Coruscant – Jedi-Tempel, Gärten, mit Ian
Selbstverständlich starben jeden Tag Personen. Viel zu viele... Was Eowyn gemeint hatte, war eher Ians Anwesenheit hier auf Coruscant, und die dauerte nun einmal noch nicht allzulange an. Vor allem hatte er in dieser Zeit immerhin unter höchstem Einsatz dafür gesorgt, dass Alisah und Kyran überlebten - auch der Rat wusste, dass so etwas Kraft kostete. Und auch der Rat war gerade sicher nicht mit viel freier Zeit gesegnet - Eowyn ahnte außerdem, dass Entscheidungen und Debatten in diesem Gremium sicher nicht einfach waren. Kam es momentan überhaupt zu so etwas wie Ratssitzungen und gemeinsamen Absprachen? Doch sie ließ das Thema ruhen - es war nicht nötig, dass sie so eine Kleinigkeit ausdiskutierten. Sie hatten verschiedene Sichtweisen, weil sie auch von verschiedenen Positionen aus kamen. Die Reaktionslosigkeit, als sie auf Lianna gewesen waren, hatte auch sie immens gestört, doch nun konnte Ian immerhin etwas tun, er war nicht völlig nutzlos. Zumindest um einiges nützlicher als sie selbst.
Das werde ich vielleicht irgendwann tun... meinte Eowyn dann vage zum Thema Aketos und Shen, auch um das Thema ein wenig zu beenden. Sie wusste momentan selber nicht, was es da groß zu reden geben würde. Shen war fort, genau wie Joras, Rinson und Mehas, was sollte sie daran ändern? Darüber zu sprechen würde daran keinen Unterschied machen. Und Aketos... ja, Eowyn machte sich immer mehr Sorgen. Es dauerte und dauerte, und sie hatte nichts von ihr gehört, andererseits wusste Eowyn, dass Aketos Zeit für sich brauchte für diese Aufgabe. Wäre etwas geschehen, dann hätte sie von dem alten Ehepaar ganz gewiss Bescheid bekommen...
Die Sache der "Aufgabe" und des "Ankers" war hingegen eine andere. "Das werde ich", antwortete sie lächelnd, allerdings nicht ganz selber davon überzeugt. Eine Aufgabe konnte sie nur dann finden, wenn sie sie auch meistern konnte, und wenn sie daher ihren Fähigkeiten entsprach. Sie konnte... Padawane im Schwertkampf unterrichten. Unwillkürlich verzog sie ein wenig das Gesicht. Weil sie ja im Unterrichten auch immer so viel Erfolg gehabt hatte... Nein, es musste etwas anderes geben. Es würde... Zeit brauchen, aber Ian hatte schon Recht. Außerdem würde sie nicht ewig hier im Tempel herumsitzen, damit würde Ian vermutlich klarkommen müssen.
Und sie selbst auch, wurde ihr klar, als sie schaudernd an die gesehenen Bilder dachte.
Als schließlich Wes sie beide unterbrach änderte sich die Situation schlagartig. Ian schien sich absolut nicht wohlzufühlen - lag es an Wes? Gut möglich. Vielleicht aber war es auch die Situation, jetzt ohne mentale Vorbereitung und überrumpelt mit einem Rat zu sprechen, auch wenn er es vorgehabt hatte.
Wes nahm sein Angebot sofort an, und Eowyn begann sich unangenehm zu fragen, was er mit ihr alleine besprechen wollte. Oder wollte er nur die inneren Angelegenheiten der Jedi schlicht nicht vor Ian breittreten? Das könnte sie verstehen.
Sie warf Ian noch einen hoffentlich beruhigenden Blick zu, bevor sie sich mit Wes langsam und schweigend von ihm entfernte. Die ersten Worte gebürten nun ihm, sie hatte vorgebracht, was sie zu sagen hatte, und nun kam es auf seine Antwort und seine eigenen Punkte an.
Allerdings hätte Eowyn nicht gedacht, dass er so direkt sein würde, als er schließlich sprach.
Überrascht schwieg sie, sagte erst einmal nichts dazu. Die Gerüchteküche brodelte also schon tatsächlich, obwohl sie hier auf Coruscant nun wirklich nicht sonderlich auffällig gewesen waren. War die Nachricht ihnen aus Lianna vorausgeeilt? Das spielte aber keine Rolle. Schließlich war es die Wahrheit - wenn auch nicht die ganze. Denn ohne ihrer beiden Gefühle wäre Ian vermutlich nicht bei den Jedi geblieben, da war sie sich ziemlich sicher. Ohne ihre Gefühle, ohne ihr Eingreifen an sich... Va'art... Alles, was auf Va'art geschehen war, die ganze Sache, die ganzen Qualen... die Leute hatten kein Recht, daüber zu urteilen, so einfach war es. Aber sie würde sie nicht aufhalten können, also musste sie sie ignorieren.
