Sluis Van (Sluis-System)

- Sluis Van - Geheime Anlage des NRGD - Prüfungskammer -
Dr. Nadira Korn, Leland Fontaine
Nadira Korn war eine unscheinbare Menschenfrau. Sie war Anfang 30, war durchschnittlich groß, durchschnittlich sportlich, durchschnittlich attraktiv. Ihr langweiliges, braunes Haar trug sie in einem Schnitt, dessen Trend mindestens vier Saisons zurücklag. Kurzum erzeugte sie keine besondere Aufmerksamkeit und niemand würde sie eines zweiten Blickes würdigen. Doch das war genau die Absicht, die Commander Koorshi verfolgte, als er ihr diese Aufgabe zuwies. Zwar war es nun gewissermaßen Tradition, dass neue Mitarbeiter des psychologischen Dienstes der Sektion 00 an den Evaluationen der Bewerber mitwirkten, doch die Idee, eine von Ihnen als Kandidatin auszugeben und wochenlang unter die Bewerber zu mischen … das war neu.

Nadira hatte dieses Subjekt nun lange genug studiert. Leland Fontaine war nicht unbedingt ein Einzelgänger, aber er hatte auch nicht aktiv die Nähe der anderen Kandidaten gesucht. Seine Herangehensweise an Probleme, die ihm entgegen geworfen wurden, war stets professionell durchdacht, analytisch. Wobei dies aufgrund seiner vorangegangenen Verwendung zu erwarten war. Er besaß seine Schwächen, aber nichts, was ein intensives Training der NRGD-Spezialisten nicht ausmerzen könnte.

Die Agentin setzte sich auf den unbequemen Stuhl, auf den auch Fontaine in der angrenzenden Kammer Platz nehmen würde. Sie erinnerte sich nur zu gut an das erste Mal, als sie auf einem dieser Stühle gesessen hatte. Die Warterei, der grelle Lichtkegel - das konnte einen schon anfängliche Nervosität bereiten. Zum Glück hatte sie das Ganze bereits hinter sich. Doch sie musste sich daran erinnern, wie es damals war, welche Gefühle und Gedanken in ihr gekeimt waren und diese nun reproduzieren, um das passende Schauspiel aufrechtzuerhalten.

Als sie der unsichtbaren Kamera in der Wand zunickte, zischte die Wand, die zuvor keinerlei Anzeichen abgegeben hatte, eine Tür zu sein, nach oben. Die beiden identischen Räume, die bis hierhin voneinander getrennt waren, verbanden sich zu einem symmetrischen Spiegelbild. Zu diesem Zeitpunkt stellte ihre Miene eine Mischung aus Überraschung und Nervosität zur Schau. Das explosive Gemisch, das sie schon damals empfunden hatte, aber geschickt unterdrücken konnte. Nun jedoch hatte sie wochenlang eine Rolle gespielt, zu der diese Reaktion durchaus passte.


“Sie?”, fragte Nadira gespielt überrascht, als sie das dunkelhäutige Gesicht von Fontaine erblickte. Dann sah sie sich um. In ihrem Raum und in dem identischen Gegenstück, in dem der Kandidat Platz genommen hatte, ehe sie den Blick fragend auf ihm ruhen ließ.

Dann öffnete sich jeweils ein Fach in der Mitte der Tische, von denen jeweils einer vor ihren Stühlen platziert war. Inszeniert hob Nadira ihr Kinn und schaute hinein. Darin lag ein Stück Flimsiplast, darunter eine Schachtel. Nadira griff nach ihrem und las die Botschaft, die darauf stand. Sie wartete, bis Leland dasselbe tat. Dann schaute sie abwechselnd von der Nachricht zum Kandidaten und zurück.


“Was … was steht auf Ihrem?”

Sie wusste natürlich, was draufstand.

‘Nur einer von Ihnen kann bestehen. Wer, entscheiden allerdings Sie beide. Auftrag: Eliminieren Sie den anderen Kandidaten.’

