Noa Chanelle
girl in black
- Naboo - Theed - Krankenhaus -Intensivstation - Krankenzimmer -
Aufwachen war ein merkwürdiger Prozess des lebendigen Körpers. Man tat etwas, ohne es bewusst zu tun, fast so wie Atmen. In den meisten Fällen, wenn Noa Chanelle Cortina erwachte, wusste sie genau, wo sie sich befand. Sie wusste wo sie war oder warum, wusste welcher Tag es war, was sie erwartete und meist konnte sie zumindest grob abschätzen, wie lange sie geschlafen hatte. Das hatte man einfach im Gefühl. Nur, wenn sie am Abend zuvor zu viel getrunken oder in der Nacht zuviel gefeiert hatte, gingen solche Details manchmal verloren und das Bild, das man selbst von sich hatte, musste sich wieder neu zusammen fügen. Als sich Noas Augen diesmal öffneten, fühlte sie eine Schwere auf ihren Lidern, die ihr ebenso unbekannt war wie der klinische, aufgeräumte Raum, in dem sie sich befand. Müde blinzelte sie und drehte ihren Kopf. Die Wände waren weiss und schmucklos, zu ihrer Linken standen zwei Monitore und neben ihrem Kopf baumelte ein verchromter Haltegriff an einem Gurt von der Decke. Sie war im Krankenhaus, realisierte Noa, als ihr Bewusstsein wieder die Kontrolle erlangt hatte und ihren Verstand willkommen hiess. Sie erinnerte sich, warum.
"Zimmer 223. Noa Chanelle Cortina. Mensch. Weiblich."
Die monotone, computergenerierte Stimme eines Droiden bewegte sich durch den Raum und Noa wandte ihren Kopf in die Richtung, aus der sie kam. Die Bewegung fiel ihr schwerer als sie hätte tun sollen, dauerte länger. War es ihre Reaktion, die langsam war, oder die Muskeln in ihrem Körper, die mit Verzögerung auf die Befehle ihres Gehirns reagierten?
"Wiederbewusstsein erlangt nach 46 Stunden, 34 Minuten und 5 Sekunden."
"46 Stunden?"
Es war das erste Mal nach zwei Tagen der Bewusstlosigkeit, dass Noa sprach. Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein raues Krächzen. Sie räusperte sich und ein unangenehmes Gewirr aus dürren, trockenen Ästen schien sich in ihrem Hals verfangen zu haben.
"Ich war so lange... weg?"
Zu sprechen tat weh, doch die Fragen in ihrem Kopf verlangten nach Antworten. Wie war sie entkommen? Wo war Jules Agathon? Wusste das TPD, dass sie hier war und wie ging es Aldridge? Er musste mit ihr zusammen entkommen sein. Noa konnte sich daran erinnern, was passiert war - an alles - doch nur bis zu dem Punkt, als ihr Körper sie im Stich gelassen hatte. Sie war gestorben, ein kleines bisschen. Fast.
"46 Stunden, 34 Minuten und 5 Sekunden sind vergangen seit Ihrer Einführung in den Bacta-Tank. Eine Verlegung auf eine andere Station wurde in Erwägung gezogen aber nicht ausgeführt. Anhand der Überwachungsdaten kann ich Ihnen bestätigen, dass Sie die Station zu keinem Zeitpunkt verlassen haben."
Verwirrt starrte Noa den Medi-Droiden an.
"Ich war in einem Bacta-Tank?"
"Die Behandlung begann vor 46 Stunden, 34 Minuten..."
"Ja, okay! Ich hab's begriffen!"
Blaffte sie, doch ihre Worte endeten in einem Hustenanfall.
"Wasser... gib mir was zu trinken."
"Negativ. Bewusst herbeigeführte Veränderungen des Organismus sind erst nach einer abgeschlossenen Erstuntersuchung und auf Geheiss des behandelnden Arztes zulässig."
Zum Teufel mit den Regeln. Noa hustete erneut, versuchte Spucke in ihrem Mund zu sammeln und diese zu schlucken. Ihr Hals musste von innen so rot sein wie ein aufgekratzter Insektenstich, aber einer von der ganz großen Sorte.
"Wer ist mein behandelnder Arzt?"
