Ich bin dem Anschein nach aus zeitlichen Gründen auch die nächsten Wochen nur noch äußerst sporadisch (als Leser) im PSW am Start, konnte aber vor Kurzem nochmal ein wenig Zeit in einen Beitrag zur Sequel-Trilogie investieren, welcher mich schon länger gejuckt hat. Ich würde soweit gehen, zu sagen, dass sich die Filme und ihre Auswirkung auf die bisherigen Episoden bei mir gesetzt haben. Jeden Teil der ST habe ich mindestens vier Mal gesehen und bin in Bezug auf den Inhalt und meine Meinung dazu sicher.
Es war mir nicht ganz klar, wie ich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der ST angehen sollte. Also habe ich mir zunächst Stichworte gemacht, diese dann mit Inhalten gefüllt und diese Inhalte wiederum auf verschiedene Absätze aufgeteilt. Starten möchte ich mit der Ausgangssituation, welcher die Charaktere wie auch (chronologisch gesehen) wir Zuschauer nach Episode VI ausgesetzt waren. Dabei habe ich nochmal die Fragen gesammelt, welche man vor dem Auftakt in die neue Trilogie mal oft, mal weniger oft gelesen und gehört hat. Anschließend habe ich versucht, diese Fragen anhand der uns gelieferten kanonischen Inhalte nüchtern zu beantworten. Hierbei habe ich auch mal eins uns eins zusammengezählt oder primäre Informationen aus sekundär-kanonischen Quellen wie Resistance herangezogen (allein auf zwei stabilen und eindeutigen Beinen steht die ST narrativ oder beim Worldbuilding ja leider nur selten). Hinterher habe ich versucht, meine Schlüsse dieser kanonischen Ereignisse zu ziehen und zu interpretieren. Final habe ich noch eine relativ kurze Bewertung der Inhalte hinzugefügt. Was mir in jedem Fall wichtig war, war der hin und wieder von manchen Menschen aufgeworfenen Frage „Was erzählt diese Trilogie überhaupt?!“ nachzugehen.
Die großen Fragen:
Was passiert nach Episode VI?
Tausend Jahre Frieden? Eine neue Bedrohung? Eine Rückkehr der Sith? Wie stabil ist eine Neue Republik? Schafft es Luke, einen neuen Jedi-Orden dauerhaft zu etablieren? Lässt sich Leia zu einer Jedi ausbilden? Passt Han Solo dauerhaft in die Rolle eines Generals bzw. Militär? Wird die Skywalker-Blutlinie fortgesetzt? Inwiefern wurde Obi-Wan nach seinem Tod „mächtiger“ als es sich Darth Vader „je vorstellen“ konnte? Was war jetzt eigentlich mit Darth Sidious, Darth Plagueis und dem Hintergehen des Todes? Was machen die Hinterbliebenen des Imperiums?
Die kanonischen Inhalte:
- Rebellion stürzt Imperium
-> Anakin Skywalker ist erlöst und rettet seinen Sohn Luke
-> Palpatines Herrschaft (der Sith) hat ein Ende (er stirbt und transferiert seinen Geist unbemerkt in einen instabilen Klonkörper auf Exegol)
-> Das Imperium zerfällt nach Endor-Folgeschlachten wie auf Jakku in verschiedene Gruppierungen und zieht sich ein Stück weit zurück
-> Ein (indirekt?) von Palpatine künstlich erschaffener und (partiell?) von ihm kontrollierter Machtnutzer namens Snoke formiert aus den Hinterbliebenen eine neue Streitkraft mit dem Titel 'Erste Ordnung' und soll die Galaxis für Palpatines große Rache (die 'Letzte Ordnung') destabilisieren und den letzten Skywalker (Ben Solo) für die dunkle Seite gewinnen, damit dieser später einmal als Gefäß für Palpatines mächtigen Geist dienen kann
-> Durch den Sith-Transfer seit 1000 Jahren und die dunkle Macht auf Exegol ist die gebündelte Macht „aller Sith“ in Palpatine, welche dringend ein Gefäß sucht
-> EO nimmt Kinder aus Dutzenden Welten gefangen und züchtet sie zu Soldaten heran
