Hampo
loyale Senatswache
Ich wurde gestern auf etwas aufmerksam gemacht, was mir noch vorher nicht aufgefallen war.
Hat eigentlich jemand beim ganzen Flüchtlingschaos in Budapest mal einen Blick auf die Lokomotive erhaschen können? Ich meine in den Nachrichten immer nur die Waggons mit den Menschen gesehen zu haben.
Weiß jemand ob die Ungarn selbst den Zug so nett angemalt haben? Würde nämlich zu Viktor Orbans Aussagen passen und stellt Deutschland als perfektes Ziel für Flüchtlinge dar. Und für die Flüchtlinge ist es natürlich doppelt dämlich, wenn schon die Bemalung den Weg in die Freiheit suggeriert und dann die Züge doch wieder stoppen.
Weiß jemand was darüber?
Das Foto ist die Titelseite der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 4.9.
Nicht Orban hat den Zug angemalt. Das war die DB. Also der deutsche Staat. Die Selbsternannte Führungsnation Europas hat die Asylregeln zentral
auf den Weg gebracht und Orban seit Jahren walten lassen wie er das will.
Die Art von Zivilisation welche Menschen aus Kriegsgebieten daran hintert, einen Zug zu betreten, so dass sie ZU FUSS auf Autobahnen gehen müssen.
"Europa ohne Grenzen seit 25 Jahren" steht auf dem Zug, den Flüchtlinge im Budapester Bahnhof gestürmt haben. Sehr passend.
Auf der Autobahn von Ungarn nach Österreich wird gerade Geschichte geschrieben.
Die Mauern fallen. Die europäische Abgrenzungspolitik ist nach diesem Wochenende entgültig gescheitert.
Ein Polizist an der Grenze blickt auf einen der ankommenden Busse. Er hat Tränen in den Augen. Er sagt: „Das ist wie 1989.“
Ein Experiment hat begonnen, das Deutschland tiefgreifender verwandeln wird als die Wiedervereinigung.
Mittelfristig in die Zukunft geschaut: Wir werden Streetworker und Psychologen brauchen und werden die gut bezahlen müssen.
Wir werden Wege finden müssen, größere Mengen an Flüchtenden in regulären Wohngebieten unterzubringen.
Wir werden ernsthaft überlegen müssen, welche Möglichkeiten wir den Flüchtenden bieten können, die nicht gut qualifiziert sind.
Wir werden auch Mittel und Wege finden müssen, eine fast sichere zweite und dritte Generation an Deutschland zu binden.
Dazu gehört auch, dass tatsächlich darüber nachgedacht werden muss, wie wir unsere Staatsangehörigkeit vergeben.
Situation in der wir in 10 Jahren Banlieus und völlig abgehängte, identifikationslose Jugend haben, wäre kein Worst aber ein Very Bad Case.
Aber leider möglich. (Und bevor das jetzt falsch verstanden wird): Das ist keine Argumentation gegen Flüchtlinge. Das ist eine Argumentation dafür,
dass die Situation langfristig Aufmerksamkeit, langfristig viel Geld und langfristige Vorausplanung verlangt.
Alles gerade nicht dringend, weil gerade direkte Hilfe angesagt ist, ich weiß. Aber so etwas sollte nicht aus den Augen verloren werden.
Im Momment reicht es schon die Züge zu begrüßen. Ein Lächeln, freundliche Worte und ein paar gelatinefreie Gummibärchen — mehr braucht’s zur Begrüßung nicht.
Was danach kommt wird diesen Land verändern. Ob der Momentane "Trend" zur Hilfe anhält kann niemand vorraussehen.
Die Gefahr besteht, dass das Thema bei der nächsten großen Story kippt. Die Frage wird auch sein: Wie sieht die gesamtgesellschaftliche
Stimmung aus, wenn die Integration sich langfristig schwierig gestaltet.
Vielleicht sollte man, statt von 'Flüchtlingen, die etwas wollen', lieber von 'Menschen, die etwas brauchen', reden. Nur so ein Gedanke.
Ich habe heute Abend mit meiner Oma telefoniert Jahrgang 33. Sie ist 82 und nimmt das sehr mit. Sie hat die Bilder des Flüchtlingstrecks auf der
Autobahn nach Österreich gesehen. Sie ist aufgekratzt wie noch nie. Sie meint genau solche Trecks seien kurz nach dem Krieg auch in unserer Gegend angekommen.
Sie ist 82 und kann wegen der Bilder nicht mehr schlafen. 70 Jahre danach. Als ich ihr dann erläuterte das intzwischen die Züge wieder fahren, das Busse die
Flüchtlinge von der Straße einsammeln fing sie an zu weinen: vor Freude - und, glaube ich, aus Trauer über ihre eigene Geschichte. Denn damals ging man nicht so nett
mit den Flüchtlingen um. Obwohl es doch Volksgenossen waren. Oma sagt am Telefon übrigens nicht "Asylkritiker", "besorgte Bürger" "Asylgegner" oder ähnlicher verharmlosender Müll. Sie sagt "Nazis, wie vor 70 Jahren" , eigentlich unfassbar.
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