[Coruscant | Obere Ebenen | Jeditempel | Krankenflügel | Patientenzimmer] Wonto Sluuk
Als die Tür seines Zimmers sich hinter Ribanna, Ian, Eowyn und Okin schloss, blieb Wonto Sluuk mit einer wilden Mischung verwirrender Gefühle zurück. Er war noch schwach und hatte den Weg der Besserung gerade erst angetreten, doch war er soeben Zeuge einer überaus verstörenden Szene geworden. Zuerst der Streit zwischen seiner Krankenschwester und dem jungen Pfleger. Er war überrascht gewesen, als sie sich gegenseitig angefahren hatten. Zwar erinnerte er sich nur unscharf an den Vortag, den er in schwerem Fieber verbracht hatte, aber er hatte eigentlich den Eindruck gewonnen, dass die beiden sich verstanden und ein gutes Team waren. Vielleicht war es Ribannas emotionaler Verfassung nach dem Verschwinden ihrer Meisterin geschuldet, dass die Lage so rasch eskaliert war, aber genauso gut war es möglich, dass ihm einfach ein paar Informationen fehlten, um die Lage zu beurteilen. Es war ihm schwer gefallen, sich herauszuhalten, denn er hätte das arme Mädchen gern unterstützt. Aber eine Einmischung eines Unbeteiligten hätte die Sache wahrscheinlich nur schlimmer gemacht und Wonto hielt sich nicht für einen guten Vermittler. Dann waren die beiden Jedimeister hinzu gekommen, doch ihr Auftauchen hatte den Streit nicht beigelegt, sondern ihn verschärft - und dann waren da plötzlich diese Probenbehälter gewesen. Der Ortolaner war beinahe ebenso entsetzt darüber wie die Schwester, nur dass es sich bei ihm nicht in einem Ausbruch gezeigt hatte, sondern in einer Art Schockstarre. Es war ein antrainierter Reflex, der ihn schon in zahlreichen gefährlichen Situationen am Leben erhalten hatte. Wenn es keine Option war, in Deckung zu springen und sich zu verkriechen (was in dem Krankenzimmer eine ziemlich traurige Szene abgegeben hätte und zweifellos die Erneuerung seiner ganzen Infusionen nötig gemacht hätte), war es das Beste, den Kopf einzuziehen und sich nicht zu regen. Allerdings würde ihn das nicht gegen das Virus schützen. Das verdammte, teufliche C! Wie konnte nur so etwas Scheußliches existieren!? Und wie konnte es sein, dass jemand einfach mit ein paar Proben in der Tasche herumlief!? Das war wirklich unfassbar und entsetzlich! Zu seiner Ausbildung bei den Spezialeinheiten hatte der Umgang mit biologischen Waffen gehört. Keine davon war auch nur annähernd so gefährlich wie C. Und obwohl man den Rekruten natürlich niemals echten Viren und Sporen ausgehändigt hatte, waren sie in ihren Übungen wesentlich respektvoller und vorsichtiger mit den Pröbchen umgesprungen als Okin nun in einer ernsthaften Gefahrensituation. Alles in Wonto hatte darauf gedrängt, zu handeln, doch er hatte keine Möglichkeit gehabt. Glücklicherweise hatte der Jedi Dice dem jungen Mann die Fläschchen rasch abgenommen.
Nun waren sie allesamt draußen verschwunden und der Corporal konnte ihre teils aufgebrachten Stimmen zwar noch durch die Tür hören, aber nicht verstehen, worüber sie sprachen. Er fühlte sich überfordert, hilflos und unnütz, dank des widerlichen C völlig seinem Schicksal ausgeliefert. Die Freude darüber, dass dieser Tag so viel besser begonnen hatte als der vorherige, war nun deutlich eingetrübt. Nachdem er ein Beispiel dafür gesehen hatte, wie schliecht die Sicherheitsbestimmungen im Jedi-Tempel wider Erwarten waren, fühlte er sich nicht mehr wirklich sicher. Aber am allermeisten störte es ihn, dass er nicht einmal die Chance gehabt hatte, sich bei all seinen Helfern zu bedanken. Er war allen vieren unendlich dankbar, doch die Gelegenheit, das zu äußern, war nun verstrichen. Er hoffte, dass sie ihn nicht für kleinmütig hielten. Nein, wahrscheinlich hatten sie gerade wirklich Wichtigeres zu tun und dachten gar nicht daran, dass ein bettlägiger Ortolaner, der ihnen sein Leben verdankte, ihnen zumindest ein paar Worte der Anerkennung schuldete. Er konnte ja auch nichts dafür, dass sich die Gelegenheit gar nicht ergeben hatte. Trotzdem: Er fühlte sich deswegen schlecht.
Da fiel ihm wieder ein, dass es doch noch etwas gab, das er tun konnte. Er hatte es sogar schon zugesagt! Ribanna hatte ihm ihr Comlink gegeben, damit er seine Freunde kontaktieren konnte. Es lag noch immer in seiner Handfläche. Wonto wischte sich die schwitzigen Hände an der Bettdecke trocken und begann dann, seine dicken Finger über die Schaltflächen zu bewegen. Falls das Gerät eine Verschlüsselung hatte, hatte Ribanna sie gelöst - ohne Probleme gelangte er in das Menü und fand rasch die Optionen für die Frequenzeinstellungen. Es war verboten, militärische Codes in ein ungesichertes ziviles Kommunikationsgerät einzuprogrammieren, aber wenn in Notsituationen keine andere Möglichkeit bestand, befreundete Einheiten zu erreichen, durfte man eine Ausnahme machen. Nach Wontos Ansicht befand er sich in einer solchen Lage und ein mögliches Disziplinarverfahren war im Moment nun wirklich sein kleinstes Problem. Er war fest entschlossen, den Versuch zu unternehmen, und pfiff auf die Konsequenzen. Er stellte die Ruffrequenz seines Teams ein und programmierte einen persönlichen Code, mit dem der Ruf ver- und entschlüsselt werden sollte. Hoffentlich waren sie in Reichweite - die Signale dieses recht einfachen Geräts reichten bestimmt nicht in die Tiefen Coruscants hinab oder sogar auf die andere Hemisphäre des Planeten.
