[Weltraum | Outer Rim | Hyperraum von Lianna nach Maridun | T-6 White Dwarf] Nen-Axa, Lerameé
Während des Hyperraumfluges sprachen Meister und Schülerin kaum miteinander. Lerameé zog sich sehr zurück, war offenbar mit sich selbst beschäftigt und mit den Entscheidungen, die sie zu treffen und deren Konsequenzen sie zu tragen hatte. Natürlich begegneten sie sich regelmäßig: Das Shuttle war zu klein, um sich konsequent aus dem Weg zu gehen. Aber wann immer sie beisammen waren, sprachen sie wenig. Die Lurmen schien das Schweigen vorzuziehen und Nen-Axa respektierte dies. Er spürte deutlich die Zweifel, die innere Zerrissenheit seiner Schülerin. Sie hatte wirklich die Absicht gehabt, eine Jedi zu werden. Sie hatte den Fuß auf diesen Weg gesetzt und einige Schritte in diese Richtung gemacht, in dem Glauben, dass sie ihn bis zu Ende gehen würde. Dass sie nun nicht dazu in der Lage war, machte ihr Kummer. Das Heimweh war stark und sie wusste vermutlich, dass sie nur halb die Kontrolle über sich und ihre Zukunft hatte. Der Jediritter wollte ihr gerne helfen, mit den Selbstzweifeln fertig zu werden, aber solange sie seinen Rat nicht wünschte, konnte er nichts für sie tun. Es entsprach nicht seiner Auffassung vom Weg der Jedi, jemanden zu seinem Glück zu zwingen. Eine so bedeutende Entscheidung wie ein Jedi zu werden musste man aus freien Stücken treffen. Er wollte sie weder überreden noch drängen, das zu tun, was er für das Richtige hielt. Denn Richtig und Falsch hingen viel zu sehr vom persönlichen Standpunkt ab als dass er hätte sagen können, das was er für gut hielt, hätte auch Lerameé gut getan. Vielleicht war sie wirklich glücklicher auf ihrer Heimatwelt und würde, wenn sie in einigen Jahren auf diesen Augenblick zurück schaute, zufrieden feststellen, dass sie keine bessere Entscheidung hätte treffen können.
Für Nen-Axa jedoch war es ein trauriger Flug. Die Reise von Lianna nach Maridun dauerte nicht lange, die Strecke war nicht besonders groß und führte größtenteils über verlässliche Hyperraumrouten. So näherte sich mit jeder Stunde der Augenblick, an dem er seinen ersten Padawan verlieren würde. Er mochte Lerameé und hatte sich darauf gefreut, ihre Ausbildung zu begleiten und anzuleiten. Natürlich fragte er sich auch, ob er etwas falsch gemacht hatte. Waren ihm in den entscheidenden ersten Tagen Fehler unterlaufen? Hätte er dazu beitragen können und müssen, dass die Lurmen sich im Orden wohler fühlte? Hätte er mehr für sie da sein, ihr mehr zuhören müssen? Hatte er sie zu sehr gedrängt oder - im Gegenteil - nicht ausreichend gefordert? Fragen, die an ihm nagten, auf die er zu diesem Zeitpunkt keine Antwort hatte. Gerne hätte er darüber ausgiebig meditiert. Doch im Augenblick gelang ihm dies nicht.
Die erhoffte Wendung kam nicht. Lerameé hielt an ihrem Entschluss, in die Heimat zurückzukehren, fest, auch wenn der Arconier merkte, dass sie nicht hundertprozentig überzeugt davon war. Als sie jedoch aus dem Hyperraum fielen und sie das grüne Rund ihres Geburtsplaneten sah, war ihr die Freude deutlich anzumerken. Nen-Axa hatte vorgehabt, diese letzte Gelegenheit nochmals für ein Gespräch mit ihr zu nutzen; sie zu fragen, ob sie sich der Folgen ihres Handelns bewusst war und ob sie nicht doch noch im letzten Moment einen Rückzieher vom Rückzieher machen wollte. Doch als er ihre Erleichterung spürte, verzichtete er darauf und beschloss, das Unausweichliche hinzunehmen.
Es dauerte eine Weile, bis sie die Gegend gefunden hatten, aus der seine Schülerin stammte. Zeit ihres Lebens hatte sie diese nie von oben gesehen und erkannte sie nicht sogleich wieder. Sie orientierten sich an ihren Beschreibungen über Gelände, Vegetation und Jahreszeitenwechsel ihres Zuhauses. Schließlich erkannte sie eine Bergkette wieder und sie steuerten die grasbewachsene Ebene davor an. Das rot-weiße Shuttle flog dicht über den Wipfeln riesiger Bäume dahin (den Schotenfruchtbäumen, die Nen-Axa aus seinen Recherchen über Maridun kannte) und erreichten schließlich eine kleine Siedlung. Hölzerne Schoten bildeten einen mehrreihigen Kreis um einen runden, grasfreien Dorfplatz herum. Kleine Gestalten, allesamt Lerameé sehr ähnlich, betrachteten das landende Schiff mit einer Mischung aus Neugier und Scheu in ihren großen Augen.
Der Padawan - ehemalige Padawan, musste man schon sagen - wurde von den anderen Lurmen mit aller Herzlichkeit begrüßt. Sie waren offenkundig froh darüber, das wertvolle Mitglied ihrer Gemeinde zurück zu haben, und machten ihr keine Vorhaltungen. Nen-Axa hatte den Eindruck, dass sie hier, inmitten der von Kindheit an vertrauten, wilden Landschaft und umgeben von ihren Lieben, besser aufgehoben war als in der Betonwüste Liannas oder an Bord von Raumschiffen, die sie in die entlegenen Winkel der Galaxis trugen.
Die Lurmen erwiesen sich als sehr gastfreundlich und auch Lerameé bat ihn, zu bleiben. Der Arconier hatte tatsächlich Lust darauf, den Planeten und die Lebensweise ihres Volkes kennenzulernen. Aber er wusste, dass es nicht gut wäre. Je länger er hier blieb, um so länger würde seine Schülerin innerlich noch zweifeln müssen. Er konnte ihr helfen, indem er schnell vollendete Tatsachen schuf. Und das tat er am besten durch einen raschen Aufbruch.
Nicht länger als eine Stunde blieb er im Dorf der Lurmen, bevor er wieder an Bord des Schiffes ging. Nicht jedoch, ohne sich von Lerameé zu verabschieden und ihr alles Gute für die Zukunft zu wünschen.
»Bedenke, es gibt noch mehr Wege außer dem der Jedi, die Macht kennenzulernen und zu verstehen«, sagte er. »Du hast begonnen, deine Fähigkeiten zu entdecken und zu erforschen. Sie werden nun immer bei dir sein. Mögen sie dir und deinem Volk viel Gutes bringen.«
Die Rampe schloss sich und das Shuttle hob sich in die Lüfte. In steilem Winkel flog es hinauf in die dünne Wolkendecke, die Abendsonne hinter sich. Schwermütig betrachtete Nen-Axa den fremdartigen Planeten, auf dem sein erster Padawan zurückblieb.
»Werde glücklich, Lerameé«, sagte er, bevor er das Schiff in die Sterne lenkte und Maridun aus seinem Blickfeld verschwand.
Die White Dwarf sprang in das Blau des Hyperraums. An Bord befand sich nur noch eine einzige Person.
[Weltraum | Outer Rim | Hyperraum von Maridun nach Tatooine | T-6 White Dwarf] Nen-Axa