Mon Calamari (Calamari-System)

- Mon Calamari - Coral City – Meer – Wassergleiter – Mit Cris und Touristen –

Noa hatte keine genauen Erwartungen an die Whaladons gehabt. Sie hatte von riesigen Wasserwesen gehört, vielleicht sogar schon einmal etwas über sie im Holonet gesehen und als sie dann die Reklametafel entdeckt hatte, die sie zu dieser Rundfahrt geführt hatte, war sie spontan neugierig geworden. Jetzt, da die ersten beiden Vertreter dieser gigantischen Meeresbewohner in Sichtweite aufgetaucht waren, wusste Noa, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Der Anblick der Whaladons, die mit ihren massigen Körpern die Wasseroberfläche durchbrachen um zu atmen und sich dann wieder zurück auf die Wellen warfen, war atemberaubend. Die Stimmen und Rufe um sie herum wurden aufgeregter.

“Hast du das gesehen, Mama? Hast du das gessehen?“

Rief ein Junger in ihrer direkten Nähe. Er war in seiner Aufregung eine Sprosse der Reeling hinauf geklettert und wurde nun von einem Erwachsenen, vielleicht seinem Vater, fest gehalten, damit er nicht kopfüber hinein ins Meer purzelte. Noa grinste, zog Cris mit sich und bahnte sich ebenfalls einen Weg zwischen den Schaulustigen hindurch, um einen besseren Blick hinaus auf das Speketakel zu erhaschen. Es waren zwei Whaladons, deren große Umrisse man zuerst im Wasser erahnen konnte, die dann plötzlich auftauchten und Wasser in die Luft spritzten, bevor sie wieder verschwanden. Es war wie ein Spiel, begleitet von einem unendlich melancholischen, tiefen Gesang.

“Das ist wunderschön.“

Sagte Noa. Der Wind hier draußen auf dem Wasser war stärker als in der Stadt und sie war froh, dass sie ihre dünne Jacke noch trug und sie nicht im Gleiter zurück gelassen hatte. Um sie herum schien es den meisten Touristen so zu gehen, auch wenn Noa nicht viel Aufmerksamkeit für die restlichen Mitreisenden an Bord erübrigen konnte – abgesehen von Cris. Sie griff nach seiner Hand, während ihr Blick auf das Meer gerichtet war. Der Gesang der Whaladons und die Bilder ihres spektakulären Tanzes im Wasser waren zu fantastisch, als dass sie nicht jede Sekunde dieses Anblicks hätte genießen können.

“Ich wünschte, ich könnte verstehen, worüber sie singen.“

Sagte sie in Cris' Richtung, sich ihm nur kurz zuwendend, damit er verstehen konnte, was sie sagte und ihre Worte nicht vom Wind davon getragen wurden. Die Mon Calamari konnten die Sprache der Whaladons verstehen, das hatte sie vorhin irgendjemanden sagen hören, doch sie wusste nicht, ob das auf alle Mon Calamari zutraf oder nur auf einige von ihnen, die die Sprache speziell studiert hatten. Und dann, ganz plötzlich, tauchte ein dritter Whaladon inmitten der sanften Wellen auf, und dann ein vierter. Es wurden immer mehr, bis die ganze Herde versammelt zu sein schien, inklusive... einem einzelnen weißen Whaladon, der sich farblich markant von seinen Artgenossen abhob. Eine Perle unter einer Sammlung von Onyxen. Noa hob die Hand, um ihre Augen vor der Sonne abzuschirmen und besser sehen zu können.

“Das ist einfach unglaublich...“

Sie schüttelte den Kopf, drehte sich zu Cris um, um zu sehen, ob er genauso fasziniert war wie sie und strahlte ihn an. Es war der perfekte Ausflug, das perfekte Date. Jetzt fehlte nur noch ein gemeinsames Abendessen und dass die Chemie diesmal zwischen ihnen stimmte, aber mit einem Mal hatte Noa da weniger Bedenken.

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[Calamari-System, Mon Calamari, Meer vor Coral City, Wassergleiter, Bug]- Noa, Cris, Touristen

Widerstandslos war Cris Noa gefolgt, die sich einen besseren Überblick hatte verschaffen wollen, durch das Gedränge der Schaulustigen, bis an einen Ort an der Reling, der sich tatsächlich in direkter Sichtlinie zu den beiden Whaladons befand, die Cris erspäht hatte und die ihr verspieltes Treiben weiter fortsetzten.

Als er spürte, wie Noas Hand nach der seinen griff, drückte er sie sanft und drückte ihr einen sanften Kuss auf den Hinterkopf auf, über den hinweg er aufgrund seiner aufgrund seiner Größe das Schauspiel beobachten konnte. Der Gesang der Whaladons – auf eine Art traurig, doch auf eine andere wiederum fast… hoffnungsvoll – wirkte auf Noa, auf ihn und alle anderen an Bord des Wassergleiters ein, schien die übrigen Geräusche auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Alles lauschte gebannt diesen fremdartigen, doch angenehmen Lauten, und Cris konnte nicht umhin, sich dieselbe Frage zu stellen, wie Noa sie auch äußerte, weswegen er langsam nickte, als sie ihn kurz ansah. Wer konnte schon ahnen, welche Weisheit sich in diesen Gesängen verbarg, die vielleicht höchstens einige andere Bewohner dieses Planeten verstehen konnten? Die Whaladons bewegten sich vollkommen unbeeindruckt von den Schaulustigen, erhaben über ihre Neugier, ihre Sorgen, ihre Tätigkeiten… sie hatten sich ihre eigene Nische auf Mon Calamari geschaffen, eine Nische, in der nicht einmal der Krieg gegen das Imperium zu existieren schien.

„Sie sind so friedlich, so… erhaben…“

Es war schwer vorzustellen, dass in dieser Galaxis Orte wie dieser Seite an Seite mit Orten wie der Unterstadt von Coruscant existieren konnten, wo das Recht des Stärkeren galt und das Imperium ohne den Einsatz des Widerstandes willkürlichen Terror verbreiten konnte. Und an letzteren Ort würde Noa am nächsten Tag zurückkehren, ohne ihn. Einfach so.

Mehr und mehr Whaladons tauchten auf, bis schließlich eine ganze Herde sich im Wasser tummelte, auftauchte, Wasser spie, wieder unter der Oberfläche verschwand. Sie umtänzelten sich im Wasser, sangen… der Höhepunkt schien erreicht zu sein, als plötzlich ein einzelner Whaladon inmitten der Menge auftauchte, größer als die Übrigen. Und weiß. Cris lächelte ungläubig, im Licht der hoch am Himmel stehenden Sonne blinzelnd, da selbst ihm klar war, dass die Sichtung eines solchen Exemplars an Seltenheitswert kaum zu überbieten war. Für einen närrischen Moment bildete er sich ein, dass selbst die Whaladons beabsichtigten, seinen Tag mit Noa zu einem unvergesslichen Ereignis zu machen. Die Anmut der Herde und ihres weißen Anführers wurde nur überboten durch Noas Strahlen, als sie sich zu ihm umdrehte, scheinbar ebenso überwältigt von den Dingen, deren Zeuge sie in diesem Moment wurden, wie er selbst. Kurz legte sich ein Schatten auf sein Gemüt. Er würde sie vermissen… so sehr.

Rasch lächelte Cris.


„Ich muss sagen, Miss Cortina, eine fantastische Idee.“

Er schmunzelte.

„Vielleicht führe ich dich ja dieses Mal zum Abendessen aus, ohne dass du mir eine Vase an den Kopf werfen musst.“

Plötzlich seufzend zog er sie an sich, während die Aggregate des Wassergleiters wieder leise zum Leben erwachten und es eine langgestreckte Kurve einschlagen ließen, vermutlich, um schlussendlich den Rückweg anzutreten. Der Gesang der Whaladons wurde leiser, als die Herde sich zu zerstreuen begann.

„Weißt du, manchmal wünsche ich mir, das alles wäre vorbei… all das da draußen. Und ich hätte einen Ort wie diesen hier, für den Rest meines Lebens.“

Einen Ort, den er mit jemandem teilen wollte. Und auch, wenn er es ihr nicht sagte, schien er zu wissen, dass dieser jemand in diesem Moment die Frau war, die er in seinen Armen hielt.


„Aber so leicht kommen wir wohl nicht davon, nicht wahr?“

Dann lächelte er wieder.

„Und du? Was wünschst du dir?“


[Calamari-System, Mon Calamari, Meer vor Coral City, Wassergleiter, Bug]- Noa, Cris, Touristen
 
- Mon Calamari - Coral City – Meer – Wassergleiter – Mit Cris und Touristen –

Der Wassergleiter mit den Touristen an Bord blieb noch eine Weile, um den Anwesenden an Bord noch genug Zeit zu geben, das Treiben der Whaladons zu beobachten, doch schließlich spürte Noa, wie der Rumpf des Wasserfahrzeugs unter ihr wieder in Bewegung kam. Sie genoss noch einmal den letzten Anblick auf die Herrscher des Ozeans. Ihre Nichte und ihr Neffe würden begeistert sein, wenn sie ihnen davon erzählte, und sie vermutlich mit weit aufgerissenen Mündern anstarren. Solche Naturschauspiele kannte man auf Coruscant nicht. Cris hatte hinter ihr gestanden, dicht bei ihr. Ihr Körperkontakt war in der ganzen Zeit, die sie nun schon an Bord verbrachten, kaum abgerissen. Immer hatten sie sich irgendwie berührt, sich entweder an den Händen gehalten oder sich aneinander gelehnt und obwohl Noa diese Nähe sehr genossen hatte und es ihr gefiel, Cris so nah bei sich zu haben, hatte sich in den letzten Minuten irgendetwas merkwürdig angefühlt – sie wusste nur nicht, was es war.

“Abendessen klingt gut.“

Sagte Noa gut gelaunt, mit einem Blick auf ihr Chrono.

“In ein paar Stunden.“

Sie lächelte, weil der Tag sich so leicht leben ließ. Mon Calamari fühlte sich, mit seiner schönen, friedlichen Stadt und dem guten Wetter, wie Urlaub an. Aber das war natürlich nicht die einzige Komponente, die bei Noa für gute Laune sorgte. In erster Linie war dafür Cris verantwortlich. Er hatte es geschafft, sie mit einem einzigen Kuss förmlich dahin schmelzen zu lassen, wie einen Eisberg in der prallen Sonne, obwohl der Vergleich mit einem Eisberg für Noa alles andere als schmeichelhaft war. Und eigentlich war es auch mehr gewesen als nur dieser eine Kuss. Das wäre dann doch zu einfach gewesen. Cris Sheldon hatte Noa Stück für Stück erobert, nach und nach. Sie mochte sein zuvorkommendes Verhalten, die Geduld, die er mit ihr hatte und sogar seine Scherze – jedenfalls die meisten. Er hatte Recht, sie hatte eine Vase nach ihm geworfen, weil sie wütend gewesen war, und trotzdem war er hartnäckig (oder mutig) genug gewesen, trotzdem mit ihr auszugehen. Einem solchen Mann musste Frau eine Chance geben, oder nicht? Und hier standen sie nun, auf dem Deck eines mit Touristen beladenen Wassergleiters, Hand in Hand und schipperten über das Meer. Jeder x-beliebige Beobachter hätte erkennen können, dass sie beide eine sehr schöne Zeit miteinander hatten. Und trotzdem schien eine winzige Sache, die sich in Noas Gedanken zu manifestieren begann, nicht ins Bild zu passen. Sie kam nur nicht darauf, was das Problem war.

“Ich fürchte, der Krieg wird niemals wirklich vorbei sein.“

Noa löste sich von Cris, lehnte sich rücklings gegen die Reling und stützte ihre Arme auf dem Geländer auf. Der Wind blies ihr jetzt von hinten in den Nacken und sie war Cris direkt zugewandt.

“Die Galaxis ist zu groß und Imperium und Republik beide zu mächtig, um aufzugeben. Und selbst wenn… es wird immer andere Organisationen und Terrorgruppen geben, die einen neuen Krieg beginnen. Mir würde schon reichen, es geschähe nicht unbedingt direkt vor meiner Haustür.“

Für Noa war der Kampf gegen das Imperium ein lokaler Kampf. Ihr ging es in erster Linie um den Widerstand auf Coruscant. Wäre dieses Problem aus der Welt geschafft und ihre Heimat wieder unter republikanischer Flagge, wäre sie schon fast zufrieden. Natürlich sah dies für Cris anders aus. Er arbeitete für eben genau jene Republik und konnte praktisch überall hin versetzt werden. Allerdings, dachte Noa im Stillen, war auch er nicht verpflichtet weiter zu machen, wenn er keinen Sinn mehr sah oder er schlicht keine Kraft mehr hatte, noch mehr Zeit seines Lebens in einen Krieg zu investieren, der niemals vollständig gewonnen werden konnte. Er konnte seinen Dienst quittieren, wenn die Zeit, für die er sich verpflichtet hatte, abgelaufen war. Niemand zwang ihn, ewig weiter zu machen, wenn er sich insgeheim nach einem ruhigen Leben sehnte, auf einem ruhigen Planeten, wie hier auf Mon Calamari. Lange und nachdenklich sah Noa ihn an. Irgendwann würde er es vielleicht tun, sich in einen ungefährlichen Bürojob versetzen lassen, oder etwas vollkommen anderes machen, doch sie glaubte nicht, dass dies so bald sein würde. Auch wenn er seufzte und sagte, er wünsche sich ein ruhiges Leben, konnte sie sich nicht vorstellen, dass er damit glücklich werden würde – noch nicht. Dafür nahm er sich selbst viel zu sehr in die Pflicht.

“Was ich mir wünsche?“

Sie legte den Kopf leicht schräg und sah in den Himmel.

“Dass Coruscant befreit wird, natürlich.“

Es war das Erste gewesen, das ihr eingefallen war, wenn auch nicht unbedingt das Einzige.

“Aber ich schätze, die Frage war etwas persönlicher gemeint?“

Sie grinste und nahm sich einen Moment, um zu überlegen.

“Ich wünsche mir, eine gute, erfolgreiche Journalistin zu werden.“

Antwortete sie schließlich.