Nadira wartete. “Was steht auf Ihrem?” wiederholte sie. Ihre Stimme war eine perfekte Mischung aus vorsichtiger Neugier und unterschwelliger Anspannung. Vielleicht würde er nun versuchen, ihre Absichten zu lesen - ob sie wirklich verwirrt war, oder nur auf eine bestimmte Reaktion, eine bestimmte Antwort hinauswollte. Doch sie wusste, dass er wenig finden würde. Alles andere hätte sie zumindest überrascht. Sie hatte Wochen mit den Kandidaten verbracht, jeden von ihnen so ausführlich wie unauffällig beobachtet. Jegliches Misstrauen sollte sie durch ihre geduldige Unauffälligkeit abgebaut haben. Ob er sich jetzt überlegte, wie korrekt seine Einschätzung ihr gegenüber war?

“Wissen Sie, … ich frage mich gerade, wie Sie mich sehen.”

Sie ließ den Satz eine Sekunde im Raum stehen, ehe sie fortfuhr.

“Ich habe die anderen Kandidaten gehört, als sie über mich geredet haben. Die Unscheinbare. Durchschnittlich in jeder Kategorie, im unteren Drittel jedes Tests, keine herausragenden Qualifikationen, keine beeindruckenden Leistungen. Sie habe ich das nie sagen hören. Also, wie sehen Sie mich?”

Was sich jetzt wohl in seinem Kopf formen würde? Aber würde er offen mitspielen? Nadira spielte mit dem Flimsiplast in ihrer Hand. Sie ließ den Daumen dramatisch über die Oberfläche streichen.

“Wir beide haben einen Auftrag bekommen, nicht wahr?”

Sie ließ die Worte auf ihn wirken. Dann lehnte sie sich nach vorne, ihre Ellenbogen ruhten auf dem Tisch und sie senkte die Stimme, ehe sie erneut in das Fach vor sich griff und einen Blaster aus der unscheinbaren Schachtel hervorzog.

“Etwas extrem. Das würden S/sie nicht tun oder?”

Die Agentin ließ in ihrer Betonung bewusst offen, ob sie Leland oder den NRGD meinte. Doch sie verengte schauspielerisch die Augenbrauen, zog die Stirn gespielt nachdenklich in Falten und strich mit ihren Händen über den Blaster.

- Sluis Van - Geheime Anlage des NRGD - Prüfungskammer -
Dr. Nadira Korn, Leland Fontaine​
 
[Outer Rim | Sluis-System | Sluis Van | Geheime Anlage des NRGD | Agent Krakana (Leland Fontaine) und Dr. Nadira Korn (NPC)]

Die Dunkelheit ihm gegenüber lichtete sich mit dem Geräusch. Es war mechanisch und doch auch irgendwie lebendig und vollendet. Fast war es, als blickte er in einen Spiegel seiner Situation. Doch nein, es war kein Spiegel. Ihm gegenüber saß eine Frau (Nadira), die ihn entgeistert und verwirrt ansah. Lelands Ausdruck war vermutlich für einen Moment ähnlich, dann versuchte er sich so gut es ging zu fassen und seine Gesichtszüge zu neutralisieren.

Es brauchte einige schnelle Blinzler von ihm, bis er sich an die doch veränderte Lichtsituation gewöhnt hatte und sein Gegnüber erkannte. Es war Eine Teilnehmerin des Kurses oder wie man die letzten Wochen auch nennen wollte.

Ohne das er antworten konnte, fuhr ein verstecktes Fach auf, welches einen Zettel und eine Schachtel. Ein kurzer Seitenblick zu seinem gegenüber verriet ihm, das auch sie den Zettel ließ.

Leland brach der kalte schweiß aus und er schüttelte sich kurz vor Gänsehaut. Selbst seine so tollen Medikamente, die sein Gemüt recht gut zu kontrollieren vermochten, halfen in diesem Moment nichts. Das war perfide. Egal ob Spiel, Test oder Realität.
Seine Vernunft sagte ihm, dass die Gesetze der Neuen Republik so etwas explizit verbaten und unter schwere Strafe stellten.
Seine Erfahrung sagte ihm, dass der NRGD und speziell die Sagenumwobene Sektion 00 außerhalb des Gesetzes agierten und agieren mussten, gerade um die Republik und ihre Werte zu schützen.

