Hey, ich wollte mich mal aus meinem eher unfreiwilligen Luke-Skywalker-Selbstexil zurückmelden und zu Ep. VIII auch wieder meine Meinung schreiben.
Nachdem ich das ja für Ep. VII schon ausführlicher gemacht hatte und das ein paar Leute mochten, scheint es irgendwie sinnvoll, dass ich es für den Folgefilm auch mache. Und da es viel Kontroverse um TLJ gibt, ist mein Text natürlich noch länger als letztes Mal.
Das mittlerweile jährlich stattfindende Kinoevent in der Premiere war wieder sehr nett, auch wenn es cosplaymäßig im Vergleich zu TFA und (erstaunlicherweise) vor allem zu Rogue One ein ziemlicher Reinfall war. Kaum jemand war kostümiert, ein paar Jedi und eine gut gemachte Rey - das war's leider schon. Schade irgendwie, sich mit denen zu unterhalten war immer sehr spaßig. Immerhin: Dieses Mal hat sich im Gegenzug auch niemand mitten im Film lautstark über eine schlechte Dialogzeile beschwert (na gut, dafür wurde Kylos Oberkörper etwas weiter vorn wohlwollend kommentiert
). Erstaunlicher war allerdings, dass das Kino genau einen Kinotrailer zeigte und es dann ohne jede weitere Werbung sofort mit dem Film losging.
Damit startete also viel schneller als erwartet "Die letzten Jedi". Was kann ich über den Film allgemein sagen? Handwerklich eigentlich kaum Schlechtes, denn Optik und der Schnitt sind fast ausnahmslos großartig, schauspielerisch ist der Film gut und mit der Hyperraumkollision fügt der Film eine der optisch beeindruckendsten Szenen der Saga hinzu. Aber ein großes Thema dieses Films ist das Gleichgewicht der Macht; zusammengefasst bringt das auch mein Fazit zum Film ziemlich auf den Punkt. Schon bei TFA (damals 6,5/10) funktionierte die Story für mich nicht, ich habe aber die neuen Charaktere und ihre zwischenmenschliche Dynamik sehr gemocht. All das trifft fast genau so wieder zu – nur viel extremer. Wer den Film liebt, der muss jetzt aber etwas durchhalten, weil ich erst einmal mit einigen zum Teil sehr negativen Sachen beginne.
RAHMENHANDLUNG
Die Rahmenhandlung des Films halte ich dieses Mal nicht nur für eine tatsächliche Katastrophe, sondern nach Ep. VII eigentlich fast für eine Frechheit.
"The First Order reigns" als erster Satz des Title Crawls. ... Was? Wie kommt das denn jetzt auf einmal? Der letzte Film ist doch erst ein paar Minuten her? Es wird jetzt also direkt nach TFA mit
einem Satz unterstellt, dass die Republik nun... eben weg ist und die Erste Ordnung, die Überwaffe und Hauptstützpunkt im letzten Film verloren hat, jetzt halt wenige Minuten später herrscht. Das ist... lächerlich.
Die nach Endor aufgebaute Republik muss ja wieder grenzenlos inkompetent sein, damit so etwas überhaupt auch nur entfernt möglich erscheint. Diesen Film damit einzuleiten, dass die Republik ausdrücklich weg ist und stattdessen jetzt die Erste Ordnung in der Galaxis herrscht, ist für mich ein völliges Storytelling-Desaster, weil ich gar nicht verstehe, wie das in dieser absurd kurzen Zeitspanne überhaupt möglich sein soll. Nein, ich brauche nicht alle Details, aber ich will in einem etablierten Universum (und insbesondere als Sequel zu einer insoweit extrem erklärungsarmen Ep. VII!) einfach logische und vor allem plausible Zusammenhänge erfahren. Was TLJ mir jetzt serviert, ist, dass nach Ende des Imperiums ausweislich ROTJ nun eine Republik, die ja immerhin um die 30 Jahre lang hielt, durch Hosnian völlig weg ist und plötzlich jeder die First Order akzeptiert, weil/obwohl diese militante Organisation von außen einen Terroranschlag durchführte? Über diese "Ist-halt-so!"-Prämisse des Films komme ich nach dem fehlenden Worldbuilding von TFA aber überhaupt nicht hinweg. Das ist dann nur lausig erzählt und mir gefällt es nicht, dass man das so hinnimmt oder gar sagt, dass das nicht wichtig wäre - gerade Kontext ist enorm wichtig, denn nur dann verstehen wir ja, was bei den Charakteren auf dem Spiel steht.
