~Halle der Völker und Kulturen – Toilette: Nyx, Kyra - Saal: alle anderen~
Doch als sie die Offizierin ansah, wurde schnell klar, dass die offenbar ziemlich stark alkoholisiert war. Das Verhalten passte jedenfalls. Die Blicke der beiden Frauen, waren zwar irgendwie intensiv gewesen, aber offenbar hatte sie Nyx nicht weiter, oder tiefgehender registriert denn „Aha, da is’ wer.“ Womit sie auch eigentlich gar keine Probleme hatte. Immerhin hatte sie weder für Republik, noch Imperium sonderlich viel übrig. Aber diese hier war anders. Allein das äußere der Frau schrie förmlich danach, Beachtung zu bekommen. Ein verzweifelter Schrei nach Anerkennung? Nyx stellte die analytischen Gedanken ab. Ihr Psychologiestudium musste sich ja nun nicht ausgerechnet jetzt wieder zu Wort melden, weil es einer Imperialen nicht gut ging. Die mitunter auf ihrem Wege innehaltend in eine der Toiletten geschlurft war und dort nun lautlos verharrte. Nyx, die nicht sonderlich scharf darauf war, die sicherlich bald folgenden Würggeräusche zu hören, hatte ihre Fußreibaktion wieder eingestellt und war in die sündhaft teuren Sandaletten, oder wie man diese Dinger nannte, geschlüpft und machte sich wieder auf den Rückweg. Als sie die Tür ergriff und aufzog, konnte sie hören wie jemand würgte. Im hinausgehen erklang dasselbe Geräusch nochmals, nur heftiger. Die Tür viel zu und in den Toiletten entlud sich Kyras Mageninhalt. Nyx hielt nur wenige Schritte nach dem verlassen der Klos inne. Irgendetwas hinderte sie daran einfach wegzugehen. Gesunder Menschenverstand, die Tatsache das diese Frau ebenso ein schillernder Vogel unter allzu gleichen Individuen war, so was in der Art. Sie machte kehrt und war wieder auf den Klos verschwunden.
„Geht’s ihnen gut?“ Die Antwort war mehr ein stöhnen denn ein anderer Laut.
„Soll ich ihnen etwas bringen? Wasser, Brot oder so?“ Erneut eher ein gequältes anspannen der Stimmbänder, als Worte, geschweige denn zustimmendes oder verneinendes brummen, oder wie man es auch nennen mochte. Nyx hatte sich wieder am Waschbecken, oder viel mehr den Waschbecken niedergelassen. Lehnte sich mit ihrem Po an und spürte vage den kalten Stein auf ihrer nackten Haut.
„Ich hätte ja niemals gedacht, einmal einen betrunkenen Offizier des Imperiums anzutreffen.“
Endlich fand sie ihre Stimme wieder, vorher erbrach sie jedoch noch einmal.
„Naja… ich hätte nicht gedacht hier zu kotzen.“
Meinte die junge Frau und spuckte dann in die Schüssel. Die Spülung ertönte und nur wenig später öffnete sich die Klotür. Die schwarzhaarige Imperiale trat wieder hervor und ging zielstrebig auf eines der Waschbecken zu, wo sie sich gründlich die Hände und den Mund abwusch. Reinlich war sie ja, stellte Nyx fest. Aber bei dem was sie über das Innenleben der Schiffe des Imperiums hörte, sollten die ja angeblich auch von Bakterien befreit sein. Quasi gut genug um mit der Zunge den Boden zu lecken.
Die eisblauen Augen der Thyferrianerin musterten die Frau neben ihr genau. Irgendwie wollte sie einfach nicht glauben, dass sie für das Imperium arbeitete. Wo würde eine derartig aussehende Person im Imperium ihre Stelle finden? Ihre Gedanken arbeiteten so exzessiv, das sie erst dann bemerkte, das die Pilotin zurückstarrte, als sie auch zu sprechen begann.