Offenbar hatte sie etwas gesagt, was vollkommen in seinen Gedanken untergegangen war. Doch es riss ihn in die Realität und er blickte sicherlich mit einer zu hastigen Kopfbewegung zu ihr. Sie fragte natürlich was auf seinem Zettel stand. Mit einer Art Unschuld und Neugier in der Stimme die wirkte. Fast schon zu perfekt oder? Nein? Sie war gut, dass musste er ihr lassen. So erwartete er, dass Agentinnen die mehr Außenerfahrung als er hatten und andere Talente mitbrachten, agierten und mit Emotionen und Schauspielerei ihre Umgebung kontrollieren.

Die Frau, an deren Namen er sich beim besten Willen nicht erinnern konnte redete weiter, fragte, wie er sie sah, also bewertete.

Doch Leland hörte nicht richtig hin. Er legte den Zettel beiseite und nahm seelenruhig die Schatulle aus der Öffnung und platzierte sich zwischen sich und der Öffnung auf dem Tisch. Dann lehnte sich zurück und entspannte sich ein wenig, was auch in seiner Haltung klarer wurde. Dann legte er seine Hände flach links und rechts neben die Schatulle auf den Tisch.

Über den Inhalt der Schatulle war er sich soweit im klaren, dass sich dort eine Waffe befinden würde. Blaster oder Messer?
Er ging seine Optionen durch und dachte nacht:

Es war ein Test. Sie beide wurden getestet. Leland überlegte nur, was der Test war und was das erwartete Ergebnis sein sollte. Wenn es um Handlungsbereitschaft und Kaltblütigkeit ging war ein Messer ideal geeignet.

Bei einer psychologischen Variante wäre es ein Blaster, womöglich mit Platzpatronen oder reiner Schockfunktionen.

Die Frau redete über sich, über ihre Rolle in der Gruppe an Probanden und Kandidaten und ja das alles stimmte, doch es spielte für Leland keine allzu große Rolle. Ja, was hielt er von ihr? Wirklich schwer zu sagen, da er noch keinen wirklichen Grund gehabt hatte, sich ein Urteil über sie zu bilden.

Kaltblütigkeit mussten sie bei ihm nicht testen, es sei denn seit dem Ereignis auf Coruscant bestanden wieder Zweifel an seiner Bereitschaft über Leichen zu gehen. Ja, wenn man es so wollte, konnte man sagen, diese Kaltblütigkeit hatte womöglich seine Karriere erst in Gang gebracht.
Leland schwieg noch und beobachtete sie. Seine braunen Augen ruhten auf ihrer Haltung und ihren Händen. Sie spielte noch immer mit dem Zettel. Selstam auf jeden Fall. Dachte sie nicht so strategisch wie er es tat? Es war ersichtlich, dass in der Box eine Waffe sein würde. Oder wusste sie mehr als er? Hatte sie einen Blaster und er ein Messer? War das der Test.

Leland verkrampfte seine Finger etwas vor erneut steigender Anspannung und bohrte die Spitzen leicht in das Metall des Tisches, so dass es bereits Druckstellen und Schmerzen verursachte.

Die Frau redete nach einer kurzen Pause ohne Reaktion von ihm weiter.

Jetzt erst kam Bewegung in sie und sie griff in das Fach, beließ ihre Hände jedoch dort. Leland tat es ihr mit nur kurzer Verzögerung gleich und bewegte beide Hände zur Schachtel um sie zu öffnen. Darin lag eine kleine Vibroklinge. Also Kaltblütigkeit?

Er ließ seine Hände an den Seiten der Schatulle und blickte zu ihr auf.


"Das haben wir wohl den Gleichen nehme ich an? Bisher habe ich noch kein Urteil über Sie fällen müssen und auch keinen Grund gesehen, mich an solchen kindlichen Schwätzereien zu beteiligen.", antwortete er mit einem langsamen, eher nur angedeuteten nicken.

