte den Strom zwischen dem linksrheinischen Remagen und dem Ort Erpel auf der gegenüberliegenden Seite, und war bereits 1912 im Rahmen des Schlieffenplans geplant worden. Ihr Hauptzweck sollte militärischer Natur sein, um im Falle eines Krieges gegen Frankreich schnell Truppen und Material nach Westen transportieren zu können. Der Baubeginn verzögerte sich jedoch bis zum Jahr 1916. Am 1. Mai 1918 wurde das Bauwerk nach General Erich Ludendorff benannt, und am 15. August 1918 schließlich feierlich eingeweiht. Ihren eigentlichen Zweck sollte die Brücke jedoch nicht mehr erfüllen, da es große Probleme beim Bau des Tunnels durch die Erpeler Ley, einen schroffen Schieferfelsen der sich am Ostufer des Rheins erhebt, konnten die Gleise erst Mitte 1919 verlegt und der Zugbetrieb am 1.9.1919 aufgenommen werden. Damit war die Brücke das letzte große vollendete Bauprojekt der Preußischen Staatsbahnen. Züge fuhren nur sehr wenige über die Brücke; meist waren es Bahnen, die Ausflügler an Wochendenden und Feiertagen vom rechten Rheinufer in die Weinbauregion des Ahrtals brachten. Ansonsten überquerten dort hauptsächlich Fußgänger und Radfahrer den Strom über die beiden neben den Gleisen verlaufenden Fußgängerstege.
Da die Brücke als militärisches Bauwerk geplant war, besaß sie Vorrichtungen, um sie im Bedarfsfall sprengen zu können. Mit Kriegsbeginn 1939 übernahmen Pioniereinheiten der Wehrmacht das Bauwerk, und es wurde mit 600kg Pioniersprengstoff zur Sprengung vorbereitet. Nach dem erfolgreichen Westfeldzug 1940 wurden die Ladungen jedoch wieder ausgebaut, und der Sprengstoff in ein Depot nach Darmstadt verbracht, da eine weitere Bedeutung für das Kriegsgeschehen nicht absehbar war. Als die Front vier Jahre später an die Reichgrenze rückte, wurde die Brücke mehrfach zum Ziel alliierter Bombenangriffe, so z.B. im Oktober und im Dezember 1944.
Bereits im Juni 1944, nach der Landung der Alliierten in der Normandie, wurden die 600kg TNT aus Darmstadt wieder herbeigeschafft, doch schon bald von der Wehrmacht für andere Zwecke verwendet. Es wurden Ersatzlösungen erarbeitet, zumal der Sprengstoff erst an der Brücke verbaut werden durfte, wenn der Feind näher als 8 Kilometer an die Brücke herangekommen war, um eine unbeanbsichtigte Zündung zu vermeiden, wie es bei der Mülheimer Brücke in Köln durch Bombeneinschläge geschehen war.
Am Morgen des 7. März stießen Verbände der 1. US Armee schnell und nahezu ohne nennenswerte Gegenwehr Richtung Rhein vor. Da man davon ausging, dass die Brücke ohnehin bei Annäherung gesprengt werden würde, konzentrierten sich die Vorstöße jedoch nördlich und südlich von Remagen. Dort herrschte auf Seiten der deutschen Verteidiger einige Verwirrung. Der Kampfkommandant von Remagen, Hauptmann Bratge, wollte die Brücke so früh wie möglich sprengen, nachdem ihm nur noch 36 Einsatzfähige Soldaten, mehrheitlich alte Männer und Rekonvaleszenten, zur Verfügung standen. In der Nacht zuvor war das Kommando über die Brücke jedoch Major Scheller, dem Adjudanten von General Otto Hitzfeld vom LXVII. Armeekorps übertragen worden, der den Befehl hatte, die Brücke so lange wie möglich offen zu halten, um Truppen und schweres Gerät auf die rechte Rheinseite zu schaffen. Davon erfuhr Hauptmann Bratge allerdings erst am 7. März gegen 11 Uhr. Unterdessen hatte der verantwortliche Brückenoffizier Hauptmann Friesenhahn 600kg Pioniersprengstoff angefordert, erhielt aber nur 300kg Donarit, einen wesentlich schwächeren Industriesprengstoff, der nun in aller Eile für eine Schnellsprengung verbaut wurde.
Gegen 13 Uhr erreichte eine Vorauseinheit der 9. US-Panzerdivision unter dem deutschstämmigen 2nd Lt. Karl H. Timmermann Remagen, und erspähte die völlig intakte Brücke. Timmermann informierte umgehend seinen Brigadekommandeur General William M. Hoge, der die sofortige Einnahme der Brücke befahl. Der Angriff der Amerikaner begann um 13:40, woraufhin die deutschen Verteidiger einen ersten Sprengversuch unternahmen, der die Zufahrtsrampe auf dem linken Rheinufer stark beschädigte. Um 15:40 wurde schließlich auf Befehl von Major Scheller die Hauptladung gezündet, doch war diese wie erwartet viel zu schwach. Die Brücke hob sich, fiel jedoch wieder in ihre Lager zurück, ohne einzustürzen. Timmermann und seine Männer strürmten nun auf die Brücke, zerschnitten alles, was ihnen wie Sprengkabel vorkam, und erreichten schließlich unter relativ schwachem Widerstand die rechte Rheinseite bei Erpel. Im Tunnel unter der Erpeler Ley spielten sich unterdessen dramatische Szenen ab. Hier hatten neben den Soldaten der Brückenkompanie ca. 200 Zivilisten aus Erpel vor den Kampfhandlungen Deckung gesucht, und gerieten zunehmend in Panik, so dass es nicht gelang, die Soldaten für einen Ausbruch oder einen Gegenschlag zu sammeln. In dem Tumult setzte sich Major Scheller aus unerfindlichen Gründen mit seinem Adjudanten in Richtung Unkel ab. Als in dem Durcheinander jemand am Tunneleingang die weiße Fahne gehisst hatte, blieb Bratge nichts anderes übrig, als die Einstellung der Kämpfe zu befehlen, und seine Männer in die Gefangenschaft zu führen. Am Tunnelausgang gab es mit dem Eisenbahner Willi Feldens das einzige Todesopfer des Tages zu beklagen. Aufgrund seiner schwarzen Eisenbahn-Uniform hatte ein GI Feldens für einen SS-Mann gehalten, und ihn gezielt unter Feuer genommen. Timmermann und 12 seiner Männer wurden später für die Einnahme der Brücke mit dem Distinguished Service Cross ausgezeichnet.