Da
@Eowyn fragte, warum man das eher TLJ und nicht TFA ankreidet, möchte ich sagen, dass das bei mir daran liegt, dass TFA die dramaturgische Ausrede hatte, dass Hosnian kurz vor dem Finale passiert und TFA daher die Zeit nicht hatte. Es liegt dann aber am Sequel mit den Folgen dieses Umstandes im Film klarzukommen. So wie der Crawl in Ep. V ja erklärt hat, was nach der Zerstörung des Todessterns passiert ist. Der Crawl in TLJ und vor allem der Einstieg direkt nach TFA schaden dem Film aber total, weil man auch nicht unterstellen kann, dass in der Zwischenzeit etwas Wichtiges passiert ist. Die Republik verschwindet nun buchstäblich binnen In-Universe-Minuten komplett aus der Galaxis.
HANDLUNG RUND UM DEN WIDERSTAND
Und leider wird es anschließend (noch) nicht besser. Der Widerstandsteil wirkt auf mich leider wie eine lästige Pflichtaufgabe, da man sich offenbar viel lieber mit dem anderen Teil befassen möchte. Das Interessanteste, was professionellen Schreibern hierzu einfiel, ist, dass in einem von nur zwei Plotsträngen ein großes Schiff 18 Stunden lang einem kleineren Raumschiff hinterherfliegt. Ist das ein Scherz?
Das ist so verzweifelt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass hier einfach gar nichts Besseres vorgelegen haben soll. Von den diversen In-Universe-Merkwürdigkeiten dieses Settings einmal abgesehen, halte ich es aus dramaturgischen und... eigentlich auch allen anderen Gesichtspunkten für eine wirklich unerklärliche Entscheidung. Denn der Umkehrschluss aus diesem Setting ist ja nunmal auch, dass in genau diesen 18 Stunden überhaupt keine Gefahr für den Widerstand besteht, weil der Gegner mit seinen neuerdings ballistischen (?!) Lasern auf die nicht geringer werdende Distanz sowieso nichts ausrichten kann.
Darüber hinaus passt das von meinem Zeitgefühl nicht zusammen. Das ist natürlich sehr subjektiv, weil Zeitangaben in Star Wars (aus gutem Grund) kaum gemacht werden. Dieses Setting verlangt aber, dass ich glaube, dass binnen 18 Stunden Rose und Finn hin zu einem ziemlich weit entfernten Planeten fliegen, dort den Codeknacker finden, im Gefängnis landen, sich befreien, Tiere befreien, das Casino zerstören, vor der Polizei fliehen, Hoffnung säen, einen Ersatzcodeknacker finden, den gesamten Weg wieder zurückfliegen, auf der "Supremacy" landen, zum Tracker gehen und diesen (fast) deaktivieren. Kommt das niemandem irgendwie... komisch vor? Zu Canto Bight möchte ich ansonsten nur sagen, dass ich leider gar kein Star-Wars-Feeling auf diesem Planeten hatte. Das ist natürlich sehr individuell, aber ähnlich wie die Kanjiklub-Szene hat es auf mich nach etwas aus einer anderen Fiktion gewirkt.
Ich muss daher sagen, dass ich den Widerstandsteil hinsichtlich seines Settings und der Rahmenstory für völlig misslungen halte. Nicht etwa weil er mutig ist (ist er ja nicht), sondern weil er auf mich einfach nicht plausibel oder sinnvoll und deswegen auch nicht interessant erschien. Und das, obwohl ich immer viel mehr mit diesem Teil von Star Wars sympathisiert habe und weniger mit den Storys um die Macht. Vermutlich ärgert es mich aber genau deswegen, dass in diesen Handlungsstrang offenkundig kaum Mühe geflossen sein kann. Zu sehr in die Details will ich hier erstmal nicht gehen, denn für Leute, die eher die Macht interessiert, wird das nur Nitpicking sein. Jedenfalls sollte man aber umgekehrt auch Verständnis dafür haben, wenn die, die das Bodenständigere in Star Wars mögen, auch ähnlich viel Mühe und Gedanken hinter diesen Dingen sehen möchten.