“Nicht unbedingt morgen, oder übermorgen, aber eines Tages. Ich will ernsthafte Reportagen machen und die Leute aufklären. Ich will ihnen zeigen was in der Politik wirklich passiert oder auf Welten, auf denen Völker auch heute noch immer unterdrückt und versklavt werden.“

Sie musste an Andrej denken. Von allen Journalisten, denen sie bisher begegnet war, hatte sie niemand mehr beeindruckt als er. Als sie ihn damals kennen gelernt und er ihr von seiner Arbeit erzählt hatte, hatte sie ihn förmlich angehimmelt. Er war genau die Art Journalist, die sie werden wollte: zielstrebig, hartnäckig, immer auf der Suche nach der Wahrheit und bereit, überall hin zu reisen, um sich ein eigenes Bild zu machen und Live-Reportagen aus krisengebeutelten Regionen zu liefern. Andrej hatte den Mut gehabt, sich Themen zuzuwenden, die andere mieden und das zu schreiben, was wirklich geschah, egal wie gefährlich dies manchmal für ihn sein mochte. Noa erinnerte sich, dass sie morgens mit ihm im Bett gelegen und ihn über seine Erlebnisse ausgefragt hatte. Es war Sommer gewesen, die Sonne hatte hell durch das Fenster geschienen und keiner von ihnen beiden hatte mehr an gehabt als ein dünnes Hemd – wenn überhaupt. Er war ihr Vorbild gewesen, um einiges älter als sie und so viel erfahrener und klüger. Dumm war nur, dass er ein Casanova gewesen und drei Frauen an jedem Finger gehabt hatte, die ihm selbst dann so manche schlüpfrige Nachricht geschickt hatten, wenn er gerade mit Noa beschäftigt gewesen war. Immerhin hatte er daraus nie ein Geheimnis gemacht und Noa war das damals egal gewesen. Rückblickend war es sogar mit eine der besten Zeiten überhaupt gewesen.

“Oh, und ich möchte lernen zu fliegen!“

Fiel ihr noch ein.

“Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass ich jemals genug Geld haben werde, mir ein eigenes Raumschiff zu leisten, aber ich würde unheimlich gerne einmal Flugstunden nehmen um zu wissen, was es für ein Gefühl ist, ein Raumschiff zu bewegen, oder sogar durch die Lichtmauer springen zu lassen. Na ja…“

Noa hob eine Schulter hoch.

“Vielleicht irgendwann mal. Hm, ich bin nicht sicher, ob ich dich das schon mal gefragt habe, aber hast du jemals Flugstunden genommen?“

Wollte sie wissen.

“Du musst wissen, ich mag schnelle Raumschiffe, Sternjäger, Speederbikes… alles was auch nur ansatzweise schnell ist. Magst du Swoop-Rennen? Ich verfolge gerne die verschiedenen Meisterschaften im Holo-TV. Pod-Rennen sind auch klasse. Ich habe nur leider zu selten Zeit, mir welche anzusehen.“

Noa schaute Cris an, dachte daran, dass sie früher zusammen mit Leandro und Rámon gespielt hatte, sie wären waghalsige Raumschiffpiloten und mit einem Schlag wurde ihr bewusst, was sie in dem hintersten Winkel ihrer Gedanken begonnen hatte zu beschäftigen. Sie wusste jetzt, was ihr komisch vorgekommen war, seit Cris hinter ihr gestanden und ihr einen Kuss auf ihre Haare gedrückt hatte, denn vor ihrem inneren Auge konnte sie Rámon und Thalia sehen, die in exakt der selten Pose beieinander standen. Liebevoll drückte ihr Bruder seiner Frau einen Kuss auf den Scheitel und lächelte sie an. Noa hatte die beiden so schon öfter zusammen gesehen. Es war eine Geste der Zuneigung und der Intimität, eine Geste, die Harmonie und Vertrauen ausdrückte. Doch dies waren Merkmale einer Beziehung, von der Noa und Cris weit, weit, weit entfernt waren. Sie hatten sich gerade erst kennen gelernt, sich gerade zum ersten Mal geküsst und keiner von ihnen wusste, wo das alles überhaupt hinführen sollte. Sie waren nicht einmal ein Paar. Sie hatten sich lediglich geküsst, wild und leidenschaftlich zwar, aber nichtsdestotrotz fehlte die Intimität zwischen ihnen, die Noa erlaubt hätte, eine solch liebevolle und zärtliche Geste zu verstehen. An diesem Punkt war sie schlicht noch nicht angelangt.

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[Calamari-System, Mon Calamari, Meer vor Coral City, Wassergleiter, Bug]- Noa, Cris, Touristen

Ihre spontane Antwort auf seine Frage hatte er sich im Grunde selbst denken können. Natürlich war es die Freiheit Coruscants, die derzeit ihr Handeln bestimmte – nur aus diesem Grund hatte sie schließlich eingewilligt, mit ihm nach Mon Calamari zu kommen, und nicht etwa, weil sie hätte vorhersehen können, dass sie beide am Ende hier, auf diesem Wassergleiter inmitten von singenden Whaladons, landen würden.

Als sie dann jedoch auch eine andere Antwort auf die Frage gab, hörte Cris ihr aufmerksam zu – abgelenkt höchstens von der Art, wie sie an der Reling lehnte und der Wind sich alle Mühe gab, ihr Haar aus der Gefangenschaft ihres Zopfes zu befreien. Auch wenn er zunächst nicht wusste, wieso, bereitete ihm ihre Vorstellung davon, wo sie sie sich in Zukunft gerne sehen würde – als erfolgreiche Journalistin – ihm ein wenig Unbehagen. Erst, als sie ausführte, dass es die Aufklärung von verborgenen Missständen war, die für sie den Inbegriff des Journalistenberufs darstellte, wurde Cris klar, woran er sich gestoßen hatte. Er selbst verkörperte mit seiner Tätigkeit schließlich die Antithese zu eben diesen Idealen – der Geheimdienst stand geradezu sinnbildlich für Vertuschung und auch, wenn die meisten seiner Operationen – und im Grunde aller Operationen, an denen Cris beteiligt gewesen war – sich gegen das Imperium gerichtet hatten, so war es doch naiv, zu denken, dass der Geheimdienst keine Leichen im Keller hatte. Leichen, die hervorzuholen ein jeder integrer Journalist als seine Pflicht ansehen würde, wenn ihm die Chance gegeben wurde.

Auf der anderen Seite musste Cris zugestehen, dass diese Diskrepanz zwischen ihren Berufsfeldern wohl keinen Unterschied machen würde – morgen kehrte Noa nach Coruscant zurück und er wurde bei Colonel Drayson vorstellig, um welchen Job auch immer anzunehmen. Unwahrscheinlich, dass ihre Wege sich danach wieder kreuzen würden – und vielleicht war es auch besser so. Schließlich mochte Noa sich zwar zu ihm hingezogen fühlen – so viel meinte er bisher mit Sicherheit sagen zu können, schließlich hätte er gemerkt, hätte seine Nähe Ekel oder gar Abscheu in ihr verursacht – aber darüber hinaus wusste er nichts darüber, was sie empfinden mochte. Was er empfand glaubte er indes zu wissen – ungeachtet der Tatsache, dass er mittlerweile zwar einiges, aber kaum alles über sie wusste. Es hatte ganz einfach diesen einem Moment gegeben, in dem sich irgendetwas in ihm dazu entschlossen hatte, in ihm so starke Gefühle für Noa auszulösen, wie er sie nach seinem Verschwinden von Akemis Seite nie wieder zu verspüren gemeint hatte. Doch warum? Es konnte nicht nur ihre strahlenden Augen sein, ihre verwegene Stimme, der Geschmack ihrer weichen Lippen oder das Gefühl ihrer zarten Haut unter seinen Fingern… Hatte er sich in etwas verrannt? War es am Ende ein Fehler gewesen, sie auch nur ein einziges Mal zu küssen?

Die Erwähnung ihrer Leidenschaft fürs Fliegen – die er wiederum bereits hatte erahnen können – erlaubte ihm indes, seine Gedanken auf anderes, weniger vermintes Terrain zu begeben. Wohl erinnerte er sich an ihr Interesse für die Empress of Blades, wie auch an das Geschick, mit dem sie den Gleiter in den Straßenschluchten Coruscants vor den Schergen des Imperiums hergesteuert hatte.


„Ich hatte niemals Flugstunden, nein…“, musste er zugeben. Er bezweifelte auch, dass Selby ihn je in die Nähe der Kontrollen der Empress lassen würde. Nun, außer der Pilot wollte ein Nickerchen machen… oder sich sonst wie mit Dingen die Zeit vertreiben, die angenehmer waren, als dem Autopiloten bei seiner Arbeit zuzuschauen.

„Und die einzigen Rennen, an denen ich bisher beteiligt war, hatten auch stets ein wenig mit hektischem Schusswechsel zu tun…“

Er schmunzelte, obwohl er meinte, in Noas Mimik in diesem Moment einen Hauch von Nachdenklichkeit entdecken zu können. Was beschäftigte sie? Und warum war da wieder dieser Eisklumpen, wenn er sich diese Frage stellte?

„Meine Talente liegen wohl eher darin, unbewegliche oder bewegliche Ziele mit verschiedensten Kalibern zu vaporisieren.“

Er räusperte sich, als er sich an sein klägliches Abschneiden auf dem Schießstand der Defender erinnerte.

„Nun ja… zumindest meistens.“

Mittlerweile hatte der Wassergleiter endgültig die Rückkehr angetreten und hinter Noa war die Skyline Coral Citys zu erkennen. Die Sonne stand immer noch relativ hoch am Himmel, was darauf schließen ließ, dass noch früher Nachmittag sein musste. Noch nicht die Zeit für das Abendessen, das Cris Noa versprochen hatte.

Er nickte an ihr vorbei in Richtung der größer werdenden Stadt.


„Und, gibt es etwas, was du in Coral City unbedingt sehen möchtest?“


Ein vorsichtiges Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

„Vielleicht findet sich ja sogar eine Rennstrecke.“

[Calamari-System, Mon Calamari, Meer vor Coral City, Wassergleiter, Bug]- Noa, Cris, Touristen
 
[Calamari-System, Dac, Coral City, Senatsgebäude, Sitzungssaal, Kanzlerloge]- Quún, Erste Administratorin Atril Ningo, Sonderbeauftragte für Geheimdienstangelegenheiten Qwi Lur, Colonel Lujayne Drayson, Ackram, Stab des Kanzlers

Die Ankündigung des Kanzlers hatte entsprechenden Widerhall im Saal. Auf zahlreichen Senatorenlogen machte sich erstauntes, manchmal wohlwollendes, aber auch ablehnendes Raunen breit, je nach Disposition, Spezies und Temperament der dort vertretenen Delegation. Für einen Moment schienen sich sämtliche Holokameras – inklusive der schwebenden Übertragungsdroiden – auf die Kanzlerloge zu fokussieren, um den einen Moment aufzufangen, der auf diese aus Sicht vieler sicherlich überraschende Ankündigung folgte. Quún ersparte es sich, einen kurzen Blick in Richtung der anderen Personen in seiner Loge zu werfen. Er konnte sich ungefähr vorstellen, wie es in diesem Moment um ihre jeweiligen Gemütsverfassungen bestellt war.

„Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.“

Ein Satz, der immerhin ein wenig Ruhe in die Reihen der Senatoren wieder einkehren ließ.

„Sondersitzungen des Verteidigungsausschuss und des KSNR sollten zur frühstmöglichen Zeit einberufen werden.“


Was indes nichts heißen musste. Solange die Situation bei Corellia sich so akut darstellte wie sie es momentan tat, konnte Quún sich kaum vorstellen, dass die nichtpolitischen Mitglieder des Kommandostabs sich zu einer eilig einberufenen Sitzung bereit erklären würden, deren primärer Inhalt es war, über einen der ihren – noch dazu formal einen „Sieger“ – zu richten. Doch der Kanzler hatte vor seinen Worten gewusst, dass diese Positionierung ihn in einen gewissen Konflikt zum Militär manövriert hatte. Das machte sie indes kaum weniger wichtig.


„Werte Senatoren, ich möchte Ihre Aufmerksamkeit nun auf die Tatsache richten, dass an dem heutigen Tag noch drei Parteien mit Spannung darauf warten, in der Republik willkommen geheißen zu werden und ihre Plätze in einer freien Galaxis einzunehmen.“

Auf einem kleineren Displays waren bereits die jeweiligen Dossiers der beitrittswilligen Kandidaten erschienen, inklusive letzter Einschätzungen und Berichte der für die Eingliederung in die Neue Republik verantwortlichen Gremien. Für alle Kandidaten rechnete sich das Außenministerium gut Chancen aus, was eine Zustimmung des Senats anging. Die meisten Bonuspunkte jedoch dürfte Hapan mit seinem Engagement bei Corellia und den Hilfsversprechungen für Denon gesammelt haben, ein günstiger Umstand, da es insbesondere in Bezug auf das politische System des Beitrittskandidaten kritische Stimmen gegeben hatte. Qúun hatte diesen Kritikern stets wenig abgewinnen können – schließlich war Hapan bereits einmal Teil der Republik gewesen, wenngleich es sich wohl einen gewissen – aber ebenso verständlichen – Opportunismus bewahrt und im Angesicht des erstarkenden Imperiums die Neutralität bevorzugt hatte. Dies allerdings war jetzt vorbei.

„Ich erteile zunächst der Botschafterin Turima Belandri das Wort, um für die von ihr vertretenen Welten zu sprechen.“

[Calamari-System, Dac, Coral City, Senatsgebäude, Sitzungssaal, Kanzlerloge]- Quún, Erste Administratorin Atril Ningo, Sonderbeauftragte für Geheimdienstangelegenheiten Qwi Lur, Colonel Lujayne Drayson, Ackram, Stab des Kanzlers
 
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”Eine Rennstrecke auf Coral City?”

Wiederholte Noa fragend. Sie hatte keine Ahnung, ob die rechtschaffenen, Kultur- und Politik liebenden Mon Calamari viel für Rennsport übrig hatten. Es würde sie überraschen, hier eine Swoop-Strecke zu finden, aber ausgeschlossen war es sicherlich auch nicht. Sie selbst kam von einem Planeten, auf dem praktisch alles möglich war oder möglich gemacht wurde und dies mochte sicherlich auch auf andere Orte in dieser Galaxis zutreffen.