Dass allerdings Wes so konret auf diesen Zug aufspringen würde, und das mit dieser Wortwahl? Ihren Gefühlen nachgegeben... Was war falsch daran? War nicht der Grundsatz der Jedi, allem gegenüber offen zu sein? Seit wann gehörten Gefühle für ehemalige Sith nicht dazu? Sicher, es war ungewöhnlich, vor allem wenn man Ians Vergangenheit, seinen ehemaligen Rang und all das bedachte... trotzdem.
Aber vielleicht tat sie ihm Unrecht. Vielleicht hatte er nichts davon gewusst, vielleicht hatte Joseline den Rat über dieses kleine Detail nicht informiert... dann war es nur berechtigt, wenn er seine Zweifel daran äußerte, dass sie für diese Aufgabe geeignet sei. Sie musste wieder mehr wie eine Jedi denken, ihres Ranges entsprechend, und sich nicht andauernd in den Verteidigungsmodus begeben oder ihrer Überforderung und Ängsten zu viel Raum überlassen.
Außerdem... schien er es bemerkt zu haben. Sein hinterhergeschobenes Lob schien eine Art Friedensangebot zu sein, und Eowyn lächelte leicht.
Das lag eigentlich nicht an mir. Er ist... er ist eben er. Ja, wahnsinnig aufschlussreich. Aber anders ließ es sich nicht beschreiben. Sie hatte schließlich kaum etwas dazu beigetraten, um nicht zu sagen - nichts. Eher hatte ihre Anwesenheit noch zu seinem einzigen Wutausbruch geführt... aber das war Vergangenheit.
Es war... ja, es war seltsam, hier mit Wes herumzulaufen. Wie sollte sie sich verhalten? Seine förmliche Anrede vorhin. Jetzt das Du... Wie sollte sie ihn nun ansprechen? Und was wollte er von ihr? Ja, es war lange her, dass sie sich zuletzt gesehen hatte. Vielleicht... vielleicht wusste er selber nicht... aber er war der Rat, nicht sie. Sie würde bei allen Sonnen niemals selbst damit beginnen, persönlicher zu werden. Beinahe wünschte Eowyn, Wes wäre kein Rat. Es wäre... einfacher. Sie könnte ihn um Hilfe bitten, um seine Sichtweise, um seinen... ja, um seinen Rat. Es würde ihr leichter fallen, über ihre Fehler, ihre Zweifel und ihr Versagen zu reden. Endlich überhaupt einmal mit jemandem zu reden, es wäre... es wäre nur gut. Aber so, mit dieser Kluft, alleine durch die Ränge, und noch mit seiner förmlichen Ansprache? Nein.
Sie unterdrückte ein Seufzen. Vielleicht würde sie es ohnehin nicht tun. Zu viel Zeit war vergangen... sie wusste nicht mehr sicher, woran sie bei ihm war.
Ihrer beider erneutes Schweigen wurde wieder von Wes unterbrochen. Jetzt näherten sie sich offensichtlich dem eigentlichen Grund des Gespräches, und Eowyn nickte.
Es ist mein... Es war ihr Wunsch? Oh nein. Das war falsch. Aber es war... logisch. Es musste sein. Es gab keine Alternative. Außerdem würde ihr diese Aufgabe ohnehin entzogen werden, wenn man erfuhr, was geschehen war.
Ja, es ist mein Wunsch. Danke. Und den Bericht... Schriftlich oder mündlich? Schriftlich hatte den Vorteil, dass sie Wes nicht würde in die Augen sehen müssen. Mündlich... es ging einfach so viel schneller, und die Sache wäre erledigt. Und Ian würde eine neue Person haben, die die Verantwortung übernahm. Vielleicht noch heute.
Viel wichtiger aber war wohl, was direkt nach ihrer Ankunft auf Coruscant geschehen war. Kyrans Geburt...
Ja, ich war dabei, murmelte Eowyn. Etwas, das ein einschneidendes Erlebnis gewesen war. Diese Entscheidung... Gegen Kyran. Und sie war sich ziemlich sicher, dass Wes nicht einfach nur hatte wissen wollen, wo sie ihre Zeit verbrachte. Sie holte Luft. Irgendwann einmal hatte ein Rat es ja erfahren müssen.
Es war... es war chaotisch. Alisah ging es schlecht, sie war... es ging ihr schlecht. Eowyn blickte zu Boden, betrachtete das Gras vor ihr, während sie redete und ging. Ians Ankunft machte das nicht gerade besser, aber irgendwann akzeptierte sie dann, dass er ihr nicht schaden wollte. Vermutlich, sie zuckte die Schultern, hatte sie auch gar keine andere Wahl... Ich hielt mich größtenteils heraus. Heilen ist nun einmal nicht meine große Stärke... Tara übernahm die Geburt, Ian kümmerte sich um Alisah, dann um Kyran, ich überwachte alles mit der Macht, gab mir Mühe, Ian darin zu unterstützen. Als Kyran auf der Welt war... Das war es wohl, was Wes interessierte. Ob Alisah überhaupt wirklich wusste, was Ian genau getan hatte? Eowyn hatte keine Ahnung. Vielleicht brauchte er auch nur eine zweite Meinung.
