[Hyperraum | von Dxun nach Uyter | Frachter Eisenheim | Cockpit] Sliff Quori, Mol
Dass Mol ihn ein weiteres Mal wie ein Kind hochhob und ihn aus dem Cockpit trug, bekam Sliff Quori gar nicht mit. Seine Bewusstlosigkeit war tief genug, um ihn nicht einmal die Schmerzen spüren zu lassen, die in seinem verletzten Bein entstanden; obwohl der Zabrak, selbst erschöpft und am Ende seiner Kräfte, bei weitem nicht so vorsichtig mit ihm umging, dass er nirgendwo anstieß oder entlang schleifte. Das äußerte sich für den Sith-Jünger aber nur in der etwas düstereren Färbung, die seine Träume in diesen Momenten annahmen. Sein Körper und sein Geist sehnten sich nur noch nach Ruhe. Doch die war ihm nicht vergönnt. Er erwachte, sobald sich der Medi-Droide an seine Arbeit machte und nach einer kurzen optischen Untersuchung begann, die Wunde zu betasten und das kaputte Bein zu bewegen. Die Berührung löste ein so intensives Stechen aus, dass Sliff mit einem hektischen Keuchen hochfuhr.
»BITTE HALTEN SIE STILL, ICH MUSS SIE SONST FIXIEREN«, sagte der Droide mit blecherner Stimme. Dieses Modell war wohl nicht für einen besonders sensiblen Umgang mit den Patienten gebaut, sondern nur für eine möglichst effiziente Behandlung von Verletzungen.
Sobald der Kobok verstand, dass er nicht in Gefahr war, sondern stattdessen sogar Hilfe bekam, befolgte er die Anweisung und zwang sich, sein Bein an Ort und Stelle zu lassen. Verwirrt blickte er sich um und brauchte einen Moment, um zu begreifen, wo er sich befand und wie er wohl hierher gekommen war. Die Erinnerung an die Erlebnisse dieses Tages kehrte zurück - erst nur ein kleines Stückchen, dann exponentiell immer mehr, wie bei einer Lawine. Schließlich erkannte er das Innere der Eisenheim wieder. Sie stank nach Trandoshanern und erinnerte ihn damit unangenehm an seine Gefangenschaft auf deren Schiff. Aber hier war es anders. Wenn er ein Gefangener war, dann höchstens einer der Umstände. Es war unglaublich, was sich alles in der letzten Woche ereignet hatte, und wie wenig Einfluss er auf die meisten dieser Abläufe gehabt hatte. Dass er in all dem Chaos nicht komplett die Kontrolle über die Entwicklungen verloren und am Ende sogar überlebt hatte, war eine beachtliche Leistung und natürlich auch eine ganze Menge Glück. Eigentlich glaubte er nicht an Zufall und Fügung, sondern daran, dass jeder seines Glückes Schmied und jedes Ereignis dem Willen der Lebenden unterworfen war. Aber so fühlte es sich im Moment nicht an.
Um sich in philosophischen Betrachtungen zu ergehen, waren aber die Schmerzen, die bei der Behandlung entstanden, zu groß. Sie verhinderten, dass er einfach wieder einschlief, aber auch, dass er sich auf etwas anderes konzentrieren konnte als sein Bein. Die Wunde sah schlimm aus: Er hatte sie während des Ritts auf dem Drexl und der Flucht von der Plattform nicht schonen können, mit dem Ergebnis, dass der Riss in seiner Chitinhülle sich ausgedehnt hatte und nun auch weiter aufklaffte. Es sah aus, als hätte nicht viel gefehlt, um das Bein im Ganzen durchzubrechen oder seitlich abzuknicken. Als wäre die Verletzung alleine nicht schon schlimm genug, war offenbar auch eine Menge Schmutz in die klaffende Wunde geraten. Gerade holte der Droide mit zwei seiner Finger, die wie eine Pinzette geformt waren, etwas daraus hervor, das Sliff für blutverschmierte Pflanzenteile hielt. Alles Mögliche konnte hinein gelangt sein - einschließlich diversen Erregern und Schmarotzern, vielleicht sogar von der Art, die sich in Mols Arm festgesetzt hatte.