HANDLUNG RUND UM DIE MACHT
Aber zum Glück gibt es noch den zweiten Plot des Films, der zunächst auf Ahch-To startet. Vorab gleich eines, was vielleicht nach dieser vernichtenden Kritik bislang überraschen wird: Fast alles, was mit Rey und Kylo selbst zu tun hat, macht der Film meiner Meinung nach phänomenal gut und ich halte einige der Szenen tatsächlich für extrem starke Momente, selbst im Vergleich zu allen anderen Star-Wars-Filmen. Trotzdem startet dieser Plot für mich wieder komplett daneben. Und da kommen wir mal zum Punkt "Mut". Welchen Sinn hat (angeblicher) Mut, wenn er nur den Selbstzweck hat, eine - nein,
die Szene voller Gravitas aus dem letzten Film zu Gunsten eines Schenkelklopfers zu dekonstruieren? Ja, dass Luke das Schwert marvelhaft lässig über die Schulter wegwirft, ist überraschend und im ersten Moment aufgrund der Inszenierung ein netter Gag. Und... weiter? Eben. Nichts. Es ist witzig, einzig und allein weil es die vorherige Szene dekonstruiert. Der Bruch von Erwartungen als simples und in diesem Film zum Teil fast einziges Werkzeug von Storytelling ist aber überhaupt kein Qualitätskriterium, wie diese Szene für mich beispielhaft zeigt. Erwartungen kann man mit allem Möglichen und Unmöglichen brechen - das ist überhaupt nicht schwierig. Luke hätte sich auch in einen rosafarbenen Elefanten verwandeln können. Das macht es nicht zu einer tollen Sache. So sehe ich das auch mit der Lichtschwertszene, die ein filmisches Highlight des letzten Films ohne irgendeinen Mehrwert für TLJ lächerlich macht. Damit bleibt von der Szene am Ende auch nichts außer ein einmaliger Lacher und vor allem verschenktes Potential für einen weiteren großen Star-Wars-Moment. Und hier beginnt man schon ein gewisses Muster bei Johnson zu erkennen: Das Spiel mit den Erwartungen, denn der Twist wird nur um seiner selbst willen und nicht um des Films willen gemacht. Johnson nutzt Erwartungen nur, um sie am Ende wieder zerschlagen zu können und Zuschauern zu zeigen, wie mutig er damit ist, sie zu brechen. Überraschungen sind ja super. Doch wenn der gesamte Film aus ständigen (zum Teil sinnlosen) Twists und Erwartungen, Gegenerwartungen und deren Brechen besteht, führt das eben auch dazu, dass der Film nicht primär eine Geschichte erzählen möchte, sondern vielmehr, dass er bestimmte Geschichten nicht erzählen möchte,
nur weil sie vom Zuschauer erwartet werden. Die Konsequenz ist, dass man dann aber nicht die Story verwirklicht, die man für die beste hält, sondern die, mit der gerade am wenigsten rechnen. Das führt aber nicht unbedingt zu einer kohärenten Entwicklung von Charakteren, sondern irgendwann eher zu der Frage, was das Ganze eigentlich wirklich soll.
Na gut, zurück auf die Insel.
Nach den ersten Momenten pendelt sich der Film zum Glück schnell ein. Die Lektionen sind meiner Meinung nach ordentlich gemacht. Was allerdings viel interessanter für mich ist, ist das, was nebenbei passiert. Ich muss sagen, ich liebe die Machtverbindung zwischen Rey und Kylo und generell die Szenen, die damit zu tun haben. Filmisch sehr gut inszeniert und auch inhaltlich habe ich daran überhaupt nichts auszusetzen, im Gegenteil. Die beiden haben eine richtig interessante Dynamik, es erweitert das Universum sinnvoll und glaubhaft und man merkt auch, dass bei den Szenen viel mehr Herzblut zu finden ist als beim anderen Handlungsstrang. Denn hier sind einige richtig starke und sogar clevere Momente. Die Übertragung des berühmten Point of View in die filmische Ebene hat für mich phantastisch funktioniert. Dass der Film hier "anders" ist und Flashbacks zeigt, hat gerade hier dann eben einen positiven Effekt, denn allein durch sein Anderssein wurde hier auch wirklich ein erzählerischer und inhaltlicher Mehrwert geschaffen. Generell merkt man an diesem Handlungsstrang auch, dass Rian Johnson es auch wirklich draufhaben kann - wenn er sich Mühe gibt.
