Hyperraum, unterwegs von Coruscant nach Alderaan – an Bord der Ilum, Gänge – Tenia, Akani, Bailee und Brianna
Brianna hatte kein Problem damit, ständig mit dem Schlimmsten zu rechnen. Gerade, wenn das Schlimmste noch nicht einmal darin bestand, beim Verlassen der ‚Ilum‘ beschossen zu werden. Selbst ohne Lichtschwert fürchtete die flinke Echani keine Blaster. Da bräuchte es schon Scharfschützinnen, die sie ahnungslos erwischten oder… sie tat es ja schon wieder. Bailee wirkte aber auch nicht wirklich besorgt, wenn die gröbste Sorge darin bestand, über Imperiale zu stolpern. Hinterher fragte sich die Jediritterin, wo ihre Gedanken in diesem Moment gewesen waren. Vermutlich bei der durchaus erheiternden Vorstellung, dass der vergiftete Senator Fensa mit Schaum vorm Mund sich in Krämpfen windend am Boden lag, während Brianna sich fragte, ob es sich lohnte, ihm mit ihrer Heilbegabung das Leben zu retten. Und wo nahmen Leute sonst noch routinemäßig Gift zu sich, neigten zu unkontrollierten Bewegungen und lagen am Boden? Na klar, in der typischen Raumhafencantina.
„Mich wirst du nicht in einer Cantina erleben, Bailee. Ich vertrage nämlich überhaupt keinen Alkohol. Oh…“
Kam es Brianna plötzlich und errötete.
„Du willst wirklich nicht wissen, wo ich gerade gedanklich war.“
Auch dieses Mal bemühte Bailee sich redlich, ihrer Meisterin Mut zu machen, was die Verhandlungen und etwaige Versuche, sie dabei schlecht aussehen zu lassen anging. Es stimmte – die gutaussehende Echani hatte genügend Erfahrung damit, in HoloNet-Sendungen nicht dumm dazustehen. Falls Fensa sich auf dieses Niveau herabließ, waren seine Versuche sicherlich vergnüglich zu beobachten und fast so unterhaltsam, als wenn er in einer schmuddeligen Raumhafencantina lallend am Boden lag.
„Du hast recht. Ich weiß mich schon zu verkaufen, dafür stand ich bereits viel zu oft auf dem Präsentierteller. Aber ich mache trotzdem Sorgen, dass er die Verhandlungen verbockt und mir anschließend die Schuld gibt. Sei es auch nur, weil ich ihn nicht ausreichend gebrieft hätte. Wem man in dieser Männergalaxis eher glaubt, wenn mein Wort plötzlich gegen seins steht, dürfte ja klar sein,“
Gab sie voll Pessimismus zu bedenken.
„Natürlich weiß Fensa rein gar nichts von mir. Sonst würde er nicht so abfällig über mich reden und denken. Sein Chauvinismus ist auch ganz klar seine Charakterschwäche und nicht mein Verschulden, ganz klar. Am wichtigsten ist, was die Alderaaner über uns denken, am zweitwichtigsten die Imperialen. Ich habe das Gefühl, dass wir im Organa-Palast nicht viel Zeit haben werden, uns über unsere eigene Delegation Gedanken zu machen.“
Die Begegnung mit der anderen Ritterin Tenia und ihrem Padawan Akani verlief kurz und knapp, vielleicht weil die menschenähnliche Frau spürte, dass man einen Mann mit der subjektiven Wichtigkeit eines Rupert Fensa nicht lange warten ließ. Solchen Leuten hatte man schließlich gleich als erstes eine Visite abzustatten, wenn man an Bord kam. Für Brianna wäre dies freilich ein Ding der Unmöglichkeit gewiesen, hielt sie sich doch schon zwei Wochen länger an Bord der ‚Ilum‘ auf als er. Je länger ihre Gedanken um dieses eine Thema kreisten, desto weniger wirkte es wie ein Zufall, dass Rätin Rigby das Schiff verlassen hatte, bevor der gute Mann an Bord gekommen war.
Wie sich herausstellte, war der Chiss-Padawan gar nicht so duckmäuserisch veranlagt wie es zunächst den Anschein hatte. Stattdessen gab der junge Mann eine durchaus selbstwusste und schlagfertige Antwort, obwohl er sich dahingehend täuschte, dass er glaubte, Brianna hätte ein Problem mit Chiss. Die Silberhaarige sah auf Chiss keineswegs weiter herab wie auf andere Nicht-Echani-Spezies und weniger weit als auf Menschen oder gar Twi'leks.