Der Droide stellte sich geschickt an. Dennoch zuckte Sliff Quori bei jeder noch so leichten Berührung zusammen, was der Maschine nicht entging.
»HABEN SIE STARKE SCHMERZEN?« fragte sie.
Sliff, der die Frage reichlich unnötig fand, nickte nur.
»ICH WÜRDE IHNEN EIN SCHMERZMITTEL VERABREICHEN. LEIDER BEINHALTEN MEINE SPEICHER KEINE INFORMATIONEN ÜBER IHRE SPEZIES, SO DASS ICH ZUNÄCHST EINIGE TESTS DURCHFÜHREN MUSS, UM FESTZUSTELLEN, WELCHE MEDIKAMENTE SIE VERTRAGEN. LEIDER WURDE ES VERSÄUMT, EIN REGELMÄSSIGES UPDATE MEINER DATENBANKEN VORZUNEHMEN«, sagte der Medidroide entschuldigend. Dann erläuterte er: »DIE WUNDE IST STARK VERUNREINIGT. IHR VERLETZTES MUSKELGEWEBE HAT SICH ENTZÜNDET. WIE WEIT DIE INFEKTION BEREITS FORTGESCHRITTEN IST, KANN ICH ERST SAGEN, WENN DIE WUNDE GESÄUBERT IST. HALTEN SIE WEITERHIN STILL.«
Der Droide fuhr damit fort, alle möglichen Fremdkörper aus dem Loch im Chitinpanzer zu pulen. Als er dann begann, das Gewebe mit Wasser und einem Desinfektionsmittel zu reinigen, steigerte sich der Schmerz nochmals und Sliff drohte erneut in Ohnmacht zu fallen. Das heftige Stechen und Reißen, das er von Anfang an in seinem verletzten Bein gespürt hatte, war mittlerweile noch um ein feuriges Pulsieren bereichert. Ob das an der Entzündung oder an der Desinfektion lag, wusste er nicht.
»Kannst du es behandeln?« fragte er.
»DAS HÄNGT ZUNÄCHST DAVON AB, OB SICH EIN ENTZÜNDUNGSHEMMENDES MEDIKAMENT AN BORD BEFINDET, DAS BEI MITGLIEDERN IHRER SPEZIES ANGEWENDET WERDEN KANN. UND AUCH DAVON, WIE WEIT SICH DIE INFEKTION BEREITS AUSGEBREITET HAT. UNTER DER EXOSKELETTSTRUKTUR KANN DAS MIT MEINEN BEGRENZTEN MITTELN NUR SCHWER UNTERSUCHT UND NOCH SCHWERER BEHANDELT WERDEN. MEINE DERZEITIGE VERMUTUNG LAUTET, DASS ICH OPERIEREN UND DAS ENTZÜNDETE GEWEBE GROSSFLÄCHIG ENTFERNEN MUSS, SOFERN NICHT IN DEN NÄCHSTEN BEIDEN STUNDEN BACTA, COLTO ODER EINE GLEICHWERTIGE ALTERNATIVE ZUR VERFÜGUNG STEHEN, DIE IHNEN VERABREICHT WERDEN KANN.«
Das klang überhaupt nicht gut. Ob sich Colto oder Bacta an Bord der Eisenheim befand, musste der Kobok gar nicht fragen. Das war viel zu selten und kostspielig, als dass Mol es mit seiner nach Reptilien stinkenden Rostlaube durch die Gegend kutschieren könnte. Selbst wenn auf einem der Planeten, die sie demnächst anflogen, welches zu finden wäre, was ebenfalls nicht garantiert war, konnte er sich keinesfalls eine Bactatherapie leisten. Also lief es wohl auf eine Operation hinaus. Durchgeführt von einem Droiden, dessen begrenztes Programm keine Daten über seine Anatomie und Biochemie enthielt. Das konnte heiter werden! Sliff wünschte sich nach Koboth zurück, wo die Behandlung wohl kaum ein Problem wäre. Oder nach Bastion, wo sein insektoider Freund Sahdid Pera'tre sicher auch helfen könnte. Aber sein Flehen half nichts, er wurde nicht durch irgendein Wunder dorthin teleportiert und musste sich wohl mit dem kleinen blechernen Arzt zufrieden geben.
