Sucht Rey wirklich "verzweifelt nach einer Vaterfigur die ihr den Weg weist"? Wo denn? In TFA will sie die ganze Zeit nach Hause, lehnt auch Hans Angebot ab bei ihr anzuheuern. Rey sucht nicht verzweifelt nach einer Vaterfigur, sie sucht auch nicht nach jemanden der ihr den Weg weist, sie hört nur auf das was andere ihr erzählen, maßgeblich der dass ihre Eltern nie zurückkommen und sowieso nur Schluckspechte sind, die sie verkauft haben. Gesehen haben wir davon aber gar nichts, gesehen hat auch Rey davon nichts. Während Reys Wunsch nach Jakku zurück zu kehren sicher kritisiert werden kann, wäre das sinnvollste für sie den Versuch zu unternehmen nun das Familienschicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Der ganze Handlungsstrang darum eine Jedi zu werden ist kommt von überall her, nur nicht von Rey selbst.
Das wird sogar in TFA explizit erwähnt: Siehe
hier.
So geht es mit Kylo Ren auch. Was soll er denn in Gang setzen oder ändern? Wo ist hier die Ideologie? Wo ist die Basis für all das?
Nach Snokes Tod reicht Kylo Rey die Hand und bittet sie darum sich ihm anzuschließen. Er sagt "Help me bring a new order to the galaxy." - der Name "First Order" ist also Programm und das Ziel ist dasselbe wie Vaders, als er Padmé auf Mustafar einen ähnlichen Vortrag hält: Ordnung und Gerechtigkeit durch Kontrolle. Dass Macht korrumpiert und Freiheit dieser "Ordnung" zum Opfer fallen würde, sei mal dahingestellt, aber immerhin gibt es ein Ziel.
Ich habe nie von Kylos Qualitäten als Anführer gesprochen und würde sie ebenso anzweifeln wie du es tust, aber ein Ziel hat er auf jeden Fall.
Poe ist auch wieder so eine Sache. Poe hat nichts falsch gemacht im ganzen Film. Im Gegenteil, er hat eigentlich nur einen einzigen Fehler im gesamten Film gemacht und dieser Fehler ist, auf Crait in ein marodes Fahrzeug zu steigen um ein völlig sinnloses Gefecht zu führen. Alles davor war korrekt und alles was man ihm sagt ist falsch. Es ist Krieg, da kann man sich kein überbordenes Vertrauen leisten, vor allem nicht bei einer ihm fremden Person, noch weniger bei einer ihm fremden Person die keinerlei Anstalten macht Hoffnung zu schüren oder kompetent zu handeln. Und noch davor war sein Angriff auf den Dreadnought Kreuzer korrekt. Er war ungeschützt, denn die Sternzerstörer standen nur im Hintergrund herum und taten nichts und das Schiff hätte die Flotte ratzfatz spätestens auf der Flucht vernichtet. Dabei war er noch nicht mal verantwortlich für den Verlust der Bomberflotte, sondern Leia, die aber diese Verantwortung nie übernimmt. Poe hat diesen Arc weder gebraucht, noch ist er korrekt und logisch geschrieben. Poe war bereits das, was man ihm nachsagt was er erst werden musste.
Sorry, aber da muss ich dir vehement widersprechen. Ja, Holdo hat dämlich gehandelt, indem sie Poe weiterhin hat im Dunkeln tapsen lassen, was überhaupt erst zur Meuterei geführt hat, ABER Holdo verfügt mit Vice Admiral über einen militärischen Rang, der deutlich über Poes steht, der für die Raumschlacht über D'Qar sogar degradiert wurde. Da dieser Rangverlust Leias letzter Befehl vor ihrem Koma war und Holdo ihn nicht kannte (dieser Rangverlust also als ihr einziger Eindruck von ihm diente), kann man es Holdo nicht verübeln, dass sie nicht sämtliche Geheimnisse mit diesem befehlsverweigernden und vorlauten "Hot Head" teilt. Aus militärischer Perspektive hat sie alles richtig und Poe alles falsch gemacht, auch wenn ich das auf charakterlicher und persönlicher Ebene anders sehen würde.
Im Übrigen würde ich dir empfehlen, dass du dir den Anfang des Films nochmal genau anschaust - Poe drängt auf den Bomberangriff, da er diesen als einmalige Chance sieht, die First Order Dreadnought auszuschalten, obwohl Leia ihn zurück an Bord zur Evakuierung haben will. Zwar gelingt Poes Angriff, aber er kostet der Resistance ihre gesamte Bomberflotte, sowie zahlreiche Raumjäger - Ressourcen die eigentlich unentbehrlich sind. Somit hat er Befehlen zuwider gehandelt, um einen kurzsichtigen Angriff zu führen, der ihm wiederum nur einen Pyrrhussieg erbracht hat.
Auch Finn hat sich nicht entwickelt. Finn hat unter Eisnatz seines Lebens schon Poe befreit, Finn ist mit Rey losgezogen und war auch bereit für Rey sein Leben auf Starkiller Base aufs Spiel zu setzen, schlußendlich hat er sogar ein Lichtschwert in die Hand genommen und sich mit einem Sith duelliert. Ich würde mitgehen, wenn es wirklich nur drum geht, dass Finn sich jetzt auch "fürs große Ganze" opfert aber Egoistisch war er nie.