Jetzt war das Lügenwürfeln eröffnet. Hatte sie auch ein Messer? Dann war Leland klar überlegen, schätzte er seine Chancen ab. Hatte sie eine andere Waffe, war die Distanz zu groß, diese zu überwinden um sie zu erreichen. Messer werfen war für ihn keine valide Option, dass hatte er in seiner Ausbildung zuletzt trainiert und das mit mäßigem Erfolg.

Auch sein Gegenüber hatte die Karten noch nicht offenbart. Ihre Hände ruhten weiter in dem Fach und bewegten sich jedoch, sodass sie an ihrer Waffe irgendwie handtierte oder damit spielte. Das war schwer abzuschätzen, denn die Beleuchtung war dafür dann doch nicht die Beste.
Nadira, dass war ihr Name gewesen, mit dem sie sich vorgestellt hatte.


"Nadira, Extrem ist relativ", antwortete leland ihr, zu einer dunklen Statue erstarrt, die Hänge weiter auf den Rändern der Schatulle ruhend. "Würde der NRGD Agenten so gegeneinander antreten lassen können und damit davon kommen? Ja, definitiv. Doch es ist weder effizient noch logisch, die eigenen Assets so zu verheizen."

Leland wählte diesen Weg und wählte seine Worte vorsichtig und mit bedacht in einem ruhigen, warmen Ton. Er wollte sein Gegenüber daran erinnern, wo sie waren. Das dies in seinen Augen eine kontrollierte Situation darstellte. Und er wollte Informationen sammeln. Nuancen, um zu sehen, welche Waffe sie das versteckt aber scheinbar angriffsbereit in Händen hielt und wie sie die Situation bewertete. Der Analyst konnte sich sehr logisch und gut vorstellen, dass es genügend Agenten gab, die sich in so einer Situation ohne groß zu Zögern ihrer vermeitnlichen Konkurrenz entledigen würden. Doch war das das, was Sektion 00 wirklich suchte? Kaltblütige Killer, die auf Anweisung töteten ohne zu Zögern oder Alternativen zu suchen? Dann hatte Leland an diesem Punkt schon verloren, als er nicht unbewaffnet sofort nach Lesen des Zettels auf sie losgegangen war.

Nein, dass war nicht sein Ansatz und seine Arbeitsweise. Töten war kein Problem und bei einem klaren Auftrag mit klarer Motivation war er bereit wieder zum äußersten zu gehen, so viel war ihm klar. Doch diese Situation war zu unübersichtlich, zu unklar, um so unüberlegt und emotional gesteuert zu handeln.

Dass
Nadira nicht ebenfalls direkt ihn angriff gab ihm insofern recht, als auch sie erst die Situation einschätzen wollte. Das machte ihr beider Verhalten zu einem gewissen Punkt kongruent.

Leland grinste schief. Irgendwas an dieser ganzen Situation fühlte sich nicht richtig an. Ja, es war alles gut inszeniert, aber auch nicht so gut und realistisch, dass es nicht durchschaubar war oder man es merken konnte. Grade auf sowas wurden Agenten ja geschult. Er konnte nur nicht ganz sagen was es genau war.


"Nadira, Stimmen Sie mir zu, das diese ganze Situation und diese Gegenüberstellung zu perfekt inszeniert ist? Es kann doch nicht das Ziel des NRGD sein, hier nur die Bereitschaft zum kaltblütigen Mord zu testen. Das ist zu einfach, zu wenig durchdacht, nicht nuanciert...", fragte er sie direkt. Vielleicht ließe sie sich ja so in ihre Karten blicken, ob ihre Emotionen nur gespielte Fassade waren, oder ob sie wirklich dachte, dass sie in einer Pattsituation um Leben und Tod sein würden.

Wie ein guter Hochstapler verdrängte Leland das Messer in seiner Schatulle so gut es ging aus seinen Gedanken und zwang sich auch nicht nach unten zu schauen, um gar nicht in Gefahr zu geraten, so sich durch seine Mimik in die Karten schauen zu lassen. Er ging davon aus, dass Nadira dachte, er habe einen Blaster vor sich liegen. Natürlich konnte sich auch ein Messer haben, dann waren sie ebenfalls wieder bei einem Psychologischen Test.