„Candia'kan'inrokini,“
Echote Brianna den komplizierten Namen auf Anhieb fehlerfrei, was keine unbemerkenswerte Leistung war in Anbetracht der Tatsache, dass sie des öfteren in Situationen fand, wo sie sich ein wenig dumm vorkam. Freilich war dies aber keine Folge mangelnder Intelligenz, sondern fehlender Schulbildung und vielleicht fiel es ihrem weniger von nutzlosem Wissen wie galaktischer Lyrik oder mathematischen Formeln belasteten Hirn dadurch leichter, sich derlei Dinge zu merken. Nüchtern stellte sie fest.
„Du irrst dich, Akani. Chiss haben in meinen Augen einige faszinierende körperliche Eigenschaften.“
In derlei Dingen kannte die Echani sich wiederum sehr gut aus. ‚Kenne deinen Feind!‘ – was potentiell jede intelligente Spezies der Galaxis war. Man musste einfach wissen, wo man hinschlagen musste, damit es weh tat. Gefühlt war jede von ihnen auch auf Nar Shaddaa präsent, wo sie so viel Zeit verbracht hatte. Derlei Inselbegabungen waren nun einmal das Resultat der Kombination von mangelnder Schulbildung und einer höchst einseitigen persönlichen Interessenlage.
Eine tiefere Verbeugung als üblich war sicher eine geeignete Strategie für das für Tenia und Akani noch anstehende Lagebesprechung. Beide bedankten sich und kündigten an, später noch zur Meditation hinzustoßen zu wollen, dann verschwanden sie in die entsprechende Richtung.
„Gerne. Es würde mich freuen.“
Verabschiedete Brianna die beiden und machte sich auf den Weg in ihr und Bailees Quartier. Jedes Meisterin-Padawan-Pärchen hatte eine der für ein Jedi-Schiff ungewöhnlich großzügigen, wenn nicht gar luxuriös zu nennenden Suiten bekommen. Auch mit zwei weiteren Suiten für Fensa inklusive seinem Stab sowie Agent Fontaine gab es noch freie Quartiere. Trotzdem war die Echani-Jedi nicht so anmaßend gewesen, sich selbst ein zweites Quartier unter dem Nagel zu reißen, zumal die verbleibenden teilweise für fremde Spezies ausgestattet waren. Selbst in einer großen Raumschiffkabine wurde es schnell eng, wenn das gesamte Mobiliar für drei Meter große Jedi (oder andere Diplomaten) ausgelegt war.
Bailee war indes ein wenig voreilig, warf sich auf eins der Betten im Personalquartier und fragte nach dem Zweck der Meditationsübung. Brianna war hingegen im Begriff gewesen, in die eigentliche Suite zu gehen. Sie hielt jedoch inne, setzte sich auf das Bett gegenüber und sah ihre nautolanische Padawan an.
„Der allgemeine Zweck einer Meditation ist es, Distanz zwischen dem Alltag samt seiner Sorgen, Nöte und momentanen Anliegen und dem Ich zu schaffen. Den Geist zu reinigen,“
Erklärte Brianna, die sich das alles ad hoc zusammenreimte. Sie hatte keine Ahnung, wie andere Kulturen es mit der Meditation hielten, jenseits von Echani und Jedi.
„Die Echani tun es, um das Qi im eigenen Körper wahrzunehmen, das uns unsere Stärke verleiht. Bei den Jedi ist es ähnlich: unser Ziel ist, dass du die Macht spürst, eine Wahrnehmung, die zu subtil und zu fein ist, als das sie dir, ungeübt wie du noch bist, im Alltag auffallen würde. Immerhin dachtest du ja noch vor kurzem, du wärst gar nicht machtsensitiv,“
Die Jediritterin grinste mit einem leichten, wissenden Flair von ‚ich habe es dir ja gesagt‘ in den wunderschönen silbernen Augen. Sie stand auf.