„Also… ich bin Kyra. Danke das du noch einmal zurück gekommen sind. Hätte ich ehrlich gesagt nicht erwartet.“
„Ich hab’s bis eben auch nicht erwartet.“ Grinste sie ehrlich. „Aber… nun, ich dachte du brauchst vielleicht ein wenig beistand. Meine Name ist übrigens Nyx.“
Sie bemerkte erst im nachhinein, dass die Imperiale so sofort mit ‚du’ angesprochen hatte. Ungewöhnlich und das ließ eigentlich nur einen ‚Arbeitsplatz’ zu. Sternenjägerkorps. Aber der Höflichkeit halber würde sie noch einmal nachfragen. Und erneut musterten ihre Augen die so seltsam, wahrscheinlich lag es an der Uniform, anmutende Offizierin. Die Piercings und das gefärbte Haar machten sie irgendwie so exotisch, dass sie in Nyx Augen selbst unter den ganzen Nicht Menschen noch mehr hervorstieß. Zudem sah sie auch ziemlich gut aus. Der Blickkontakt der sich aufbaute, wurde unterbrochen als die Frau sich rapide abwandte und wieder auf eines der Klos stürmte. Nyx eilte ihr nicht sofort hinterher, sondern entledigte sich erst ihrer Handschuhe, die sie nicht beschmutzt wissen wollte. Erstaunlich leicht glitten sie von ihren Armen und offenbarten die Tätowierungen. Für sie waren die mittlerweile vollkommen normale, aber auf so einem Anlass? Die hatten zum einen keine Zeit sich daran zu gewöhnen und zum anderen auch wahrscheinlich kein Verständnis dafür.
Mit langsamen Schritten folgte sie Kyra in deren Kabine und fand sie, vor der Toilette kauernd vor. Armes Ding. Die Imperiale, die fast einen Kopf kleiner als Nyx war, ein wenig zierlicher gebaut, hatte ebenso langes Haar wie sie. Nur trug sie es in schwarz und hatte ihren Pony gefärbt. Pink. Und jetzt hing sie hier, über einer Toilette um sich… nun, es war klar das sie nicht einfach so aufs Klo musste. Nyx ergriff die Haare der Frau und hielt sie beisammen, nicht das sie noch über die Schulter Kyras rutschten und im Klo landeten. Ihren Blick ließ sie jedoch nicht auf dem Spektakel das sich da eventuell bot ruhen, sondern richtete ihn partout an die Decke oder hinaus aus der Kabine. Solange sie ihn nicht senken musste um Kyra dabei zuzusehen, wie sie sich übergab. Wie lange dies nun alles dauerte, konnte sie nicht sagen. Einige Zeit später standen die beiden Frauen, Kyra ging es nun mehr deutlich besser, wieder am Waschbecken und unterhielten sich, hin und wieder von einem heftigen Lachen durchzogen über alle möglichen Themen. Bestimmte Sendungen im HoloNet, Dinge über die man sich eben amüsieren konnte. Vortrefflicherweise über die versammelte Mannschaft aus superreichen, die mit Abweichungen wie ihnen beiden nicht klar kamen. Denn Kyra hatte die Tätowierungen von Nyx längst bemerkt und war regelrecht fasziniert davon. Die Pilotin hatte ihr eine gezeigt, sagte aber sie besäße noch eine weitere, bei der es sich um Engelsflügel handelte, die über ihren gesamten Rücken gingen. Zu gern hätte sie einen Blick darauf geworfen.
„Schade. Das würde ich wirklich gern sehen.“ Gab sie mit ehrlichem Trübsal zu und ließ die Schultern ein wenig hängen.
„Najaaa… ich hätte jetzt kein Problem euch das zu zeigen, aber aus der Uniform raus, wieder rein und das hier auf dem Klo, wär’ nicht so ganz das wahre.“
„Ja, ja, das sehe ich ein. Schade trotzdem.“ Raunte sie und strich sich kurz, ihre Arme anblickend über den rechten Unterarm.
„Deine sind aber echt wunderschön. Und sie steh’n dir einfach super.“
„Danke, danke. Aber ich muss wohl aufpassen das die niemand bemerkt, wenn ich wieder rausgehe.“
„Wieso eigentlich?“
„Nun… das sind kurz gesagt alles Spießer.“
„Da frag ich mich, was du mit denen zu schaffen hast.“
„Ich bin Baroness Vale, ich muss mit denen zu schaffen haben.“ grinste sie wehleidig.
„Oh… na dann. Aber… ihr seid eine ungewöhnliche Baroness. Also, ich mein das nicht negativ, aber… ihr seht halt nicht so aus. Jedenfalls nicht so gewöhnlich wie die…“
„Danke, das weiß ich wirklich zu schätzen Kyra. Ich versuche auch, wohl ähnlich wie du, nicht ganz so langweilig zu sein.“
„Viele Hobbies hu?“ Hakte die Pilotin lässig nach.