Eins der wenigen Probleme, das ich mit der Insel habe, liegt konsequenterweise auch nicht einmal an dieser Geschichte, sondern wiederum am anderen Handlungsstrang. Da dieser eine Zeitangabe von 18 Stunden macht, engt das auch Reys Zeit auf Ahch-To extrem ein. Optimistisch geschätzt war Rey demnach also vielleicht zwei Tage auf der Insel. Nur mal zum Vergleich: Luke hatte nach Ep. IV drei Jahre Zeit, seine Kräfte zu üben, und kriegt es selbst in Ep. V kaum auf die Reihe, schafft mit Mühe, sein Schwert zu sich zu ziehen und scheitert final am X-Wing. Natürlich ist es primär ein Problem von TFA gewesen, dort schon eine extrem rasante Entwicklung von Rey zu zeigen, es wird jetzt allerdings durch TLJ auch nicht gerade besser. Sie erhält ja wirklich überhaupt keine Ausbildung dort, sondern eigentlich nur die Lektion, warum die Jedi nach Luke überflüssig sind - und teilt diese Auffassung nicht einmal, wenn sie dort wieder abreist. Sie trainiert ein bisschen mit dem Schwert, na gut. Aber während sie in TFA noch ziemlich ungelenk und anfängerhaft mit dem Schwert kämpft und Kylo erst Paroli bieten kann, wenn sie sich der Macht öffnet, wirkt das hier ziemlich anders. Dafür reicht die Zeit dann aber irgendwie einfach nicht aus. TFA konnte sich da noch mit der Mystery-Box-Rey herausreden, was die Kräfte und ihre rasche Entwicklung angeht, was TLJ nun aber nicht mehr kann. Die Andeutung Snokes über das Selbstregulieren der Macht gefällt mir in der Theorie gut - die Ausführung nun über zwei Filme hinweg ist aber sehr wackelig (vor allem weil beide Filme innerhalb weniger
Tage spielen).
Ansonsten kann ich über die ganze Geschichte mit Rey und Kylo eigentlich gar nichts Negatives schreiben. Ich mag zwar die (erneute) Analogie auf den Thronraum und die vielen Zitate dort wieder nicht, dafür ist das, was hier neu gemacht wurde, wirklich sehr gelungen. Der Kampf mit den Prätorianern war nett, allerdings hatte mich viel mehr interessiert, wie es danach weitergeht, darum war ich eher froh, als er vorüber war.
Und auch die Szene danach ist einfach grandios gelöst: Am Ende stellen doch beide fest, dass sie trotz vormalig gemeinsamem Ziel überhaupt nicht miteinander kompatibel sind (Reys sinngemäßes "Tu mir das nicht an" fand ich großartig). Am Ende trennen sich also die Wege doch wieder - was eigentlich fast schade ist, weil das interessantere Setting für Ep. IX wohl gewesen wäre, dass beide tatsächlich trotz ihrer enormen Differenzen aneinander arbeiten und lernen. Dass der Film am Ende dieses Handlungsproblem doch konventionell in Gut und Böse auflöst, ist jetzt aber keine Kritisierung meinerseits, weil es ja gar nicht unlogisch ist, dass die Charaktere einfach nicht zusammenfinden können in diesem Moment. Was hier also mit den Charakteren gemacht wird, ist einfach sehr stark, weil wir inzwischen sowohl Rey als auch Kylo als Charaktere kennengelernt haben und daher all ihre Motivationen nachvollziehen können - anders als bei der OT, wo alles eher märchenhaft simplifiziert war und Luke im Prinzip einfach unterstellte, dass noch Gutes in Vader ist. Und anders als in den Prequels interessiert mich das Schicksal dieser Leute daher auch tatsächlich, weil beide Personen als verständliche Charaktere geschrieben wurden. Dadurch haben beide auch eine fantastisch funktionierende Dynamik.