Wollte sie wissen. Der sich durch einen handtellergroßen Repulsorlift bewegende Medidroide schwebte an die linke Kopfseite ihres Bettes.
"Dr. Tinder Foxx."
Mit einem schmalen Glühstab leuchtete der Droide grelles Licht geradewegs in ihre Pupillen. Noa kniff die Augen zu.
"Au! Wie wär's mit einer Warnung?"
"Verzeihung."
Hätte sie nicht bereits gelegen, sie hätte sich erschöpft in die Kissen zurück fallen lassen. Sie spürte noch immer die Steifheit ihres Körpers. Ihren Arm zu heben und ihre Hand zu bewegen fühlte sich an, als steckte sie irgendwo fest, als hätte sie einen Teig geknetet, der zu klebrig geworden war. Warum ausgerechnet sie einen Teig hätte kneten sollen, wusste Noa nicht. Das wäre eher etwas für Cloé gewesen, die auf Lianna saß und zum Glück nicht ahnen konnte, wie es ihrer Schwester ging. Und sie durfte es auch nie erfahren. Cloé hatte genug mit gemacht, mehr als jemals fair ihr gegenüber gewesen war. Sie hatte um ihre Brüder zittern müssen, hatte ihren Vater angefleht sich vom Widerstand auf Coruscant zu distanzieren, um ein Zeichen für die Familie zu setzen und seine Kinder und Enkelkinder nicht zu gefährden. Sie hatte mit Noa gerungen, immer und immer wieder, ihnen geschworen sich niemals in die Angelegenheiten der Defender verwickeln zu lassen, und doch war am Ende sie diejenige gewesen, die durch das Imperium aus ihrer Heimat vertrieben worden war. Cloé hatte bezahlen müssen für etwas an dem sie niemals beteiligt gewesen war, hatte ihr Leben aufgegeben und gesehen, wie der Krieg gegen das Imperium ihre Schwester beinahe das Leben gekostet hatte. Mehr als jeder andere fühlte Noa sich schuldig - und sie war es auch. Obwohl sie sich ausgesprochen und versöhnt hatten, hatte sie das Gefühl, etwas bei Cloé wieder gut machen zu müssen. Was aber tat sie stattdessen? Sie ließ sich ein zweites Mal übel zurichten und das während eines Jobs, der viel sicherer hätte sein sollen. Dieses Mal war sie dem Tod sogar noch knapper entgangen.
"Eine Lungenembolie ist eine kritische Angelegenheit. Bei Ihnen ging es nur noch um Sekunden. Mr. Aldridge Trineer hat ausgesagt, Sie wiederbelebt und mit Sauerstoff versorgt zu haben. Wäre dies nicht geschehen..."
Dr. Foxx war ein Mann mit einem vertrauenswürdigen, runden Gesicht. Seine Stirn war ein wenig hoch, seine Wangen mit feinen Narben überzogen, doch seine braunen Augen huschten freundlich zwischen Noa und dem Report in seinen Händen hin und her.
"Miss Cortina, ich fürchte Sie werden einige Fragen beantworten müssen, sobald das TPD eintrifft. Wir mussten die zuständige Stelle über Ihr Aufwachen informieren."
"Ich habe keine Zeit für so was."
Der Arzt hatte Noa so viel Wasser erlaubt wie sie trinken konnte. Zu Sprechen fiel ihr jetzt leichter und sie schaffte es sogar, ihr Glas selbst fest zu halten. Mit jeder verstreichenden Minute verdrängte ihr Körper mehr von dem Narkosemittel, das ihr für den Aufenthalt im Bacta-Tank gespritzt worden war, und das ihre Glieder und Muskeln hatte schläfrig werden lassen. Ihre Kraft kehrte zurück, wenn auch so langsam wie ein Frachter, dem man den Hyperantrieb ausgebaut hatte.
"Keine Zeit? Ich bedaure, aber Sie haben keine Wahl. Die Kollegen vom TPD sind an ihre Vorschriften gebunden. Es sei denn..."
"Ja?"
"Es sei denn, Sie fühlen sich noch nicht stark genug für eine Vernehmung. In diesem Falle wäre es meine Pflicht, meine Patientin vor Stress zu schützen, der ihre Genesung behindern würde."
