[Coruscant | Obere Ebenen | Boulevard irgendwo im Regierungsviertel] Arkon, Leela, Ganner, Siva
Nachdem Ganner sie aufgelesen hatte, berichteten Arkon und Leela in knappen Worten, was vorgefallen war, wobei die Ärztin ihre Vermutungen hinsichtlich der Panikattacke aussen vor ließ. Das ging niemanden etwas an und die Wahrscheinlichkeit, dass so sich so etwas wieder ereignete, war äußerst gering. Die Rückfahrt mit der ebenfalls etwas derangierten Siva verlief recht schweigsam. Da sich die Pläne für den Abend in Luft aufgelöst hatten, hatte niemand wirklich Lust auf Smalltalk und so nutzte sie die paar Minuten für einen kurzen Schlaf. Schließlich konnte man nie wissen, wann man das nächste Mal wieder Gelegenheit dazu bekam. Leelas Leben war auch auf Lianna kaum planbar gewesen. Immer hatte es entweder in ihrer Klinik oder der Pathologie des LCPD Notfälle gegeben, um die sie sich kümmern mußte und die sie von geregelten Mahlzeiten und Ruhepausen abhielten. Es störte sie nicht. Im Gegenteil: Sie funktionierte hervorragend, solange ihre Gedanken auf Probleme fokussiert waren, die direkt vor ihr lagen und in der Regel nichts mit ihr zu tun hatten. Arbeit, die sie ablenkte, gab es zum Glück reichlich - und wenn nicht, dann suchte sie sich eben welche.
Einigermaßen erfrischt von dem kurzen Nickerchen, begleitete sie Siva und ihren Meister noch auf die Krankenstation, die auch zu dieser späten Stunde noch ein Ort reger Betriebsamkeit war, und versicherte sich, dass alles Notwendige für die beiden getan wurde. Ohne noch weiter Zeit zu verlieren, suchte Leela ihr Quartier auf, schlüpfte in Kleidung, die sich unter einem Laboroverall bequemer tragen lassen würde, legte das Holster mit ihren beiden Blastern wieder um und machte sich zurück auf den Weg zu ihrer Leiche. Wenn das Abendessen schon ausfiel, konnte sie die gewonnene Zeit genauso gut nutzen, um die begonnene Autopsie fortzusetzen. Sie machte lediglich einen kleinen, nichtsdestotrotz absolut notwendigen Umweg über die im Labortrakt gelegene Teeküche und füllte die größte Thermoskanne, die sie finden konnte mit Kaf, bevor sie sich an ihren Arbeitsplatz begab.
Untersuchungsraum 13 - so die schnöde Bezeichnung für das eindrucksvolle State-of-the-Art-Labor - war noch im gleichen Zustand, wie sie es vor wenigen Stunden verlassen hatte. Während Dr. Kaveri sich Schutzkleidung und Handschuhe überstreifte, hörte sie sich das Protokoll des Assistenzdroiden an, das jener vom ersten Teil der Autopsie angefertigt hatte und glich es mit ihrem eigenen Diktat auf ihrem Datapad ab. Bevor sie begann, warf sie nochmal einen Blick auf den Bericht der Ermittlerin Tasherra Marr und der Rätin El'Mireth, sowie die beigefügte Inventarliste. Möglicherweise hatte sie etwas übersehen. Aber außer den wiederaufkeimenden Zweifeln an der Vollständigkeit der Dokumente, fand sie keine neuen Anhaltspunkte. Auch der Chagrianer war unter seinem Stasisfeld so schweigsam wie zuvor. Nun ja.
Was dann kam, war die Fortsetzung der Routine und förderte nichts zu Tage außer der Erkenntnis, dass die Organe eines absolut gesunden, bemerkenswert trainierten jungen Chagrianers von einem auf den anderen Moment ufgehört hatten zu arbeiten. Bis sie etwas bemerkte, das zwischen den hinteren Backenzähnen hervor lugte. Dr. Kaveri hatte es erst für einen Nahrungsrest gehalten, aber als sie noch einmal mit einer kleinen Lampe hineinleuchtete, wurde das Licht recht untypisch reflektiert und sie beeilte sich, das kleine Artefakt vorsichtig mit einer Pinzette zwischen den eng stehenden Zähnen herauszulösen, ohne es zu zerreißen. Obwohl sie sehr behutsam vorgegangen war, hatten die Schenkel der Pinzette Abdrücke in dem winzigen durchsichtigen Blättchen hinterlassen. Als Leela das Objekt mißtrauisch in dem kleinen Probenbehälter betrachtete, in den sie es unverzüglich gelegt hatte, erkannte sie, um was es sich handelte: Das war die Haut einer Zerbeißkapsel, in der man schnell wirkende Medikamente verabreichte, die schon über die Mundschleimhäute aufgenommen werden sollten. Der Tote mußte sie unmittelbar vor seinem Ableben zu sich genommen haben, sonst hätte sie sich längst aufgelöst gehabt. Absolute Sicherheit konnte sie zwar erst nach einer genaueren Untersuchung erhalten, aber der Verdacht genügte, dass sie eine toxikologische Untersuchung der Probe anordnete und eine weitere Probe aus der Mundschleimhaut entnahm. Zwar machte sich die Forensikerin nur geringe Hoffnung, dass sich der Inhalt der Kapsel noch nachweisen ließ, aber sie wollte nichts unversucht lassen.