CHARAKTERE
Damit komme ich auch direkt zu meinen Gedanken zu den Charakteren. Wie schon erwähnt, spiegelt sich auch hier meine Bewertung aus TFA wider: Die Charaktere sind das Herzstück dieses Films und nur wenn sie funktionieren, kann das den Film überhaupt retten. Das Gute ist, teilweise können sie das wieder - und zum Teil sogar wirklich extrem gut!
Rey: Abgesehen vom zeitlichen Problem auf der Insel habe ich an dem Charakter dieses Mal rein gar nichts auszusetzen und halte alle Entscheidungen Johnsons bezüglich ihres Charakters für sinnvoll. Ein Mary-Sue-Vorwurf ist hier nicht mehr ganz so einfach zu begründen, aber wie oben erwähnt, auch hier in Ansätzen zumindest teilweise wieder begründbar. Das ist sehr schade, auf der anderen Seite hat der Charakter aber auch viel mehr zu bieten. Rey will etwa nicht einfach nur Jedi werden, weil der Vater halt Jedi war - also keine abstrakte Motivation wie es bei Luke war, der dazu eigentlich überhaupt keinen eigenen Grund hat. Rey kennt die Legende des Skywalker, den Mythos der Jedi. Darüber hinaus entdeckt sie ihre Kräfte in TFA und hat nun in TLJ sogar in gewisser Weise Angst vor dem, was sie da in sich entdeckt hat. Das ist richtig gut. Und diese naheliegende und extrem menschliche Motivation haben wir so noch nie gesehen. Während die Macht normalerweise von Begabten immer sofort akzeptiert und als tolle Kräfte angenommen wird, merkt Rey eigentlich nur, dass etwas nicht stimmt und sie versteht selbst nicht, was mit ihr passiert, sucht daher dringend nach irgendwem, der ihr dabei helfen kann - ob nun ein Luke oder notfalls sogar ein Kylo. Rey als Charakter ist daher für mich trotz in Teilen noch immer verständlicher Kritik auch hier für mich als Protagonist weitaus interessanter als dies etwa Luke oder Anakin waren. Eine zurückgenommenere Schreibe hinsichtlich ihrer Machtfähigkeiten (auch schon in TFA!) hätte sie für mich sicherlich noch zum deutlich runderen und damit besseren Charakter gemacht, aber man sollte dennoch nicht ganz übersehen, was alles auch in dem Charakter drinsteckt.
Dazu muss ich auch sagen, dass ich tatsächlich immer gehofft habe, dass Rey eben keinen berühmten Familiennamen hat. Ich finde es nämlich wirklich furchtbar, Star Wars immer nur als selbstreferenzierende Geschichte einer oder zwei Familien zu sehen, in der immer die gleichen Tropes in neuen Variablen zitiert werden. Nein, Star Wars braucht diese verengte Blickweise überhaupt nicht. Die Vorstellung, dass jetzt in alle Ewigkeit Skywalkers oder Solos oder Kenobis die Geschicke der Galaxis bestimmen und diese immer wieder aufs Neue ins Unglück stürzen, um von anderen Skywalkers oder Solos oder Kenobis wieder gerettet zu werden, ist doch einfach nur langweilig und, wenn man ehrlich ist, irgendwann auch dämlich. Es geht bei Charakteren nicht darum, ob sie jetzt mit wem verwandt sind - das macht den Charakter nämlich per se in keiner Weise interessanter oder besser. Ich wünschte mir wirklich, das Fandom wäre viel weniger versteift auf seine alten Heldenfiguren.
Kylo: Fand ich als Konzept im Gegensatz zu manch anderem schon in TFA äußerst interessant und dank dieses Aufbaus gewinnt Kylo in TLJ noch einmal enorm an Profil hinzu. Wie auch bei Rey, überhaupt keine Einwände, alles hervorragend konstruiert. Dass er und Rey jeweils verschiedene Versionen der gemeinsamen Zukunft sehen, ist etwa sehr spannend. Im Vergleich zu Anakin halte ich den Fall und generell die Dunkle Seite in Kylo für weitaus glaubwürdiger und interessanter inszeniert. So gesehen dürfte das Kylo für mich eigentlich sogar zum interessantesten, tiefgründigsten und damit wohl auch, ja besten Bösewicht der Star-Wars-Saga machen. Darth Vader ist natürlich viel ikonischer, aber rein konzeptionell steckt bei Kylo viel mehr Inhalt hinter der Maske.