Noa dachte nach. Für das TPD hatte sie nichts mehr übrig. Wo waren die "Kollegen" gewesen, als... als sie... und was hatten sie dagegen unternommen, dass Deanna Trineer... einfach nicht mehr da war? Aldridge und sie hatten sich aus dem Ferienhaus befreit, alleine! Niemand war dort gewesen und niemand hatte jetzt das Recht, ihre Geschichte zu hören, an die Noa krampfhaft versuchte nicht zu denken, seit sie aufgewacht war!
"Im Gegenteil, Doctor."
Sie stellte das Glas auf dem Tisch zu ihrer rechten Seite ab, stützte sich auf die Ellbogen und kämpfte sich in eine aufrechte Position.
"Ich fühle mich blendend. Wann werde ich entlassen?"
Dr. Foxx hätte nicht überraschter aussehen können, hätte sie ihm erzählt, dass sie seine uneheliche Tochter wäre.
"Miss, Sie sind noch nicht in der Lage, das Krankenhaus zu verlassen. Ich sagte bereits, dass Ihre Rückenverletzungen noch Schonung benötigen."
"Sie sagten auch, dass Sie aufgrund der Schwere der Verletzungen hoch konzentriertes Bacta verwendet haben."
Eigentlich hätte Noa noch nicht die Stärke haben sollen, so verbissen zu argumentieren, doch sie musste um jeden Preis verhindern, dass Cloé erfuhr, was ihr zugestoßen war. Sie musste Aldridge sehen und sich bei ihm bedanken, musste von Naboo verschwinden und den Fragen des TPD entgehen, und Cris wiedersehen und ihm sagen, dass sie eine zweite Chance mit ihm wollte. Oder eine dritte. Sie hatte vergessen, wie oft sie es schon vermasselt hatten.
"Das ist richtig und die Ergebnisse sind für dieses frühe Stadium zufriedenstellend. Das bedeutet jedoch nicht..."
"Also halten Sie mich gegen meinen Willen fest, ja?"
Der arme Dr. Foxx wusste kaum, wie ihm geschah. Es tat Noa Leid, ihn so zu überrumpeln, es war ja nichts persönliches. Er verstand nur einfach nicht, konnte nicht verstehen.
"Doctor, haben Sie meine ID gesehen?"
Diese Frage schien völlig aus dem Kontext gerissen, doch dem war nicht so.
"In Ihrer Akte, natürlich."
Der Arzt tippte etwas in sein Datapad ein. Er wirkte jetzt gleichgültiger. Von einem sanften Rauschen begleitet, schwebte der Medi-Droide, der seit Eintreffen von Dr. Foxx unsichtbar geworden war, zurück ins Zimmer.
"Dann wissen Sie, dass ich nicht von diesem Planeten stamme."
Die freundlichen Augen des Arztes richteten sich auf sie und Noa sah ein Lächeln auf seinem Mund.
"Glauben Sie mir, Miss Cortina, dass würde niemand annehmen, der Sie reden hört."
Obwohl er sie mit seiner Antwort aufzog, fiel es Noa schwer, sich über ihn zu ärgern, vielleicht weil sie zu erschöpft war, oder weil sie insgeheim wusste, dass er Recht hatte - in beiden Punkten.
"Ich bin Coruscanti, Dr. Foxx. Sie halten bewusst eine imperiale Bürgerin gegen ihren Willen fest. Fürchten Sie nicht, dass das Konsequenzen für Sie haben wird?"
Es war ein widerliches Argument, das Noa benutzte und sie wusste es. Sie selbst hasste ihre imperiale ID und den Stempel, der ihr damit ungefragt anhaftete. In diesem Moment aber war er zum ersten Mal willkommen, weil sie ihn für sich ausspielen konnte. Schade nur, dass Dr. Foxx leider völlig ungerührt blieb. War Noa nicht deutlich genug geworden?
"Nicht nur für Sie. Für ganz Naboo!"
Trieb sie ihre Behauptungen auf die Spitze. Im schlimmsten Fall hätte man dies als Drohung verstehen können.
"Miss Cortina."
"Die imperiale Verwaltung nimmt solche Vergehen sehr, sehr ernst."
"Miss Cortina, Ihre ID ist nicht länger gültig."
Was? Ausnahmsweise sprachlos starrte Noa ihren Arzt an. Er hatte ihrem einzig verbliebenen Argument den Wind aus den Segeln genommen.