„Aber eigentlich hatte ich nicht vor, die Meditation hier zu halten. Ich habe aus der eigentlichen Suite einen Trainingsraum gemacht und mich zum Schlafen hier eingerichtet. Eigentlich ist das hier ein typisches Jedi-Quartier: wie gemacht für Meisterin und Padawan und Mädelsabende. In Räumen wie diesen haben wir schon Lichtschwerter gebaut und Ryshcate gegessen und andere Dinge mehr. Vielleicht macht Tenia ja auch mit,“
Spekulierte Brianna.
„Aber wenn du mehr Ruhe brauchst, gibt es noch einen zweiten Raum wie diesen, den du für dich alleine nehmen könntest. Außerdem haben wir ein richtiges Bad und eine kleine Küche.“
Für die die Jediritterin so überhaupt keine Verwendung hatte.
„Komm mit!“
Im dahinter liegenden Raum waren sämtliche Möbel derart aufeinander gestapelt, dass es nur den Schluss zuließ, Brianna musste dafür auf Telekinese zurückgegriffen haben – und man hätte sich getäuscht. Die Echani hatte dafür gesorgt, eine möglichst große freie Fläche zur Verfügung stehen zu haben. Einzig die Aussichtfenster auf die wabernden Nebel des Hyperraums waren erhalten geblieben, und ein großer Teppich in der Mitte des Raumes. Brianna entledigte sich ihres Robenumhangs und ihrer Schuhe, so dass sie mit der hellgrauen Tunika und der anthrazitfarbenen Hose dastand.
„Was ich dir auf unserer Reise gerne beibringen möchte, ist eine Echani-Atemmeditation, und die geht so:“
Brianna stellte sich tief auf, krallte sich mit den Zehen im Teppich fest, spannte den gesamten Körper fest an, abgesehen von der Atmung und vollführte langsam und kraftvoll unter intensivster Atmung einige Kampfkunstbewegungen, bis sie beschloss, genug gezeigt zu haben.
„Das wichtigste an der Übung ist die Atmung, das zweitwichtigste ist die Körperspannung,“
Erklärte Brianna, als ob letzteres nicht offensichtlich gewesen wäre, so deutlich sichtbar wie sie ihre reichlich vorhandenen Muskeln durch die Stofflagen präsentiert hatte. Daran tat auch der Gewichtsverlust durch den Stress auf Coruscant keinerlei Abbruch.
„Und mit dem wichtigsten fangen wir auch an, weshalb wir den Rest für den Anfang weglassen,“
Ergänzte sie und setzte sich auf den Teppich. Der Lotossitz war eine der leichtesten Übungen für sie, trotz der gewaltigen Oberschenkel war die Dehnbarkeit der Echani nicht im Mindesten eingeschränkt. Bailee musste das natürlich nicht unbedingt können.
„Wenn du bereit bist, schließe deine Augen, um Ablenkungen auszuschließen. Denke an nichts mehr und konzentriere dich auf deine Atmung. Ich weiß, dass Nautolanerinnen sich als Amphibien hier deutlich von Echani unterscheiden, weshalb ich auf anatomische Details verzichte. Atme langsam so tief und fest ein wie du kannst und spüre, wie die Luft in deinen Körper strömt.
Atme langsam aus, bis keine Luft mehr in dir ist und halte den Zustand.
Atme wieder langsam und bewusst ein. Fühle die Luft und wie sie deinen Körper belebt.
Atme langsam wieder aus.“
So ging es eine Weile, die Brianna mit ruhiger, sanfter Stimme begleitete.
„Es ist nicht nur Luft, die du atmest. Es ist auch die Macht.
Die Macht ist allgegenwärtig. Sie steckt in dir ebenso wie im Teppich, auf dem wir sitzen und sogar im Vakuum da draußen.
Mit jedem Atemzug nimmst du eine stille und doch gewaltige Energie in dich auf.
Fühle es. Es gibt mehr in deinem Leben, als du bisher geahnt hast.
Gerade einmal an der Schwelle der Wahrnehmung ist die Macht und nur, wenn du alle anderen Empfindungen ausschließt, und doch unglaublich kraftvoll.
Schiebe das Atemgeräusch beiseite.
Schiebe die kühlende Wirkung der Luft beiseite.
Schiebe die Spannung beim Ein- und Ausatmen beiseite.
Das einzige, was du noch wahrnimmst, ist die Macht, wie sie durch deinen Körper strömt.“
Hyperraum, unterwegs von Coruscant nach Alderaan – an Bord der Ilum, Suite – Bailee und Brianna