“Wenn wir zufällig über eine stolpern, kannst du dich ja mal als Pilot versuchen und mir zeigen, was du drauf hast.“

Schlug sie vor, ungeachtet der Tatsache, dass Cris geäußert hatte, noch nie selbst Rennen gefahren zu sein, was nicht unbedingt ein Geständnis war. Cris erschien Noa nicht unbedingt wie jemand, der viele Hobbies hatte oder auf viel Freizeit bestand. Nicht so wie sie. Noa arbeitete zwar auch gerne, aber sie brauchte auch ausreichend Zeit zum Auspannen. Schlafen war ganz wichtig. Hätte sie einen regulären Job, so wie Cloé, bei dem man jeden Morgen zur selben Uhrzeit aufstehen und im Büro erscheinen musste, würde sie vermutlich irgendwann durchdrehen. Cris dagegen hatte sie als Captain Cris Perfect kennen gelernt, einen Agenten des Geheimdienstes, der seinen Job ernster nahm als die meisten, und auch wenn sie ihn so nicht mehr nennen konnte, da er inzwischen nur noch Lieutenant war, hatte er sicherlich nichts von seinem Engagement verloren. Wann hätte er schon Zeit, Rennen zu fahren? Er wirkte, als wäre er praktisch immer im Dienst – abgesehen von heute Nachmittag. So ein Leben konnte Noa sich beim besten Willen nicht vorstellen. Sie brauchte Schlaf, ihre Ruhe und ausreichend Zeit, die sie mit ihrer Familie verbringen konnte. Ein flexibler Job war ihr wichtig. Gut, dass sie den hatte.

“Deine Talente jedenfalls scheinen sich ziemlich auf deinen Beruf zu beziehen.“

Stellte sie fest. Cris hatte es zwar im Scherz gemeint, doch sie begann sich bereits zu fragen, was er sonst noch gut konnte. Jeder hatte verborgene Talente, ob man sich darüber im Klaren war oder nicht. Manch einer skizzierte vielleicht aus Langeweile vor sich hin und wurde irgendwann als großer Künstler entdeckt. Andere stellten sich beim Karaoke als große Gesangstalente heraus. Vielleicht war Cris ein Genie mit Zahlen und konnte gut Kopfrechnen, oder er hatte ein fotographisches Gedächtnis. Vielleicht spielte er auch ein Instrument, von dem er Noa noch nichts erzählt hatte, oder er konnte gut mit Tieren umgehen. Nachdenklich kaute Noa auf ihrer Unterlippe und sah Cris an.

“Ich glaube, da ist noch mehr.“

Dachte sie laut.

“Es wäre zu schade, dich lediglich auf einen skrupellosen Killer reduzieren zu müssen.“

Die Widerstandskämpferin grinste. Sie hatte nicht vergessen, dass sie am Schießstand im Hauptquartier der Defender um Längen besser gewesen war als Cris. So gesehen musste er noch andere Talente haben, andernfalls wäre Noa in der einzigen Sache, die er konnte, besser als er und das wäre wirklich sehr deprimierend. Inzwischen hatte der Wassergleiter wieder den Hafen erreicht und war nun dabei, wieder anzulegen. Das Deck um Noa und Cris herum begann sich zu leeren, als die anderen Touristen sich bei der Ausstiegsrampe in einer großen Traube sammelten, um von Bord zu gehen. Auch Noa stieß sich von der Reling ab.

"Ich würde gerne einfach ein wenig durch die Stadt schlendern. Wir können den Gleiter stehen lassen wo er ist, und ein wenig zu Fuß herum laufen."

Schlug Noa vor, nachdem Cris sie bereits gefragt hatte, ob sie sich etwas bestimmtes ansehen wollte. Sie konnte sich gut vorstellen, bei diesem schönen Wetter durch die Stadt zu schlendern und eine Tüte Eis zu schlecken. Dummerweise hatte sie allen Süßigkeiten abgeschworen, jedenfalls auf Zeit. Vielleicht aber wollte Cris ein Eis, dann konnte sie ihm wenigstens dabei zusehen. Es sollte ja Leute geben, die ihre Heißhungerattacken alleine damit befriedigen konnten, anderen beim Essen zuzuschauen. Noa und Cloé hatten das mal eine Zeit lang gemeinsam probiert. Während eine von ihnen Diät gehalten hatte, hatte die andere deren Lieblingsspeisen in sich hinein gestopft. Jesper hatte ihnen einen Vogel gezeigt und gemeint, das wäre die dümmste Idee, die sie jemals gehabt hätten, was vermutlich sogar stimmte. Gebracht hatte es jedenfalls nichts. Das Ende vom Lied war gewesen, dass sich Cloé übergeben hatte, weil Noa sie gezwungen hatte, massenhaft Süßkram zu futtern und Noa hatte am nächsten Tag noch den gleichen Hunger gehabt wie zuvor. Tja, es war den Versuch wert gewesen, aber abgenommen hatte keine von ihnen beiden.

"Ich denke, ich sollte auch ein paar Andenken kaufen, für meine Familie. Mitbringsel und so nen Kram."

Überlegte Noa, während sie, als zwei der Letzten, von Bord gingen.

"Zumindest für Camilla und Ricardo hätte ich gerne eine Kleinigkeit. Wenn ich den beiden was von Mon Calamari mitbringe, bin ich die coole Tante, die die Galaxie bereist. Das muss Leandro erst mal toppen."

Sagte sie und hätte sich am liebsten die Hände gerieben.

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[Calamari-System, Mon Calamari, Meer vor Coral City, Wassergleiter, Bug]- Noa, Cris, Touristen

Obwohl sie es vermutlich nicht beabsichtigt hatte, trafen Noas Worte Cris, als hätte sie ihm ein aktiviertes Vibromesser mit Anlauf in die Magengrube gerammt. Eben noch hatte er ihr etwas verträumt dabei zugesehen, wie sie auf ihrer Unterlippe herumgekaut hatte, als eben jener eine Satz diese Lippen verließ, der seinen Magen in einen eiskalten Metallklumpen verwandelte und jedwedes Glück, dass er bisher über ihre Nähe und die zurückliegenden Momente empfunden hatte, gnadenlos implodieren ließ.

Es wäre zu schade, ihn lediglich auf einen skrupellosen Killer reduzieren zu müssen.

Skrupellos. Killer.

Cris konnte nicht antworten. Selbst Noas Grinsen hatte nichts mehr von der Wärme, die er ansonsten mit ihrem Gesicht assoziiert hatte, sondern erschien ihm wie grausamer Hohn, während dieser eine Satz wieder und wieder durch sein Bewusstsein hallte. Was sollte er auch antworten? Dass sie falsch lag – dass er sich nicht nur darauf verstand, Ziele mit einer Schusswaffe zu neutralisieren, sondern auch mit bloßen Händen und lautlos, oder schmerzhaft und langsam, um an Informationen zu gelangen? Dass er bestens in der Lage war, sich in einen massenmordenden Imperialen hineinzuversetzen, weil er selbst zum Imperium gehört hatte? Natürlich wusste sie das schon. Vielleicht deshalb dieser Satz.

Es war, als hätte sie ihm unbewusst eine Brille vom Kopf gerissen, durch die er nur all jene Dinge gesehen hatte, die er sehen wollte. Sie dachte offenbar, dass da mehr in ihm steckte… hoffte es vielleicht auch. Vermutlich war das hier alles auch nur deswegen passiert. Er wusste es besser. Da war nichts mehr. Er war genau das: ein skrupelloser Killer. Nur die Institution, in deren Name er handelte, hatte sich zwischendurch geändert.

Gefangen in einem ohnmächtigen Schweigen und niedergedrückt von einer gähnenden Leere, die plötzlich dort in ihm herrschte, wo zuvor noch sein Erstaunen ob der Whaladons und seine Freude an all den Details, die Noa ausmachten, sein Herz erwärmt hatten, folgte Cris Noa vom Schiff. Zielsicher hatte sie ihren Finger in seine schlimmste Wunde gelegt und ihn dazu gezwungen, sich in Erinnerung zu rufen, warum er damals Akemi verlassen hatte. Warum ein Teil ihn dazu zwingen wollte, auch Noa hier und jetzt stehen zu lassen, sie vielleicht noch zum Hotel und dann zum Raumhafen zu bringen. Er hatte ihr nichts zu bieten. Nur einen skrupellosen Killer. Keinen Rockstar, keinen Casanova, nicht einmal einen sich selbst maßlos überschätzenden Piloten mit Hang zum Luxus wie Selby… nichts, was Noa Chanelle Cortina sich wünschte und nichts, was sie dazu veranlassen würde, ihn noch einmal zu küssen oder sich noch einmal von ihm küssen zu lassen. Es war vorbei. Hatte im Grunde nie angefangen. Er hatte ihr bereits mehr genommen, als er jemals von ihr verdient hätte – sie wusste es nur noch nicht.

Ein Teil von ihm wollte ihr genau das sagen. Ein anderer wollte weglaufen, sich in irgendeiner Ecke verstecken und Tränen vergießen, zu denen er längst nicht mehr fähig war. Der Teil, der sich letztendlich durchsetzte, schwieg, vermied es, sie auch nur für eine Sekunde anzusehen, und nickte langsam als Reaktion auf ihre Worte, die er zwar irgendwie wahrnahm, aber nicht mehr hörte.

Ruckartig war er aus diesem wunderschönen Traum aufgewacht, in dem er sich hatte einbilden dürfen, einer so wundervollen und aufregenden Frau wie Noa ein würdiger Partner zu sein, wenn auch nur für einen Tag. Immerhin bot das den Ausweg: morgen würde sie den Planeten verlassen und er sie nie wiedersehen. Alles, was er tun musste, war, das Spiel noch für ein paar Stunden mitzuspielen. Ihr für ein paar Stunden das zu vermitteln, was er ihr im Leben nie würde geben können, ganz gleich, was er unverändert für sie empfinden mochte. In diesem Moment fühlte er sich furchtbar. Wie ein Monster. Hasste sich.


„Du bist auch so die coole Tante…“, flüchtete er sich verzweifelt in den kläglichen Versuch, ihr ein Kompliment anhand der letzten Worte zu machen, die er dann wieder verstanden hatte. Immerhin war da nicht diese Leere, als er sich dazu zwang, sie anzusehen. Es tat einfach nur weh.

„Dafür bürge ich.“


Sein Lächeln fühlte sich an, als würde es in den nächsten Sekunden seine Lippen zerreißen. Vielleicht sollte sie ihrem Neffen und ihrer Nichte gegenüber nur nicht erwähnen, dass sie den Tag mit einem skrupellosen Killer verbracht hatte.

Um überhaupt etwas tun zu können, sah er sich etwas wahllos um und deutete dann willkürlich in eine der vom Pier wegführenden und von Touristen bevölkerten Straßen, in der es sicher eine Vielzahl an Läden gab, die Souvenirs feilboten wie Noa sie sich vorstellte.


„Da drüben finden wir bestimmt was.“

Warum nur hatte sie diesen einen Satz sagen müssen? Warum hatte er nicht länger in seinem Traum leben dürfen?

[Calamari-System, Mon Calamari, Coral City, Vergnügungsviertel, Hafengelände]- Noa, Cris, Touristen
 
- Mon Calamari - Coral City – Vergnügungsviertel - Pier – Mit Cris und Touristen –

Eigentlich hasste es Noa, zu shoppen. Sie hasste es, wenn es darum ging, etwas für sich selbst zu kaufen. Shopping war immer mit Stress verbunden, mit der Auswahl zwischen hunderten von Teilen. Diverse davon musste man meistens anprobieren. Schuhe zu kaufen war das Schlimmste, besonders, wenn man bereits das zehnte Paar versucht hatte und in keinem richtig laufen konnte. Noa wusste nicht, was mit ihren Füßen nicht stimmte, aber sie fühlte sich oft unbequem in Schuhen. Entweder sie waren zu groß oder zu klein, zu schmal, oder hinten zu weit, oder das Leder war zu hart und rieb sich unangenehm in ihre Haut hinein. Der Klassiker, was Unbequemlichkeit anging, waren selbstverständlich Highheels. Wie konnte ein Schuh, mit einem Absatz größer als drei Zentimeter überhaupt bequem sein? Das war ein Ding der Unmöglichkeit. Und doch schien es genug Frauen in dieser Galaxis zu geben, die damit kein Problem zu haben schienen. Wie machten die das bloß?? Cloé war das perfekte Beispiel. Noas Zwillingsschwester war so gut wie nie (!) in flachen Schuhen unterwegs. Ihre Absätze varrierten zwischen fünf und fünfzehn Zentimetern und sie klagte so gut wie nie über Schmerzen, wohingegen Noa auf solchen Killerheels nicht einmal stehen konnte, geschweigedenn laufen. Entsprechend fiel ihre persönliche Auswahl in der Regel auf praktische, wenn dafür auch wenig weibliche Schuhe – wenn sie denn gezwungen war, einkaufen zu gehen, was sie unter normalen Umständen tunlichst vermied. Heute jedoch waren keine normalen Umstände und die Läden, nach denen Noa Ausschau halten wollte, waren keine Bekleidungsgeschäfte, sondern niedliche, kleine Andenkenläden, vermutlich überfüllt von Touristen und voll gestopft mit Krimskrams, den im Grunde niemand wirklich benötigte, aber doch jeder entzückend fand.

“Da drüben?“

Sie schaute in die Richtung, in die Cris gedeutet hatte. Eine breite Straße, die vom Hafengelände wieder weiter in Richtung Stadt führte und in der allerhand Fußgängerverkehr zu herrschen schien, war genau der Ort, den Noa normalerweise mied: eine überfüllte Einkaufsmeile, in der sich die Leute dicht an dicht drängten, mit Einkaufstüten in und kleinen Kindern an den Händen.

“Na gut, vertrauen wir deinem Instinkt.“

Noa grinste, zog ihre Jacke aus, weil es warm genug für kurze Ärmel war, stopfte sie in ihre große Handtasche und ergab sich in ihr Schicksal. Ihr Trost war, dass Cris bestimmt mindestens genauso wenig einkaufen ging wie sie. Die wenigsten Männer hatten Spaß daran. Und sagte man nicht, geteiltes Leid sei halbes Leid?

“Und es stimmt übrigens, ich bin eigentlich wirklich eine coole Tante. Glaube ich zumindest.“

Sie steuerten auf die Straße zu, die beim Näherkommen Noas innerste Ängste nicht bestätigte. Es waren zwar viele Leute unterwegs, doch das dichte Gedränge und Geschiebe, das sie von Coruscant kannte, war hier kein Thema. Glück gehabt.