"Coruscant befindet sich nicht länger unter imperialer Besetzung. Ihre ID wird umgeschrieben, sobald Sie sich bei den zuständigen republikanischen Behörden melden."
Ein Schlag in die Magengrube hätte Noa Chanelle Cortina nicht unvorbereiteter treffen können. Tausend Emotionen rollten aus unterschiedlichen Richtungen auf sie zu. Sie drohte, darunter begraben zu werden. Coruscant war frei, Jules schlug sie mit seinem Gürtel, Deanna opferte sich, Cris zeigte ihr Lorraines Bild. Aldridge heulte wie ein Kleinkind, Jules fasste ihr an den Busen, Donnie blutete an der Schläfe, Noa fror in der dunklen Kühlkammer. Sie lebte, doch sie würde Amata nie wieder sehen.
"Coruscant ist... wieder Teil der Republik?"
Noas Augen füllten sich mit Tränen, als die Nachricht bei ihr ankam. Es waren Tränen für ihren Heimatplaneten, für das Leid das erduldet worden war und Tränen für alle, die sie gekannt hatte und die gestorben waren, aber auch Tränen für sich selbst, weil sie so viel verloren, so viel gesehen und so vieles nie vergessen würde.
"Ja."
Eine Nadel stach in ihren Arm. Sie hatte dem Medi-Droiden keine Beachtung mehr geschenkt. Ruhe sank in Noas Kopf und vertrieb die Emotionen. Sie fühlte sich wieder schwer und schläfrig. Sie war ein Stein, der nichts hörte und nichts sagte, sondern einfach nur mit der Zeit dahin glitt. Nach Naboo, nach Coruscant, oder in den Schlaf. Die sich entfernenden Schritte des Arztes hörte sie noch, dann war es still und obwohl sie sicher war, dass gerade noch das Licht in ihrem Zimmer eingeschaltet gewesen war, war es plötzlich stockdunkel. Es war jedoch eine angenehme Finsternis, eine in der es nichts gab als Noa und vielleicht nicht einmal das. Sie fühlte nichts, dachte nichts. Sie war ein Stein, der schlief.
- Naboo - Theed - Krankenhaus -Intensivstation - Krankenzimmer -
Aufwachen war ein merkwürdiger Prozess des lebendigen Körpers. Man tat etwas, ohne es bewusst zu tun, fast so wie Atmen. In den meisten Fällen, wenn Noa Chanelle Cortina erwachte, wusste sie genau, wo sie sich befand. Sie wusste wo sie war oder warum, wusste welcher Tag es war, was sie erwartete und meist konnte sie zumindest grob abschätzen, wie lange sie geschlafen hatte. Das hatte man einfach im Gefühl. Nur, wenn sie am Abend zuvor zu viel getrunken oder in der Nacht zuviel gefeiert hatte, gingen solche Details manchmal verloren und das Bild, das man selbst von sich hatte, musste sich wieder neu zusammen fügen. Als sich Noas Augen diesmal öffneten, fühlte sie eine Schwere auf ihren Lidern, die ihr ebenso unbekannt war wie der klinische, aufgeräumte Raum, in dem sie sich befand. Müde blinzelte sie und drehte ihren Kopf. Die Wände waren weiss und schmucklos, zu ihrer Linken standen zwei Monitore und neben ihrem Kopf baumelte ein verchromter Haltegriff an einem Gurt von der Decke. Sie war im Krankenhaus, realisierte Noa, als ihr Bewusstsein wieder die Kontrolle erlangt hatte und ihren Verstand willkommen hiess. Sie erinnerte sich, warum.
"Zimmer 223. Noa Chanelle Cortina. Mensch. Weiblich."
Die monotone, computergenerierte Stimme eines Droiden bewegte sich durch den Raum und Noa wandte ihren Kopf in die Richtung, aus der sie kam. Die Bewegung fiel ihr schwerer als sie hätte tun sollen, dauerte länger. War es ihre Reaktion, die langsam war, oder die Muskeln in ihrem Körper, die mit Verzögerung auf die Befehle ihres Gehirns reagierten?
"Wiederbewusstsein erlangt nach 46 Stunden, 34 Minuten und 5 Sekunden."
"46 Stunden?"
