Ankunft auf Tatooine
Die Geschichte von Episode II ist schnell erzählt: Gleich im ersten Drittel des Films stürzen sich Anakin und Obi-Wan in eine atemberaubende Verfolgungsjagd, in deren Verlauf sie sich ungerührt in schwindelerregende Tiefen stürzen, als wüssten sie im voraus um die Unmöglichkeit ihres Todes. Anakin und Obi-Wan werden zum Schutz der Senatorin Amidala abgestellt. Die Galaktische Republik droht zu zerfallen, und die "dunkle Seite der Macht" bedroht Freiheit und Demokratie. Sie wird repräsentiert durch eine übermächtige "Handelsförderation", gelenkt von galaxisweit operierenden Grosskonzernen.
Der Krieg der Sterne ist offenkundig ein Wirtschaftskrieg, wie gehabt. Aber warum, um alles in der Welt, die Monopolkapitalisten-Föderation unbedingt den harmlosen Planeten Naboo erobern wollen, bleibt im Dunkel verlorener Drehbuch-Seiten verborgen.
Bizarre Spiritualität
Was fasziniert die Menschenmassen so daran, dass sie gar von einer Star-Wars-Religion sprechen, und das trotz der schlechten Kritiken, die jeder Film über sich ergehen lassen musste?
In einem Interview räumte zwar George Lucas ein, dass Glaube und Hoffnung sicherlich zentrale Themen in seinen Filmen seien. Doch so weit wie ihm das Filmemacher, Francis Ford Coppola, vorgeschlagen hatte, wolle er nun doch nicht gehen: gleich eine eigene Religion zu gründen. Es sei sicher nicht seine Absicht, eine Ersatzreligion zu liefern. Wenn man sich den Star-Wars-Kult allerdings genauer anschaue, musste Lucas zugestehen, könne man schon zu diesem Schluss kommen. "Ich muss aber zugeben, dass die Begeisterung der Leute für mich manchmal sehr bizarre Formen annimmt."
Die Wirklichkeit hat ihn längst eingeholt: Es gibt seit neustem Buddhisten, Juden, Katholiken, Protestanten, Moslems und Jedi. Mit einer E-Mail in Neuseeland fing alles an: Darin wurden Leute ohne Konfessionszugehörigkeit aufgefordert, bei einer Volkszählung im Britischen Königreich ihre Religion mit "Jedi" anzugeben. Bei mehr als 8000 Einträgen müsse Neuseeland nämlich "Jedi" als offizielle Religion anerkennen. Dasselbe Spiel folgte in Australien. Mit einem Bussgeld von 1000 Dollar versucht dort die Regierung, diesem dem Star-Wars-Wahn Herr zu werden.
Der E-Mail-Aufruf ging auch nach Grossbritannien. Dort mussten sich mindestens 10000 Menschen als "Jedi"-religiös eintragen. Das geschah dann auch. Das Formular, auf dem man seine Religioneintragen konnte, wurde um die Zeile "Jedi" erweitert. Neben anderen, alteingesessenen Religionen gab es nun ganz offiziell dieses Extrafeld "Jedi". Begeistert nehmen Star-Wars-Fans diese neue Option auf.
Ein Brite äussert sich voller Enthusiasmus zu dieser Jedi -Aktion: "Ich finde den Gedanken toll: Wenn in zehn Jahren jemand in die Statistik guckt, dann sieht er, dass ein bestimmter Bevölkerungsanteil 'Jedi' ist. Wir fühlen uns als Jedi-Ritter", teilt Luke Housego per E-Mail den Lesern des Magazins Wired mit: "Star Wars gibt uns Spiritualität. Es ist genauso, wie über die Bibel, den Koran oder die Torah nach einem höheren Selbst zu suchen. Mystik habe ich von Obi-Wan gelernt, nicht von Johannes dem Täufer."
Science Fiction Epos als Ersatz-Religion?
Natürlich ist es unter Film-Autoren kein Geheimnis, dass man seine Zuschauer dann am betroffensten macht, wenn man im kommerziellen Film mythologische bzw. religiöse Elemente einsetzt.