“Bei mir dürfen mein Neffe und meine Nichte nämlich alles. Was sie Zuhause verboten bekommen, dürfen sie bei mir.“

Sie zuckte mit den Schultern. Es war nicht unbedingt richtig, die Gesetze, die die Eltern der Kinder machten, einfach so auszuhebeln, aber Noa fand vieles, was Thalia für richtig hielt, einfach unsinnig. Außerdem war das Teil der klassischen Rollenverteilung: Eltern sorgten für eine gute Erziehung, während Onkeln, Tanten und natürlich Großeltern die Kinder verwöhnten. Bestimmt war das in jeder Familie so. Sie lächelte zufrieden, weil gerade wirklich alles gut in ihrem Leben lief, jedenfalls so lange sie nicht darüber nach dachte, dass sie nur diesen einen einzigen Tag mit Cris zusammen hatte. Dieser Gedanke war mindestens bis zum Abend verbannt. Jetzt wollte sie nur genießen und sich freuen, Mon Calamari genießen und mit Cris zusammen sein, weil er ihr viel besser gefiel, als sie noch vor ein paar Tagen – oder gestern – gedacht hatte. Sie schob sich näher an ihn heran und hakte sich bei ihm unter.

“Wissen Sie, Lieutenant, man könnte fast meinen, Sie hätten das alles geplant.“

Bemerkte sie scherzhaft.

“Zuerst bringen Sie mich auf diesen bezaubernden Planeten, buchen mir eine teure Suite in einem Luxushotel, führen mich zum Essen aus, unterstützen mich bei meinem wichtigen...öhm, Geschäftstreffen, fädeln anschließend eine romantische Fahrt aufs Meer ein, um die Whaladons zu beobachten und sparzieren dann auch noch mit mir durch...“

Noa sah sich um.

“..durch eine niedliche Gasse voller süßer kleiner Läden und Cafés.“

Es stimmte, die breite Straße war merklich schmaler geworden – waren sie irgendwo abgebogen? - und hatte sich in eine behagliche kleine Nebenstraße verwandelt, die gar nicht mehr so viele Touristen, sondern eher Einheimische anzulocken schien. Zu ihrer Rechten entdeckte Noa einen kleinen Laden mit lauter bunten Steinen und Muscheln im Schaufenster. Noa lächelte Cris an.

“Man könnte glatt meinen, Sie führten etwas im Schilde, Lieutenant. Sie planen doch wohl nicht, mich zu verführen?“

Vor dem Laden stehen bleibend drückte sie sich an ihn, umarmte ihn und sah ihm tief in die Augen.

“Ich muss schon sagen, Cris Sheldon, es ist gar nicht so leicht, dir zu widerstehen.“

- Mon Calamari - Coral City – Vergnügungsviertel - Nebenstraße – Mit Cris –
 
[Calamari-System, Mon Calamari, Coral City, Vergnügungsviertel, Hafengelände]- Noa, Cris, Touristen

Sie folgten der Straße, die Cris vorgeschlagen hatte – Noa schien nichts von seinem Gemütswandel bemerkt zu haben und vertraute ihm in Bezug auf die Wahl des Weges anscheinend vorbehaltlos – nachdem sie sich ihrer Jacke entledigt und darunter kurze Ärmel offenbart hatte, die noch ein wenig mehr von ihrer makellosen Haut preisgaben, von der er wusste, wie wahnsinnig schön sie sich anfühlte. Cris schluckte mühsam und lauschte halb der Geschichte, die Noa ihm von ihrem Neffen und ihrer Nichte erzählte. Camilla und Ricardo hatte Cris beide kennen gelernt, als er bei den Cortinas zum Abendessen eingeladen gewesen war, und während das Mädchen leicht erkrankt gewesen und dementsprechend passiv geblieben war, hatte man Ricardo sofort angemerkt, dass er von seiner Tante hellauf begeistert gewesen war. Im Nachhinein meinte Cris sogar, dass der Junge sich während des anschließenden Sabacc-Spiels insgeheim mit Noa verbündet hatte – nicht, dass es ihm oder ihr sonderlich genützt hatte am Ende. Indes beschwor selbst diese unschuldige Erinnerung einen dunklen Schatten in Cris herauf – die Cortinas hatten keine Ahnung gehabt, wen sie an diesem Abend bewirtet hatten. Noa inklusive.

Als er plötzlich spürte, wie die Widerstandskämpferin die Nähe zu ihm suchte, und sich bei ihm unterhakte, wäre er beinahe zusammengezuckt. Dass sie es so bereitwillig tat, kündete davon, dass sie es tatsächlich wollte – dass sie es immer noch genoss, in seiner Nähe zu sein – doch auch wenn es sein größter Wunsch war, diesen einen Tag wirklich zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen, so sorgte er damit doch nur dafür, dass alles, was danach passierte, um so schwerer wurde. Denn passieren musste es. Er durfte nicht noch einmal denselben Fehler machen. Er durfte Noa nicht das Herz brechen – besser war es, sie von ihm zu entfremden, solange sie ihn vielleicht höchstens für recht annehmbare Gesellschaft hielt, nicht mehr.

Die Straße war schmaler geworden, ein beschaulicher Ort, in dem Touristen den für Touristen typischen Tätigkeiten nachgehen konnten, ohne dass es einem sofort so vorkam, in einer Massenabfertigungslage des Fremdenverkehrkommerzes gelandet zu sein. Ein Ort, der sich eine gewisse Authentizität bewahrt hatte. Noa jedenfalls schien glücklich. Ihre Worte verrieten ihm das, mit denen sie ihm die Etappen des hinter ihnen liegenden Tages ins Gedächtnis rief, Worte, über die er sich vor wenigen Minuten noch gefreut hätte, bevor ihm die Augen geöffnet worden waren. Stattdessen hoffte er in diesem Moment auf irgendetwas, irgendeine Einzelheit, die ihm missfiel, irgendeinen Fehler, der ihm ihr Temperament auf den Hals hetzte und vielleicht dafür sorgte, dass sie sich wütend wieder von ihm distanzierte. Doch dieses Detail kam nicht. Stattdessen kam es schlimmer.

Sie standen jetzt vor einem kleinen Laden, in dessen Schaufenster sich scheinbar die Art von Souvenirs befand, die Noa sich vorgestellt hatte, doch anstatt hinein zu gehen und einen Blick auf die Waren zu werfen, stand sie plötzlich dich bei ihm, drückte sich an ihn… umarmte ihn… Der Blick aus ihren braunen Augen zerrte an seinem Herz, wie auch die Worte, die sie ihm mit dieser unvergleichlichen Stimme sagte, die ihm die Erfüllung seiner kühnsten Träume zu versprechen schienen. Nichts war einfacher, als hier und jetzt alles zu vergessen, sie an sich zu ziehen, ihr Feuer, ihre Leidenschaft zu genießen, sie zu küssen und sich nicht darum zu scheren, was danach passierte. Es war fast zu spät. Denn er konnte ihr ebenso schwer widerstehen, wie sie nach ihre eigenen Worten ihm…


„Noa…“

Ein Bild erschien plötzlich vor seinem inneren Auge. Akemi, in einem Appartement auf Coruscant, als er sie das eine Mal wieder gesehen hatte, nachdem ihre Wege sich getrennt hatten. Nachdem er ihre Wege getrennt hatte. Er sah ihr wunderschönes Gesicht, die Tränen, die ihre Wangen herunter liefen, die tiefe Verletztheit in ihren Augen… und er hörte die schmerzerfüllten Worte, die sie ihm an jenem Tag entgegengeschleudert hatte. Die Tür zwischen ihnen war für immer geschlossen gewesen – sein Versuch, sie wieder zu öffnen, hatte es nur noch schlimmer gemacht. Für sie beide. Und dann sah er plötzlich sich und Noa. In derselben Situation. Er durfte das nicht passieren lassen. Nicht, wenn ihm etwas an Noa lag.

„Du… du bist eine wundervolle Frau…“, wiederholte er flüsternd, was er ihr bereits einmal gesagt hatte, nur dass dieses Mal der Schmerz seine Worte fast zu ersticken drohte.

„Du bist schön, mutig, witzig… aufopferungsvoll… du weißt, was du willst… du verdienst es, eines Tages jemanden zu finden, der dich glücklich macht. Der dich wie eine Königin behandelt. Aber dieser jemand… bin nicht ich.“


Mühsam riss er seinen Blick von ihren Augen los, unfähig, den Ausdruck zu ertragen, von dem er befürchtete, ihn dort zu sehen.

„Ich wäre sofort bereit, dir alles zu geben, was ich kann… alles aufzugeben, was ich habe… aber es ist nicht genug.“

Obwohl es ihm fast physische Schmerzen bereitete, schob er sich aus ihrer Umarmung heraus.

„Ich würde dir ohne zu zögern mein Herz schenken. Aber es ist das Herz eines Mörders. Eines Mannes, der über nur ein einziges Talent verfügt… zu töten.“

Jetzt würde es passieren. Sie würde ihn hier stehen lassen, ins Hotel zurückkehren, ihr Gepäck zusammenraffen und nach Coruscant zurückkehren. Und er würde sie nie wieder sehen. Hatte er wieder einen Fehler gemacht? Wäre es am Ende vielleicht doch besser gewesen, die Illusion aufrecht zu erhalten und ihr damit die Erinnerung an einen schönen, wenn auch harmlosen Tag zu ermöglichen?

„Es tut mir Leid, Noa. Ich bin wirklich nur das eine: ein skrupelloser Killer. Niemand, den ich auch nur in die Nähe von jemandem wie dir lassen würde.“

Ein letztes Mal konnte er sich dazu überwinden, sie anzusehen – sich der Pein zu stellen, die ihr wunderschöner Anblick ihm jetzt bereitete.

„Ich wünschte, ich könnte mehr für dich sein. Aber ich kann es nicht.“

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Obwohl Noa ihre Arme bereits um Cris gelegt hatte, küsste er sie nicht. Er hatte sie in einem kalten Flur geküsst, nur einen Korridor von seinem Vorgesetzten entfernt. Er hatte sie an Deck des Wassergleiters geküsst, auf den Weg um die Whaladons zu sehen. Cris Sheldon hatte sie an die Wand gedrückt, er hatte sie an sich gezogen, ihr Ohrläppchen geküsst und sein Gesicht in ihrem Hals verborgen. Hier, inmitten der Straßen Coral Citys, zwischen all den Passanten, tat er nichts dergleichen. Stattdessen wies er sie ab und Noa ließ ihre Arme langsam wieder sinken. Sie fühlte sich wie ein Kind, dem ein Teller der süßesten Nachspeise versprochen und dann wieder entrissen worden war. Sie hörte alles, was er sagte. Es war vorbei, noch ehe es begonnen hatte und obwohl er damit begonnen hatte, ihre Vorzüge aufzuzählen, war nichts daran ein Kompliment. Es war nicht das erste Mal, dass Noa diese Phrasen hörte. „Baby, glaub mir, du bist schön und sexy und ich liebe deine Brüste. Es liegt nicht an dir, sondern an mir. Ich brauche das einfach.“, hatte Yosef gesagt, nachdem er ihr ein gefühltes Dutzend Mal fremd gegangen war. Noa erinnerte sich an sein unschuldiges Gesicht. Sie erinnerte sich auch an Luke Baily, den Jungen, für den sie ihre halbe Schulzeit über geschwärmt hatte. Luke war groß und gut gebaut gewesen, mit blonden Haare und einem gewinnenden Lächeln. Er war Captain des Grav Ball Teams gewesen und er und Noa waren zweimal miteinander ausgegangen. Es waren harmlose Verabredungen am Nachmittag gewesen, während denen sie in einem Café gesessen und bunte Fruchtsäfte getrunken hatten. Sie waren ja noch halbe Kinder gewesen. Doch nach der zweiten Verabredung hatte Luke beschlossen, dass er lieber mit Milly Alessia zusammen sein wollte. Milly Alessia hatte lange blonde Locken gehabt, niedliche Grübchen und ein großes Aquarium in ihrem Schlafzimmer, mit dem sie immer prahlte. Ihr Vater war stiller Teilhaber irgendeiner tollen Firma und verdiente Credits ohne Ende. „Noa, du bist klug und witzig und nett.“, hatte Luke zu ihr gesagt, „Ehrlich, es liegt nicht an dir, es liegt an mir.“ Und dann war er mit Milly Alessia gegangen, um zusammen mit ihr Hausaufgaben zu machen, oder was sie sonst so taten, wenn ihre Eltern nicht hinsahen, und Noa war alleine nach Hause getrottet. Zu wissen, dass es nicht an ihr lag und sie trotz allem eine tolle Person war, hatte rein gar nichts daran geändert, wie schmerzhaft die Zurückweisung war.

Sie sah Cris an, ohne zu verstehen, was wirklich in ihm vorging. Seine Zuneigung zu ihr war weder gespielt gewesen, noch konnte sie von einem Moment auf den anderen verschwunden sein. Er hatte Noas Nähe gesucht, seit... eigentlich ständig! Er hatte in ihrer Wohnung auf Coruscant auf ihrer Couch gelegen und gestammelt, wie schön sie war. Er hatte ihr Marzipan-Figuren zum Frühstück besorgt, mit ihr geflirtet, ihre Wange gestreichelt, versucht sie zu küssen, war mit ihr zum Dinner gegangen, hatte ihr gesagt wie wundervoll sie war – so lange, bis sie schließlich tatsächlich übereinander hergefallen waren. Und jetzt, wo es interessant wurde, beendete er es, noch bevor es zu mehr als ein paar harmlosen Knuschereien hatte kommen können. Warum?


“Du hälst dich für einen skrupellosen Killer, weil ich das im Scherz gesagt habe?“

Wollte Noa wissen, als sie endlich ihre Sprache wieder gefunden hatte.

“Ich mache einen dämlichen Witz und du servierst mich eiskalt ab, weil DU nicht damit klar kommst, wer du bist?!“

Ihre Stimme war einen Ticken lauter geworden. Nach dem ersten Schock wurde Noa allmählich wütend.

“Ich sage dir was: wenn Töten das einzige ist, das du kannst und wofür du gut bist, dann nur, weil du Angst hast! Du hast Angst, etwas anderes zu tun, weil du dabei versagen könntest und flüchtest dich stattdessen in diese bescheuerte Ausrede. Schau dich um, die Galaxis ist voller Möglichkeiten. Du könntest alles tun, alles ausprobieren, was du willst. Aber du tust es nicht. Weißt du was? Selbst Schuld!“

Verärgert starrte Noa ihn an. Cris machte seine eingebildeten Probleme zum Grund, warum es mit ihnen nicht funktionieren konnte. Sie hatten von vorn herein nur diesen einen Tag gehabt und nun hatte er ihnen auch noch diesen genommen. Das einzige, das sie nicht verdiente war ein Kerl, der nicht wusste, was er wollte.

