Alderaan, Nahanin-Tal - Kamui
Kamui stand auf einem Balkon des Klosters und sah in die Ferne. Es war beeindruckend, das Tal nach Westen hin beinahe komplett überblicken zu können. Nach rechts gewandt konnte er den Lavenon sehen, das Seenland dahinter lag in einem seichten Schleier aus Nebel. Zur anderen Seite hin, etwa einen Kilometer entfernt, sah er den Tempel, der zu Ehren Kurramas auf einem der höchsten Hügel im Tal erbaut worden war. Das besondere an diesem Ort war, dass er von mehreren steilen Hügeln umkreist war, welche riesigen Monolithen glichen. Kamui wusste nur soviel, dass es sich um die Überreste einer Jahrtausende alten Kultur handelte, die schon seit Ewigkeiten den Planeten verlassen hatte. Er ertappte sich öfters dabei, wie er sich schon dem banalen Gedanke hingab, diesem Ort etwas Mystisches zuzusprechen. Mit einem vergehenden Schmunzeln dachte er daran, dass es ein ebenso beeindruckender Anblick war, wenn man das Kloster aus der Ferne sah. Es war ein uraltes Bauwerk der ersten Generationen des Ordens, eingelassen in die Felswände der nordöstlichen Berge. Wie für die Bauart Alderaans typisch waren es runde, geglättete Formen, die die Türme und Häuser dominierten und sie schienen stets in einem sanften Bogen dem Talboden entgegen zu gleiten, so als würden sie teilweise noch zum Berg selber gehören. So wirkte das Kloster sehr unauffällig auf dem ersten Blick und erst beim genaueren Betrachten erkannte man, mit welcher Feinarbeit und Umsicht der Berg und die Gebäude in Einklang gebracht worden waren.
Er erinnerte sich noch sehr gut an jeden einzelnen Moment, als er im Tal herumgeführt worden war und er aus dem Staunen gar nicht mehr herauskam. Es gab damals so viel zu sehen und er saugte alle Eindrücke in sich auf, so als wollte er lernen, die Welt neu zu lieben. Das erste Mal, als er alles zu Gesicht bekam... Seit sieben Jahren lebte Kamui nun schon im Naharin-Tal. In diesen Jahren war er glücklich geworden und hatte viel bei den Mönchen gelernt. Seine Erinnerungen, wie er ins Kloster der Mönche gebracht worden war, waren aber nur wie blasse Träume. Wenn er versuchte, daran zu denken, fühlte es sich immer so an, als lege sich ein schwarzer, alles verdunkelnder Schleier über seine Gedanken. Er versuchte immer tiefer, in sein Inneres vorzudringen, doch alles, was er erreichte, waren vereinzelte Eindrücke, Gestalten, Bilder... damals, als er noch einen Vater und eine Mutter hatte und sie zusammen eine glückliche Familie waren! Und dieses Mädchen! Ja, da war dieses Mädchen! An sie konnte er sich zwischen all den Schleierwolken, die seine Erinnerungen in Ungewissheit einhüllten, noch am klarsten erinnern. Er kannte sogar noch ihren Namen. Sie hieß Niyu! Niyu Vosa'r! Er glaubte, sich erinnern zu können, dass sie ihn früher gemocht hatte... Aber vielleicht irrte er sich auch. Woher sollte er wissen, ob es der Wahrheit entsprach, woran er sich erinnern konnte, wenn es doch nur irgendwelche Bruchteile waren, die größtenteils zusammenhanglos in seinem Kopf herumschwirrten!
Die Mönche hatten ihm geholfen und dafür war er ihnen sehr dankbar. Sie hatten ihn bei sich aufgenommen, sie hatten ihn gepflegt und wieder aufgebaut, obwohl er sicherlich kein einfacher Charakter war. Er hatte alles verloren und die Mönche gaben ihm etwas wieder, wegen das es sich zu leben lohnte. Am Anfang redete er nur sehr wenig und öffnete sich niemanden. Alles war so schwierig ohne seine Eltern, ohne sein altes Leben! Wie hätte er sich auch als kleiner Junge damit zurecht finden sollen! Sein vergangenes Leben lag in Fetzen hinter ihm, während er ganz alleine vor einem unbeschriebenen Blatt stand und ihm niemand sagte, was er schreiben sollte! Er versuchte, sein altes Leben wenigstens teilweise zu retten, das, was es noch zu retten gab. Nach zwei Jahren entwendete er einen Gleiter und verließ das Tal, um seinen Erinnerungen nachzujagen. Noch heute bat er die Mönche um Verzeihung und bereute es zutiefst, denn sie hatten ihn davor gewarnt. Schließlich war alles vergebens, seine Erinnerungen waren auch in der Realität zu Staub zerfallen. Das Haus seiner Familie war niedergerissen worden und an dessen Stelle war nun eine kleine Parkanlage errichtet worden. Er war die Räume abgelaufen, stellte sich vor, wo sein Bett gestanden hatte. Aber all das gehörte der Vergangenheit an, alles war verloren gegangen. Auch bei Niyu war er zu Hause gewesen, aber dort hatte er nichts als ein verfallendes und beschmiertes Haus vorgefunden, in dem sich schon einiges an Ungeziefer und anderen Tiere eingenistet hatte. Früher hatten ihre Eltern... nein, ihre Mutter dort eine kleine Pension betrieben. Ihr Vater war... er konnte sich nicht an ihren Vater einnern.
Alderaan, Nahanin-Tal - Kamui