[Bastion - Sith Orden – Halle – Iouna, Draconis]
Alles hat seine Gründe. Iouna wusste, dass Torryn wohl einen guten Grund hatte, warum er widerstandslos Ians Befehl folgte. Warum er sie hier, an diesem Ort, alleine ließ. Sie verstand es und verstand es nicht. Aber sie akzeptierte seine Erklärung, dass es zu ihrer Sicherheit geschah. Durch seinen Ungehorsam wollte er Ian nicht verärgern. Sie vertraute Torryn, dem was er tat, gewiss würde Torryn sie ohne einen guten Grund niemals alleine lassen. Eine ernste Gefahr musste abgewendet werden.
Erinnerungsbilder tauchten auf und reihten sich vor ihrem inneren Auge, eines nach dem anderen, zuerst die schrecklichen Ereignisse im Trainingsraum. Dann wieder die Fragmente der Delirium-Alpträume, in denen Ian Torryn tötete. Ian verdiente kein Vertrauen. Nicht damals als Kind, aber ganz sicher seit der unheilvollen Begegnung auf Telos nicht. Wenn Ian Torryn zu töten beabsichtigte, würde er das aus Eigensinn tun, aus kalter Berechnung, oder nur um sie zu bestrafen? Um ihr alles zu nehmen. War sie wichtig genug, um solche Emotionen bei ihm auszulösen? Früher hätte sie Ian keine Niedertracht zugetraut, aber die jüngsten Geschehnisse erschütterten ihr Weltbild, ihr Bild von Ian, grundlegend. Er hatte ihr nicht leid getan! Nun hatte sie plötzlich das Gefühl, nicht mehr zu wissen, wer er war, was er war. Die Aussicht, dass er den eigenen Schüler töten würde, um sie, die Steinchenwerfenin, zu bestrafen, um sie leiden zu sehen, alleine um die Symbiose zwischen ihr und Torryn auszulöschen, erschien ihr auf einmal möglich.
Zu schnell ließ Torryn ihren vor Lust enthemmten Körper los, ihre in Ohnmacht aufgelöste Seele, um in den zu den Quartieren führenden Fluren zu verschwinden. Zu schnell flaute das Verlangen ab, wurde verdrängt von einer bitteren Beklemmung und Sorge. Irgendwo hier würde sich Ians Quartier befinden. Vielleicht stand Torryn bereits von dem Eingang und wartete auf weitere Anweisungen seines Meisters. Noch bevor das Schlimme passierte, würde sie ihn noch finden können.
Vorsichtig sah Iouna sich um, alles schien noch wie vorher, vor dem Liebesakt. Bevor sie Torryn eine Ohrfeige verpasste, also als er noch da, bei ihr war. Die Statuen, der Boden unter ihren Füßen standen felsenfest und vermittelten eine Stabilität und Beständigkeit, die täuschte. In ihrem Inneren, war nichts mehr stabil, keine einzige Stelle. Sie fühlte sich schwach. Nur die Angst um Torryn wuchs, immer mehr steigerungsfähig, sattgestillt von der Dunklen Macht. Dann das Misstrauen. Die Furcht und die störrische Zweifel, die sie nicht mal in den verborgensten Gedanken zu formulieren wagen würde. Dann aber wieder diese quälende Abneigung Ian gegenüber, körperlich spürbar, genauso lächerlich wie absurd. Schmerzlich. Sie hätte weinen, toben können. Ian anflehen, bitte, gib mir Torryn wieder!
Scharf zog sie die Luft durch die Nase, die Lungen füllten sich gleich mit dem herben Geruch ihres Geliebten, dem dünnen Ölfilm seiner Pheromone, die ihren Haut benetzten. Im gleichen Augenblick war es ihr, als ob sie die Furcht in der reinsten Form einatmen würde. Die Aussicht, Torryn für immer verlieren zu können, versetzte sie in einen Rausch und zugleich ein unaussprechliches Grauen. Fassungslosigkeit über diese lähmende Verlustangst, die grausame Angst ohne ihn nicht mehr leben zu können. Sie sollte sich davon frei machen! Vorher musste sie Torryn finden! Ihn von Ian beschützen. Vielleicht Ian um Verzeihung bitten, dazu wäre sie bereit, denn damit könnte sie ihn beschwichtigen. Nun sofort würde sie Torryn erspüren, denn zu spät war es noch nicht, er war in ihrer Nähe, sie spürte es. Seinen Geruch würde sie immer finden, egal wo und wann, diesen markanten, einzigartigen Geruch. Iouna zog die Robe enger um sich und sah sich schon in den Gang loslaufen, auf einmal fühlte sie sich stark. Bereit zum sprinten pochte das Blut in ihren Schläfen, schmerzhaft wie lauter kleine spitze Hämmerchen. Sie musste sich überwinden.
Etwas abseits, einige Meter entfernt von ihr stand dieser seltsame Mann (Darth Draconis) und starrte zu ihr herüber. Wie aus dem Nichts schien er sich materialisiert zu haben, und war kein irreführendes Gebilde ihrer Phantasie. So bald sie versuchte ihn irgendwie zu ignorieren, selbst ihren Blick von ihm zu wenden, wurde seine aggressiv, übergriffige Präsenz nur noch intensiver. Schließlich erreichte die dunkle Ausstrahlung auch ihren Körper. Der sadistische Dunst der Dunklen Macht reizte sie. Sie trat einen Schritt zurück und berührte mit dem Rücken die Wand. Warum hatte der Sith sie so angestarrt, worauf wartete er? Um zu Ian zu gelangen, müsste sie sich ihm stellen, an ihm vorbeigehen. Nervös strich sie mit der Hand eine störrische Haarsträhne von den Augen, der Mann neigte den Kopf indes leicht zu Seite. Die Leichtigkeit täuschte. Das Dunkel umkreiste ihn wie ein Rotationsellipsoid und inzwischen hatte es den ganzen Raum ausgefüllt, bildete eine feste, von außen unsichtbare Blase um sie beide. Ofensichtlich war der Mann kein geringer Jünger, sondern ein Sith des höheren Ranges, möglicherweise ein Warrior. Ganz sicher mächtiger als Ian, wichtiger als Ian. Einflussreicher als Ian. Sie spürte es. Prüfend befühlte sie den Rand der Robe, ob ihre Scham bedeckt war.