“Und im Übrigen: wie kannst du es wagen, für mich entscheiden zu wollen, ob du gut genug für mich bist? Mit wem ich zusammen sein will oder nicht, liegt ganz allein bei mir.“

Stellte sie aufgebracht klar, hielt im nächsten Moment jedoch nachdenklich inne, als sie eine Erinnerung in sich aufsteigen spürte. Die Stimmen einer Unterhaltung, die sie mit angehört hatte, an der sie aber nicht direkt beteiligt gewesen war, kehrten in ihr Gedächtnis zurück. Es waren Cris' und Selbys Stimmen, die sich über eine Frau unterhielten, der Cris lange zuvor das Herz gebrochen hatte.

"Aber das ist auch nicht das erste Mal, dass du das getan hast, nicht wahr?“

Noa schüttelte den Kopf.

"Das mit uns..."

Es hatte so schön angefangen. Noch vor ein paar Minuten war sie wirklich glücklich gewesen, doch jetzt lag alles brach. Ihr Blick war aufgelöst, als sie Cris in die Augen sah. Das hatte sie jetzt davon, dass sie sich auf ihn eingelassen hatte. Er hatte sie um seinen Finger gewickelt, ihr weiß machen wollen, es könnte diesmal anders laufen, doch am Ende stand sie wieder alleine da. Wie immer also. Noa schwankte zwischen Wut und Verzweiflung.

“Das mit uns hätte wirklich irgendwohin führen können. Ich weiß nicht, wohin, aber ich dachte, du wärst etwas Besonderes. Du küsst mich, sagst mir die schönsten Dinge... und dann überlegst du es dir mittendrin anders. Fühlst du dich damit jetzt besser?“

Sie schüttelte den Kopf und wandte ihren Blick von ihm ab. Sie wollte ihn nicht mehr ansehen, wollte nicht mehr mit ihm zusammen in dieser schmalen Seitengasse stehen. Von ihr aus sollte er gehen wohin auch immer er wollte, so lange es nur weit genug entfernt von ihr war. Oder noch besser, sie würde gehen. An ihnen vorbei strömten Passanten, Touristen und Einheimische. Jeder von ihnen hatte sein eigenes Ziel, die Augen geradeaus gerichtet und niemand schien das zerrissene Paar in der Mitte der Straße zu beachten. Trotz der vielen Leute, fühlte Noa sich alleine. Ihr Blick glitt hinter Cris und traf den eines Mannes, der genau auf sie zukam.

“Ich dachte, du wärst anders. Aber weißt du was? Du bist genau so ein Arsch wie alle anderen Männer.“

Der fremde Mann war jetzt auf ihrer Höhe angelangt. Alles, was Noa tun musste, war ihren Arm auszustrecken. Sie sah Cris genau in die Augen, als sie nach der Eistüte griff, die der Fremde in den Händen hielt. Die kalte, schmiere Masse landete genau in Cris' Gesicht.

“Herzlichen Glückwunsch.“

Sie hatte sich den Tag anders vorgestellt. Wahrscheinlich hatte sich auch Cris das alles anders gedacht. Er hatte nicht von vorn herein geplant, sie fallen zu lassen, nachdem sie sich gerade überlegt hatte, dass er eigentlich gar nicht so übel war. Und trotzdem hatte er ihr klar gesagt, dass er nicht mit ihr zusammen sein konnte. Das tat weh und das war genau das, was Noas letzter Blick aussagte, bevor sie sich umdrehte und ging.

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Im Grunde hätte Cris sich erleichtert fühlen müssen, kaum dass die Worte seine Lippen verlassen hatten. Erleichtert darüber, dass er einen verhängnisvollen Fehler vermieden hatte, der Noa ebenso das Herz gebrochen hätte wie Akemi. Seinetwegen. Doch stattdessen wuchs in ihm in den sich zur Unendlichkeit dehnenden Sekunden zwischen seinen Worten und Noas Reaktion die Erkenntnis, dass er einen noch viel schlimmeren Fehler gemacht hatte.

Dann kam die unvermeidliche Reaktion. Jedes ihrer Worte schnitt mit erbarmungsloser Präzision, zerfetzte die hanebüchene Erklärung, die er sich jetzt bereits ein zweites Mal zurechtgelegt hatte, in der Luft. Es war seine Entscheidung. Seine Furcht. Seine Schuld. Es war ihre Entscheidung, mit wem sie sich einließ, sagte sie ihm, und wiederholte damit die Worte, die auch Akemi ihm an den Kopf geworfen hatte, an jenem Tag, an dem er versucht hatte, ihr sein Handeln zu erklären. Beide – Akemi und Noa – akzeptierten diese Erklärung nicht. Nur dieses Mal war er vorgewarnt gewesen. Hätte ihm sein Wiedersehen mit Akemi, sein erbärmlicher Versuch, die Dinge zwischen ihnen wieder ins Reine zu bringen, nicht deutlich genug signalisieren sollen, wie himmelschreiend falsch die Konsequenzen gewesen waren, die er aus seinen eigenen Zweifeln gezogen hatte? Wie sehr er Akemi weh getan hatte? Wie sehr er Noa jetzt weh tat?

Fast wurde Cris übel. Dieses Mal musste er den Tatsachen ins Auge sehen. Er konnte sich nicht auf die Rolle des hilflosen Opfers herausreden, das keine andere Wahl hatte. Er konnte sich nicht darauf rausreden, dass er lediglich Noas Gefühle schützen wollte. Das gleiche hatte er bei Akemi behauptet. Und in Wahrheit hatte er ihre Gefühle mit Füßen getreten, die Entscheidung ohne sie getroffen, sie vor vollendete Tatsachen gestellt. So wie Noa jetzt, nachdem er ihr zuvor allen Grund dazu gegeben hatte, einen wunderschönen Tag mit ihm zu erleben. Eine makellose Erinnerung, von der jetzt nur noch Kummer übrig geblieben war.

Er hatte keine Ahnung woher – vermutlich hatte sie irgendeinen Gesprächsfetzen aufgeschnappt und zählte jetzt eins und eins zusammen – doch Noa schien zu wissen, dass es ihm bereits einmal so mit einer Frau gegangen war. Fast meinte er, Verachtung in ihrer Stimme ausmachen zu können, als sie ihm dieses Wissen offenbarte. Das Wissen darum, dass er, der sich für rücksichtsvoll hielt, in Wirklichkeit eiskalt Herzen brach, ohne mit der Wimper zu zucken. Nicht nur das von Akemi oder das von Noa. Auch sein eigenes.

Schließlich kam es, wie es kommen musste. Auch eine körperliche Reaktion Noas blieb nicht aus, und in jeder anderen Situation hätte er vermutlich über ihre temperamentvolle Impulsivität geschmunzelt, als sie kurzerhand einem verdatterten Passanten die Eistüte aus der Hand riss und sie Cris mit voller Wucht ins Gesicht drückte. Viel schlimmer als der kurze Kälteschock und das unangenehme Gefühl einer klebrigen Masse traf ihn jedoch der verletzte Ausdruck in ihren Augen, vor dem er sich so gefürchtet hatte… und dann der Moment, in dem sie sich umdrehte und ging. Energische Schritte trugen sie immer weiter von ihm fort, gnadenlos verstrichen die Sekunden, in denen er noch hätte reagieren können, doch nicht dazu in der Lage war, und dann hatte die Menschenmenge sie verschluckt.

Cris wusste nicht, wie lange er regungslos zwischen den Strömen an Touristen und sonstigen Schaulustigen gestanden hatte, ignoriert von den meisten, vielleicht mit dem einen oder anderen verständnislosen Blick, da ihm das Eis langsam aus dem Gesicht tropfte. Der bemitleidenswerte Mann, dessen Süßigkeit Noas Zorn zum Opfer gefallen war, hatte sich jedenfalls offenbar beeilt, aus ihrer Reichweite zu entkommen und war scheinbar wenig darauf aus, von ihr – oder von Cris – eine Entschädigung zu fordern. Erst, als ihn ein Mon Calamari versehentlich anrempelte – er stand schließlich immer noch mitten im Weg – und eine gutturale Entschuldigung murmelte, schaffte Cris es, sich das Eis mechanisch mit seinem Ärmel weitestgehend aus dem Gesicht zu wischen und es dabei achtlos auf dem Stoff zu verteilen. Nichts hätte ihn in diesem Moment weniger kümmern können, als welches Bild er hier in der Öffentlichkeit abgab.

Irgendwie hatte er es dann geschafft, sich aus der Straße hinaus zurück zum Pier zu schleppen und sich dort auf eine freie Bank zu setzen, ohne dabei jedoch ein Auge für den Ausblick auf das offene Meer, den weiten Ozean zu haben. Seine Gedanken kreisten um Noa, von ihrem ersten, inoffiziellen Treffen – an das sie sich vermutlich immer noch nicht erinnern konnte – über das Drama, als er ihr von seiner Vergangenheit erzählt hatte, über den Moment, in dem er verletzt in ihrem Sofa gelegen und irgendetwas einen Schalter in ihm umgelegt hatte, bis zu seinem Geständnis in seinem Verhör und jenem magischen Moment, als sie ihn das erste Mal geküsst hatte. Mit jedem dieser Gedanken wuchs das Gefühl der Leere in ihm. Das Gefühl eines schrecklichen Verlustes. Doch es gab nur eine einzige Person, die er dafür verantwortlich machen konnte, und diese eine Person fühlte sich in diesem Moment vermutlich genau so elend, wie sie es verdiente. Er hatte sie sich selbst genommen und er hatte es so gründlich gemacht, dass die bittere Reue, die ihn jetzt heimsuchte, im Grunde nur als weiterer Bestrafungsmechanismus fungierte, der ihm klar machen sollte, dass es zu spät war. Wie auch zwischen ihm und Akemi hatte er die Tür zwischen sich und Noa panisch zugeknallt. Er war zu feige gewesen, die zweite Chance zu ergreifen, die das Universum ihm zugebilligt hatte, nachdem er mit seiner ersten so katastrophal gescheitert war. Die Chance darauf, jemanden zu finden, mit dem er glücklich sein konnte. Eine Frau, deren Anwesenheit alleine sein Herz aufgehen ließ. Die ihn so nahm, wie er war. Eine Frau wie Noa. Sie hatte von Anfang an gewusst, was für eine Art von Person er war… was er getan hatte. Doch sie hatte ihn nie zurückgewiesen. Nicht vollends – nicht so, wie er sie jetzt zurückgewiesen hatte.

Ob er sich jetzt besser fühlte, hatte sie ihn gefragt. Aufgrund irgendeiner verqueren Logik musste er tatsächlich gedacht haben, dass das der Fall sein würde. Doch er tat es nicht. Und würde es auch nie wieder.

Nicht ohne sie.


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Es war vorbei. Wie konnte etwas, das noch nicht einmal begonnen hatte, vorbei sein? Noa Chanelle Cortina kämpfte sich durch eine viel besuchte Einkaufsstraße hindurch, nachdem sie zuerst einmal blind geflohen war, ohne Rücksicht darauf, in welche Richtung sie ging. Cris Sheldon konnte ihr gestohlen bleiben. Wieso hatte sie sich überhaupt auf ihn eingelassen? Was hatte sie da nur geritten? Sie hätte es wissen müssen. Gerade sie, die so viel Erfahrung hatte mit Männern, die sich wie Idioten benahmen, hätte es wissen müssen. Als sie das Hafengelände vor sich sah, kehrte langsam ein Stück Orientierung zurück. Einkaufen war für Noa an diesem Punkt kein Thema mehr. Souvenirläden reihten sich hier an jeder Ecke. Mit Leichtigkeit hätte sie hier ein Geschenk für ihre Liebsten daheim gefunden, doch sie schenkte keinem der Geschäfte einen zweiten Blick. Wenn sie shoppen zu gehen schon unter normalen Umständen hasste, war es jetzt das Letzte, das sie tun wollte. Es gab nur eine Sache, die sie noch weniger wollte und das war, Cris-ich-bin-so-ein-schlechter-Mensch-Sheldon wieder zu sehen, oder mit ihm zu reden, oder gar ihn zu küssen! Sie war so dumm! Sie hätte ihn nie, nie, niemals überhaupt zuerst küssen dürfen! Hätte sie das nicht gemacht... aber wer konnte schon sagen, was dann passiert wäre? Vielleicht wäre es trotzdem so gekommen. Es kam immer so. Am Ende war Noa immer alleine.

Sie fand den Gleiter, den sie fast direkt unter der großen Reklametafel geparkt hatte, die sie auf die Meeresrundfahrten zu den Whaladons aufmerksam gemacht hatte. Noa warf ihr einen finsteren Blick zu. Blöde Reklame, blöde Rundfahrt, blöde Whaladons. Was war an denen schon so besonderes? Pah. Im Meer rum schwimmen, das konnte sie auch. So toll war das alles nicht gewesen. So toll war diese ganze Zeit mit Cris nicht gewesen. Das war alles kein Grund, sich elendig zu fühlen. Noa stieg in den Gleiter und sackte hinter dem Steuer zusammen. Oh verdammt, nicht mal sich selbst konnte sie etwas vor machen! Der Antrieb des Fahrzeugs erwachte zum Leben. Sie musste hier weg. Zum Glück war sie es gewesen, die den Gleiter zuletzt gefahren hatte, sodass sie die Codekarte noch in ihrer Tasche gehabt hatte. Ihr doch egal, wie Cris von hier weg kam. Sollte er laufen. So schnell konnte also ein Tag enden, der vorher noch perfekt erschienen war. Nach ihrem Gespräch mit Major Al-Jalani hatte Noa noch geglaubt, nichts könnte ihre Stimmung heute noch trüben. Sie ordnete sich in den langsamen, geordneten Verkehr Coral Citys ein. Die Mon Calamari schienen alle Zeit der Welt zu haben.