[Outer Rim | Sluis-System | Sluis Van | Geheime Anlage des NRGD | Agent Krakana (Leland Fontaine) und Dr. Nadira Korn (NPC)]
 
- Sluis Van - Geheime Anlage des NRGD - Prüfungskammer -
Dr. Nadira Korn, Leland Fontaine​

Er sprach endlich. Nicht viel, nicht impulsiv - natürlich nicht -, aber er sprach. Nadira war geduldig geblieben, ohne eine Reaktion zu erzwingen. Das Setting tat sein Übliches: Der Druck der Gesamtsituation reichte aus. Fontaine hatte die Botschaft nicht ignoriert, sich aber auch nicht von ihr dominieren lassen. Statt über seine eigenen Gedanken zu stolpern, hatte er strukturiert gedacht, abgewogen und analysiert. Man könnte fast sagen, er tat, was er immer tat.

Und das war die erste relevante Beobachtung. Ersten Anzeichen nach bleibt er kognitiv leistungsfähig unter diffuser Bedrohungs- und Auftragslage. Nadira warf einen Blick auf seine körperlichen Anzeichen. Keine erkennbare Stressüberreaktion. Gut. Er schien seinen Residualstress im Griff zu haben, die Medikamente griffen wohl, kompensierten allerdings nur soweit, dass das erwünschte Stresslevel bestehen blieb. Die Agentin machte sich eine innerliche Notiz, im Anschluss eine ausführliche Blutanalyse zu empfehlen.


“Extrem ist relativ”, wiederholte sie seine Worte und nickte langsam. Es war nicht das, was er sagte, sondern wie er es gesagt hatte. Leland Fontaine saß dort mit einem Gesichtsausdruck, der an eine Statue erinnerte. Er war fast zu ruhig, zu überlegt, zu kontrolliert. Seine Finger, die ruhig neben der Schachtel ruhten, hielt er zu symmetrisch. Er reagierte auf den Druck, aber anders als es die meisten anderen getan hätten. Emotionale Fassung und Distanz waren typisch für jemanden, der gelernt hatte, mit Emotionen so sparsam umzugehen wie mit Vorräten in Kriegszeiten. Da war keine überflüssige Bewegung und keine unnötige Aussage. Er tat, was relevant war und was dem Ziel diente.

“Sie haben Recht. Es ist ineffizient. Unlogisch. Irrational sogar, zwei brauchbare Kandidaten einander auszuliefern, nur um einen von ihnen zu verschwenden.”

Sie sprach in sachlichem Ton, beinahe ohne Interesse. Doch innerlich war sie natürlich hellwach. Er erkannte die strukturelle Inkonsequenz des Szenarios und leitete daraus eine kontrollierte Skepsis ab. Vor ihrem geistigen Auge hakte Nadira den Punkt ‘Resistenz gegen Suggestion’ fast ab. Es fehlte ihr noch die spontane Initiative zur Umdeutung der Situation. Noch. Er würde schon noch drauf kommen.

Sie lehnte sich etwas zurück, während ihre Augen auf ihm blieben. Dann hob sie ihre Hand aus der Schachtel und offenbarte den Blaster.


“Aber was, wenn es nicht um Effizienz oder um Logik geht? Was ist das Ziel einer Situation ohne klare Regeln?”

Dann ließ sie eine Pause.

Seine ausgesprochenen Gedankengänge waren ja logisch strukturiert. Fast schon eine akademische Analyse der eigenen Lage. Doch wenn die Sektion 0 wissen wollte, ob er dazu in der Lage war, hätte sie nur seine Akte lesen müssen. Nadira musste sich zurückhalten, nicht aus Versehen zu lächeln. Er hatte verstanden, dass diese Situation inszeniert war - aber was ihm noch fehlte, war die Einsicht, dass das Verstehen allein kein Ausweg war.


“Logik ist nur ein schwacher Trost, wenn einer von uns den Abzug drückt.”