Wie sollte sie es formulieren? Sie schüttelte den Kopf.
Er hatte kaum Chancen. Er war... so klein. Und das Virus... Also hat Ian versucht, ihn zu retten, mit seiner eigenen Lebensenergie. Ich habe das noch nie erlebt, wusste nicht, dass es auch in diese Richtung möglich ist... Er hätte sich selbst geopfert, wenn nicht... Sie stockte. Wie sollte sie es begründen? Sie konnte es vor sich selbst kaum begründen. Ian war, entgegen ihrer Erwartung, nicht wütend gewesen deshalb, seltsamerweise auch Alisah nicht. Vielleicht, weil ihr Sohn dennoch überlebt hatte... Aber es war... es war falsch.
Nicht, dass sie es wahrscheinlich nicht wieder tun würde, und genau das war das Problem.
Eowyn blieb stehen, warf einen Blick zurück zu Ian und sah Wes dann direkt an. Sie würde sich nicht verstecken, aber sie würde es erklären. Ich glaubte nicht daran, dass Kyran eine Chance hätte, und ich musste eine Entscheidung treffen. Ich konnte sie beide sterben lassen, oder einen retten - zumindest war das das, was ich glaubte. Aber das war nicht alles. Sie könnte es dabei belassen. Jeder würde diese Entscheidung verstehen. Es waren Sekunden gewesen, nicht einmal.
Nur war es nicht die Wahrheit. Nicht die ganze. Und sie würde es immer wissen.
Aber außerdem... Zusammenreißen. Ich konnte ihn am Ende meiner Überlegungen einfach nicht gehen lassen, brachte sie hervor. Nicht so. Nicht für etwas, das so aussichtslos war. Ich habe also seine Verbindung zur Macht unterbrochen. Es... Eowyn setzte sich wieder in Bewegung, den Blick nach diesem Geständnis stur geradeaus.
Ja, da sind Gefühle, beantwortete sie kurz Wes' vorherige Frage. Gefühle, ohne die sie jetzt vermutlich gewisse Informationen nicht hätten - aber sie hätte Kyran sterben lassen, hätte ihre eigenen Gefühle über die eines anderen gestellt. Hätte sie anders gehandelt, wären die Chancen von Kyran besser gewesen? Möglich... aber sie wusste es nicht mit Sicherheit. Und so würde sie einfach damit leben müssen, zu wissen, zu was sie fähig war. Selbst als Schatten hatte sie eine solche Entscheidung noch nie getroffen.
Es war nicht der einzige Fehler, der ihr unterlaufen war, doch vermutlich der größte. Ihre eigenen Gefühle, trotz rationaler Überlegungen, über die eines unschuldigen Lebens zu stellen. Sie war... es war ohne Worte.
Eowyn blickte zu Wes, verspürte einen Stich, dass sie ausgerechnet mit ihm sprach.
Ich werde die Konsequenzen für dieses Verhalten tragen, wie auch immer sie aussehen. Auch für alles andere, was geschehen ist. Ehrlich gesagt, hatte ich schon viel früher, direkt nach dieser Sache, mit einem solchen Gespräch gerechnet.
Aber... es ist nicht Ians Schuld. Er hätte alles für Kyran gegeben, das wird jeder bezeugen. Überhaupt, er... Ich bin vermutlich voreingenommen. Doch ich weiß, ich weiß ganz genau, dass er sich geändert hat. Er... Wir haben ihn abgewiesen, vor Jahren. Wir haben ihn quasi in ihre Hände getrieben... Damit will ich nicht kleinreden, was er getan hat, und er ist ganz sicher der letzte, der das tun würde. Aber... er bereut. Er möchte helfen; er weiß, dass er nichts wiedergutmachen kann, aber er will so viel tun, wie er kann. Und noch mehr.
Auch wenn ich dich und euch enttäuscht habe, er wird es nicht tun. Dringlich sah sie Wes an, hatte sich in ihrer Rede so versteift, dass sie Wes schließlich doch einfach direkt angesprochen hatte. Ich bitte dich nur um eines - gib ihm eine Chance. Höre ihm zu. Er sagt die Wahrheit, er hat mit diesem Wissen vermutlich einen Ortolaner geheilt... Und wir müssen endlich etwas damit anfangen, bevor es zu spät ist.
Coruscant – Jedi-Tempel, Gärten, mit Wes, Ian weiter entfernt