“Geht das auch ein bisschen schneller??“

Kräftig haute Noa auf die Hupe. Wenn das so weiter ging, war sie morgen Abend noch nicht zurück im Hotel. Sie würde noch eine Nacht dort bleiben. Morgen ging ihr Flug zurück nach Coruscant. Während sie fuhr, checkte sie ihr Komlink für neue Nachrichten. Cloé hatte ihr geschrieben und ihr die Flugdetails zukommen lassen. Spätvormittag, sie würde am späten Vormittag abreisen. Vermutlich wäre es das Beste, bis dahin einfach in ihrem Zimmer – pardon, ihrer Suite – zu bleiben. Zum Abendessen und Frühstück würde sie sich den Zimmerservice kommen lassen und wenn es Zeit war zu gehen, würde sie ihren Koffer nehmen und das Hotel verlassen, ohne eine zweiten Blick zurück zu werfen. Es war eine Verschwendung, die Zeit nicht zu nutzen und sich Coral City noch genauer anzusehen, doch Sightseeing war jetzt das Letzte, das Noa tun wollte... nun, abgesehen davon, Cris Sheldon wieder zu sehen. Oder mit ihm zu reden. Oder alles andere. Die Journalistin erhöhte die Beschleunigung des Gleiters, sobald sich die Gelegenheit bot. Sie war noch immer wütend und wenn es eine Sache gab, die ihr dabei helfen konnte, sich ein bisschen abzureagieren, dann war es, mit Vollgas durch die Stadt zu rasen. Die in grellem Orange leuchtenden Lichter in ihrem Rückspiegel sah sie erst, als es bereits zu spät war. Auch das noch.

Etwas später drückte Noa dem Portier des Hotels, ohne ihn anzusehen, die Codekarte des Gleiters in die Hand. Ihr war egal, wo er ihn parkte. Sie wollte einfach nur noch ihre Ruhe. Es war noch nicht genug gewesen, wie Cris sie behandelt hatte, nein, jetzt hatte sie auch noch einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens erhalten! Wie viel Pech konnte einer an einem Tag bitte haben? Dass sie die Strafe niemals bezahlen würde, weil sie ihre gefälschte republikanische ID-Karte vorgezeigt hatte, war da nur ein schwacher Trost. Es ging schließlich um's Prinzip! Um's Prinzip und um die Demütigung!

Sie würde Cris nie wieder in die Augen sehen können. Wenn sie ihn überhaupt jemals wieder sah. Hoffentlich nicht.

Mit schnellen, festen Schritten stürmte Noa durch die Hotellobby. Sie fragte sich noch immer, wie sie so dumm hatte sein können. Sie hätte wissen müssen, dass Cris nicht besser war als die übrigen Typen, auf die sie normalerweise herein fiel, aber er hatte sie geblendet. Er hatte sie herein gelegt mit seinem perfekten Verhalten, seiner Höflichkeit und seinem... schüchternen Charme. Pah! Noa hielt auf die Turbolifte zu. Das würde ihr nicht noch mal passieren. Sie zwängte sich durch die sich bereits schließenden Türen eines Aufzugs hindurch, die daraufhin wieder auftomatisch auseinander glitten. Wäre ihr der Lift vor der Nase weg gefahren, hätte sie irgendjemanden erschlagen. In der Kabine des Aufzugs war es voll und sie stand gequetscht zwischen einer alten Frau und einem jungen Pärchen, das sich verliebte Blicke zuwarf. Musste das sein, hier in aller Öffentlichkeit? Wenn überhaupt möglich, wurde Noas Blick noch griesgrämiger. Als sich der Turbolift in Bewegung setzte, lehnte sie ihren Kopf niedergeschlagen gegen die Wand und zum ersten Mal, seit sie aus der gemütlichen Gasse geflüchtet war, kam ihr Verstand ein kleines bisschen zur Ruhe. Natürlich hatte Cris Sheldon sie nicht getäuscht, nicht absichtlich. Sie wusste das. Vielleicht aber machte gerade das es noch schlimmer. Da hatte sie endlich einen vernünftigen, netten, rücksichtsvollen Mann kennen gelernt, einen der ihr gefiel und der sie offensichtlich auch mochte... und es funktionierte trotzdem nicht? Was für eine furchtbar gemeine Welt war das? Der Lift hielt zum ersten Mal, öffnete seine Türen und das glückliche junge Pärchen, sowie ein gut angezogener Geschäftsmann mit einem Aktenkoffer unter dem Arm, stiegen aus. Noas Blick folgte den beiden Verliebten. Sie hätte gerne mit dem Mädchen getauscht. Dann schlossen sich die Türen wieder, der Turbolift setzte sich erneut in Bewegung und Noa Chanelle atmete tief durch. Aus einem ihr unerfindlichen Grund, vielleicht, weil sie das Gefühl hatte, dass sie jemand ansah, schaute sie nach rechts und ihr Blick begegnete einem ihr wohl bekannten Gesicht: Selby.


- Mon Calamari - Coral City – Regierungsviertel – Hotel „Golden Republic“ - Turbolift – Mit Selby -
 
--- Barad Selby ---


[Calamari-System, Dac, Coral City, Hotel Golden Republic]- Selby

Barad Selby konnte nicht klagen. Nachdem Sheldon sich – erwartungsgemäß – ohne Umschweife den vereinbarten Termin mit Cortina und seinen Vorgesetzten eingehalten hatte und keinerlei Anstalten zeigte, die Art von Schwierigkeiten zu provozieren, in deren Fall Selby im Sinne seiner Sektion hätte tätig werden müssen, bedeutete das für den Piloten einen freien Tag. Seine Befehle hatten keine alternativen Anweisungen enthalten, das lächerlich luxuriöse Hotel war vom Geheimdienst bezahlt – wenn auch wohl nur so lange, bis die Widerstandskämpferin abreiste – und Selby war ohnehin der Meinung, dass er sich nach der strapaziösen Zeit auf Coruscant ein wenig Urlaub verdient hatte.

Dieser Urlaub ging, nachdem Sheldon mit eben jenem Blick im Gesicht verschwunden war, der bereits nichts gutes heißen wollte, mit einem ausgiebigen Frühstück los, gefolgt von einem Besuch der hoteleigenen Schwimmhalle inklusive Wellnessbereich nach Mon Calamari-Art – irgendetwas mit Wasser, wenngleich die Betreiber glücklicherweise auf die Eigenarten anderer Spezies bei der Toleranz von zuviel davon Rücksicht nahmen – bis er schließlich ein paar Stunden in einem Clubraum bei der Bar verbracht hatte, gemütlich in einem eleganten Formsessel die Lektüre seines Exemplars des ersten Teils der Deirdre-Trilogie fortsetzend, ein Buch, welches ihm selbst vermutlich mehr bedeutete als dem Großteil seiner Leser, schließlich wusste er um die Beziehung des Autors zu einer bestimmten Frau und wurde das Gefühl nicht los, dass er ihr seine Protagonistin auf den Leib geschrieben. Ein Glück nur, dass die einzigen Texte, aus denen Sheldon sich etwas machte, Einsatzbefehle waren – es sei denn, der Literat in seinem ehemaligen Vorgesetzten war Selby all die Jahre entgangen, die sie gemeinsam gedient hatten.

Als Mittag schließlich zu Nachmittag wurde und sich der Abend ankündigte, war es schließlich an der Zeit, in die Suite zurückzukehren und für das folgende, extravagante Abendessen ein wenig förmlichere Garderobe anzulegen. Nicht, dass der Dresscode des Hotels diese strikt vorsah – andernfalls hätte man Sheldon wohl kaum in den Speisesaal gelassen – doch Selbys eigener tat dies sehr wohl.

Mit einem vergnügten Pfeifen schaffte er Pilot es als einer der ersten in der wartenden Meute, sich in den Fahrstuhl zu zwängen, alleine beruhigt durch die Tatsache, dass diese Menge sich entschieden ausdünnen würde, ehe sie das Stockwerk mit den Suiten erreichten. Er sollte Recht behalten.

Seine Gute Laune würde jäh unterbrochen, als sein Blick zwischen einer alten Dame und einem etwas zu verliebten Pärchen hindurch auf eine Person fiel, die verloren am anderen Ende der Kabine stand, den Kopf eine Stütze suchend gegen die Wand gelehnt. Er kannte Noa Cortina nicht wirklich gut – und wenn es nach ihr ging, da machte er sich nichts vor, würde das auch zu bleiben – doch ihren Gesichtausdruck erkannte er - Hatte er ihn doch bereits einmal in ähnlicher Form auf dem Gesicht einer anderen Frau sehen müsse. So war es leicht, sich zusammenzureimen, was geschehen war – an dem Gespräch mit dem Major konnte ihre geknickte Körperhaltung nicht liegen, den in dem Fall wäre er jede Wette eingegangen, Sheldon ebenfalls im Turbolift zu sehen, wie er – vermutlich ungeschickt wie immer – versuchte, sie zu trösten. Natürlich war Selby aufgefallen, wie der andere Noa angesehen hatte. Dass er nicht hier war, sprach Bände.

Mittlerweile hatte sie seinen Blick offenbar bemerkt und entgegnete ihn, doch Selby wartete, bis auch die letzten übrigen Gäste den Lift verlassen hatten und nur noch sie darin standen, auf dem Weg in das zweitoberste Stockwerk des Golden Republic, in dem ihre Suiten sich befanden.


„Noa…“, sagte er schließlich, intuitiv ihren Vornamen benutzend. Das letzte, was sie jetzt brauchte, waren seine Spielchen, weswegen er sich im folgenden auf die Höflichkeitsform beschränkte, um die angemessene Distanz zwischen ihnen zu wahren.

„Sie sehen aus, als könnten Sie eine Tasse Tee vertragen.“

Die Türen des Lifts öffneten sich mit einem gedämpften Signalton und Selby beeilte sich, fortzufahren, bevor sie schlicht und ergreifend in ihrer eigenen Suite verschwand – auch wenn ein Teil von ihm sich resigniert fragte, warum er es immer war, der die Scherben auflesen durfte, die dieser Nerfhirte hinterließ.

„Bitte. Ich glaube, es ist immer besser, über gewisse Dinge zu reden, als sie in sich hineinzufressen.“

Um ihr zu signalisieren, dass er sich ungefähr vorstellen konnte, womit sich ihre derzeitige Laune begründete, fügte er hinzu:

„Ich kenne ihn jetzt schon ziemlich lange. Vielleicht kann Ihnen das helfen.“

[Calamari-System, Dac, Coral City, Hotel Golden Republic, Turbolift]- Noa, Selby
 
[Calamari-System, Mon Calamari, Coral City, Vergnügungsviertel, Hafengelände, Bank]- Cris

Obwohl das Wetter sich nicht entscheidend änderte, während Cris auf dieser Bank saß, leeren Blickes auf das Meer hinausstarrend und geplagt zyklisch wiederholenden Gedanken und Erinnerungen an Noa und ihre bisherige gemeinsame Zeit – er stellte fest, dass er alles dafür geben würde, dass sie jetzt nur hier war und ihn pausenlos mit Vasen bewarf und anschrie, anstatt fort und ohne Aussicht, jemals wieder mit ihm zu sprechen – wurde ihm entsetzlich kalt, so kalt, dass er es schließlich nicht mehr aushielt, sich wieder von der Bank erhob und mit wenig Elan den Rückweg antrat.

Obwohl er im Allgemeinen über einen akzeptablen Orientierungssinn verfügte – alles andere wäre bei seinem bisher üblichen Aufgabenprofil auch fatal gewesen – musste er sich eingestehen, das er in den letzten Stunden auf viele andere Dinge geachtet hatte – zuerst auf Noa und jedes liebenswerte Details an ihr, dann auf seine Zweifel und schließlich auf seinen Kummer – nur nicht darauf, welchen Weg er vom Hafen auch nur zu dem Ort gehen musste, an dem sie ihren Gleiter geparkt hatte, geschweige denn, wie er von dort zurück ins Regierungsviertel und somit zum Hotel kam. Ein beiläufiges Abtasten seiner Taschen verriet ihm zusätzlich, dass er zwar seine ID, seinen Ausweis für das Geheimdiensthauptquartier und eine Creditguthabenzugriffskarte bei sich trug, mitnichten aber die Codekarte, die gebraucht wurde, um den Gleiter zu öffnen und seine Systeme zu aktivieren. Natürlich. Noa war geflogen – er konnte nur hoffen, dass sie den Gleiter in ihrem berechtigten Zorn nicht vergessen und stehen gelassen hatte, sonst würde Cris zumindest Selby einiges erklären müssen.

Als ersten Fixpunkt, an den er sich erinnern konnte, erreichte jenen Laden, vor dem Noa stehen geblieben war und ihre Arme um ihn gelegt hatte, eine Geste von so wundervoller Zärtlichkeit, die er dann zum Anlass genommen hatte, ihr kurzes Glück zu zerstören. Langsam schüttelte Cris mit dem Kopf. Je mehr er über diese Szene nachdachte, desto mehr schrumpfte sein Verständnis für sein eigenes Handeln, anstatt zu wachsen, wie er es gehofft hatte. Er war taktlos gewesen, hatte sie brutal vor den Kopf gestoßen… und hatte ihr damit im Grunde sogar signalisiert, dass er nichts besonderes für sie empfand, nachdem alles, was er davor getan hatte, eigentlich in ihr Hoffnungen auf das Gegenteil hätte wecken müssen. Sie hatte es nicht verdient, so behandelt zu werden, ganz gleich, wie berechtigt ihm seine Entscheidung vorgekommen war. Und das tat sie nicht einmal mehr. Aber Noa würde das nie erfahren, wie auch die Gründe für seine plötzliche Zurückweisung ihr für immer ein Rätsel bleiben würden. Vielleicht wollte sie es auch gar nicht wissen. Warum auch? Nichts entschuldigte, dass er sie so verletzt hatte. Nichts konnte den Schmerz relativieren, den er ihr zugefügt hatte. Nicht einmal die Tatsache, dass er sich selbst fühlte, als hätte er sich das Herz herausgerissen und darauf mit schweren Sturmtruppenstiefeln herumgetrampelt, weil sein konfuser Verstand ihm suggeriert hatte, dass auf sein Herz zu höheren nur noch viel größere Schmerzen verursachen würde.

Cris’ Blick fiel durch das Schaufenster des Ladens, in dem Noa eigentlich Souvenirs hatte kaufen wollen, für ihre Familie auf Coruscant, insbesondere für ihre Nichte und ihren Neffen. Seinetwegen war es nicht mehr dazu gekommen. Aber vielleicht konnte er zumindest das wieder gutmachen – auch wenn es lächerlich war, sich wegen dieser Kleinigkeit besser zu fühlen. Schön, dann sorgte er also dafür, dass sie doch ein Mitbringsel mit nach Coruscant nehmen konnte – blieben nur seine verletzenden Worte. Seine Taktlosigkeit. Seine Feigheit.

