Danke noch mal fürs Verlinken dieses sehr interessanten Artikels
@Raven Montclair.
Eigentlich wollte ich noch relativ zeitnah was dazu schreiben, wurde dann aber vom Semesterbeginn meines Studiums so vereinnahmt, dass ich erst jetzt die Gelegenheit dazu finde:
Ich halte es für ziemlich problematisch, sexuellen Missbrauch (an Kindern) ausschließlich mit der vermeintlichen Pädophilie der Täter erklären zu wollen. Damit macht es sich die Kirche bei der Ursachenforschung dieser Verbrechen viel zu einfach und lenkt zudem von den gewaltfördernden und -verschleiernden Strukturen ab, die solche Übergriffe überhaupt erst möglich machen. Für mich schlägt das in dieselbe Kerbe, wie der äußerst fragwürdige Erklärungsversuch seitens der Kirche selbst, dass ein Zusammenhang zwischen (unterdrückten) homosexuellen Neigungen und Missbrauch an Knaben bestehen könne. Wer böse ist, könnte darin sogar die gezielte Absicht vermuten, zwei (ideologische) Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Das eigentliche Problem bestehe nicht im systematischen Macht- und Gewissensmissbrauch durch kirchliche Amtsträger, sondern ausschließlich in der Sündhaftigkeit und Schuld "solcher" Menschen. Die Botschaft, die damit nach außen transportiert wird, zeugt für mich leider weder von einem ehrlichen Bemühen um Aufarbeitung und Vorbeugung neuer Übergriffe, noch von einer sonderlich fortschrittlichen Sexualmoral.
Tatsächlich gestaltet sich die aktuelle Situation der katholischen Kirche doch so, dass sie zwar kontinuierlich Menschenrechtsverletzungen anprangert, selbst jedoch aus ihrer eigenen Rechtsstruktur heraus rund 60 Prozent der Menschheit diskriminiert. Nämlich alle Frauen, deren Ungleichbehandlung sie unter theologisch unhaltbaren Begründungen um jeden Preis zu konservieren versucht, sowie alle Menschen, die nicht der heterosexuellen Norm entsprechen.
Gerade in puncto Sexualität und Geschlechterverständnis erlebe ich den Vatikan als enorm rückständig und zugleich auch sehr unwillig, auf die aus eigenen Reihen angestoßenen Reformationbestrebungen auch nur im Ansatz einzugehen.
Derselbe Papst, der in anderen Kontexten Verbrechen an der Menschheit aufs Schärfste kritisiert, scheut nicht davor zurück, seine eigenen Leute mundtot zu machen, indem er ihnen mit der Amtsenthebung droht, sollten sie von solchen Ungeheuerlichkeiten wie der Frauenordination nicht schnellstens Abstand nehmen (...ich such noch nach der Quelle, aus der ich diese Info hab und reich sie dann nach).
Das ist übrigens auch derselbe Papst, der seine Glaubensbrüder 2018 noch dazu angehalten hatte, im Falle eines beobachteten Missbrauchs sofort den (zuständigen) Bischof zu konsultieren. Um den "Bruder-Täter" zu schützen.
Eine menschlich viel korrektere Vorgehensweise wäre doch wohl die, zuallererst die Polizei zu verständigen und dem Opfer zu helfen. Missbrauch ist ein strafrechtlich relevanter Tatbestand und gehört als solcher auch vor die staatlichen Gerichte, nicht (nur) vor die kirchlichen, wo dann die "Glaubensbrüder" untereinander eruieren können, was denn nun die "gerechte" Strafe für diesen Ausrutscher sei.
Der Vatikan sollte zudem endlich mal die Menschenrechtserklärung unterzeichnen, und wenn er das nicht kann, weil er kein Staat im eigentlichen Sinne ist, dann zumindest dafür sorgen, dass sie innerkirchlich verbindlich zu gelten hat. Es gehören rechtliche Regelungen geschaffen, die einer Geschlechterdemokratie, wie sie im heutigen Europa glücklicherweise vorherrscht oder zumindest angestrebt wird, auch angemessen sind.
Die katholisch-theologischen Lehrstühle fordern eine solche Entwicklung schon seit Jahren, der Papst stellt sich aber quer und weil es das hierarchische Ordnungsprinzip der Kirche nun mal vorsieht, dass ein einzelner Mann als Stellvertreter Gottes das letzte Wort hat (was ich an sich schon völlig beknackt finde), müssen alle anderen diesen rückständigen Kurs mitfahren.
Wie siehst du das als (gläubige) Katholikin?