Finn: Leider verschenkt hier. In gewisser Weise hat er noch einmal den gleichen Charakterbogen - mit dem Unterschied, dass es sich hier nicht mehr auf insbesondere Rey allgemein bezieht, sondern an den Glauben an die größere Sache. Das ist einerseits konsequent, schätze ich, auf der anderen Seite aber aufgrund des gleichen Arcs eben auch nicht mehr neu für den Zuschauer. Dass er sich schlussendlich sogar mit dem Opfer arrangiert, ist aber wiederum eine neue Komponente, die man so in TFA nicht erwarten könnte. Überraschenderweise verhindert Rose das dann (weil Twist und Gegentwist!), auch wenn ich mich frage, wie sie das nach dem Abdrehen noch rechtzeitig geschafft haben will und vor allem, wie sie von ihrer Position vor den Walkern dann doch zurück in die Basis kommen konnten, aber gut.
Ich sage ja - wie man die Charaktere entwickeln will, ist in weiten Teilen gut bis ausgezeichnet, aber wie man dorthin gelangt, hinterlässt große Fragezeichen.
Rose: Überflüssig und zum Teil ärgerlich. Ich weiß gar nicht so recht, was ich über den Charakter groß schreiben soll. Es hilft natürlich nicht, dass sie im uninteressanten Storyfaden auftaucht, aber auch sonst bringt mir der Charakter eigentlich nichts. Offenbar einfach nicht mein Fall. Am Ende deswegen ärgerlich, weil ihr an sich gutes Motiv "Nicht die anderen bekämpfen, sondern das beschützen, was wir sind!" ja nach allem, was sie zu dem Zeitpunkt weiß, zwangsläufig dazu führen wird, dass sie alle Beschützenswerten auf dem Planeten mit ihrer Aktion eindeutig zum Tode verurteilt hat. Und den, den sie liebt, direkt vor den Knarren einer Walker-Armee zum Absturz brachte, die gerade auf nichts anderes feuern kann. Herzlichen Glückwunsch.
Aber es geht ja gut, weil warum nicht! Na ja. Story und so. Ihr merkt schon.
Poe: Charakterlich mit einer sehr guten Idee, aber der miserabelsten Ausführung. Es geht um den Hotshot, wie wir ihn aus anderen Filmen kennen, wo er am Ende immer Recht behält, weil er tut, was eben getan werden muss. Hier bekommt dieses Klischee eine Lektion in der Realität erteilt. Das ist erst einmal eine gute Wendung und gefällt mir von der Konzeption her auch wieder klasse. Erneut machen die Storyprobleme die Sache aber etwas problematisch, weil das, was man aus dem Plot mitnehmen müsste, eigentlich eher lautet "Vertraue schlechte Vorgesetzten unter allen Umständen und übe blinden Gehorsam!" - das wiederum ist irgendwie dämlich. Denn Poe und seine Meuterer agieren mit den Informationen, die sie haben und vor allem unsinnigerweise nicht haben, eigentlich richtig. Genau wie Poe muss sich auch der Zuschauer denken, dass es überhaupt keinerlei Grund gibt, dass der Admiral kurz vor und sogar während einer Meuterei einfach den Mund nicht aufbekommt. Es ist ja auch nicht so, dass Poe die Meuterei alleine durchführte - selbst Leute außerhalb von Poes Staffel beteiligen sich daran! Holdo verhält sich hier
nur aufgrund des späteren Twistes, dass sie ja doch von Anfang an einen Plan hatte, einfach menschlich nicht plausibel, sondern muss als Charakter Informationen (die man spätestens, wenn andere eine Waffe auf sie richten, mitteilen würde) zurückhalten, weil der Twist es braucht. Genau das ist in Kurzfassung ja das Problem am ständigen Herumtwisten - es kommt am Ende einfach nichts Plausibles dabei heraus. Holdo ist das beste Beispiel. Dabei mag ich ihre Interaktion mit Poe ja sogar, aber ihr Charakter ist am Ende allein aufgrund des von Johnson angestrebten Plottwists, der Poe dumm dastehen lassen soll, eigentlich die inkompetenteste Anführerin, die wir bisher bei den Rebellen gesehen haben.