-> LO baut insgeheim gigantische Flotte von Xyston-Sternenzerstörern auf Exegol, einer Welt in welcher andere zeitlich-physikalischen Gesetze gelten; Sith-Kultisten halten Palpatines Geist über Jahre am Leben und sorgen für indoktrinierte Bemannung der Flotte; riesige Flotte mit Todesstern-Technologie soll einerseits wohl einschüchtern, auf der anderen Seite wohl über den Rand der bekannten Galaxis weit hinaus dominant die Flamme der LO hinaustragen
- Neue Republik etabliert sich, kann die Galaxis jedoch nicht einen
-> Abrüstung seitens der Neuen Republik und fehlende Vorstellungskraft eines neuen Krieges
-> Widerstand gegen die Erste Ordnung gründet sich und spaltet sich immer mehr von NR ab
-> Erste Ordnung beginnt, die Neue Republik zu destabilisieren (Palpatine aus den Schatten)
-> Kriegstreiber profitieren von Konflikt und bewegen sich in einer (vermeintlich) sicheren Blase (z.B. Cantonica)
-> Piraten nutzen politisch unklare Lage aus und plündern Welten
-> EO macht sich dies zu Nutze und installiert „Schutzstaffeln“ auf diversen Planeten, um Ordnung zu gewährleisten
-> EO zerstört die Neue Republik zu großem Teil (Hosnian Prime)
-> Fanatische, „tollwütige Hunde“ (Zitat Snoke) wie Hux eignen sich als perfektes „Werkzeug“ (Zitat Snoke) für ein erstes „Krachmachen“, bevor sie - ohne es zu wissen - früher oder später wohl ein wenig nach SA-Modell „abgesetzt“ werden sollen
-> Galaxis verliert allmählich die Hoffnung auf eine erfolgreiche Gegenwehr gegen das drohende Terror-Regime, ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt
- Luke Skywalker widmet sich Jedi-Akademie, wird Artefakt-Sammler und erfährt von einem Sith-Planeten namens Exegol; verliert seinen Neffen Ben Solo (Snoke aka Palpatine sowie seiner eigenen Angst geschuldet) an die dunkle Seite und geht mit Selbstzweifeln und Angst ins Exil nach Ahch-To; unterweist Rey grundsätzlich in der Macht und erkennt mit der Zeit, dass das Blut Palpatines durch ihre Adern fließt und nutzt eine Selbstopferung durch Machtprojektion, um einerseits den Widerstand um seine Schwester zu retten und andererseits seinen Neffen um Entschuldigung zu bitten; gibt der Galaxis das Gefühl der Hoffnung zurück
- Leia Organa-Solo wird zur Jedi ausgebildet, bricht die Ausbildung jedoch ab, da sie Visionen vom Tod ihres Sohnes hat und widmet sich der Führung des Widerstands; übernimmt nach Lukes Tod die Jedi-Ausbildung von Rey; opfert sich für ihren Sohn indem sie Kontakt zu ihm aufnimmt und mutmaßlich eine Vision von Han auf Kef-Bir erscheinen lässt
- Han Solo und Leia gehen getrennte Wege, nachdem sich ihr Sohn Ben der dunklen Seite anschließt; er schmuggelt wieder und geht nach im höchsten Maße gefährlichen Kriegsjahren wieder dem nach, was er gewohnt ist und am besten kann; kämpft später nochmal im großen Stil für den Widerstand, seine Frau und sogar seinen Sohn; dieser tötet ihn aus innerer Zerissenheit; Ben erscheint Vision von Han, welche ihn endgültig von 'Kylo Ren' löst
- Ein aufgrund von mangelnder Machtsensivität gescheitertes Klon-Experiment von Palpatine kann mutmaßlich entkommen und gründet mit einer Frau eine Familie; er wird Vater der kleinen Rey, versteckt diese aber, sobald er von Wesen, die ihm nach dem Leben trachten erfährt, auf Jakku; als Snoke (aka Palpatine) von einem machtsensitiven Mädchen erfährt, dämmert ihm allmählich, mit wem er es bei Rey zu tun hat („Wenn es stimmt, was du über dieses Mädchen sagst, bring sie zu mir.“)
