Okay, jetzt ist die Diskussion im Endeffekt eh genau in das abgeglitten, was ich kritisiert und für so unnötig befunden hatte
Meine Güte. Mary Sue ist nur ein Begriff, kein sexistisches oder geschlechtsspezifisches Konzept! Es kommt mir so albern vor, sich an dem Wort aufzuhängen, nur weil... ja, warum eigentlich? Weil es zufällig ein weiblicher Name ist? Und sich damit negativ auf Frauen bezieht? Sorry: albern! Mary Sue nennt man Mary Sue, nicht weil man damit kollektiv alles Weibliche mit einem weiblichen Namen ansprechen will, sondern weil es nun mal der Name einer zufällig weiblichen Figur war, die als Träger eines Charakterkonzepts fungierte, das allerlei negative erzählerische Eigenschaften in sich trug, von denen jedoch keine einzige geschlechtsbezogen und damit in irgendeiner Weise sexistisch gewesen wäre. Okay, Spock, Kirk und McCoy verlieben sich alle in Mary Sue, aber das war eine
Fanfiction(-Parodie). Wäre es ein Mann namens Marty Sue gewesen, dann wären die drei halt homosexuell gewesen und es wäre auf's selbe hinausgelaufen.
Dass der Begriff Mary Sue per se problematisch wäre, will mir also in keiner Weise in den Kopf gehen. Ich verknüpfe das Wort so sehr mit der (schlecht ausgeführten) charakterlichen Idee dahinter, dass ich üblicherweise sogar nicht mal gendere und auch Männer einfach als Mary Sue bezeichne und nicht als Gary Stu oder dergleichen, weil ich es nie bedeutsam gefunden habe, diesen Begriff zu gendern - einfach weil er mit dem Geschlecht so gar nichts zu tun hat, sondern nur mit der Art, wie eine Figur geschrieben ist.
Wie mein alter Thread zeigt, benutze ich diesen Begriff, geschlechtsunabhängig, schon seit mehr als einem Jahrzehnt und das auch ohne jede Reue. Und Gender Studies ändern in meinen Augen jetzt auch nichts daran, weil der Begriff eben mit dem Geschlecht ja sowieso nicht zu tun hat.
Die einzige Argumentation, die ich daher in diese Richtung gehend akzeptieren könnte, wäre, dass man kritisch hinterfragen möchte, ob man nicht aufgrund sexistischer Alltagstendenzen Rey zu Unrecht als Mary Sue sieht (wobei ich nochmal betonen will, dass ich die Deklaration als Mary Sue per se, bei berechtigter Kritik,
nicht als problematisch sehen kann). Hiermit könnte ich vielleicht sogar was anfangen – dennoch wird die Argumentation schnell müßig, denn wenn ich jemandem beim Betrachten einen Gender Bias unterstellen will, dann dürfte ich aber fairerweise auch nicht von der Prämisse ausgehen, dass der Gender Bias nur in diese Richtung funktioniert. Denn vielleicht ist Rey ja tatsächlich ein nicht so gut geschriebener Charakter,
weil der Gender Bias sich schon beim Entwerfen und Schreiben der Figur zeigt und nicht erst beim Konsumieren des Werkes!? Und genau das meinte ich auch vor ein paar Seiten schon damit, dass es eigentlich schon einen immanent sexistischen Charakter hat, wenn "strong female characters" auf Teufel komm raus mit ihren männlichen Kollegen gleichziehen und sie auch oftmals übertreffen müssen, um was zu gelten. Sorry, aber das ist doch alles ziemlicher Käse. Niemand hat bei Ellen Ripley darüber nachgedacht, ob sie eh nicht als zu schwach oder zu stark neben den männlichen Figuren wirkt. Nicht mal beim 2. Teil, wo sie mit den Marines unterwegs ist. Ripley war 'ne verdammt starke Figur, und sie war halt zufällig eine Frau. Hat damals aber niemanden gestört, weil es einfach so organisch war. Sie hat charakterlich überzeugt, und das nicht ihrem Geschlecht zum
Trotz, sondern im
Einklang mit ihrem Geschlecht. Wenn eine Figur taff ist und in dieser taffen Rolle überzeugt, ist ihr Geschlecht auch völlig unbedeutet, weil es taffe Frauen und Männer gleichermaßen gibt (so wie es gleichermaßen Weicheier gibt). Ebenso umgekehrt, wenn eine Figur in ihrer Erzählweise nicht überzeugt, rettet auch das Geschlecht sie nicht in die Authenzität hinüber.
Was ist jetzt aber letzten Endes die Charakterisierung als Mary Sue und warum ist Rey davon betroffen? Ich finde, dass sich diese Fragen aus dem Ursprung des Begriffs erschöpfend beantworten lassen:
A Trekkie's Tale schrieb:
"Gee, golly, gosh, gloriosky," thought Mary Sue as she stepped on the bridge of the Enterprise. "Here I am, the youngest lieutenant in the fleet - only fifteen and a half years old." Captain Kirk came up to her.