»Patrouille UniSec-Neun, hier Corporal Sluuk! Bitte melden!« sagte er. Dabei versuchte er, einen kräftigen, sachlichen Tonfall anzuschlagen, wie es im Militär üblich war. Aber er merkte selbst, dass seine Stimme noch ziemlich schwach klang. Kein Wunder: Gesund war er noch lange nicht.
Er wiederholte den Ruf noch einmal. Dann erhielt er eine Antwort. Nicht störungsfrei, aber verständlich.
»Wonto! Wie geht es dir?« Das war die Stimme von Benji. In seiner Aufregung und Überraschung war der Mensch ins Du zurückgefallen, das die Kameraden gepflegt hatten, bevor der Ortolaner zu ihrem Anführer geworden war.
»Ganz gut, wenn man die Umstände bedenkt«, antwortete er. »Aber ich melde mich wegen was ganz anderem. Seid ihr wieder unterwegs?«
»Ja, wir sind wieder auf Patrouille in UniSec.«
Hm, das war nicht optimal. Es war weit, weit weg von der Gegend, in der Ribannas Meisterin verschwunden war. Aber wenn man auf so einem Planeten etwas suchte, ohne einen echten Anhaltspunkt zu haben, war es wahrscheinlich ganz egal, wo man mit der Suche begann - sowieso konnte nur ein gewaltiger Zufall einen Erfolg bringen.
»Hört mal, ihr müsst mir bei einer Sache helfen. Es ist was Persönliches, für eine Freundin. Eine Jedi-Meisterin ist letzte Nacht verschwunden, und zwar in Ebene 15, in der Nähe der Kreuzung Dreizehn-Vierzehnte und Dreizehn-Fünfzehnte.«
»Das ist nicht gerade in der Nähe... was sollen wir machen?«
»Das was ihr ohnehin tut: Die Ohren offenhalten. Wenn ihr eure Informanten abklappert oder zufällig was hört, fragt nach. Ich erwarte keine Wunder, aber vielleicht ergibt sich ja durch Zufall eine Fährte.«
»Was weißt du über die Vermisste?«
»Sie ist eine junge Togruta und heißt Tara Li. Das ist eigentlich schon alles, was ich habe. Wenn ihr mehr braucht, muss ich nachfragen.«
»Okay, wir tun was wir können. Aber viel wird es nicht sein. Die Lage hier unten ist schwierig, und umso mehr, seit wir keinen einheimischen Führer mehr haben. Es war wirklich ein Schock für uns, als wir es erfahren haben! Gerade noch die Freude darüber, dass Dribiteg gesund ist, und dann diese Nachricht... aber jetzt sag doch endlich mal, wie es dir geht! Medhi reißt mir gleich das Mikro vom Gesicht!«
»Na, ihr habt's ja offenbar gehört, dass ich C-positiv bin. Wir wissen alle, was das heißt. Aber heute geht's mir viel besser als gestern. Die Jedi, die können offenbar wirklich was machen. Zumindest was die Symptome angeht. Zwei Jedi-Meister namens Ian Dice und Eowyn-nochirgendwie haben mich mit so einem Zauberritual behandelt, so ähnlich wie Rätin Chesara auf Felucia, und heute ist mein Fieber viel niedriger. Mir hat aber noch keiner gesagt, wie's wirklich um mich steht, von wegen Heilungschancen und so. Im Moment jedenfalls gibt's keinen akuten Grund zur Sorge.«
»Wir würden dich wirklich gern besuchen, wenn wir könnten!« Dieser Einwurf kam von Medhi Varn. Vielleicht war Benjis Ankündigung kein Scherz gewesen und die Devaronianerin hatte sich wirklich gewaltsam des Comlinks bemächtigt. Wonto musste lächeln.
»Ich weiß«, antwortete er. »Und ich hätte euch gerne hier. Aber wenn's nicht geht, dann geht's halt nicht. Wir sehen uns, wenn ich hier raus bin. Passt bis dahin bitte auf euch auf! Wonto, Ende!«
Mit einem raschen Tastendruck unterbrach er das Gespräch, und indem er seinen Identifikationscode wieder löschte, machte er einen Rückruf unmöglich. Denn er sah sich emotional nicht in der Verfassung, weiter über seinen ungewissen Gesundheitszustand zu sprechen. Ein noch höheres Maß an Zuversicht konnte er einfach nicht ausstrahlen und mit allem anderen wollte er seine Soldaten nicht belasten. Ihr Leben dort unten in UniSec, das man nicht nur wegen C und in vielfacher Hinsicht als verseucht bezeichnen konnte, hatten sie es schon hart genug. Hoffentlich machten sie sich nicht zu viele Sorgen um ihn. Und hoffentlich sahen sie sich noch einmal wieder, auch wenn sich seine Hoffnung, bald entlassen zu werden, als zu optimistisch erweisen würde.
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