-> Rey kennt ihre Herkunft nicht (ihr wundester Punkt)
-> Rey wird immer stärker in der Macht und entwickelt (?) sogar einen Macht-Zweiklang mit Ben/Kylo (von welchem Snoke/Palpatine aber nichts weiß, da er ihren Geist anscheinend bloß „verband“)
-> Rey glaubt, dass Ben sich wieder der hellen Seite anschließen wird
-> Rey findet über ihre Herkunft (Palpatine) heraus und muss sich ihrer Angst stellen sowie ihre Emotionen unter Kontrolle haben
-> Entweder durch antike Jedi-Schriften, wahrscheinlicher aber durch einen ungezügelten, intuitiven (und von den dogmatischen Jedi abgelehnten) Zugang zur Macht erlent sie die Fähigkeit, die eigene Lebensenergie zu übertragen
-> Rey soll Gefäß für Palpatine werden, nachdem sich dessen Ursprungsziel Ben Solo gegen ihn wendet
-> Die alten Jedi kanalisieren ihre Kraft in Rey und besiegen gemeinsam die unbändige Kraft in Palpatine; sie stirbt durch den enormen Machtgebrauch
-> Sie nimmt aus Dankbarkeit und Ehrerweisung den Namen Skywalker an
- Die helle Seite (Luke: „Das mächtige Skywalker-Blut“) sowie die dunkle Seite (Snoke: Ein neuer...Vader!“) reklamierten den jungen Ben Solo für sich, welcher sich zwar der dunklen Seite anschloss, stets jedoch zerissen war und sich in erster Linie anscheinend ungeliebt und unverstanden gefühlt hat; er tötet seinen Vater; er tötet Snoke um seine Fesseln zu sprengen (und besteht damit allem Anschein nach die letzte Prüfung Palpatines); er stellt sich Palpatine und gibt sein Leben um Rey zu retten; unerwartet und durch den Zweiklang erlernt erfüllt er tatsächlich, was sein Großvater begonnen hat: die zu retten, die ihm nahesteht
- Über Exegol schließt sich eine von Lando Calrissian angeführte über 16.000 Schiffe schwere Flotte aus Widerstandskämpfern aus allen freien Welten zusammen und zerstört die nur schier unendlich große Flotte der Letzten Ordnung bevor diese ins innere der Galaxis springen kann; parallel wird auch die führungslose Erste Ordnung im Rest der Galaxis besiegt; die Galaxis wendet ein neues Imperium ab und sichert, wofür im Galaktischen Bürgerkrieg gekämpft wurde („Wofür unsere Mütter und Väter gekämpft haben, darf nicht sterben.“)
Unnnngefähr so würde ich die Sequel-Trilogie bzw. dessen Ära inhaltlich zusammenfassen.
Meine Schlüsse dieser Ereignisse:
Mein erster Schluss wäre: Es ist definitiv etwas passiert in diesen Filmen. Wir enden am Ende von Episode IX an einem sehr ähnlichen Punkt, an welchem bereits Episode VI endete: der Galaxis droht (vorerst) keine Terror-Herrschaft mehr; ein(e) Jedi steht vor der Herausforderung, die Macht ein Stück weit zu lenken, in dem er/sie sein Wissen auf die ein oder andere Form an andere machtsensitive Wesen weitergibt. Der Unterschied für mich: Palpatine, DAS Böse, ist on-screen gestorben und die Galaxis hat sogar dessen finsteren Rache-Plan auf Exegol überstanden. Viele der oben genannten, offenen Fragen (z.B. „Was ist denn jetzt mit dem Hintergehen vom Tod?“ oder „Was ist mit den Resten des Imperiums?“), sind beantwortet. Wie das aber so ist, wurden dafür auch ein paar neue Fragen (z.B. „Was macht Rey jetzt?“ oder „Ist Palpatine jetzt für immer bezwungen?