Egoistisch war vielleicht eine ungünstige Wortwahl von meiner Seite, aber in gewisser Weise war er zumindest immer ein Feigling, der sich soweit er konnte aus diesem Konflikt fernhalten wollte, quasi nach DJs Philosophie, die uns seinen inneren Konflikt und seine Charakterentwicklung in TLJ eigentlich schon brutal offensichtlich vor Augen führt: "Don't Join!".
Er war nur auf Starkiller Base dabei, um seine Freundin Rey zu retten, nicht um der Resistance zu helfen (wie er es selbst sagt). Zu Beginn von TLJ versucht er zu desertieren, um erneut Rey zu retten und sich vor der übermächtigen First Order aus dem Staub zu machen. Erst auf Crait (nach Canto Bight) hat er sich endlich für eine Seite entschieden (da Rose und DJ ihn endgültig auf dieses Dilemma aufmerksam gemacht haben) und führt diesen aussichtslosen Kampf gegen die First Order - erst nun, da er bereit ist für eine größere Sache (die über ihn selbst und seine Freunde hinausgeht) zu sterben, hat er sich wahrlich der Resistance angeschlossen und verdient seinen Titel als Held.
Vielleicht gibt es Entwicklungen aber sie sind irritierend, weil sie nicht passen und grundlegende Elemente fehlen, die eine Entwicklung erst zu einer Entwicklung machen und nicht einfach nur zu einem willkürlichen Handlungsstrang.
Inwieweit das jetzt keine Charakterentwicklungen sind, müsstest du mir erklären.
Mag sein dass sie dir nicht gefallen, aber das ist deine Meinung und keine endgültige Aussage darüber, ob eine Entwicklung stattfindet. Diese Entwicklungen hat Rian Johnson bewusst so geschrieben und verwendet, ja sogar in Interviews genau so kommentiert. Ob dies gut oder schlecht umgesetzt wurde, ist eine völlig andere Frage und auch ich sehe die OT in diesem Bereich mehr als erhaben, aber die Entwicklungen selbst sind auf jeden Fall da.
Und was die Erste Ordnung angeht, auch aus Lore-Perspektive ist es nicht besser, weil wir hier einfach wieder das Problem haben, wie schon an anderer Stelle, dass Entscheidungen keinen Sinn machen. Es ist ähnlich wie bei Rebels, wenn Sturmtruppen fröhlich verprügelt werden, ohne dass darauf jemals eine entsprechende Antwort folgt oder der Versuch selbst scheitert. Es funktioniert eben einfach alles, weil sich die Antagonisten blöd anstellen. Und der einzige Grund warum die Antagonisten mal "gewinnen" ist, weil das Skript es jetzt gerade verlangt.
So funktioniert eben das Schreiben von Geschichten. Der Schreibprozess findet nicht im Rahmen eines D6-Rollenspiels statt, in dem jede Handlung einem zufälligen Würfelprinzip entspringt, sondern die Geschichten der Protagonisten und Antagonisten verlaufen immer genau so, wie es der Autor oder die Produktion im Ganzen gerade braucht. ANH endet fröhlich mit einer Zeremonie nach der Zerstörung des Todessterns, die durch einen dämlichen Makel in seiner Produktion und einem mächtigen Gary Stu Charakter herbeigeführt werden konnte, da es sich um einen spannenden Abenteuerfilm mit Happy End handeln sollte, mehr oder weniger ein Weltraummärchen.
TESB endet weniger erfreulich für unsere Helden, die von den plötzlich kompetenteren Bösewichten (weil es die Handlung erfordert) auf die Probe gestellt werden und finstere Opfer bringen müssen.
RotJ fängt wieder den heroischen Geist von ANH ein und endet mit einer Niederlage der Bösen durch knuffige Teddybären, da der geniale Drahtzieher und Imperator (der nach jahrelanger Planung eine Galaktische Republik zu seinem Imperium gemacht hat) einen mehr als dämlichen und hochmütigen Fehler gemacht und seine Gegner unterschätzt hat, was es den Helden erlaubt siegreich davonzugehen - eben weil es die Handlung gerade erfordert.
So funktioniert eben das Schreiben von Fantasy-Geschichten in der klassischen Konstellation "Gut gegen Böse". Wir sehen hier keine ultrarealistischen Konflikte zwischen den USA und Nordkorea, in denen das Personal eines dicken Diktators und eines orangefarbenen Tweeter-in-Chiefs hinter den Kulissen schwierige Entscheidungen treffen müssen und.... okay, angesichts der aktuellen Weltpolitik wahrscheinlich keine gute Analogie, aber ich denke du verstehst worauf ich hinaus möchte: Die Seiten Gut und Böse agieren so wie sie es tun, damit es eine Geschichte gibt und nicht weil es Sinn machen muss. Wenn du etwas gut durchdachtes, sowie intelligente und realistische Politik und Kriegsführung bestaunen möchtest, solltest du vielleicht nicht Star Wars schauen.
und dann soll man sagen "oh ja, in-universe ist die Erste Ordnung ganz hart", während sie gleichzeitig jedes Mal aufs Maul kriegt und sich komplett inkompetent benimmt, sobald es mal ans Eingemache geht.
Die Erste Ordnung IST hart, weil sie die von mir in meinem vorherigen Post beschriebenen Dinge schafft. Es spielt keine Rolle, ob das auf ein faules Drehbuch oder dergleichen zurückzuführen ist - in-universe erlangen sie genau diese Dinge und die Qualität des Drehbuchs ändert nichts am Kanon, ebenso wie es kanonisch ist, dass Anakin Sand hasst.