[Weltraum vor New Brigia, DRD Volcanic, Brücke]- Commander Aaronson, Aviendha, Nylar, 15t88, Brückenoffiziere
Unter anderen Umständen hätte es der Situation wohl eine gewisse Komik verliehen, dass Aviendhas Meldung an Aaronson sich praktisch ein paar Sekunden nach ihrer Äußerung relativierte und im Grunde vollkommen zunichte gemacht wurde – denn hier, irgendwo im System, befand sich ungeachtet der Funkstille von New Brigia noch ein weiteres imperiales Schiff. Sprachlos konnte die Legatin zunächst nur des Abbild der antworteten Person anstarren, eine Frau, überraschenderweise in etwa in ihrem eigenen Alter, die mit ihren blonden Haaren für einen fast albernen Moment wirkte wie ein himmlisches Wesen, herabgestiegen, um die weltlichen Sünder von ihren Qualen zu erlösen. Sie identifizierte sich als Kommandantin der Exogorth, eines Schiffes derselben Bauweise wie auch die Volcanic, nur anscheinend – abgesehen von fehlenden Jägern, auch wenn Aviendha selbst nicht wusste, wie viele Maschinen Kreuzer dieses Typs üblicherweise in ihren Hangars mitführten – vollständig einsatzbereit und wehrhaft. Das war allerdings alles, was die Frau – Commander Elisabeth Campton – an positiven Neuigkeiten zu bieten hatte. Ihre Worte bestätigten die schlimmsten Befürchtungen der Legatin – New Brigia war zerstört, Gouverneur Preston wie Gouverneur Kerrigan tot, Opfer eines yevethanischen Aufstands, der sich ganz offenbar nicht nur auf N’zoth, sondern auf alle Planeten im Koornacht-Sternenhaufen mit yevethanischer Präsenz erstreckte. Und von diesen gab es viele.
„Commander Aaronson…“, murmelte die amtierende Statthalterin des Imperators auf N’zoth leicht benommen.
„Das… sollten sie sich anhören…“
Dieser Ausspruch war indes – natürlich – viel zu spät. Mittlerweile hatte auch die Predator offenbar Wind von diesem unerwarteten Gespräch bekommen, da auch das Hologramm Hacketts Bezug auf die Anwesenheit der Exogorth nahm. Während sich das Gespräch zwischen den Offizieren entwickelte, trat Aviendha einen Schritt von der Kommunikationskonsole zurück, an der 15t88 scheinbar immer noch damit beschäftigt war, den Kommunikationsverkehr zu untersuchen – vielleicht gestattete ihm seine Programmierung immer noch, mit einem Hilferuf von New Brigia zu rechnen, auch wenn dies nach Aviendhas persönlicher Einschätzung höchst unwahrscheinlich war. Sie war jetzt – wie schon während der Flucht von N’zoth – Zuschauerin, ihrer eigenen Domäne längst beraubt. Die Namen der Personen, von denen die nächsten Minuten maßgeblich abhängen sollten, waren Aaronson, Campton und Hackett.
Wie aufs Stichwort erschien in diesem Moment Lieutenant Tom West auf der Brücke – der Mann also, dem es zu einem gewissen Grad zu verdanken war, dass sie es überhaupt bis nach New Brigia (oder auch nur auf die Brücke der Volcanic) geschafft hatten. Zu Aviendhas Überraschung war nicht Commander Aaronson sein erstes Ziel, was zu erwarten gewesen wäre, ging man davon aus, dass West hierhergekommen war, um einen Bericht abzuliefern. Die einzige Erklärung dafür, dass sich der Armeeoffizier stattdessen in ihre Richtung orientierte, war wohl, dass West den ranghöheren Aaronson und dessen Konsultation mit den anderen beiden Schiffskommandanten nicht stören wollte. Als er ihr dann jedoch eine mit Tabletten gefüllte Dose reichte und erklärte, dass es sich um leichtes Schmerzmittel aus der Krankenstation handelte, schaffte sie es gerade so, ihre Kinnlade an Ort und Stelle zu halten und ihn nicht ungläubig anzustarren.
„Oh… danke, Lieutenant… das ist… sehr aufmerksam.“
Dankbar lächelte sie den Offizier an, ein etwas flackerndes Lächeln, da seine Worte ihn wieder an den Grund erinnert hatten, aus dem sie überhaupt ein Schmerzmittel benötigte. Und schon war da das leicht unangenehme Pulsieren zurück, das sie mit jedem Herzschlag daran erinnerte, wie knapp sie dem qualvollen Tod von der Schippe gesprungen war. Oder besser: wie knapp der beherzte Einsatz des Lieutenants sie von dieser sprichwörtlichen Schippe herunter befördert hatte.
Das Einschreiten des Kommandanten der Volcanic, der nun doch den Bericht des anderen Mannes einforderte, entband sie von der Notwendigkeit, aus ihren konfusen Gedanken eine weitergehende (und vor allem Sinn machende) Antwort herauszuarbeiten, sodass sie, nachdem West sich abgewandt hatte, zwei der dargebotenen Tabletten schluckte und mit dem Rest des Tees, den sie ebenfalls dem Soldaten zu verdanken hatte, herunterspülte. Ein kurzer Blick in Richtung Nylar, die ein wissendes Grinsen zur Schau trug, ließ sie leicht erröten, doch sie verkniff sich eine entsprechend scharfe Zurechtweisung ihrer Untergebenen. Ein einer Situation wie jener, in der sie sich momentan befanden, konnte man wohl für eine jede Auflockerung der Atmosphäre dankbar sein.
Schließlich jedoch – ein leichtes Zittern ihrer Muskeln ignorierend, die sich wohl nichts mehr wünschten, als dass sie sich nach einer heißen Dusche in ein warmes Bett verkroch – straffte die Legatin ihre Körperhaltung und vertrieb jeden finsteren Gedanken, den etwa das Bewusstsein des vor ihnen liegenden Gefechts verursacht haben mochte. Es war ihr nicht entgangen, dass im Gespräch zwischen Aaronson und Campton ihr Name gefallen war. Natürlich war sie bereit, mit Hilfe von Nylar und 15t88, die Besatzung des Dreadnaughts durch die Erledigung nichtessentieller Aufgaben, die noch dazu ihre eigentliche Expertise streiften, zu entlasten, selbst wenn die meisten Angehörigen der Sektorverwaltung sich womöglich dafür zu fein gewesen wären.
[Weltraum vor New Brigia, DRD Volcanic, Brücke]- Commander Aaronson, Lieutenant West, Commander Hackett (Holo), Commander Campton (Holo), Aviendha, Nylar, 15t88, Brückenoffiziere