Alderaan, Sanctuary Coast – Gleiter auf den Weg zur Unterkunft – Gardisten, Firedevs und Wes
Die Gründe, warum der Jedi-Orden durch scheinbar mangelndes Engagement einst die Kritik von Teilen der Neuen Republik aufgezogen hatte, kannte Firedevs genauso wie Wes. Sie vermutete, dass die C-Virus-Epidemie den anderen Teilen der Ordens außer den Heilern eine Atempause verschaffte. Allerdings wurde das nicht so wahrgenommen, da die Heiler im Holonet sehr präsent waren – auch weil der Orden gezielt die Publicity gewisser Damen gefördert hatte, die das Holo-Rampenlicht nach den Maßstäben von Jedi allzusehr genossen. Dennoch war die Ritterin nicht frei von Sorgen. Weniger Nachwuchs? Das war Wes auch schon aufgefallen, aber er glaubte nicht an eine Intrige. Vermutlich verpassten die Jedi durch den einseitigen Fokus auf das Heilgewerbe den Teil des Nachwuchses, den das nicht so ansprach. Er konnte sich täuschen, aber grundsätzlich war er, wie meistens, optimistisch.
Mehr Aufklärungsarbeit über das Wesen der Macht, gerade bei den verbündeten Agenturen, klang nach einer sinnvollen Investition für die Zeit, wenn der Orden einmal nicht mehr ganz so sehr vom C-Virus in Beschlag genommen sein würde. Vielleicht fanden sich dann sogar das eine oder andere in deren Reihen versteckte Talent, spekulierte Wes. Das würde den Anwärterzahlen ebenfalls helfen.
Was das Massieren von beanspruchten Körperteilen anging, stellte sich heraus, dass sie beide keine wirklichen praktischen Erfahrungen hatten, aber vermutlich würden sie im Urlaub ja Zeit haben, die zu sammeln. Da konnte er sich weitaus schlimmeres vorstellen, als Firedevs' anmutigen Körper mit sanften kreisenden Bewegungen zu bearbeiten.
Zeit hatten sie auf der Reise auch schon genug, aber nicht das passende ansprechende Umfeld, das sie auf Alderaan erwarten würde. Das war auch nicht so schlimm, da sich Wes ohnehin hauptsächlich damit beschäftigte, zu schlafen und sonst auch nichts zu tun, da hatte er erheblichen Nachholbedarf. Mit Lichtschwertern beschäftigte er sich dann doch. Die Story vom Verlust seines Lichtschwertes fand seine Firi genauso lustig wie er es mit den Abstand von einigen Jahren tat. Damals war es anders gewesen, und auch die Schatten fanden derlei gar nicht lustig. Wes' Waffe wäre bestimmt auch auf dem Schwarzmarkt gelandet, und Ahna ließ ja regelmäßig Aktionen anordnen, diesen auszutrocken und Schwarzhändlerringe zu zerschlagen. Handel mit Jedi-Artefakten nahm sie nicht auf die leichte Schulter.
Im Gegensatz dazu nahmen manche Padawane die Behandlung der ihnen zur Verfügung gestellten Lichtschwerter sehr wohl auf die leichte Schulter. Dass Wes tatsächlich mit einer brennenden Kerze ankam, sorgte für eine gewisse Heiterkeit, die sie auch brauchten, als sie die defekten Dinger erst einmal von innen zu Gesicht bekamen. Ursprünglich hatte der Taanaber vorgehabt, außer der Kerze auch Tee und Kekse zu bringen (seinen Kaf-Konsum sollte er ja reduzieren), dann aber aus Rücksicht auf die Filigranarbeit davon abgesehen. Im Nachhinein betrachtet wäre es auf Kekskrümel in den Dingern auch nicht mehr angekommen. Im Grunde mussten sie die Dinger zerlegen und komplett neu bauen. Wes ärgerte sich aber nicht darüber, da er das Basteln von Lichtschwertern als eine ungemein entspannende Tätigkeit empfand.
Schließlich erreichten sie dann doch einmal das Alderaan-System, und nachdem Wes so lange durchgehalten hatte, zog Firedevs die letzten Stunden bis zu ihrer Ankunft am Anwesen ihres Onkels noch einmal gehörig in die Länge, nämlich indem sie ihm vom Kuchen ihrer Tante vorschwärmte.
»Oooch, so richtig leckerer selbstgebackener Kuchen, aus echten Eiern, wo bekommt man sowas denn noch. Das erinnert mich an meine Kindheit auf Taanab,«
Freute sich ein verträumt dreinsehender Wes. Die Zeit des Heranwachsens dort war vor allem öde und trostlos gewesen, aber die Zeit verklärte viele Dinge, wobei man richtigen echten Kuchen, wie man ihn gefühlt nur auf Agrarwelten bekam, nicht verklären musste. Der war wirklich gut gewesen, aber wie viele Dinge wusste man auch die stetige Versorgung mit Selbstgebackenem erst dann richtig zu schätzen, wenn man es nicht mehr hatte.
Leider währte die kucheninduzierte Glücksseligkeit nicht allzu lange. Eine starke Erschütterung der Macht erreichte sie, oder vielmehr zwei, die Wes' Gefühl nach aber zusammenhingen (alles andere wäre großer Zufall und den gab es ja nicht). Er hätte nicht sagen können, wie empfänglich seine Teuerste für derlei Dinge war, aber vor allem für den ersten Impuls brauchte man keine große Begabung. Vielleicht war das sogar das Coming-Out für etliche Machtsensitive, die bis dato noch nichts von ihrem Talent wussten.