Es war das erste Mal nach zwei Tagen der Bewusstlosigkeit, dass Noa sprach. Ihre Stimme war nicht viel mehr als ein raues Krächzen. Sie räusperte sich und ein unangenehmes Gewirr aus dürren, trockenen Ästen schien sich in ihrem Hals verfangen zu haben.
"Ich war so lange... weg?"
Zu sprechen tat weh, doch die Fragen in ihrem Kopf verlangten nach Antworten. Wie war sie entkommen? Wo war Jules Agathon? Wusste das TPD, dass sie hier war und wie ging es Aldridge? Er musste mit ihr zusammen entkommen sein. Noa konnte sich daran erinnern, was passiert war - an alles - doch nur bis zu dem Punkt, als ihr Körper sie im Stich gelassen hatte. Sie war gestorben, ein kleines bisschen. Fast.
"46 Stunden, 34 Minuten und 5 Sekunden sind vergangen seit Ihrer Einführung in den Bacta-Tank. Eine Verlegung auf eine andere Station wurde in Erwägung gezogen aber nicht ausgeführt. Anhand der Überwachungsdaten kann ich Ihnen bestätigen, dass Sie die Station zu keinem Zeitpunkt verlassen haben."
Verwirrt starrte Noa den Medi-Droiden an.
"Ich war in einem Bacta-Tank?"
"Die Behandlung begann vor 46 Stunden, 34 Minuten..."
"Ja, okay! Ich hab's begriffen!"
Blaffte sie, doch ihre Worte endeten in einem Hustenanfall.
"Wasser... gib mir was zu trinken."
"Negativ. Bewusst herbeigeführte Veränderungen des Organismus sind erst nach einer abgeschlossenen Erstuntersuchung und auf Geheiss des behandelnden Arztes zulässig."
Zum Teufel mit den Regeln. Noa hustete erneut, versuchte Spucke in ihrem Mund zu sammeln und diese zu schlucken. Ihr Hals musste von innen so rot sein wie ein aufgekratzter Insektenstich, aber einer von der ganz großen Sorte.
"Wer ist mein behandelnder Arzt?"
Wollte sie wissen. Der sich durch einen handtellergroßen Repulsorlift bewegende Medidroide schwebte an die linke Kopfseite ihres Bettes.
"Dr. Tinder Foxx."
Mit einem schmalen Glühstab leuchtete der Droide grelles Licht geradewegs in ihre Pupillen. Noa kniff die Augen zu.
"Au! Wie wär's mit einer Warnung?"
"Verzeihung."
Hätte sie nicht bereits gelegen, sie hätte sich erschöpft in die Kissen zurück fallen lassen. Sie spürte noch immer die Steifheit ihres Körpers. Ihren Arm zu heben und ihre Hand zu bewegen fühlte sich an, als steckte sie irgendwo fest, als hätte sie einen Teig geknetet, der zu klebrig geworden war. Warum ausgerechnet sie einen Teig hätte kneten sollen, wusste Noa nicht. Das wäre eher etwas für Cloé gewesen, die auf Lianna saß und zum Glück nicht ahnen konnte, wie es ihrer Schwester ging. Und sie durfte es auch nie erfahren. Cloé hatte genug mit gemacht, mehr als jemals fair ihr gegenüber gewesen war. Sie hatte um ihre Brüder zittern müssen, hatte ihren Vater angefleht sich vom Widerstand auf Coruscant zu distanzieren, um ein Zeichen für die Familie zu setzen und seine Kinder und Enkelkinder nicht zu gefährden. Sie hatte mit Noa gerungen, immer und immer wieder, ihnen geschworen sich niemals in die Angelegenheiten der Defender verwickeln zu lassen, und doch war am Ende sie diejenige gewesen, die durch das Imperium aus ihrer Heimat vertrieben worden war. Cloé hatte bezahlen müssen für etwas an dem sie niemals beteiligt gewesen war, hatte ihr Leben aufgegeben und gesehen, wie der Krieg gegen das Imperium ihre Schwester beinahe das Leben gekostet hatte. Mehr als jeder andere fühlte Noa sich schuldig - und sie war es auch. Obwohl sie sich ausgesprochen und versöhnt hatten, hatte sie das Gefühl, etwas bei Cloé wieder gut machen zu müssen. Was aber tat sie stattdessen? Sie ließ sich ein zweites Mal übel zurichten und das während eines Jobs, der viel sicherer hätte sein sollen. Dieses Mal war sie dem Tod sogar noch knapper entgangen.