“) aufgeworfen. Ich habe jedoch den Eindruck, dass der Schluss von Episode IX noch endgültiger daherkommt, als der Schluss von Episode VI. Auch sind die Fragen, die ich nach Episode IX habe, weniger brennend als die, welche ich mir früher ab und an in einem forschen Wunsch nach einer ST gestellt habe. Das könnte damit zusammenhängen, dass diese Trilogie für mich den Rhythmus der Saga neu definiert hat und dabei zwar auf der einen Seite „Nägel mit Köpfen“ gemacht hat (siehe den TROS-Palpatine im allgemeinen), auf der anderen Seite jedoch das Narrativ vom nie wirklich endenden Kampf gestärkt hat: Jede Generation muss erneut gegen eine Dunkelheit ankämpfen oder das Licht verteidigen. Die ST hat in meinen Augen für einen realistischeren Blick auf die Saga und deren galaktischen Zustand beigetragen. Episode VI hat in mir immer diese allzu märchenhaften Bilder eines dauerhaften Friedens hervorgerufen, erreicht durch (ex-universe)-„unantastbare“ Figuren. Die ST hat die Saga dahingehend mit einer zynischen und kompromisslosen Erzählung fortgeführt. Dass kein Frieden auf Ewigkeit zementiert ist und dass politische Umkehrungen ins Negative jederzeit möglich sind, wurde anhand des zurückgekehrten Palpatine (dem Bösewicht schlechthin!) natürlich mit Bezug auf dessen „Den-Tod-hintergehen“-Aussagen auf die Spitze getrieben und so ungefähr fünf Mal unterstrichen, aber es ist ja auch immer noch Star Wars und eine zusammenhängende Saga. Diese Gefahr vom Rückfall weg von dem Erreichten in der OT hätte an dieser Stelle auch ein anderer Charakter mit einer anderen Flotte darstellen können - aber man hat sich letztlich für Palpatine entschieden. Märchenhaft war an dieser Trilogie wenig; Milliarden Opfer, Leid, Heldentode. Selbst am Schluss wurde eher verschwitzt und blutverschmiert durch die Backen gepustet als groß gefeiert. Eine Trilogie wie ein kurzer intensiver Epilog. Ein mahnender Zeigefinger. Ein Widerstand. Das große Ganze ist wichtiger als Einzelschicksale. Und es geht nur zusammen.
Was hat man mit der bisherigen Geschichte und deren Charakteren (z.B. Luke, Leia oder Palpatine) gemacht? Ich würde sagen, man hat zumindest versucht, sie dramatisch fortzuschreiben. Der Sohn Anakins war nicht der Weisheit letzter Schluss und die Tochter Anakins hatte ihre Aufgabe als Führungsfigur noch nicht beendet. Auch war Palpatine - wie in Episode III angedeutet - doch noch nicht hundertprozentig besiegt. Aus dem Konflikt 'Anakin/Vader vs. Palpatine' aus den Vorgängerfilmen (insbesondere ROTJ) wurde so ein „Mehr-Generationen-Ding“, ein Schachspiel über Jahrzehnte hinweg. Nicht der Skywalker, sondern die Skywalkers kämpfen gegen den mächtigen Darth Sidious. Anakin Skywalker ist nicht mehr der Haupthebel der Geschichte, sondern „nur“ noch ein ganz wichtiges Zahnrad. Es ist nicht mehr der tiefsinnige, humane Final-Akkord im Stile Shakespeares (Vader opfert sich für seinen Sohn), es gipfelt nun in einem Kräftemessen à la Dragon Ball (Stellvertreterkampf Jedi vs. Sith). Unter dem Strich fühlt es sich für mich aber an wie die Konservierung des Erreichten unter großen Opfern - nötig, weil Palpatine wider der Natur gehandelt und mit „unfairen Mitteln“ gespielt hat und weil die Galaxis als Kollektiv in der Prävention eines neuen grausamen Regimes (Erste Ordnung) gescheitert ist. Erst kurz vor knapp - es war wirklich fünf vor zwölf! - haben der Widerstand, die Flotte der Freien Welten und Rey mit Hilfe von Ben sowie der verstorbenen Jedi die ultimative Katastrophe abgewendet. Von diesem Imperium hätte sich die Galaxis garantiert nicht mehr befreit.