(...) "Die Macht" ist die eigentlich Grundlage des Films, sozusagen sein Ethos. Sie bestimmt den Lauf der Dinge im Star-Wars-Universum und befähigt Menschen bzw. andere Wesen, spezielle Fähigkeiten zu entwickeln: "... sie umgibt uns, durchdringt uns, sie hält die Galaxis zusammen ... sie ist überall." Das klingt fast schon biblisch und christlich. Wie die Macht in Star Wars ist Gott immer um einem, umgibt die Menschen, spendet Kraft und Hoffnung (vergleiche Psalm 139).
Die Botschaft in den Filmen lautet: Die "dunkle Seite der Macht" ist derart mächtig, dass sie auch den besten Menschen zu korrumpieren vermag. Der Auserwählte soll das Böse nicht bezwingen, da das Böse immer existieren wird und nicht zu bezwingen ist. Er soll vielmehr den Ausgleich schaffen zwischen Gut und Böse. Die zwei Mächte sollen im Einklang miteinander stehen.
Einer der zentralen Sätze der Star-Wars-Saga lautet: "Möge die Macht mit euch sein ...!" Dieser Satz begegnet einem immer bei entscheidenden Übergängen und fehlt in keinem Star-Wars-Film. Die Tatsache, dass dieser Segensspruch in den Star-Wars-Filmen aufgenommen wurde, zeigt, dass das Bedürfnis der Zuschauer nach hoffnungsvollem, Trost spendendem Segen sehr gross ist. Man könnte auch von einer wachsenden Segensbedürftigkeit und einem ausdrücklichen Verlangen nach dem (nicht nur) kirchlichen Zuspruch von Segen in den verschiedensten Lebenssituationen sprechen.
Die Macht stellt die zentrale Grösse in den Star-Wars-Filmen dar. An der Beziehung der Protagonisten zur "Macht" entscheidet sich das Geschick der ganzen Galaxis. Die Macht ist eine Gottheit ohne Geschichte. Sie ist nicht eine Zusammenfassung der Taten Gottes, wie es die christliche Theologie in der Trinitätslehre zum Ausdruck bringt, sondern vielmehr eine esoterische Gottheit. Wer an ihr partizipiert, kann Laserschwerter oder Raumschiffe schweben lassen, sich also über die Gesetze des Raumes hinwegsetzen. Ausserdem gibt die "Macht" die Möglichkeit, nicht von der "Macht" erfüllten Menschen den eigenen Willen telepatisch aufzuzwingen. Mittels dieser Fähigkeiten ist der, der die Macht bewirken kann, den anderen Menschen überlegen.
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Jedi Ritter
Es gibt noch weitere religiöse Parallen. Die eigentliche Hauptfigur der ersten drei Star-Wars- Filmen verkörpert der Junge Anakin Skywalker. Er ist von einer starken Aura umgeben, und die Macht ist, wie alle zu spüren glauben, besonders stark in ihm. Man hält ihn sofort bei seiner ersten Begegnung für den vor langer Zeit prophezeiten Auserwählten, den Erlöser, der die Macht wieder ins Gleichgewicht. Eine meist wenig wahrgenommene Szene in Episode I zeigt, wie Ankins Mutter erklärt, dass ihr Sohn das Ergebnis einer jungfräulichen Geburt sei.
Obwohl Anakin ein Sklavenjunge ist, so wie die unterdrückten Juden biblischer Zeit, und ein Talent für die Mechanik hat, das sich mit dem Talent des jungen Jesus für die Tischlerei messen kann, wird er auch, wie im tibetischen Buddhismus, als der Auserwählte bezeichnet.
Christentum und Taoismus, Technologie und Mystizismus - Lucas liefert ein religionsgeschichtliches Mischmasch und greift dabei auch in die Mottenkiste Hollywoods. (...)
Auch im aktuellen Film (Episode II) nimmt ähnliche Anleihen auf. Da wird ein paradisischer Planet gezeigt, dessen Regierung in einem überdimensionalen Marmor-Vatikan tagt. In einem Kolosseum des Bösen werden im Stile von Quo Vadis die gefangenen Hauptfiguren einem aussichtslosen Kampf ausgeliefert, und der Wohnort des Hauptschurken erinnert an Vorstellungen der Hölle aus dem Mittelalter.