Wes machte sich Sorgen wegen der großen Geheimmission der Schatten. Auch Firedevs machte sich welche, wusste aber nicht darüber. Er konnte auch komplett falsch liegen und die schnell aufgekommene Assoziation zwischen dem Ereignis und der Mission war nur ein Produkt seines Verstandes. Es konnte viele Gründe für sowas geben, vom Tod mächtiger Machtnutzer Naturkatastrophen bis zu Kriegshandlungen. Ein Machtnexus konnte durch ein kosmisches Ereignis zerstört worden sein, es gab viele Gründe, aber irgendwie glaubte er nicht recht daran. Firedevs bot ihm ihr Kom an, was er ablehnte.
»Ich denke, im Moment ist die Ratlosigkeit im Tempel genauso groß wie bei uns. Im Falle des Falles wird der Rat versuchen, mich zu kontaktieren und Mya würde die Nachricht sicherlich weiterleiten. Natürlich ist das bange Abwarten das schlimmste, aber im Moment halte ich es trotzdem für das Beste.«
Seine schöne Entführerin fragte besorgt, ob er glaubte, dass ein neuerlicher Krieg ausbräche.
»Ich hoffe nicht, aber ausschließen kann ich es nicht. Es sind Dinge in's Rollen gekommen, Dinge, die im Extremfall zu einem neuen Krieg führen könnten, aber nichts, worüber ich reden darf, schon gar nicht hier. Was ich sagen kann ist, eigentlich dürfte es nicht dazu kommen – aber was haben wir dann sonst gerade gespürt?«
Von Ahnas einsamer Entscheidung, den Imperator selbst in's Visier zu nehmen und von dessen diabolischen Plänen konnte er ja nichts ahnen.
»Wenn, dann würden wir vermutlich sehr schnell davon erfahren, auch im Urlaub.«
Der Zeitpunkt war natürlich extrem unglücklich. Sie waren hier, um ein wenig abzuschalten – was sie da gerade nicht gebrauchen konnten waren Ereignisse, die niemand ignorieren konnte. Wes konnte in Gedanken nicht vom Thema lassen, er musste einfach weitergrübeln und kam immer wieder auf dieselben Theorien zurück: eine plötzliche katastrophale Entwicklung in der Viruskrise oder ein ebenso katastrophaler Fehlschlag von Ahnas und Ian Dices Mission auf Bastion. Offensichtlich ging es Firedevs ganz ähnlich, deshalb verbrachten sie den Rest der Fahrt eher schweigend. Wes versuchte sich abzulenken, indem er nach draußen sah, die wunderschöne Landschaft von Alderaan bewundernd, während er Firedevs' Hand hielt. Ihre Körperwärme brauchte er gerade, und ebenso sehr ihren Halt wie sie wohl gerade umgekehrt.
Schließlich erreichten sie das Anwesen. Es war nicht so, wie Wes es sich vorgestellt hatte – nach Taanab-Begriffen war das schon ein halber Palast. Es war ein bisschen wie eine Farm, aber viel kleiner und schöner. Ein bisschen wie eine Puppenhaus-Version eines Hofs auf Taanab. Es gab all die Dinge, die Wes auf einer Farm erwartete: Ställe, Scheunen, Haupt- und Nebengebäude, nur nicht so riesig und nicht so funktional-schmucklos.
Firedevs führte sie in ein Gästehaus, Wes mit der Tasche bepackt, die sie für ihn organisiert hatte. Drollig war, dass im Türschloss ein altmodischer Schlüssel steckte, aber das war das Alderaan: es wirkte manchmal wie in der Zeit stehengeblieben, zu einer weit friedlicheren und zivilisierten Zeit. Die Frage war, wie lange das so bleiben würde, spekulierte Wes. Wie lange, bis das Großereignis, das sie gespürt hatten, den Planeten erreichten? Es war schwierig, über einen längeren Zeitraum die Gedanken davon fernzuhalten und Wes sah sich schon die ganze Zeit über jedihaft zu meditieren, nur um den Zustand zu erreichen. Das hätte er dann aber auch im Tempel haben können…
Drinnen erwartete sie eine eigene kleine Wohnung für sie beide, pittoresk eingerichtet, mit allem was dazugehörte. Sie hatten ein gemeinsames Schlafzimmer, was aus Wes' Sicht erfreulich war – so schlief es sich noch viel schöner. Zunächst diente das Bett aber nur als Gepäckablage; geschlafen hatte er auf dem Flug genug und momentan wäre auch sonst nicht daran zu denken. Auch Firedevs hatte bereits weiter überlegt und fragte, ob sie einen Rückflug organisieren sollte.
»Ja, sicher ist sicher. Ich denke zwar, dass wir auf Alderaan mit am längsten Ruhe vor einem neuerlichen Konflikt haben würden, aber wir brauchen einen Plan B in der Tasche. Ich hoffe, ihn nicht zu brauchen, dass wir in der Abgeschiedenheit trotzdem ungestörte Tage verbringen können und sämtliche Krisen derweil auf uns warten, bis wir wieder fit genug für sie sind,«
Wünschte sich Wes.
»Irgendwelche wichtigen Nachrichten auf deinem Kom? Wenn etwas Galaxisbewegendes passiert ist, wissen es sicherlich bald alle.«
Sollte das nicht der Fall sein, wäre es Zeit, auf andere Gedanken zu kommen, und dafür gab es ein probates Mittel, nach dem der Jedi-Rat prompt fragte:
»Meinst du, der Kuchen ist schon fertig?«
Alderaan, Sanctuary Coast – Anwesen der v. Berchems – Gästehaus, Wohnzimmer – Firedevs und Wes