Außerdem fällt die Rekontextualisierung von Palpatine und den Jedi-Machtgeistern auf. Palpatine wollte von vornherein einen neuen Körper: erst schielte er mutmaßlich auf Anakin, nach dessen physischer Verkrüppelung auf Luke („Strecke mich nieder mit all deinem Zorn“), dann auf Ben Solo und schließlich sogar auf seine Nachfahrin Rey. Dies verändert die Saga für mich durchaus ein Stück weit, auch wenn die Thronsaal-Szene in Episode VI dadurch meiner Meinung nach eindeutig an Sinn gewinnt statt verliert. Doch auch die Jedi-Geister (aka „stärker als wir es uns jemals vorstellen könnten“) haben einen Weg gefunden, einen Kampf auf der spirirituellen oder energetischen Ebene auszutragen. Nach Obi-Wans ursprünglicher Annahme (oder doch bloß Wahrheit von einem gewissen Standpunkt aus?!), er könne nicht eingreifen, um Luke im Kampf gegen Vader und den Imperator zu helfen, war es ihm mit Anakin, Yoda, Mace und den anderen Jedi letztlich möglich, deren Kräfte in die - sagen wir - „allerletzte Hoffnung“ namens Rey Palpatine zu kanalisieren. Auch hier wurde ein Stück weit abgerückt vom Gedanken an die Entscheidung der Handlung durch die Aktionen der Personen im Diesseits. Wie bereits im vorangegangenen Absatz angedeutet, hat man sich hier vom Vorbild der griechischen Tragödie entfernt und sich mutmaßlich an asiatische Vorstellungen angenähert.
Was die Prophezeihung um den Auserwählten in Episode I angeht, so verändern die neuen Filme die Definition eines Auserwählten allein dadurch, dass der allgemein als Auserwählter geltende Anakin Skywalker nun nicht (mehr) allein und für immer die Sith vernichtet hat. Vielleicht hatte Yoda Recht und missverstanden die Prophezeihung wurde. Eine Interpretationsmöglichkeit wäre jedoch, dass Anakin die Macht zwar ins Gleichgewicht gebracht hat (so sagt er es jedenfalls auch in Episode IX), Sidious dieses Gleichgewicht durch seinen Bewusstseins-Transfer nach Exegol jedoch auf unnatürliche Weise („Die dunkle Seite ist der Pfad zu mannigfaltigen Fähigkeiten, welche manche von uns für unnatürlich halten“) ins Wanken gebracht hat, sodass die Macht „reagieren“ musste und einen Zweiklang zwischen Kylo Ren und Rey Palpatine hergestellt hat. Geschwollen könnte man beinahe sagen, Anakins Schicksal ist in den beiden reinkarniert worden und der Auswählte hat sich auf zwei Seiten der Macht zersplittert. Das, was Anakins wahre Essenz zu Lebzeiten war, Liebe und Mitgefühl, hat sich im Rahmen des Zweiklangs über Kylo und Rey als Gefühl der Vergebung, des Verständnisses und des Neuanfangs niedergelassen. Weniger interpretationsbedürftig wäre der Schluss, dass Prophezeihungen allgemein nicht taugen und so etwas alles Blödsinn ist. Eine Anmerkung sei aber noch gebracht: In Episode I glauben alle Jedi an eine Person („Die Prophezeihung des Auserwählten“), in Episode IX glaubt eine Person an alle Jedi („Seid mit mir.“). Dies spiegelt auf schöne Weise die Dezimierung der Jedi von Tausenden auf eine einzige Jedi wieder und weist auf die über die Filme gestiegene Bedeutung der Entscheidungsmacht und Kraft des Einzelnen hin.