"Eine Lungenembolie ist eine kritische Angelegenheit. Bei Ihnen ging es nur noch um Sekunden. Mr. Aldridge Trineer hat ausgesagt, Sie wiederbelebt und mit Sauerstoff versorgt zu haben. Wäre dies nicht geschehen..."
Dr. Foxx war ein Mann mit einem vertrauenswürdigen, runden Gesicht. Seine Stirn war ein wenig hoch, seine Wangen mit feinen Narben überzogen, doch seine braunen Augen huschten freundlich zwischen Noa und dem Report in seinen Händen hin und her.
"Miss Cortina, ich fürchte Sie werden einige Fragen beantworten müssen, sobald das TPD eintrifft. Wir mussten die zuständige Stelle über Ihr Aufwachen informieren."
"Ich habe keine Zeit für so was."
Der Arzt hatte Noa so viel Wasser erlaubt wie sie trinken konnte. Zu Sprechen fiel ihr jetzt leichter und sie schaffte es sogar, ihr Glas selbst fest zu halten. Mit jeder verstreichenden Minute verdrängte ihr Körper mehr von dem Narkosemittel, das ihr für den Aufenthalt im Bacta-Tank gespritzt worden war, und das ihre Glieder und Muskeln hatte schläfrig werden lassen. Ihre Kraft kehrte zurück, wenn auch so langsam wie ein Frachter, dem man den Hyperantrieb ausgebaut hatte.
"Keine Zeit? Ich bedaure, aber Sie haben keine Wahl. Die Kollegen vom TPD sind an ihre Vorschriften gebunden. Es sei denn..."
"Ja?"
"Es sei denn, Sie fühlen sich noch nicht stark genug für eine Vernehmung. In diesem Falle wäre es meine Pflicht, meine Patientin vor Stress zu schützen, der ihre Genesung behindern würde."
Noa dachte nach. Für das TPD hatte sie nichts mehr übrig. Wo waren die "Kollegen" gewesen, als... als sie... und was hatten sie dagegen unternommen, dass Deanna Trineer... einfach nicht mehr da war? Aldridge und sie hatten sich aus dem Ferienhaus befreit, alleine! Niemand war dort gewesen und niemand hatte jetzt das Recht, ihre Geschichte zu hören, an die Noa krampfhaft versuchte nicht zu denken, seit sie aufgewacht war!
"Im Gegenteil, Doctor."
Sie stellte das Glas auf dem Tisch zu ihrer rechten Seite ab, stützte sich auf die Ellbogen und kämpfte sich in eine aufrechte Position.
"Ich fühle mich blendend. Wann werde ich entlassen?"
Dr. Foxx hätte nicht überraschter aussehen können, hätte sie ihm erzählt, dass sie seine uneheliche Tochter wäre.
"Miss, Sie sind noch nicht in der Lage, das Krankenhaus zu verlassen. Ich sagte bereits, dass Ihre Rückenverletzungen noch Schonung benötigen."
"Sie sagten auch, dass Sie aufgrund der Schwere der Verletzungen hoch konzentriertes Bacta verwendet haben."
Eigentlich hätte Noa noch nicht die Stärke haben sollen, so verbissen zu argumentieren, doch sie musste um jeden Preis verhindern, dass Cloé erfuhr, was ihr zugestoßen war. Sie musste Aldridge sehen und sich bei ihm bedanken, musste von Naboo verschwinden und den Fragen des TPD entgehen, und Cris wiedersehen und ihm sagen, dass sie eine zweite Chance mit ihm wollte. Oder eine dritte. Sie hatte vergessen, wie oft sie es schon vermasselt hatten.
"Das ist richtig und die Ergebnisse sind für dieses frühe Stadium zufriedenstellend. Das bedeutet jedoch nicht..."
"Also halten Sie mich gegen meinen Willen fest, ja?"
Der arme Dr. Foxx wusste kaum, wie ihm geschah. Es tat Noa Leid, ihn so zu überrumpeln, es war ja nichts persönliches. Er verstand nur einfach nicht, konnte nicht verstehen.