Als Eisenhower von der Einnahme der Brücke erfuhr, befahl er dem Oberbefehlshaber der 12th Armygroup Omar N. Bradley sofort so viele Männer und Material wie möglich auf das rechte Rheinufer zu bringen. Nach 24 Stunden standen bereits 8.000 Amerikaner auf dem Ostufer des Flusses, zehn Tage später waren es bereits nahezu vier Divisionen. Der ursprüngliche Plan der Alliierten hatte hingegen vorgesehen, den Rheinübergang Anfang Mai mit starken Kräften zu erzwingen.
Als Hitler von der Einnahme der Brücke hörte, tobte er, und befahl deren sofortige Zerstörung. In den folgenden Tagen feuerte die Wehrmacht über 3.000 Granaten auf die Brücke, am 10. März folgte ein halbherziger Angriff des LXVII. Armeekorps, das jedoch zu geschwächt war, um einen Erfolg zu erzielen. Daneben flog die Luftwaffe mehrere Angriffe, bei denen erstmals in der Geschichte mit der Arado Ar 234 ein strahlgetriebener Bomber zum Einsatz kam. Zudem versuchten Kampfschwimmer sich der Brücke zu nähern und aus Hellendoorn in den Niederlanden gingen elf V2 Raketen nieder. Eine davon schlug in dem Dorf Oedingen, heute ein Ortsteil von Remagen, ein wo sie mehrere Häuser zerstörte und sechs Menschen tötete.
Auf Befehl Hitlers verurteilte das Fliegende Standgericht West unter Generalleutnant Rudolf Huebner fünf Offiziere zum Tode, darunter auch Major Scheller. Vier der Urteile wurden im Westerwald unweit der Ortschaften Rimbach und Oberirsen vollstreckt. Lediglich Hauptmann Bratge entkam dem Zorn Hitlers, da er sich in amerikanischer Gefangenschaft befand.
Die Ludendorff-Brücke hielt trotz ihrer Beschädigungen noch 10 Tage lang Stand, bevor sie am 17. März schließlich einstürzte und dabei 32 US-Pioniere in den Tod riss, die damit beschäftigt waren, das Bauwerk zu stabilisieren. Inzwischen hatten die Amerikaner jedoch rechts und links der Brücke insgesamt 5 Pontonbrücken über den Rhein geschlagen, über die der Nachschub für die Truppen auf dem Ostufer unablässig rollte.
Die Einnahme der Brücke von Remagen ging als Husarenstück in die Geschichte des 2. Weltkrieges ein, welches den Amerikanern dabei half, den Rhein wesentlich schneller, als geplant zu überqueren und den Ruhrkessel zu schließen, in dem das Gros der deutschen Heeresgruppe B eingekesselt wurde.
Nach dem Krieg wurde seitens der Bundesbahn erwogen, die Brücke wieder aufzubauen, doch nahm man von diesem Projekt nach einer Kosten-Nutzen-Rechnung Anfang der 60er Jahre abstand. Schließlich wurden die beiden im Strom befindlichen Brückenpfeiler 1976 abgetragen, da sie ein immer größeres Hindernis für die stark zugenommene Schifffahrt auf dem Rhein darstellten. Erhalten blieben die beiden Brückentürme auf jeder Seite des Flusses, der Tunnel unter der Erpeler Ley und Teile der Zufahrtsrampe in Remagen.
In den linksrheinischen Brückentürmen wurde auf Initiative des damaligen Remagener Bürgermeisters Peter Kürten ein Friedensmuseum eingerichtet, welches 1980 eröffnet wurde, und die Geschichte der dramatischen Tage im März 1945 nachzeichnet. Finanziert wurde die Errichtung durch Spenden, und den Verkauf kleiner Bruchstücke der abegrtagenen Pfeiler mit einem Echtheitszertifikat.
Die Türme auf dem rechten Rheinufer befanden seit dem Kriegsende in einem lange Zeit unveränderten Zustand. Der Tunnel wurde durch die Ortsgemeinde Erpel von der Deutschen Bahn erworben wurden, um ihn für Kulturveranstaltungen zu nutzen. So wurde dort regelmäßig ein Theaterstück nach dem Roman "Die Brücke von Remagen" des Kölner Schriftstellers Rolf Palm am Originalschauplatz aufgeführt.
1969 nahm sich auch Hollywood des Themas an, und verfilmte den Stoff mit George Segal und Robert Vaughan in den Hauptrollen. Bemerkenswert an dem Film ist, dass die Dreharbeiten 1968 in der CSSR stattfanden, und wegen des Einmarsches sowjetischen Truppen während des Prager Frühlings überstürzt abgebrochen werden mussten.
Die Brücke und die Geschichte ihrer Eroberung sind in den USA bis heute sehr bekannt, und in den Jahren nach dem Krieg besuchten immer wieder viele Veteranen mit ihren Familien Remagen und Erpel, besonders zu den Jahrestagen der Eroberung.
C.