Was die ST bzw. Episode IX letztlich aber geschafft hat, ist die Enkelkinder von Anakin Skywalker und Sheev Palpatine gehörig in die Bredouille zu bringen und sie von der immer noch lärmenden Vergangenheit einholen zu lassen. Doch die Karten werden noch gemischt: ein Skywalker kann für das Böse auf Schlachtzüge gehen, eine Palpatine kann das unschuldigste Herz haben. Und die einst in ihrer Kommunikation so vagen und pathetischen Anakin und Sheev stehen im Kontrast zu den (für SW-Verhältnisse) ziemlich direkt miteinander kommunizierenden Ben und Rey. Die Grenzen zwischen den Guten und den Bösen verschwimmen spätestens, wenn der sich vom Licht angezogene dunkle Erbe Vaders mit der sich von der Dunkelheit angezogenen Schrottsammlerin Rey Fingerspitze-an-Fingerspitze eine Hütte teilen auf einem Planeten, auf welchem im strömenden Regen ein Jedi-Meister damit kokettiert, die alten Jedi-Schriften zu verbrennen. „Deine Abstammung bestimmt nicht wer Du bist.“ (Luke) ist im Kontext von Rey als vermeintliche Sith-Thronerbin ein Stück weit die Kernbotschaft von Episode IX und lässt die bebende Vergangenheit allmählich endlich ruhen. Aber auch für Ben Solo ist dieser Satz auf ambivalent-indirekte Art und Weise interessant, zerrten doch sowohl Luke an seiner hellen Abstammung (Anakin) als auch Snoke/Palpatine an seiner dunklen Abstammung (Vader). „Ich möchte frei sein von diesem Schmerz“, klagt er in Episode VII und befreit sich nach und nach von allem, was ihn in Raserei und Enttäuschung gefangen hält. Manche Leute sagten, Ben sei am Ende wieder ein Jedi gewesen - ich hatte viel mehr das Gefühl, er denkt am Ende nur an Rey und daran, bei der Vernichtung Palpatines zu helfen. Vielleicht ist das die vielzitierte Balance? Die Dunkelheit oder das Licht nicht zu fürchten, sondern zu lernen, damit umzugehen? Ich muss nämlich sagen, dass mir Rey am Ende angenehm ausbalanciert vorkam: Sie hat eine dunkle Affinität in sich, hat es jedoch akzeptiert und sogar geschafft, ihr auf Exegol im verlockendsten Moment zu widerstehen.
Um seine Frau vor dem Tod zu bewahren, schloss sich Anakin Skywalker einst der dunklen Seite an. Der Traum von solch großer Macht, Padmés Tod aus seinen Visionen zu verhindern, lebte allerdings nicht lange. Als er von ihrem Tod erfuhr, war es allerdings bereits zu spät: er war der Sklave Darth Sidious' in einer lebenserhaltenden Rüstung. Diese traurige Geschichte in Star Wars wurde im großen Finale überraschenderweise nochmal aufgegriffen und zu einem nach meines Ermessens faul erzählten, aber versöhnlichen Ende geführt. Ähnlich wie beim Kampf gegen den Imperator, welchen Anakins Kinder fortgeführt haben, wurde auch dieses Bestreben von seinem Enkel unerwartet zur Vollendung geführt. Anakin muss stolz auf Ben gewesen sein, als er aus dem Jenseits seinen Enkel sah, wie er Rey vor dem sicheren Tod bewahrt, in dem er sein eigenes Leben gibt. Und obwohl Anakin schon ab Episode II wahrlich schlechte Seiten gehabt hat, denke ich, dass er (wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte) für Padmé das gleiche getan hätte. Auf einer Meta-Ebene erzählt mir diese Szene ein weiteres Mal, dass das Leben nicht allein eine Summer von Lebensjahren ist, sondern dass wir eng mit anderen Generationen verwoben sind. Manchmal erreichen wir Dinge nicht zu Lebzeiten und jemand anderes bringt es zu Ende. Vielleicht lebt gerade jemand von euch den Traum eures Ur-Großvaters - ohne es zu wissen. Diese späte Genugtuung gefällt mir ausgesprochen gut. Und ich wiederhole mich: falls Anakin die Tat Bens gesehen hat, ich bin mir sicher, er hat es ihm gegönnt und verspürte keinen Frust. Es wird ihm auch egal gewesen sein, dass nicht er allein Palpatine vernichtet hat. So hat der späte Anakin nicht mehr gedacht. Er wird einfach froh gewesen sein, dass das Böse nun besiegt und seine gesamte Familie nun in der Balance aus dieser Welt geschieden ist und sich im Jenseits endlich das vereint, was vor allem Sheev Palpatine in Episode III auf diabolische Weise verhindert hat: Eine geeinte Familie Skywalker.