Ihre Stimme war weiter ruhig, fast sanft.

“Und das wissen Sie gewiss auch. Ich wette, Sie haben das schonmal erlebt - wer hat das nicht? Dass ein System sich widerspricht und trotzdem funktioniert. Und dass es am Ende nicht darauf ankam, was richtig oder logisch war, sondern auf das, was die handelnden Personen entschieden.”

Sie beobachte, ob sich seine Miene in irgendeiner Weise veränderte. Wie reagierte er? Natürlich wusste sie von Coruscant. Allerdings war es ein schmaler Grat, auf dem sie wandelte. Sie durfte ihn nicht bloßstellen - nicht zu früh zumindest. Ihre Rolle war noch nicht vollständig ausgespielt. Da war noch mehr, das sie herauskitzeln konnte, bevor es in die nächste Phase der Evaluation überging. Sie musste seine emotionale Schutzmauer noch auf Schwachstellen untersuchen.

“Sie sagen, das hier sei zu inszeniert”, fuhr sie fort, wobei sie den Blaster langsam in der Hand drehte. “Zu sauber, zu konstruiert. Nicht nuanciert genug.”

“Aber was, wenn das der Punkt ist, Fontaine? Dass wir erkennen müssen, wie künstlich das hier ist, aber wir trotzdem eine Entscheidung treffen müssen.”


Sie machte eine kleine Geste mit der linken Hand, die fast einladend wirkte.

“Wissen Sie, was ich denke? Ich glaube, man testet uns nicht darauf, ob wir Angst haben, eine Entscheidung zu treffen, sondern ob wir Angst haben, die falsche zu treffen.”

Dann stand sie auf, den Blaster auf Fontaine gerichtet.

“Und deswegen frage ich Sie jetzt ganz offen: Ist das ein Test, auf unsere Bereitschaft zu töten - oder auf unsere Fähigkeit, nicht zu töten?”

Sie baute ein absichtliches Zittern in ihre Stimme ein, so als wäre die Kandidatin, die sie spielte, mit einem gedanklichen Paradoxon konfrontiert worden, das sie selbst nicht lösen konnte und das sie verunsicherte. Für den Bruchteil einer Sekunde spielte sie mit ihrem eigenen Blick und deutete an, eine Entscheidung getroffen zu haben. Ihr Zeigefinger spielte bedrohlich am Abzug. Zwei Atemzüge lang. Dann öffnete sie die Finger und ließ den Blaster zurück in die Schachtel gleiten.

Innerlich machte sie sich weiter Stichpunkte zu seiner Reaktion. Interessiert war sie an dieser Stelle besonders an seinem Maß zur Kontrolle, zur Reflektion und zum Schutzverhalten. Außerdem wollte sie sehen, dass er zu einem alternativen Lösungsansatz dieser Situation kam. Nadiras Vorgesetzten hatten sich vorab die Frage gestellt, ob Fontaine in einer unerwarteten Situation oder unter Druck auf sein gewohntes Muster zurückfiel, oder in der Lage war, einen kreativen Ausweg zu finden.


“Oder geht es um etwas ganz anderes?”

Nun lag der Blaster still in der Schachtel. Der Raum war ruhig. Kein Geräusch, keine Bewegung. Nicht einmal das sterile Licht über ihren Köpfen schien zu flackern. Der Ball lag bei Fontaine.

- Sluis Van - Geheime Anlage des NRGD - Prüfungskammer -
Dr. Nadira Korn, Leland Fontaine​
 
[Outer Rim | Sluis-System | Sluis Van | Geheime Anlage des NRGD | Agent Krakana (Leland Fontaine) und Dr. Nadira Korn (NPC)]

Ihre Antworten wurden nach Lelands ersten Worten deutlich klarer und weitaus weniger verängstigt, so viel meinte er, feststellen und heraushören zu können. Dann kam das große Finale und die Karten kamen auf dem Tisch, oder wurden von Nadira unter dem Tisch hervor geholt.