"Oh, Lieutenant, I love you madly. Will you come to bed with me?" "Captain! I am not that kind of girl!" "You're right, and I respect you for it. Here, take over the ship for a minute while I go get some coffee for us." Mr. Spock came onto the bridge. "What are you doing in the command seat, Lieutenant?" "The Captain told me to." "Flawlessly logical. I admire your mind."
Captain Kirk, Mr. Spock, Dr. McCoy and Mr. Scott beamed down with Lt. Mary Sue to Rigel XXXVII. They were attacked by green androids and thrown into prison. In a moment of weakness Lt. Mary Sue revealed to Mr. Spock that she too was half Vulcan. Recovering quickly, she sprung the lock with her hairpin and they all got away back to the ship.
But back on board, Dr. McCoy and Lt. Mary Sue found out that the men who had beamed down were seriously stricken by the jumping cold robbies , Mary Sue less so. While the four officers languished in Sick Bay, Lt. Mary Sue ran the ship, and ran it so well she received the Nobel Peace Prize, the Vulcan Order of Gallantry and the Tralfamadorian Order of Good Guyhood.
However the disease finally got to her and she fell fatally ill. In the Sick Bay as she breathed her last, she was surrounded by Captain Kirk, Mr. Spock, Dr. McCoy, and Mr. Scott, all weeping unashamedly at the loss of her beautiful youth and youthful beauty, intelligence, capability and all around niceness. Even to this day her birthday is a national holiday of the Enterprise.
Falls es nicht deutlich rüberkommt, handelt es sich bei dem Ursprungstext um eine Parodie auf Self Insertion Fanfictions, die tatsächlich häufig aus weiblicher Feder stammen, aber keinesfalls ausschließlich. Der Text persifliert knackig auf den Punkt gebracht diverse erzählerische Charakterisierungen, denen, so wage ich mal zu sagen, gerade viele Schreibanfänger anheim fallen. Und nichts davon ist untrennbar mit ihrem Geschlecht assoziiert – eine umgekehrte Erzählung mit einer männlichen Figur in Marys Sues Rolle könnte man sicher in der einen oder anderen
Charmed- oder
Sailor Moon-Fanfiction finden. TV Tropes fasst, unter Berücksichtigung einer fehlenden universellen Definition, die Merkmale einer Mary Sue wie folgt zusammen:
TV Tropes schrieb:
The prototypical Mary Sue is an original female character in a fanfic who obviously serves as an idealized version of the author mainly for the purpose of Wish Fulfillment. She's exotically beautiful, often having an unusual hair or eye color, and has a similarly cool and exotic name. She's exceptionally talented in an implausibly wide variety of areas, and may possess skills that are rare or nonexistent in the canon setting. She also lacks any realistic, or at least story-relevant, character flaws — either that or her "flaws" are obviously meant to be endearing.
She has an unusual and dramatic Back Story. The canon protagonists are all overwhelmed with admiration for her beauty, wit, courage and other virtues, and are quick to adopt her as one of their True Companions, even characters who are usually antisocial and untrusting; if any character doesn't love her, that character gets an extremely unsympathetic portrayal. She has some sort of especially close relationship to the author's favorite canon character — their love interest, illegitimate child, never-before-mentioned sister, etc. Other than that, the canon characters are quickly reduced to awestruck cheerleaders, watching from the sidelines as Mary Sue outstrips them in their areas of expertise and solves problems that have stymied them for the entire series. (See Common Mary Sue Traits for more detail on any of these cliches.)
In other words, the term "Mary Sue" is generally slapped on a character who is important in the story, possesses unusual physical traits, and has an irrelevantly over-skilled or over-idealized nature.
Ob und wieviel davon auf Rey zutrifft, möge doch jeder für sich entscheiden; für mich ist klar, dass die Dinge, die hier aufgezählt werden, eine ganze Reihe von Reys Eigenschaften auflistet und da ich die Mary Sue nicht für eine hochwertige literarische Kreation halte (denn sie wurde auch nicht so konzipiert, im Gegenteil), finde ich ihre Eigenschaften für eine authentische Figur daher auch nicht förderlich. Wer mit dem Begriff Probleme hat, kann sie meinetwegen stattdessen auch gerne als Rüsselhippofant bezeichnen, das ist mir eigentlich ganz gleich. Ich persönlich vermisse bis jetzt jede argumentative Grundlage, von dem Begriff abzulassen, und solange das so ist, werde ich ihn auch weiterhin benutzen. Gender Bias ohne konkrete Untermauerung reicht mir dabei als Schlagwort nicht. Denn erstens sind die oben gelisteten MS-Eigenschaften bei Rey vorhanden und ihr Geschlecht spielt keine Rolle, zweitens hat das auch niemand hinterfragt, als ich Michael Stackpoles Self Insertion-Charakter, Corran Horn, damit bezeichnet habe. Solange man der Figur also die gleichen Schnitzer in der Charakterisierung vorwerfen kann, ist ihr Geschlecht schlicht und ergreifend irrelevant und Kritik an der Wahrnehmung von Geschlechterrollen substanzlos.