Und doch… es war ein Anfang, also betrat Cris den Laden und verließ ihn kurz darauf wieder mit einer kleinen Tasche. Besser fühlte er sich nicht. Seine Lage war aussichtslos wie zuvor. Aber jetzt hatte er zumindest ein Ziel: er war gezwungen, Noa noch ein letztes Mal unter die Augen zu treten, konnte es nicht vermeiden, auch wenn der Teil in ihm, der für diese gesamte Katastrophe verantwortlich war, ihn am liebsten dazu gebracht, sie so schnell wie möglich vergessen hätte. Doch vergessen würde er sie so oder so nicht. Niemals.

Als Cris der Straße weiter folgte, immer noch nur mit einer sehr groben Vorstellung davon, in welche Richtung er eigentlich musste, waren seine Schritte schon zielsicherer. Die Stimme, die ihm sagte, dass er sich Hoffnung versuchte zu machen, wo es keine geben konnte, war dieselbe, die ihm eingeflüstert hatte, Noa von sich wegzustoßen. Was aber, wenn sie tatsächlich Unrecht hatte? Sein von ihm so rücksichtslos behandeltes Herz hatte ihn mehrmals dazu gebracht, sie fast zu küssen, noch bevor sie es selbst getan hatte. Sein Herz war es gewesen, dass den Vernehmungsoffizieren des Geheimdienstes nur eine einzige Wahrheit offenbart hatte. Jetzt sagte sein Herz ihm, dass es nicht vorbei sein durfte. Nicht so. Dass er noch eine winzige Chance hatte, einen schrecklichen Fehler zu korrigieren.

Vielleicht sollte er dieses Mal auf sein geschundenes Herz hören. Bis zur letzten Konsequenz.


[Calamari-System, Mon Calamari, Coral City, Vergnügungsviertel]- Cris
 
- Mon Calamari - Coral City – Regierungsviertel – Hotel „Golden Republic“ - Turbolift – Mit Selby –

Abgesehen von Cris Sheldon war Agent Selby so ziemlich der letzte Mann dieser Galaxis, mit dem Noa sprechen wollte. In ihrem aktuellen Zustand hätte sie sich eher auf ein Rendezvous mit einem Typen wie Luke Baily eingelassen, der sie in ihrer Jugendzeit zurück gewiesen hatte, oder mit einem Mann wie beispielsweise... Exodus Wingston, der auf Noas Hassliste ebenfalls ziemlich weit oben stand. Und dennoch, trotz aller Antipathien, blieb Noa nichts anderes übrig, als wenigstens - huldvoll, wie sie glaubte - den Kopf in die Richtung des Agenten zu bewegen und ihn wengistens zu grüßen.

“Agent Selby.“

Versuchte sie, sich nichts anmerken zu lassen, ohne dabei seine indiskrete Art mit einzukalkulieren, mit der sie eigentlich hätte rechnen müssen. Agent Selby nämlich dachte gar nicht daran, es bei einer einfachen Begrüßung zu belassen, natürlich nicht. Stattdessen zwängte er ihr ein Gespräch auf, lud sie zum Tee ein und tat so, als wisse er ganz genau, wie sie sich fühlte. Er bot sogar an, mit ihr zu reden, über... gewisse Dinge. Noa war irritiert. Warum sollte sie mit ihm reden wollen? Sah sie so aus, als habe sie Gesprächsbedarf? Pffft, sie war absolut okay, gar kein Problem! Tatsächlich hatte sie sich nie besser gefühlt!!

“Danke, ich vertrage keinen Tee.“

Erwiderte sie steif. Was für eine dumme Ausrede. Wie konnte man keinen Tee vertragen? Die Wahrheit war, Noa mochte schlicht keinen, meistens jedenfalls nicht. Sie war noch nie Fan davon gewesen. Tee war bloß Wasser mit Geschmack. Vollkommener Unsinn. Die Türen des Lifts öffneten sich.

“Und selbst wenn, würde ich trotzdem nicht mit Ihnen sprechen wollen.“

Fügte sie hinzu, ihre Stimme kratzbürstig. Sie flog morgen zurück nach Coruscant und würde weder Sheldon noch Selby jemals wieder sehen. Warum also nicht direkt ehrlich sein? Stolz reckte Noa ihr Kinn in die Luft. Aus dieser Nummer kam sie nicht mehr heraus, ohne einen selbstbewussten Abgang hinzulegen. Sie täuschte ein zufriedenes Lächeln vor, das eher einer skurrilen Maske glich.

“Davon abgesehen geht es mir blendend.“

Behauptete sie, machte einen großen Schritt aus dem Turbolift hinaus und stolperte im nächsten Moment über eine lose Teppichkante, der Länge nach vorn über fallend. Ihre vor Überraschung weit aufgerissenen Augen starrten in direkter Linie auf die Fußleiste der gegenüber liegenden Wand. Dieser Tag konnte schlimmer nicht werden und sie wusste genau, wessen Schuld das war.

- Mon Calamari - Coral City – Regierungsviertel – Hotel „Golden Republic“ - Etage der Suiten – Mit Selby –
 
[Calamari-System, Dac, Coral City, Hotel Golden Republic, Turbolift]- Noa, Selby

Es war noch viel schlimmer, als Selby befürchtet hatte. Dass Noa seine Beförderung ignorierte – nun, vermutlich war sie ihm nicht einmal aufgefallen – ignorierte er in einem seltenen Anflug von Bescheidenheit, doch der Rest ihrer Worte verursachte bei ihm ein verständnisloses Kopfschütteln. Sie vertrug keinen Tee, natürlich. Und es ging ihr blenden, sah man doch! Nur, dass sie nicht mit ihm reden wollte, kaufte er ihr sogar ab… doch manchmal musste man zu seinem Glück gezwungen werden.

Als sie hoch erhobenen Hauptes die Turboliftkabine verließ, zweifelsohne, um einen dramatischen Rückzug in ihre Suite hinzulegen, sah er es bereits kommen: ihr Fuß blieb hängen und aus einer stolzen, über jedes Mitleid erhabenen Frau wurde kurzzeitig ein hektisches Bündel, wie es in keinem Holocartoon besser zur Darstellung einer gewissen Situationskomik hätte auftauchen können. Selbys Mimik verdüsterte sich leicht. Er konnte sich nur einen einzigen Grund vorstellen, aus dem die ansonsten so starke und selbstbewusste Noa so sehr durch den Wind sein konnte, dass sie ein derartiges Schauspiel nötig hatte und selbiges so dramatisch in die Hose ging.

Mit einem Seufzen bückte er sich und half ihr dabei, aufzustehen, wobei er sich darum bemühte, dass die vermutlich aufgrund ihres Missgeschicks verdatterte Widerstandskämpferin nicht unbedingt merkte, dass er es war, der ihr aufhalf und gleichzeitig die Gelegenheit nutzte, sie in Richtung der anderen Suite zu dirigieren.


„Jemand anderes ist momentan leider nicht hier… und immerhin habe ich gemerkt, dass es Ihnen ganz und gar nicht blendend geht.“

Kunststück. Ihre Verfassung wäre spätestens nach dem kleinen Stunt vorm Fahrstuhl nur auffälliger trüge sie ein grell blinkendes Neonschild mit sich auf dem stand „Tue so, als ginge es mit gut – bitte nicht beachten und weitergehen“.


„Und wenn Sie wirklich keinen Tee vertragen… nun, dafür finden wir auch eine Lösung.“

Eigentlich umso besser. Es gab durchaus Gelegenheit, in denen Selby den einen oder anderen erlesenen Tee zu schätzen wusste, doch Situationen wie diese verlangten nach seiner Erfahrung weitaus potentere Medizin.

Bevor Noa sich erholt hatte, war es ihm gelungen, die Tür zur Suite zu öffnen, sie hindurchzuschmuggeln und dafür zu sorgen, dass sie sich auf die ausladende Couch setzte. Dann trat er an die Anrichte daneben und schenkte aus der dort befindlichen Karaffe ein wenig bernsteinfarbene Flüssigkeit in ein rundlich geschwungenes Kugelglas.


„Also… warum erzählen Sie mir nicht einfach, warum Sie so tun, als ginge es Ihnen bestens, obwohl jeder Mon Calamari das Gegenteil erkennen könnte?“


Auffordernd hielt er ihr das Glas hin, gefüllt mit seiner Abschätzung nach exakt der Menge, die ausreichen sollte, sie ein wenig zu beruhigen und ihre Bereitschaft, sich ihm anzuvertrauen, zu erhöhen, ohne dass bereits negative Nebenwirkungen zu befürchten waren.


„Ich will Ihnen nichts böses, Noa. Ich möchte Ihnen helfen.“

Überraschenderweise stimmte das sogar. Momentan lagen Selbys Sympathien ganz eindeutig bei der Widerstandskämpferin, nicht bei dem minderwertigkeitskomplexbeladenen Trottel, der es schon geschafft hatte, Akemi ihr kostbares Herz zu brechen und dann noch erwartete, dass man ihn dafür bemitleidete.


[Calamari-System, Dac, Coral City, Hotel Golden Republic, Turbolift]- Noa, Selby
 
- Mon Calamari - Coral City – Regierungsviertel – Hotel „Golden Republic“ - Selbys Suite – Mit Selby –

Sie fand sich an dem Ort wieder, den sie tunlichst hatte meiden wollen. Ohne Widerstand zu leisten hatte sich Noa von Selby in dessen Suite bringen lassen. Eigentlich hätte sie um sich schlagen sollen, als er begonnen hatte ihr aufzuhelfen, nachdem sie vor seinen Augen eine Bruchlandung hin gelegt hatte. Sie verascheute Selby und er half ihr dennoch wieder auf die Beine. Wie viel Demütigung konnte ein Mensch ertragen? Nun hockte sie auf der Couch in seiner Suite, die der ihren in jedem noch so winzigen Detail ähnelte. Vielleicht sollte sie so tun, als wäre dies ihre eigene Suite, sich einbilden, sie wäre (mehr oder weniger) in ihren eigenen vier Wänden. Ob sie sich mit dieser Vorstellung besser fühlen würde? Vermutlich nicht. Wem wollte sie überhaupt noch etwas vormachen? Es ging ihr schlechter als bescheiden. Sie fühlte sich wie ein Häufchen Elend. Während sich Noa in die weichen Polster zurück lehnte, nahm sie am Rande war, dass Agent Selby sich an der Mini-Bar zu schaffen machte. Scheinbar hatte sie es zumindest geschafft, ihm weis zu machen, sie vertrüge wirklich keinen Tee. Und der Idiot glaubte ihr auch noch. Das war immerhin ein Erfolgserlebnis, wenn auch nur ein kleines. Er hielt ihr ein bauchiges Glas hin.

“Danke.“

Murmelte Noa. Er war viel netter, als sie es verdient hatte. Prüfend roch sie an der einladend aussehenden Flüssigkeit. Das war Alkohol, vermutlich Whiskey oder Sherry oder irgendetwas vergleichbar starkes. Müde vom Nachdenken und von den nervenaufreibenden Ereignissen der letzten Stunde, rieb sich Noa die Stirn.

“Sie wollen also wissen, was passiert ist?“

Fragte sie. Es war eine seltsame Frage, denn im Grunde wusste sie es ja selbst nicht einmal richtig. Cris war passiert.

“Es lief eigentlich ganz gut. Major Al-Jalani war sehr zuvorkommend und nett.“

Sie zuckte mit den Schultern.

“Und Cris ebenso. Er hat mich geküsst, ich habe ihn zurück geküsst. Wir...“

Sie hielt inne. Oh nein, was tat sie hier eigentlich? Sie konnte sich nicht diesem furchtbaren Typen anvertrauen, den sie verabscheute und der sich verhielt, als wäre er der Frauenversteher persönlich. Wenn sie ihn nicht einmal leiden konnte, warum sollte sie dann mit ihm über ihre Probleme sprechen? Sie flog bereits morgen nach Coruscant zurück. Wenn sie Gesprächsbedarf hatte, wartete dort ihre gesamte Familie auf sie, mit der sie reden konnte. Noa schüttelte den Kopf. Sie musste hier raus. Aber wenn sie schon einmal ein gefülltes Glas in ihrer Hand hatte, konnte sie wenigstens zuvor noch ihren Kummer in Alkohol ertränken. Kurz entschlossen setzte sie das Glas an und nahm einen kräftigen Schluck. Ihre Zunge genoss den kräftig nussigen, aber auch scharfen Geschmack. Noa sah Selby an.

“Cris hat mich sitzen lassen, weil er meint, er wäre ein furchtbar schlechter Mensch, der nichts anderes könnte als andere umzubringen. Pfffft.“

Sie schüttelte den Kopf.

“Soll er bleiben wo der Pfeffer wächst. Sie müssen sich vorstellen: es war... wunderschön.“

Mit einem Mal wurde Noas Stimme weicher. Mit den Gedanken wieder zurück in jenen Momenten, die noch fröhlich und unbeschwert gewesen waren, begann sie, das Glas in ihren Händen hin und her zu drehen. Sie hatte nicht vor, sich Selby anzuvertrauen, ausgerechnet ihm, aber er hatte Recht gehabt: es war besser, darüber zu reden.

“Wir hatten eine wirklich gute Zeit. Ich hatte das Gefühl, dass uns etwas verband und ich mochte es, dass er mich zum Lachen brachte. Doch als ich ihn wieder umarmen und ihn küssen wollte, wies er mich zurück. Er meinte, er wäre nicht der Richtige für mich, er könnte dies alles nicht tun... blablabla.“

Die letzten Worte riefen Noa wieder ihre Wut in Erinnerung. Sie hob wieder den Blick, schnitt eine Grimasse und sah Selby in die Augen.

“Es war erbärmlich. Das hat man also davon, wenn man sich auf einen Mann einlässt, den man kaum kennt. Und als ob das nicht genug gewesen wäre, habe ich anschließend ein Ticket für zu schnelles Fahren bekommen und mich vor Ihnen grandios auf die Fresse gelegt. Ganz toll, wirklich, und mein Knie tut übrigens weh.“

Noch während sie sprach, rieb sich Noa die soeben beschriebene Stelle an ihrem linken Bein. Wenn dieser Tag vorbei war, würde sie drei Kreuze im Kalender machen.

“Achso, ihm habe ich übrigens die Meinung gesagt und ihm eine Eistüte ins Gesicht geklatscht.“

Sie atmete tief aus, setzte ihr Glas ein zweites Mal an und leerte es.

“Noch einen, bitte.“

Sagte sie und streckte es Selby entgegen.