"Doctor, haben Sie meine ID gesehen?"
Diese Frage schien völlig aus dem Kontext gerissen, doch dem war nicht so.
"In Ihrer Akte, natürlich."
Der Arzt tippte etwas in sein Datapad ein. Er wirkte jetzt gleichgültiger. Von einem sanften Rauschen begleitet, schwebte der Medi-Droide, der seit Eintreffen von Dr. Foxx unsichtbar geworden war, zurück ins Zimmer.
"Dann wissen Sie, dass ich nicht von diesem Planeten stamme."
Die freundlichen Augen des Arztes richteten sich auf sie und Noa sah ein Lächeln auf seinem Mund.
"Glauben Sie mir, Miss Cortina, dass würde niemand annehmen, der Sie reden hört."
Obwohl er sie mit seiner Antwort aufzog, fiel es Noa schwer, sich über ihn zu ärgern, vielleicht weil sie zu erschöpft war, oder weil sie insgeheim wusste, dass er Recht hatte - in beiden Punkten.
"Ich bin Coruscanti, Dr. Foxx. Sie halten bewusst eine imperiale Bürgerin gegen ihren Willen fest. Fürchten Sie nicht, dass das Konsequenzen für Sie haben wird?"
Es war ein widerliches Argument, das Noa benutzte und sie wusste es. Sie selbst hasste ihre imperiale ID und den Stempel, der ihr damit ungefragt anhaftete. In diesem Moment aber war er zum ersten Mal willkommen, weil sie ihn für sich ausspielen konnte. Schade nur, dass Dr. Foxx leider völlig ungerührt blieb. War Noa nicht deutlich genug geworden?
"Nicht nur für Sie. Für ganz Naboo!"
Trieb sie ihre Behauptungen auf die Spitze. Im schlimmsten Fall hätte man dies als Drohung verstehen können.
"Miss Cortina."
"Die imperiale Verwaltung nimmt solche Vergehen sehr, sehr ernst."
"Miss Cortina, Ihre ID ist nicht länger gültig."
Was? Ausnahmsweise sprachlos starrte Noa ihren Arzt an. Er hatte ihrem einzig verbliebenen Argument den Wind aus den Segeln genommen.
"Coruscant befindet sich nicht länger unter imperialer Besetzung. Ihre ID wird umgeschrieben, sobald Sie sich bei den zuständigen republikanischen Behörden melden."
Ein Schlag in die Magengrube hätte Noa Chanelle Cortina nicht unvorbereiteter treffen können. Tausend Emotionen rollten aus unterschiedlichen Richtungen auf sie zu. Sie drohte, darunter begraben zu werden. Coruscant war frei, Jules schlug sie mit seinem Gürtel, Deanna opferte sich, Cris zeigte ihr Lorraines Bild. Aldridge heulte wie ein Kleinkind, Jules fasste ihr an den Busen, Donnie blutete an der Schläfe, Noa fror in der dunklen Kühlkammer. Sie lebte, doch sie würde Amata nie wieder sehen.
"Coruscant ist... wieder Teil der Republik?"
Noas Augen füllten sich mit Tränen, als die Nachricht bei ihr ankam. Es waren Tränen für ihren Heimatplaneten, für das Leid das erduldet worden war und Tränen für alle, die sie gekannt hatte und die gestorben waren, aber auch Tränen für sich selbst, weil sie so viel verloren, so viel gesehen und so vieles nie vergessen würde.
"Ja."
Eine Nadel stach in ihren Arm. Sie hatte dem Medi-Droiden keine Beachtung mehr geschenkt. Ruhe sank in Noas Kopf und vertrieb die Emotionen. Sie fühlte sich wieder schwer und schläfrig. Sie war ein Stein, der nichts hörte und nichts sagte, sondern einfach nur mit der Zeit dahin glitt. Nach Naboo, nach Coruscant, oder in den Schlaf. Die sich entfernenden Schritte des Arztes hörte sie noch, dann war es still und obwohl sie sicher war, dass gerade noch das Licht in ihrem Zimmer eingeschaltet gewesen war, war es plötzlich stockdunkel. Es war jedoch eine angenehme Finsternis, eine in der es nichts gab als Noa und vielleicht nicht einmal das. Sie fühlte nichts, dachte nichts. Sie war ein Stein, der schlief.
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