Was der Film also impliziert, was "objektiv" richtig war, halte ich für probematisch und teilweise hanebüchen. Übersehen sollte man auch nicht, dass Poe sehr dafür gescholten wird, dass er anfangs den Dreadnought angegriffen hat und dadurch viele der Jäger zerstört wurden - das ist insofern richtig. Was der Film beim Kopfwaschen durch Leia aber plötzlich gar nicht mehr erwähnt, ist, dass er nur kurz zuvor ganz eindeutig gezeigt hatte, dass die Autokanonen bereits im Begriff sind, auf die "Raddus" zu feuern. Leia kritisiert also das Opfern der Staffel, bemerkt dabei aber nicht, dass
nur dank Poes Rücksichtslosigkeit die "Raddus" überhaupt fliehen konnte. Und der Film will auch zu keiner Sekunde, dass der Zuschauer sich daran erinnert, sondern verengt die Sicht einzig und allein darauf, dass Poe nur das Kleine und nicht das große Ganze betrachtet und daher ein Heißsporn ist, der unklug gehandelt hat. Denn Poe selbst weiß sich ja auch nicht zu rechtfertigen, sondern ist nur der geprügelte Hund, der das Einsehen hat. Ähm. Auto. Kanonen. Film, du hast nur Minuten vorher genau damit die Spannung deiner gesamten Szene erzeugt. Tu nicht so, als hätte es das nicht gegeben! Dass er für die Verweigerung degradiert wird, wäre dann natürlich trotzdem sinnvoll - aber dass der Film auch hier möchte, dass wir seine Entscheidung rückblickend betrachtend als falsch ansehen, ergibt einfach keinen Sinn. Sinn hätte es nur ohne die Autokanonen und die unmittelbare Bedrohung der "Raddus" gemacht.
Leia: In Star Wars gibt es hin und wieder ja Szenen, bei denen man peinlich berührt wird, sobald sie erscheinen, und durch die man dann eben durch muss (C-3PO in der Droidenfabrik etwa). Ich muss leider sagen, für mich ist die Szene von Leia im Weltraum eine dieser peinlichsten Szenen der gesamten Star-Wars-Saga. Es sieht für mich von Anfang bis Ende einfach lächerlich aus und zerhaut mir meine Suspension of Disbelief komplett. Leider komme ich damit überhaupt nicht klar und muss mich jedes Mal fremdschämen, sobald ich sie sehe und sehen werde.
Abgesehen von der Optik gefällt mir die Szene auch inhaltlich überhaupt nicht, weil sie genau die Machtinterpretation unterstreicht, die ich nicht mag - nämlich die Macht als Random-Superkraft, wenn es der Plot gerade braucht. Natürlich ist das immer irgendwo bei der Macht der Fall, aber wenn in so entscheidenden Szenen so etwas plötzlich aus dem Ärmel gezogen wird, dann ist das einfach faul geschrieben. Sie kann es nur, weil sie jetzt eben einen epischen Moment bekommen sollte und es dafür können muss und dazu Superkraft X erforderlich ist. Daher ist das die mit gehörigem Abstand schwächste Szene des Films, weil für mich daran wirklich alles komplett falsch ist.