Es war ein Blaster. Also war das das Spiel, einer musste aus einer Benachteiligten Position heraus den Nachteil ausgleichen. Leland bliebt weiter versteinert. Gerade hatte es auch keinen Sinn, sich zu bewegen oder mit einem Bluff zu versuchen, zu suggerieren, dass er auch einen Blaster hatte. Nein, er musste sich verbal den Vorteil erkämpfen musste sie ruhig halten und ihr keinen Grund geben, die Waffe einzusetzen.

Während der ersten Gesprächspause nickte er ihr verständnisvoll zu und ließ im gleichen Moment langsam seine Schultern sinken um sich noch weiter zu entspannen. Noch war nicht klar, ob
Nadira die Waffe einsetzen wollte.

Mit angelegter Waffe fuhrt sie fort in ihrem Monolog. Es wurde ungewohnt philosophisch. Natürlich wusste Leland auch, dass es die falsche Entscheidung mit dem richtigen Ergebnis gab oder eben auch, dass Entscheidungen fielen. Wie sein Schießbefehl auf Coruscant. Wie ein drücken des Abzugs durch die Frau. Leland brummte zustimmend und grübelte.

Die Aussage, die Situation wollten nicht mehr so recht zu der Person passen, die da vor ihm Stand. Hatte Nadira also die ganze Zeit nur die Rolle der mittelmäßigen gespielt? Als Schutz, als Mechanismus zu obsiegen? Sinn machen würde es und grade wenn man unterschätzt wurde, konnte man wahrhaft großes Vollbringen ohne dabei aufzufallen.

Jedenfalls war er davon überzeugt, dass sie, solange ihr durch Pausen unterbrochener Monolog weiterging, ihn nicht erschießen würde. Also würde er vorerst nichts unternehmen, diesen zu unterbrechen oder zum entgleißen zu bringen.

Sie spielte mit dem Blaster während sie seine Aussage rekapitulierte, dass sie sich hier in einer Inszenierung befanden. Leland nickte wieder zustimmend. Auch diese Geste ließ keine Unsicherheit oder Nervosität vermuten, nein eher Routine und einen Hauch von Kaltblütigkeit.

Ihr Logik war duchaus nachvollziehbar und es schien für einen kurzen Moment so, als habe sie diese auch zu ihrer Handlungsmaxime auserkoren.

Wieder spielte sie mit dem Blaster und kam auf ihn zu, während sie ihre finale These aufstellte, die Leland sehr nachvollziehen konnte. Doch wie stand er dazu? War es wirklich der Punkt, eine Entscheidung zu forcieren. Sollte es dann nicht auch eine Entscheidung ohne Zögern sein? Ohne nachzudenken? Gewiss für einen Attentäter brauchte es das, für die richtige Situation auch. Einen Soldaten, der reagierte aufgrund reinen, meist antrainierten Reflexes, doch war das das Anforderungsprofil der Sketion 00?

Jetzt kam
Nadira auf ihn zu, zwei Schritte. Und nun schien sie am Ende ihrer Ausführung zu sein und öffnete eine Frage an ihn. Das Paradoxon schien ihr noch nicht klar. Oder sie hatte ihre Entscheidung quasi schon getroffen und wollte nur noch letzte Worte von ihm hören, vielleicht herausfinden, ob sie seinen Tod bereuen musste oder nicht?

Ja ein wenig Unsicherheit war in ihrer Stimme, doch den Blaster hielt sie konstant und routiniert auf ihn gerichtet. Also auch hier ein Paradox.
Leland befeuchtete seine Lippen nach dem langen Schweigen.


"Nadira, Sie sehen, dass ich meinen Blaster noch nicht einmal gezogen habe. Ich sehe keinen Sinn darin, hier in dieser Situation auch nur den Ansatz dazu zu verfolgen. Sie haben selbst erkannt, dass diese Situation Paradox zu bewerten ist. Ich habe mich dazu entschieden, meine Waffe nicht zu ziehen und diese Situation anders zu lösen. Ich..."

