Tja, willkommen im Fünf-Parteien-System.
Egal wie's ausgeht, oder wie sich die Linke verhält bzw. nicht verhält, sie ist jetzt endgültig auch für den letzten Volksparteienvertreter als relevante politische Kraft erkennbar geworden. Nach dieser Bundespräsidentenwahl wird es niemandem mehr möglich sein, so zu tun als ob es die Linke nicht gäbe.
Allerdings hängt es nicht nur von der Linken ab. Im zweiten Wahlgang sind einige zurück ins Regierungslager gewechselt, die sich im ersten noch für Gauck entschieden hatten. Selbst wenn die Linke jetzt geschlossen für Gauck entscheiden
würde, müssen zwei bis drei von diesen Wechselwählern aus CDU/FDP mit ihrer Stimme zu Gauck zurückkehren, sonst hat Wulff immer noch die einfach Mehrheit.
Bei SPD und Grünen ist im Moment von der inneren Haltung her alles klar, und die Linke muss in diesem Augenblick eine grundsätzliche Entscheidung über ihre eigene Ausrichtung treffen. Beides ist gut so. Aber ich möchte in diesem Augenblick nicht Teil der Regierungs-Koalition sein. Denen dürfte der A*sch im Moment auf Grundeis gehen.
Eine Aktion, um eine Einigkeit in der Regierungskoalition zu beschwören, und so einen Neuanfang im gemeinsamen Miteinander zu schaffen, hat sich so oder so in ihr Gegenteil verkehrt. Die Zerreißproben und gegenseitigen Verdächtigungen in diesem politischen Lager werden nach dem heutigen Tag noch stärker zunehmen.
Das was heute da passiert, ist (um es mit einer Metapher passend zur WM auszudrücken) eine Blutgrätsche in die Beine der Kanzlerin. Die einzige Frage ist, ob sie nach diesem Foul in der Lage ist, aus eigener Kraft aufzustehen und das Spiel zu Ende zu spielen, oder ob sie verletzt liegen bleibt und vom Platz getragen werden muss.
Es ist schon richtig, wenn Wulff gewählt wird, interessiert sich in drei bis vier Wochen niemand mehr dafür, in welchem Wahlgang er gewählt wurde. Aber es wird ihm ein Makel anhaften (und da meine ich einen anderen als den, den der geschätzte Kollege Jedihammer anführt): egal wie Wulff sich in seiner Rolle als Bundespräsident äußern oder verhalten würde, würde jedesmal in der Öffentlichkeit die stumme Frage mitschwingen "Wie hätte Hr. Gauck sich jetzt verhalten". Wulff wäre so oder so ein Bundespräsident, der aus Sicht der Öffentlichkeit nur zweite Wahl ist. Und er hat von der Persönlichkeit her nicht das Format, sich von diesem Schatten befreien zu können.
Diese Bundespräsidentenwahl ist für Merkel verloren, egal wie sie schlussendlich im dritten Wahlgang ausgeht.
Edit: Ok, Stand 19:20 Uhr: Gysi hat gerade in einer improvisierten Pressekonferenz geäußert, dass die Stimmabgabe freigegegeben ist, das heißt von Seiten der Fraktion keine genaue Empfehlung für einen der beiden Kandidaten gegeben würde. Gysi geht davon aus, dass sich ein Großteil der Wahlfrauen und -Männer enthalten werden, da man weder den einen noch den anderen konservativen Kandidaten aktiv wählen könne.
Damit dürfte vor Beginn des dritten Wahlgangs schon vorweggenommen sein: Wulff wird die relative Mehrheit erreichen.
P.S.: Verdammt, falscher Button...