Luke: Zu Luke habe ich weiter oben schon einiges geschrieben, aber noch ein paar Ergänzungen. Schauspielerisch war ich sehr überrascht von Mark Hamill, der hat das wirklich toll gemacht. Viel besser als ich erwartet hätte. Dass er mit seiner Rolle unglücklich ist, kann ich leider nachvollziehen und in gewisser Hinsicht mag mancher es bedauern, dass er die einzige Chance, Luke noch einmal als Jedi auf die Leinwand zu zaubern, ausgerechnet bei der Dampfwalze Rian Johnson hatte. Zu Lukes Darstellung selbst und dessen Plausibilität bin ich mir noch nicht schlüssig. Es gibt Tage, da kann ich sein Verhalten im Spiegel der OT so akzeptieren, dann gibt es andere, an denen ich mir denke, dass ein Luke nach ROTJ das so einfach niemals machen würde. Ich denke, darüber kann/wird dann einfach trefflich gestritten werden. Wie so häufig in TLJ halte ich das Konzept, dass Luke mitverantwortlich am Fall Kylos ist, wieder für sehr gut - die Umsetzung dann aber für diskutabel. Denn dass Luke einen mordenden Ex-Schüler, für dessen Fall er selbst teilverantwortlich ist, frei durch die Galaxis wandern lässt und sich sagt, dass er damit nichts zu tun haben und lieber sterben will, ist schon... mindestens nah am Rande des Out of Character. Manche können das aufgrund der vergangenen Jahre besser akzeptieren, manche dagegen gar nicht. Und manche, wie ich, sind eben eher dazwischen. Ich denke, alle Seiten haben dafür ganz ordentliche Argumente.
Hux: Eigentlich hat Hux nur eine gute Szene im Film, nämlich die, in der er Kylo erschießen möchte. Das ist das Einzige, was der Figur wirklich Charakter gegeben hat, ansonsten ist er jetzt nur noch eine Marionette für Gags, die auch jeden normalen Random-Offizier hätten treffen können. Im Prinzip macht der Film ihn zur Witzfigur am Rande der Belanglosigkeit und er ist eigentlich ein völlig anderer Charakter geworden, der nur noch rettbar wird, falls Abrams ihn als (aufgrund von Ep. VIII nun sehr) unterschätzten Kontrahenten zu Kylo nochmal aufbaut. Ansonsten überflüssig für Ep. IX.
Tallie: Ehrenerwähnung, weil einfach aus irgendeinem Grund mit erinnerungswürdiger Leinwandpräsenz! Keine Ahnung warum. Ich mag sie. Das muss genügen. Und geht wohl nicht nur mir so
@Ben
Verlierer des Films: Leider BB-8. Ich mochte ihn in TFA sehr gerne, er hatte dort richtig gute Momente. Etwa, wenn er von Poes "Tod" erfährt. Leider wird er hier im Film komplett überdreht dargestellt und ist daher für mich überhaupt nicht mehr lustig oder irgendwie sympathisch. Schade, dass es manche Regisseure einfach nicht hinkriegen, eine süße Figur aus dem Vorgänger ähnlich gemäßigt einzusetzen, sondern aufgrund ihrer Beliebtheit dann komplett übertreiben.
FAZIT:
Wie bewertet man einen Film, der für einen persönlich die peinlichsten Momente der Saga um zwei Stück erweitert, bei dem eine Hälfte des Plots als völlig misslungen angesehen wird, man auf der anderen Seite dann aber die andere Hälfte als extrem gelungen empfindet und hierin potentiell sogar einige der stärksten Charaktermomente der Saga sieht? Für mich spiegelt sich das Thema des Films daher irgendwie auch in meiner Bewertung wider; gute und schlechte Momente halten sich ausbalancierend die Waage. Daher
5/10 Sternen, auch wenn ich vermutlich keine einzige Szene des Films so bewerten würde. Ohne den völlig verkorksten Widerstandsplot hätte der Film für mich das Potential zu einem der besten Star-Wars-Filme - so leider nicht.
Und bitte, in Ep. IX einfach weg von ständigen Referenzen, Zitierungen, Analogien, Anspielungen, Hommagen, was auch immer. Wenn ein Film wie Ep. VIII trotz all seiner Referenzen schon als mutig gilt, bräuchte Star Wars diesbezüglich wohl langsam eine Revolution, um künftig als Franchise überhaupt noch wirklich neuen Stoff liefern zu können. Und "neu" meine ich im Sinne der Kylo-Rey-Dynamik und nicht im Sinne des Elefantenrennens. Es kann ja nicht zu viel verlangt sein, dass man einen Star-Wars-Film erzählt, der nicht ständig Elemente der anderen Filme zitieren muss, aber dennoch innerhalb der ihnen zu Grunde liegenden Gesetzmäßigkeiten liegt. Das ist nämlich die eigentliche Form von "mutigem" Star-Wars-Film, die wir meiner Meinung nach brauchen.