- Mon Calamari - Coral City – Regierungsviertel – Hotel „Golden Republic“ - Selbys Suite – Mit Selby –
 
[Calamari-System, Dac, Coral City, Hotel Golden Republic, Turbolift]- Noa, Selby

Ganz abseits von ihrem eigentlichen Gesprächsthema war Noa erheblich in Selbys Achtung gestiegen – er hatte sich selbst ein Glas des corellianischen Whiskeys eingeschenkt, den er ihr kredenzt hatte, und stellte anerkennend fest, dass sie den ersten kräftigen Schluck nahm, ohne auch nur leichte Anzeichen von Ekel zu zeigen. Er schätzte Leute, die einen guten Tropfen zu schätzen wussten – und wenn sie, wie Sheldon, schon kein Gespür für Wein zu haben schien, so wohl doch für stärkere Medizin. Mit einem heimlichen Lächeln auf den Lippen setzte Selby sich ebenfalls, allerdings darauf bedacht, eine gewisse Distanz zwischen ihm und Noa zu lassen. Er hatte das Gefühl, dass sie immer noch ein wenig unentschlossen war zwischen der Option, ihm tatsächlich etwas zu erzählen, oder doch wieder hinaufzustürmen.

Das Trinkangebot erwies sich jedoch als goldrichtig – nach dem tüchtigen Schluck begann Noa tatsächlich, Selby ihre Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, die ihm tatsächlich furchtbar bekannt vorkam. Er bemühte sich darum, sie nicht zu unterbrechen, konnte jedoch ein leichtes Kopfschütteln und ein entnervtes Seufzen nicht vollkommen verkleiden. Welcher Mann, wenn nicht Cris Sheldon, schaffte es, die interessantesten Frauen für sich zu begeistern und sie dann mit konfusem Gefasel so sehr zu entfremden, das selbst die reinste und innigste Liebe keine Chance mehr hatte? Vielleicht wäre eine Lösung gewesen, ihm das erste Mal, als er ihn nach der Trennung von Akemi wiedergesehen hatte, nicht nur die Meinung zu sagen, sondern ihm ein paar tüchtige Faustschläge in das so jämmerlich betroffen wirkende Gesicht zu verpassen – nur dass Sheldon sich vermutlich mit jener eiskalten Effizienz gewehrt hätte, die den ehemaligen Sturmtruppler so an sich selbst erschreckte.


„Dieser verfluchte Idiot…“, murmelte Selby, hoffentlich leise genug, dass Noa es nicht hörte. Er hatte eigentlich genug gehört. Die Art, in der sie von ihm gesprochen hatte und die Art, wie er sie angesehen hatte, wann immer er meinte, es entginge Selbys und ihrem wachsamen Blick, war eigentlich alles, was er wissen musste. Nur dass darin nicht zwingend die Lösung lag – das letzte Mal, dass er einer Frau so etwas angetan hatte, hatte es eine Liebe zerstört, die sich langsam und stetig entwickelt hatte und von der Selby niemals geglaubt hätte, sie würde enden können. Noa und Sheldon jedoch… kannten sich erst ein paar Wochen, auch wenn Selby nicht wusste, was genau in dieser Zeit alles zwischen ihnen vorgefallen war. So einiges am heutigen Tag alleine jedenfalls.

Als Noa ihre Geschichte damit beendete, dass sie ihm das gegeben hatte, was er verdiente – in dieser Beziehung schien sie ein anderes Kaliber als Akemi – keimte indes kurz Sorge in Selby auf. Er konnte sich vorstellen, was seine Worte auch bei Sheldon selbst angerichtet hatten und malte sich in diesem Moment jenen Mann, der es mit Coruscants Unterwelt und einem belagerten Coronet aufgenommen hatte, irgendwo in Coral City vor, von aller Motivation verlassen und über und über mit Eis bekleckert. Zumindest hatte der Geheimdienst ihm keine neue Waffe zugeteilt und einfach ins Wasser würde er schon nicht springen. Hoffentlich.

Selby seufzte erneut, bevor er sein eigenes Glas leerte und dann sich und Noa weisungsgemäß nachschenkte. Er war kurz davor, ihr einfach den Rat zu geben, Sheldon zu vergessen und einen früheren Flug nach Coruscant zu nehmen. So viel geballte Unvernunft und Sturheit musste eigentlich bestraft werden. Akemi war noch freundlich genug gewesen, ihm wenigstens zu sagen, warum er sich vollkommen falsch verhalten hatte, auch wenn es zu diesem Zeitpunkt zu spät gewesen war. Noa würde ihm nicht einmal diese Chance einräumen. Und das zur Recht. Indes… wusste sie noch nicht alles über Cris Sheldon. Alleine wie weitere Informationen ihr Bild von ihm beeinflussen würden, vermochte er nicht zu sagen.


„Noa… ich kann mir vorstellen, dass man solche Dinge als Frau öfters gesagt bekommt, wenn Männer kalte Füße bekommen. Und es meistens ausgemachter Quatsch ist.“

Er konnte es sich nicht nur vorstellen – er musste, nicht ganz ohne Schande, gestehen, dass er selbst des Öfteren dieses Manöver durchgezogen hatte, wann immer er sich einer temporären Lebensabschnittsgefährtin als überdrüssig erwiesen. Natürlich hütete er sich davor, das Noa auf die Nase zu binden.

„Ich fürchte nur, dass dieser Experte des Feingefühls es vollkommen ernst gemeint hat…“

Der Pilot genehmigte sich einen weiteren Schluck.

„Ich habe gemerkt, wie er Sie angesehen hat. Ich kenne diesen Blick. Und wenn ich diesen Blick sehe, dann weiß ich, dass er kurz davor ist, wieder zwei Menschen unglücklich zu machen. Wie es schon mal passiert ist.“

Langsam stellte er das Glas wieder ab.


„Ich maße mir nicht an, nachvollziehen zu können, wie Sie sich jetzt fühlen… aber trotzdem können sie mir glauben, wenn ich sage: es geht ihm jetzt mindestens genau so schlecht. Denn er weiß, dass er es ganz einfach hätte verhindern können… wenn er nicht auf seinen Verstand gehört hätte, der zwar allgemein recht gut funktioniert aber der ihn immer noch für ein blutrünstiges Monstrum in weißer Rüstung hält, sondern auf sein Herz, das ihn zu dem Menschen macht, der er wirklich ist. Den Menschen, den sie heute kennen gelernt haben. Sie sind die erste Frau, die so nahe an ihn herangekommen ist, seit er diesen Fehler das erste Mal gemacht hat. Ich hatte eigentlich gehofft, er hätte seine Lektion für immer gelernt.“

Selby zuckte mit den Achseln und grinste sarkastisch.

„Beweist nur, dass ich vielleicht doch kein so großer Experte bin, hm?“

Lässig schnappte er sich erneut sein Glas, bevor seine Miene wieder ernster wurde.

„Wenn sein Herz sich aber doch gegen seine Selbstzweifel durchsetzt… dann glaube ich, dass er noch heute wieder vor Ihrer Tür stehen wird. Obwohl er weiß, wie sehr er Sie verletzt hat und obwohl er weiß, welche Art von Empfang er höchstwahrscheinlich erwarten kann.“

Der Blick des Piloten hielt den der Widerstandskämpferin für einen Moment fest.

„Wenn das geschieht… wenn er vor Ihrer Tür steht… schlagen Sie sie nicht sofort wieder zu. Ich glaube nicht, dass Sie das wirklich wollen, auch wenn der Impuls unbestreitbar da ist.“

Plötzlich grinste Selby.

„Glauben Sie mir, ich musste mit Mr. Alles-nach-Vorschrift auch so einige Impulse unterdrücken. Es schadet bestimmt nicht, ihn ein wenig zappeln zu lassen.“

[Calamari-System, Dac, Coral City, Hotel Golden Republic, Turbolift]- Noa, Selby
 
- Mon Calamari - Coral City – Regierungsviertel – Hotel „Golden Republic“ - Selbys Suite – Mit Selby –

Eines musste Noa Chanelle Cortina zugeben: für einen Typ, der sich wie ein Zuhälter benahm (und möglicherweise auch einer war, das hatte sie noch nicht ganz durchschaut), verhielt sich Agent Selby erstaunlich feinfühlig. Sie hatte sich tief in die weichen Polster des Sofas gedrückt. Der Impuls, aufzustehen, davon zu rennen und ihn und seine guten Ratschläge sich selbst zu überlassen, war nicht mehr ganz so groß wie noch vor ein paar Minuten. Bleiben konnte sie hier freilich nicht, das war Noa nach wie vor bewusst. Nicht mehr lange und Cris Sheldon, Mr. Alles-Nach-Vorschrift persönlich, würde in der Tür stehen. Auf dessen Gegenwart konnte sie nach wie vor gut verzichten. Sie verzog abwertend das Gesicht, als Selby ihr suggerierte, sie sollte darüber nachdenken, Cris zu verzeihen, wenn er käme um sich zu entschuldigen. Das konnte ihm so passen. Noa würde Cris ganz sicher nie wieder irgendetwas verzeihen und das aus dem einfachen Grund, weil sie nie wieder mit ihm sprechen würde. So sah es nämlich aus! Davon abgesehen verwirrte sie die ganze Situation doch ziemlich: Cris empfand sich als nicht gut genug. Er meinte es ernst. Er war nicht der Richtige für Noa, aber eigentlich war er es doch. Dann sah er sie an und es war klar, dass er sie unglücklich machen würde. Er fand, dass Noa wundervoll war, fühlte sich aber schlecht dabei, weil er auf seinen Verstand gehört hatte und glaubte, er sei ein blutrünstiges Monster. Darum hatte er den gleichen Fehler wie schon einmal gemacht und das alles nur wegen seiner Selbstzweifel, weswegen es auch besser war, wenn Noa ihn zappeln ließ. Puh – wer kam da noch mit?

“Das ist alles viel zu konfus.“

Die Widerstandskämpferin lehnte den Kopf zurück und schloss die Augen, in dem Versuch, wieder klarer zu werden. Mit dem Daumen rieb sie sich die Stirn an der Stelle zwischen ihren Augen. Dann korrigierte sie ihre Sitzposition und setzte sich aufrechter hin.

“Was wollen Sie mir eigentlich sagen?“

Fragte sie.

“Auf der einen Seite sagen Sie, er meint es ernst, aber trotzdem glauben Sie daran, dass er noch heute Abend vor meiner Tür stehen wird? Wie soll das zusammen passen?“

Noa schüttelte den Kopf. Und da hieß es immer, Frauen seien kompliziert! So ein Quark. Sie trank einen Schluck aus ihrem Glas, das Selby ihr nachgefüllt hatte.

“Ich habe genug Kerle kennen gelernt, die nicht wussten, was sie wollten. Mir reicht es mit diesen Typen.“

Stellte sie klar.

“Ich will sie, ich will sie nicht. Oder vielleicht doch? Vergiss es.“

Noa rollte mit den Augen.

“Ich hatte ihn wirklich gern.“

Sagte sie.

“Habe es immer noch. Aber nicht so.“

Cris Sheldon hatte ihr weh getan, gerade in dem Moment, als sie bereit gewesen war, das Risiko einzugehen, Gefühle für ihn zuzulassen. Es war, als hätte er ihr die Tür geöffnet, sie hinein gelassen und sie dann wieder rückwärts hinaus gestoßen.

“Nicht so.“

Der Alkohol tat gut. Sie trank einen weiteren Schluck. Und noch einen. Wow, hatte sie davon auch was in ihrer Suite? Es würde ein einsamer Abend werden, aber zumindest konnte sie sich betrinken.

- Mon Calamari - Coral City – Regierungsviertel – Hotel „Golden Republic“ - Selbys Suite – Mit Selby –
 
[Calamari-System, Dac, Coral City, Hotel Golden Republic, Turbolift]- Noa, Selby

An Stelle des tiefen Seufzers, nach dem ihm eigentlich gerade war, nahm Selby einen letzten Schluck aus seinem Glas und gab dem Whiskey Gelegenheit, seinen edlen Geschmack in seinem Mund zur vollen Blüte zu entwickeln. Noa wirkte nicht überzeugt. Natürlich nicht – Sheldon hatte in seiner unverwechselbaren Art Schaden angerichtet, den bloße Worte nicht wieder gutmachen konnten. Zumindest nicht, wenn diese Worte aus Selbys Mund kamen und dieser Prognosen stellte, die am Ende doch nicht zutrafen.


„Ich habe nicht gesagt, dass es einfach ist…“, sagte Selby schließlich, nachdem sich Schweigen über den Raum gelegt hatte.

„Ich kann nicht mal behaupten, dass ich es vollends verstehe. Das tut er ja nicht einmal selbst.“

Etwas fahrig rieb der Pilot sich seine Stirn. So langsam begann der Alkohol ihm zu Kopf zu steigen und wenn er Noas Interesse an ihrem Glas betrachtete, war es vielleicht besser, ihr den Nachschub abzuschneiden. Zumindest in dieser Suite – in ihrer eigenen konnte sie machen, was sie wollte. Schließlich war sie eine erwachsene Frau.


„Ich glaube aber nicht, dass die entscheidende Frage ist, ob er Sie will oder nicht. Diese Frage hat er sich längst beantwortet. Er muss nur endlich begreifen, dass es lediglich eine richtige Konsequenz aus dieser Antwort gibt.“

Plötzlich hörte Selby auf, als er ein dumpfes Pochen vernahm. Aus dieser Suite konnte es nicht kommen – dafür war das Geräusch zu gedämpft – also blieb im Grunde nur eine einzige Möglichkeit: jemand klopfte an Noas Tür. Und der Zimmerservice konnte es um diese Uhrzeit kaum sein, zumal sie diesen wohl kaum vor Betreten des Turbolifts gerufen hatte. Mit leicht gehobenen Augenbrauen warf der Pilot Noa einen vielsagenden Blick zu.


„Wenn es Ihnen wirklich reicht, sollten Sie sich jetzt vielleicht im Schrank verstecken. Oder unterm Bett.“

Falls sie ernsthaft die Absicht gehabt hatte, sich einem Aufeinandertreffen mit Sheldon zu entziehen – Selby bezweifelte es – so bekam sie nicht mehr die Gelegenheit dazu. Jetzt klopfte es an ihrer Tür – innerlich machte Selby sich die Notiz, dem anderen endlich eine zweite Codekarte zu besorgen, obwohl sie wohl am nächsten Tag ohnehin auschecken würden – und als der Pilot die Tür öffnete, war es tatsächlich ein eisbekleckertes Häufchen Elend, das vor der Tür stand. Sheldon.

[Calamari-System, Dac, Coral City, Hotel Golden Republic, Turbolift]- Noa, Selby, Cris
 
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