„Viele Hobbies.“ Nickte die falsche Baroness und zählte dann auf. „Fliegen, schießen, Grav-Ball, Reiten, singen und lesen, lesen, lesen…“
„Ne ganz schöne Palette, für ne Baroness.“ Gespielt lässig, hielt sie die Scharade nur Sekunden aufrecht und prustete dann kurz los, was auch Nyx ein lachen entlockte.
„Bevor ich in Make-Up, Liebhabern und Geld versinke, genieße ich mein Leben.“
„Gute Einstellung, als Pilot kann man zwar nicht ganz so ausschweifend leben, aber man kann es doch recht gut genießen.“
„Ständig am Limit was?“
„Ständig am Limit.“ Nickte Kyra und grinste. Im Hinterkopf, ebenso wie Nyx, ihre Limitaktion von eben. Oder eher das trinken bis ans Limit…
„So. Langsam sollte ich aber zurückgehen. Mein Mann fragt sich bestimmt schon, wo ich bleibe…“
Meinte sie nachdenklich, um das mehr als erheiternde Gespräch nun doch zu unterbrechen. Es half alles nichts. Wenngleich die zwei sich so gut verstanden hatten, war dies wohl das erste und letzte Mal das sie sich sehen würden. Nyx an dieser Stelle hatte zwar das wissen, das sie mit ihrer Stellung und ihrem Beruf gut und gerne noch einmal auf die Pilotin treffen konnte. Was aber nicht zwingend am Boden sein musste. Kyra indessen hielt sie für die gelangweilte, aber nicht eingerostete Gattin eines Transportgesellschaftsinhabers, eine Baronin und zudem für eine ziemliche Abweichlerin von der Norm. Welche Baroness hatte schon ihre Arme vollkommen tätowiert?
„Schade, wirklich sehr schade. Das Gespräch war wirklich Klasse und ich würde mir ja wünschen, dass wir uns wieder sehen, aber so… Darf ich dir vielleicht trotzdem etwas mitgeben?“
Die Frage an sich war seltsam genug. Doch mit einem Mal knisterte die Luft und es schien nicht mehr viel zu fehlen, bis Funken stoben. Nyx konnte den Blick nicht mehr von Kyra nehmen und die hatte umgedreht wohl auch nichts anderes vor. Und mit einem Mal war Kyra direkt vor ihr, hatte ihre Oberarme ergriffen und zog sie langsam heran. Einem Instinkt folgend schloss sie ihre Augen. Nyx war zwar mit einem Mann hier, aber das war ja auch nur Beiwerk zur falschen Identität. Und mit Frauen hatte sie, ihrer Zeit auf Thyferra einige Erfahrungen gesammelt. Sie hatte sich nicht ohne Grund so gut mit ihren beiden Freundinnen verstanden. Sie wurde beinahe enttäuscht, als die Pilotin ihr nur einen sanften Kuss auf die Wange drückte. So ein bisschen… ach was Nyx! Hör dich doch mal an! Die kennt dich kaum und außerdem bist du eine Baroness! Schimpfte sie in Gedanken und lächelte warm, als die Pilotin wieder auf ihre Füße zurücksank.
„Danke. Vielleicht sehen wir uns ja einmal wieder, Kyra. Mich jedenfalls würde es freuen und wer weiß, vielleicht kannst du mir dann deine Flügel zeigen.“
Während Nyx gesprochen hatte, hatte sie ihre Handschuhe wieder angestreift und zwinkerte der Pilotin nun zu, ehe sie die Toilette verließ. Wirklich schade. Vielleicht sollte sie Kyra für die Schwarze Sonne abwerben? Einen Versuch blieb es immer wert und so machte sich die getarnte, hier eingeschlichene Angehörige der Schwarzen Sonne, eine geistige Notiz. Innerhalb der großen Halle wimmelte es noch immer nur so vor Gästen und die noch nicht weit fortgeschrittene Stunde des Abends würde garantieren, dass diese Festivität noch einigermaßen lange andauerte. Mit leicht herausfordernden Schritten, in denen sie ihre Hüfte gekonnt von einer zur anderen Seite bewegte, raubte sie die Blicke zahlreicher Männer, die wohl alle mindestens einmal hofften, der zarte, aber dennoch undurchsichtige Stoffe möge beiseite rutschen…
Schmunzelnd griff sie sich im vorbeigehen ein Sektglas und stolzierte weiter durch die Menge an Personen. Vielleicht gab es ja noch andere interessante Gesprächspartner…
~Halle der Völker und Kulturen – Unter den Reichen – Nyx + alle anderen im Saal ~