Sollte ich hier ein Grundrecht dem anderen tatsächlich im Laufe dieser Diskussion scheinbar vorgezogen haben, dann ist das sicherlich nicht mit Absicht geschehen.
Was du sagst ist: Bei der Beschneidung hört die Religionsfreiheit auf. Dem würde ich nicht mal widersprechen wollen. Auf meinen eingänglichen Einwand, dass man von Muslimen eben sehr wohl erwarten dürfe, ihren Glauben grundgesetzkonform auszuleben, speziell in Bezug auf Grundrechte wie bspw. die Gleichstellung von Frau und Mann, hingegen, erklärst du die Religionsfreiheit für quasi sakrosankt. Ich sehe hier also tatsächlich, dass du ein Grundrecht dem anderen vorziehst, ja.
Solange man sich in den Raum stellt und behauptet, dass man von einer Glaubensgemeinschaft erwarten dürfe, dass diese elementare Glaubensparadigmen einfach so aufgibt (sagte Lindner nicht explizit, meinte er IMHO aber implizit), solange ist diese Interpretation eben ein Widerspruch (so meine ursprüngliche Formulierung) zum vierten Artikel.
Oh, natürlich darf man erwarten, dass eine Glaubensgemeinschaft elementare Glaubensparadigmen einfach so aufgibt, wenn diese ganz offensichtlich dem Grundgesetz zuwiderlaufen (ich
erwarte von der katholischen Kirche, der ich angehöre bspw. auch, dass sie ihre Haltung gegenüber homo- und bisexuellen Menschen endlich aufgibt) und das ist auch weiterhin kein Widerspruch gegen Artikel 4, aber ich glaube, das kann ich noch so oft schreiben...
- Kein Mensch muss seine Weltanschauung oder seinen Glauben anpassen.
Muss er nicht, aber er darf Dritte mit seiner Weltanschauung oder seinem Glauben nicht in ihren Grundrechten verletzten und genau das darf man und muss man auch von jedem Menschen erwarten dürfen.
Für jeden anderen gilt wohl, dass man einfach nichts von einer unscharf umrissenen Gruppe erwarten darf, weil dies ja sonst unsere Gesetze und die daran geknüpfte Rechtsprechung vollkommen obsolet machen würde.
Also, darf ich von meinen Mitbürgern nicht erwarten, dass sie sich an Grundgesetz etc. pp. halten, weil ich mit dieser Erwartungshaltung unsere Gesetze und die Rechtsprechung quasi ad absurdum führe?