Nach einem kurzen Spielen mit dem Blaster ging sie zurück zu ihrem Tisch und verstaute ihn wieder. Überrascht blinzelte er kurz und pausierte. Leland tat es ihr insofern gleich, als dass er ebenfalls die Box mit dem Messer wieder schloss, sie aber demonstrativ vor sich auf dem Tisch stehen ließ.

"Ich habe bereits getötet und dies auch bereut, also die falsche Entscheidung getroffen in einer unübersichtlichen Situation, die ich jedoch besser hätte verstehen und lesen müssen", seufzte Leland und befeuchtete sich erneut die Lippen.

Die Situation war jetzt, seit
Nadira den Blaster verstaut hatte noch komischer und unwirtlicher als davor. Er hatte natürlich ganz bewusst Details seiner Geschichte weggelassen. Die Details, die unter Verschluss waren. Dafür hatte der NRGD gesorgt. Es waren einfach weitere Virusopfer. Lelands Problem, was auch zu seiner Postraumatischen Belastung geführt hatte, war, dass sein Schießbefehl dort nichts geändert hatte. Es hatte nicht die Republik gerettet und auch ihren Auftrag hatten sie auch ohne das ausgeführt bekommen. Es war schlicht aus dem Affekt entstandene Grausamkeit gewesen. Und das schlimmste war: Er bereute die Grausamkeit an sich nicht. Er hatte in diesem Moment den Schießbefehl geben wollen nur hatte er sich damit erhofft, als Held einzugehen, eventuell mit einem Orden ausgezeichnet zu werden. Klar, der Geheimdienst wirkte im Geheimen, doch sich so etwas zu wünschen, das war dann doch nur menschlich wie er fand.

Das alles konnte er ihr natürlich nicht sagen, ohne sich auch bei den mit Sicherheit im stillen beobachtenden Aufpassern, mindestens als psychisch auffällig, eher als Psychopat zu offenbaren.

Stattdessen griff er zu seinem bewährten, kleinen Ausweichmechanismus: Er fummelte die Schachtel Zigaretten aus seinem Overall und zog eine daraus hervor und zündete sie an. Schachtel und Feuerzeug legte er vor sich auf den Tisch und dann zog er genüsslich daran und blies den Rauch vor sich in die Luft.


"Ich muss gestehen ich bin Beeindruckt von Ihnen, Nadira, speziell ihren Fähigkeiten, in andere Charaktere zu schlüpfen, dass ist wirklich eine Fähigkeit, die mir immer schon schwer fiel und für die ich kein Talent habe", so konnte er sie vielleicht auch wieder auf eine sachliche und berufliche Ebene zurückholen. Immerhin war sie ja auch Agentin und Leland war mittlerweile fest überzeugt, dass sie wesentlich talentierter war, als ihre Ergebnisse und anfänglichen Aussagen ihn hatten vermuten lassen.

"Mit ihnen wird die Sektion 00 eine würdige Feldagentin gewinnen können, so viel ist sicher. Und auch ihr Ansatz ist bemerkenswert. Als Agent müssen wir immer auch einen gewissen Blick für das große im kleinen und natürlich für das kleine im großen haben. Und hier gibt es oft mehr als eine Lösung für eine Mission, einen Auftrag oder eine Zielperson. Das haben sie richtig dargelegt und verstanden."

Leland machte eine Pause für zwei Züge an seiner Zigarette.

"Ich werde jedoch den Eindruck nicht los, sie wissen mehr über diese Spielsituation als ich es tue. Stand mehr auf ihrem Zettel als auf meinem? Oder wurden sie vorher gebriefed?", Lelands Ton wurde zum Ende hin eher beiläufig und neugierig, grade so als ob er hier lernen konnte und es eine Art Schulungssituation war, in der sie sich befanden, was anbetracht der Umgebung sicherlich verwunderte, doch auch hier halfen ihm die Medikamente scheinbar ein wenig einen ganz anderen Fokuas aufzubauen, ohne dabei die Umgebung emotional wahrzunehmen.


[Outer Rim | Sluis-System | Sluis Van | Geheime Anlage des NRGD | Agent Krakana (Leland Fontaine) und Dr. Nadira Korn (NPC)]
 
Zurück
Oben