Der Gedanke an Gift ließ Leela schaudern. Wenn es das war... hatte er es selbst genommen. Auf offener Straße und nach El'Mireths Bericht, kurz bevor die Jedi eintraf. Das deutete auf Praktiken hin, die man normalerweise nur in Spionage-Holos sah: Der Agent, der sein Leben lieber selbst beendet, als in die Hände des Feindes zu fallen, war ein Klischee und bisher eine nicht begründbare Spekulation. Die Forensikerin rief sich umgehend mental zur Ordnung und trat einen Schritt zurück, um mit dem größeren Abstand eine neue Perspektive und einen neuen Ansatz für die Lösung dieses Rätsels zu finden. Denn selbst wenn sie bei dem Gift einen Treffer landen sollte – was sie für äußerst unwahrscheinlich hielt, denn die meisten schnell wirkenden Gifte waren äußerst kurzlebig und zerfielen sehr schnell in recht unspezifische Abbauprodukte – hatte sie damit zwar zumindest die Todesursache bestimmt, jedoch blieb die Identität des Toten immer noch ungeklärt.
Vermutungen. Sie hatte nichts als Vermutungen. Frustriert fuhr sich die junge Frau durch die Haare. Es war Dr. Kaveri unmöglich, zu akzeptieren, dass sie diese Untersuchung ohne Ergebnis beenden mußte. Doch noch hatte sie nicht alle ihre Möglichkeiten ausgeschöpft. Auch wenn ab hier alles etwas komplizierter wurde: Sie würde dafür sorgen, dass der Tote seinen Namen wiederbekam und nachhause zurückkehren konnte. Wo auch immer das war.
Selbst wenn sie den Toten als Individuum jetzt nicht identifizieren konnte – nicht hier auf Coruscant, wo offenbar keiner Behörde Unterlagen zu ihm vorlagen, was merkwürdig genug war – gab es jedoch durchaus Methoden herauszufinden, wo er aufgewachsen war und wo er in den letzten Jahren vorwiegend gelebt hatte. Eine davon wurde zwar hauptsächlich von Archäologen durchgeführt, aber es gab keinen Grund, sie nicht auch bei einer frischen Leiche anzuwenden. Hauptsächlich beruhte sie auf dem spezifischen Verhältnis langlebiger Isotope von Rubidium und Strontium, die im Körper häufig vorkommende Elemente wie Kalium und Calzium substituieren konnten und sich statt derer in Knochen und Zähnen eingelagerten. Das Verhältnis der vier natürlich vorkommenden Strontiumisotope zueinander war charakteristisch und liess auf die Region schliessen, aus der eine Probe stammte. Da das Zahnwachstum bei den meisten Spezies zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jugendalter abgeschlossen war, konnte man auf diese Weise auf den Geburtsplaneten schliessen. Oder zumindest auf eine kleinere Auswahl eingrenzen. Die Knochen hingegen, in denen kontinuirlicher Auf- und Abbau stattfand, gaben Hinwiese auf den Verbleib in den letzten Lebensmonaten.
Der Heimatplanet des Chagrianers war das, was Leela am dringendsten wissen wollte. Wenn es ihr gelang, zu erfahren, wo der namenlose Tote ursprünglich herkam, konnten die dortigen Behörden vermutlich seine Identität klären. Ob es im Tempel die Ausstattung für derartige Analysen gab, hatte die Padawan in der kurzen Zeit, die sie hier war, noch nicht in Erfahrung bringen können, aber sie sicherte dennoch schon die dafür notwendigen Proben, beschriftete sie und ließ sie zusammen mit den beiden kleinen Eindämmungszylindern, die die Reste der Kapsel und einen Abstrich der Mundschleimhaut enthielten, von dem Assistenzdroiden protokollieren. Für's Erste war damit ihre Arbeit hier getan. Sie würde noch herrausfinden müssen, wo sie die weiterführenden Untersuchungen duchführen lassen konnte und dann konnte sie nur noch auf Ergebnisse warten. Nachdem Dr. Kaveri das Stasisfeld wieder aktiviert hatte, liess sie den Assistenzdroiden das Labor reinigen und schälte sich aus ihrer Schutzkleidung.
Das kleine Büro, das zu dem Labor gehörte, war ihr gerade recht, um ihre Ergebnisse zusammenzufassen und einen vorläufigen Bericht an die Rätin El'Mireth zu verfassen. Vermutungen äusserte sie darin nicht, allerdings beschrieb sie ihr weiteres Vorgehen und die Resultate, die sie daraus erwartete. Für die geplanten Analysen erbat sie El'Mireths Autorisierung. Anders als auf Lianna, kannte die Forensikerin ihre Kompetenzen in dieser Sache nicht und zog es vor, sich abzusichern, bevor sie schon an ihrem ersten Tag jemandem auf die Füße trat.
[Coruscant - Jedi-Tempel - Ebene 5, Untersuchungsraum 13, kleines Büro] Leela