micah
EU-Fossil
Wobei ich es durchaus okay gefunden hätte, wenn er ganz am Anfang gezwungen worden wäre oder zumindest sich nicht getraut hätte, sich zu wehren, aber im Buch wird das ja deutlich schwerwiegender dargestellt, wenn ich mich recht entsinne.
Im Detail müsste ich das nochmal nachlesen, aber ich verstehe das eigentlich genau so, wie Du in diesem Satz schreibst. Zu Beginn, als er ja auch noch sehr jung war und mit der Rebellion vermutlich noch nichts am Hut hatte, ist er dazu gezwungen worden, später hat er natürlich seine "Fähigkeit" bzw. Beliebtheit natürlich gezielt genutzt, um der Rebellion zu helfen.
Für mich macht die Art des "Einstiegs" in dieses Geschäft aber den entscheidenden Unterschied aus. Vor dieser Information musste ich anhand seines Auftretens annehmen, dass er von Beginn an gnadenlos von sich und seiner Wirkung auf andere eingenommen war und es genossen hat, im Mittelpunkt zu stehen, sich im Kapitol herumzuschlafen und dafür auch noch auf die ein oder andere Weise bezahlt zu werden. Dass ihm vielleicht an der Rebellion an sich gar nicht so viel liegt, sondern er nur mit den Information dealt, weil er es kann und um sich selbst zu bestätigen.
Nachdem am Anfang der Zwang stand, war klar, dass er zunächst diesen riesigen Erniedrigungsschritt tun und das Gefühl der Beschmutzung verkraften musste, um seinen Körper zu verkaufen (so stelle ich mir das jedenfalls vor; nicht dass ich persönliche Erfahrung damit hätte ). Alles andere - dass er nach einer "Gewöhnungsphase" ein gewisses Gefallen daran fand, begehrt zu werden und das kalkuliert für seine eigenen bzw. die Rebellionszwecke einsetzte - ist nach wie vor richtig. Aber dahinter steht in diesem Fall eben eine zerstörte Seele.
Natürlich wird Finnicks Image dadurch etwas sauberer, als es ohne den erzwungenen Einstieg wäre. Aber ich mag meine Helden nun mal moralisch integer - bekannterweise und aus gutem Grund bin ich bei SW ja auch das Luke-Fangirl und nicht das von Han.
Die Hintergrundgeschichte von Haymitch, die in den Filmen ja weggelassen wird, ist für mich ein ähnlicher Punkt.
Könnte natürlich in Teil 4 noch kommen...
Zum einen macht es wenig Sinn, dass seine Familie direkt nach seinem Sieg umgebracht wird, da sonst immer betont wird, dass die Familien als Geiseln dienen, damit die Sieger nicht aus der Reihe tanzen.
Müsste ich auch nochmal nachlesen, ob das wirklich direkt nach dem Sieg war. Ich habe es so in Erinnerung, dass Haymitch sich von Anfang an komplett geweigert hat, zu kooperieren und dann relativ schnell die Familie getötet wurde. Vielleicht auch als Exempel für andere Sieger; vielleicht hat man ihn als relativ "wertlos" bzw. ungefährlich angesehen. (Im Lauf der Trilogie wird ja klar, dass seine Sauferei und Sich-Gehen-Lasserei neben echtem Ausdruck von Trauma und Depression auch Teil seines gezielten Schutzkonzeptes ist.)
Zum anderen hat man nie den Eindruck, dass Katniss' Familie direkt gefährdet ist.
Katniss spielt ja erstmal auch noch brav mit. So lange ist die Familie für das Kapitol natürlich lebendig viel mehr wert als tot, weil sie weiterhin für eine mehr oder weniger unterschwellige Drohungen benutzt werden kann. Abgesehen davon hat sie mit Peeta und Gale ja weitere höchst effektiven "Knöpfe", die sie springen lassen, wohin Snow will. (Beim Schreiben dieses Namens bin ich richtig gestolpert, weil gerade unvermittelt und ungebeten ein ganz anderer Snow vor meinem geistigen Auge auftauchte ).
Sobald mit der Sabotage der Quarter Quell-Arena offenkundig wird, dass sie nicht mehr zur Kooperation gebracht werden kann, schlägt das Kapitol dann aber los und zerstört gleich den ganzen Distrikt 12. Dass Katniss' Mutter und Schwester und Gale überleben und danach dem Zugriff des Kapitols entzogen sind, war ja nicht Teil des Plans.
Aber ich glaube, auch hier stört mich im Endeffekt mehr, dass unbedingt noch eine Schippe an Grausamkeit draufgelegt werden musste, als ob die Teilnahme an den Hunger Games nicht genug sei, einen Menschen zerbrechen zu lassen.
Ich finde es gerade sehr interessant, dass das Konzept der Hunger Games so konsequent weitergedacht wird, dass eben auch die Frage des Umgangs mit den Siegern beleuchtet wird. Die haben ja nicht einfach irgendeine Quiz-Show gewonnen, sondern sich in einem im Wortsinne tödlichen Wettbewerb durch besondere Geschicklichkeit, Grausamkeit, Cleverness etc. durchgesetzt. Man selektiert sich hier also einen überlegenen Menschenschlag heraus, dem man schon alle möglichen Überlebenshindernisse in den Weg geworfen hat und der es trotzdem geschafft hat und der dadurch natürlich von der eigenen Unbesiegbarkeit besonders überzeugt ist (traumatisierte Ausnahmen wie Annie bestätigen die Regel ) sowie von anderen dafür verehrt wird.
Das ist natürlich ein Problem für das Kapitol, denn die Sieger haben potenziell Macht über die Normalbürger und wüssten auch, wie sie sie ausnutzen könnten, und das kann das Kapitol keinesfalls zulassen. Also muss es dafür sorgen, dass die Sieger gefügig bleiben. Für mich ist es daher keine zusätzliche Schippe Grausamkeit drauf, sondern die logische Konsequenz aus dem Konzept der Hunger Games.
Micah