Bewertung der Inhalte:
Videos mit ST-Inhalten auf Youtube haben oft Top-Kommentare wie „I still don't know what Disney wants to tell me with this trilogy“ mit 10.000 Likes. Mir ist solch eine Herangehensweise absolut fremd. Es würde (es müsste!) heißen, dass ich a) die Filme (von Anfang an) ablehne, b) die Filme nicht aufmerksam verfolgt habe, c) die Filme nicht verstanden habe, d) mir die Filme absolut nicht gefallen haben oder ich e) auf YT-Likes aus wäre. Das alles trifft auf mich nicht zu. Ich habe den Filmen von Anfang an eine Chance gegeben und war unter dem Strich nur von TLJ seinerzeit im größeren Maße enttäuscht. TFA und TROS haben ihre Mäkel, aber ich kann sehr gut mit diesen Filmen leben. Erzählen diese Filme etwas? Ja, absolut, in meinen Augen. Verstehe ich, was mir diese Trilogie sagen will? Ja, ich denke schon. Hat diese Trilogie eine Berechtigung (außer dem schnöden Mammon)? Ich sage: Ja. Man kann das definitiv anders sehen und die ST (vor allem so wie sie produziert und inhaltlich aufgezogen wurde) war keineswegs alternativlos. Man kann sagen, dass die ST eine zu traurige „Extrarunde“ zurück zum Ende von ROTJ gedreht hat und nicht wirklich nötig war. Und dass das Design (Sturmtruppen, Widerstand, etc.) zu nah an der OT war. Kann man alles sagen. Da es aber in meinem Charakter liegt, Dingen eine Chance zu geben und mich auf positive Aspekte zu konzentrieren, kann ich mit der tatsächlich produzierten Sequel-Trilogie ziemlich ordentlich leben. Ich meine, es gab ja genug Probleme wie zum Beispiel das unambitionierte Worldbuilding: Es hätte mehr Politik und vor allem in Episode IX eine Art „Moral der Geschicht“ gebraucht, welche den Zirkel zurück zu den Prequels und dessen gesamtgalaktisches politisches Versagen zieht. Hier hätte es keine fünf Minuten Filmzeit gebraucht. Leider hat sich das Ende von TROS ein klitzekleines bisschen in nostalgieschwangeren Bildern verloren, sodass ein kleiner „Ausflug“ nach Chandrila oder Coruscant tatsächlich aber auch wie ein Fremdkörper gewirkt hätte. Aber hatten wir nicht mehr als mürrische OT-Helden, unkreative Designs und kleinere Kontinuitätsfehler? Wir hatten spannende Retcons, wir hatten Enthüllungen, wir hatten Emotionen, wir hatten - zumindest meinem Empfinden nach - Star Wars-Feeling. Ich weiß, dass sich dieser Thread rein auf das Inhaltliche beschränkt, aber ich musste das einfach nochmal loswerden. Die Star Wars Saga war wieder da und 3x Protagonist am Box Office! Wie geil war das bitte? Aber auch inhaltlich gliedere ich diese Trilogie Stand heute gerne in meinen Kopfkanon. Vielleicht entwickle ich in drei, vier, fünf Jahren einen ungeahnten Hass auf diese Filme. Wer weiß? Vielleicht stimmt mich irgendjemand um. Aber ich glaube nicht, dass das passiert. Dafür hat alles in allem in meinen Augen zu viel gestimmt als nicht gestimmt. Dadurch dass Palpatine nach ROTJ noch die Strippen gezogen hat, passt für mich rückblickend eine ganze Menge. Snoke wurde erklärt, Rey wurde erklärt, die Stimmen in Bens Kopf wurden erklärt, die Erste Ordnung wurde einigermaßen erklärt....ich kann absolut mit den Antworten in TROS leben. Leute mögen mich ambitionslos, leicht abzuspeisen oder sonstwie nennen - es ist mir egal. Star Wars war für mich noch nie ein Kandidat für einen Logikwettbewerb oder Kontinuitätswettbewerb. Die ST schien eine verdammt „schwere Geburt“ zu sein und Abrams und Johnson haben viele Haken geschlagen, doch am Ende hat man dieses fette Raumschiff namens Sequel-Trilogie irgendwie gelandet. Die Hälfte der Passagiere (na klar: ein Teil der Fans ist gemeint) hat man zwar auf dem Weg verloren, über dem Ozean nahe Skellig Michael wäre man fast abgestürzt (oder war es doch nahe Dubrovnik?) und ich meine, mindestens ein Triebwerk brennt immer noch. Aber ich finde, das Ding ist alles in allem sicher gelandet. Oder wie Obi-Wan Kenobi sagen würde: „Eine Bilderbuchlandung“.