»Wie großflächig?« wollte er wissen.
»UM DAS ZU BEURTEILEN, IST ES NOCH ZU FRÜH. ICH WIEDERHOLE MEINE AUFFORDERUNG, STILL ZU HALTEN!«
Nach ungefähr einer halben Stunde standen die Ergebnisse fest. Der Medi-Droide hatte sich die Wunde genau angesehen, die Ausbreitung der Infektion eingeschätzt und auch Zellproben von Sliff und von den Keimen analysiert. Seine abschließende Diagnose war vernichtend. Es gab auf der Eisenheim nichts, womit man die Entzündung stoppen konnte, auch kein geeignetes Schmerzmittel oder gar Anästhetikum. Die OP musste ohne Narkose stattfinden. Der Schock war komplett, als der Automat ihm zeigte, wo er den Schnitt zu machen gedachte. Dicht unter dem Knie, einmal rund um das linke Bein herum. Sliff musste zweimal nachfragen, bevor er endlich verstand oder zu verstehen bereit war, dass der Droide von einer Amputation seines gesamten Unterschenkels sprach. Er widersprach heftig, aber der Droide erwiderte:
»ES IST DIE EINZIGE MÖGLICHKEIT. SIE SCHEINEN GENERELL NICHT ÜBER STARKE ABWEHRKRÄFTE ZU VERFÜGEN UND HABEN KEINE ANTIKÖRPER GEGEN DIESEN ERREGER. MIT JEDEM HERZSCHLAG BREITET ER SICH WEITER IN IHREM KÖRPER AUS. WENN DIE INFEKTION WEITER IN DIESER GESCHWINDIGKEIT VORANSCHREITET, KANN ICH BALD NICHTS MEHR FÜR SIE TUN. ABER MACHEN SIE SICH KEINE SORGEN: DANK CYBERWARE UND KLONTECHNIK KANN DIE MODERNE MEDIZIN IHNEN DENNOCH EIN NORMALES LEBEN ERMÖGLICHEN.«
»Ja, wenn man verdammt reich ist!« rief Sliff Quori verzweifelt. »Hast du eine Ahnung, was ein geklontes Körperteil oder ein künstliches Implantat kostet, vor allem wenn kein Standardteil für Menschen passt?«
»BEDAURE, NEIN.«
Der Kobok seufzte. »Hol' den Kommandanten her!« befahl er.
Der Droid wackelte davon und kehrte kurz darauf mit Mol zurück. Der Zabrak war noch genauso dreckig und blutig wie zu dem Zeitpunkt, als er an Bord gegangen war. Geändert hatte sich nur, dass er jetzt zusätzlich zu Schweiß und Schmutz auch nach billigem Schnaps stank. Offensichtlich hatte er getrunken - die halb leere Flasche hielt er noch in der Hand.
»Dein Droide sagt, mein Bein muss ab«, erklärte Sliff und versuchte, nicht in Panik zu verfallen. »Wenn du nicht einen Eimer Bacta an Bord hast, gibt es keine andere Möglichkeit.«
Dann wiederholte der Medi-Droide seine Erklärungen.
[Hyperraum | von Dxun nach Uyter | Frachter Eisenheim | Medistation] Sliff Quori, Mol