Nun plötzlich sagte der Fremde etwas. Und auch nach einer kurzen Atempause redete er weiter. In seiner leisen Stimme war keine Spur der Erregung. Beruhigend redete er auf sie ein, wenn auch deutlich überlegen. Ob sie sich erwischt fühlen würde, fragte er. Er würde sie nicht bestrafen. Töten würde er sie nicht. Nicht alleine der Liebesakt wäre ein Grund zur Bestrafung, sondern, dass sie sich hatte erwischen lassen. Worte strömten aus seinem wohlgeformten Mund verlockende, abgerundete Formulierungen. Wie jung der Mann aussah und wie altklug seine Worte klangen. Mit dem Rücken an der Wand, hob sie den Kopf und drückte die Kiefer gegeneinander, um ein leichtes Zucken in ihren Gesichtzügen zu unterdrücken. Nur das helle Funken in ihren Augen verriet das trotzige Lächeln.
Liebe und Hass sollte der Mensch kennenlernen, keines ohne das andere empfinden, das sei die wahre Erkenntnis. Wer eines dieser beiden Gefühle noch nie erlebt hätte, könne auch das Andere nicht vollkommen erleben. Deshalb sollten die Sith nicht als Menschenhasser gesehen werden, ein Sith wäre durchaus fähig zu Liebe, selbst zu der tiefsten Art der Liebe, sprach die altkluge Seele. Gerade die Sith-Lehren, zu denen Torryn ihr beim Training auf Tatooine den Zugang gewährte, waren es, die Iouna in ihren Bann gezogen hatten. Fasziniert von den alten Schriften, die sie nachts, während Torryn, eng an sie geschmiegt, ruhig atmend, schlief, - erforschte. Der gelehrten Worte des Sith, der monotone, selbstsichere Klang seiner Stimme, löste in ihr ein kurzes, heftiges Hochgefühl aus, ähnlich einem Hungergefühl, Appetit, eine Wissensgier. So fuhr sie zusammen, als er nach einer erneuten Atempause urplötzlich seine Stimme erhob, und mit dem Blick sie fixierte:
"Weiß sein Meister von eurem Liebesspiel?"
Er hätte Torryn nicht erwähnen sollen. Alleine dieses verdammte Erinnertwerden, die Tatsache, dass dieser Sith ein Zeuge ihres Liebesaktes geworden war. Unwillkürlich wurde er zu einem Auslöser von einer Flut der Gedanken, die unweigerlich zu Torryn rasten, zu seinen Armen, zu seinem unendlich heißen Mund, und sie erregten.
Tief unter der Robe erreichte sie ihre nackte Haut und drückte sie die Fingernägel fest in die Haut der Beckenknochen, um das quälende Wohlgefühl in ihrem Unterleib zu unterbinden. Dann noch tiefer, bis der Schmerz so unerträglich wurde, dass sie beinahe aufgeschrien hätte. Sie zog die blutfeuchte Hand heraus und streifte die Robe glatt. Der Schmerz ließ sich ein und ausatmen, alles andere wäre eine Verschwendung. Endlich bezwang sie sich den Kopf zu heben, um dem Sith direkt in die Augen zu sehen. Sie stieß sich geschmeidig von der Wand ab, und ging einige Schritte in seine Richtung. Die Stelle, an der sie sich selbst verletzte tat mit jedem Schritt weh, Angst hatte sie keine mehr. Der Fremde stand einfach nur da, wich ihr nicht aus, er tat gar nichts. Dann blieb sie so nah vor ihm stehen, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spürte konnte.
„Er weiß das. Und nun?“, sagte sie schnell, aber wunderte sie sich im gleichen Moment, wie hart und belegt ihre Stimme geklungen hatte. Denn Ian wusste alles. Und Ian wusste nichts. Auf einmal war sie sich doch ganz sicher, dass Ian das Liebesspiel niemals dulden würde. Die Angst kehrte zurück und ergoss sich über ihren Nacken, lief herunter bis zu ihrem Steißbein, stark und übermächtig. Sie erzitterte.
„Wer seid Ihr und was wollt Ihr von mir? Offenbar seid Ihr in den Sith-Lehren gut unterrichtet. Eine Theorie, die süchtig macht, wie ich finde. Besonders mit Liebe und Hass scheint Ihr euch besonders gut auszukennen. Ihr werdet Euch also längst dessen bewusst sein, dass sich gerade diese Begriffe von uns, Sith, nicht definieren lassen und deshalb nur individuell auslegbar sind.“, sie hielt inne, wartend auf seine Reaktion und betrachtete gespannt sein Gesicht. Spürte er ihre Verwirrung, ihre Furcht?
„Nun lasst mich doch endlich gehen. Ich will in mein Quartier, ich brauche frische Kleidung, das seht Ihr doch. Haltet mich auf, wenn Ihr meint. Ich bin unbewaffnet und Euch deutlich unterlegen.“
[Bastion - Sith Orden – Halle – Iouna, Draconis]