[Coruscant | UniSec (ehemalige Nichtmenschen-Schutzzone) | Untere Ebenen | Ebene 652-F | Lazarett | über dem Kampfplatz schwebend] Wonto Sluuk, Benji Ross, Dribiteg, Medhi Varn
Die ganze Szenerie war unwirklich und verstörend. Was zwischen den Kranken, ihren meist wehrlosen Opfern und deren verzweifelten Verteidigern geschah, stellte eine ganz neue Dimension des Grauens dar. Die Bilder, Geräusche und Gerüche drangen nicht nur ins Hirn, wo sie jeden rationalen Gedanken zu ersticken versuchten, sondern auch direkt in die Seele. Dennoch gelang es Wonto Sluuk irgendwie, einen kühlen Kopf zu bewahren. Denon, Corellia, New Plympto, Felucia: Er hatte schon so vieles gesehen und erlebt! Er wusste, dass solche Situationen vorübergingen. Man musste standhaft bleiben und die Ruhe bewahren, so schwer es auch fiel - dann hatte man die Chance, heil herauszukommen, und alles würde bald nur noch eine hässliche Erinnerung sein, mit der zu leben man lernen konnte. Sein Wille, diesen Horror zu überstehen, war größer als seine Furcht. Mit hoher, aber kräftiger Stimme rief er seinen Soldaten Befehle zu, während er sein Speederbike auf die Position des Jedi zubewegte, den Medhi in der Menge ausgemacht hatte. Zugleich beobachtete er von seiner erhöhten Stellung aus, was sich in der Nähe ereignete. Das Panzerschott, das die Flüchtenden von den Verfolgern trennen sollte, funktionierte nicht. Es war wirklich zum Auswachsen: Dieses titanische Stück Verbundmaterial würde wahrscheinlich dem direkten Treffer eines Turbolasers standhalten, doch nun scheiterte es an einem technischen Defekt! Ein Bauteil war fehlerhaft, die Programme enthielten einen Bug oder jemand hatte bei der Wartung geschlampt - jedenfalls tat es nicht das, was es sollte. Es senkte sich nur teilweise ab und ließ damit den Infizierten genug Raum, um in andere Bereiche der Stadt vorzudringen. Den Ortolaner beschlich das ungute Gefühl, dass er Zeuge eines katastrophalen Schlüsselmomentes war. Bisher hatte sich die Krankheit langsam ausgebreitet, in Form eines viel verzweigten Netzwerkes von einem Wesen zu anderen. Was hier vonstatten ging, war eine erneute Stufe der Eskalation. Hier forderte C explosionsartig neue Opfer und schwappte wie eine Welle in andere Stadtteile über. Ob noch irgendjemand in der Lage sein würde, das aufzuhalten? Wieder fiel Wonto der verrückte Prediger ein, der ihnen vorhin den Untergang Coruscants vorausgesagt hatte. Seine Worte schienen nun nicht mehr so übertrieben.
Der Overracer hielt unmittelbar über der Position des Jedi. Dieser und seine Mitstreiter wehrten sich verzweifelt gegen eine tobende Horde von Kranken, die das Virus in Raserei versetzt hatte. Welcher Effekt mochte die Leute wohl dazu antreiben, sich zu einer blutdürstigen Meute zusammenzuschließen, anstatt einfach übereinander herzufallen? Drängten sie auf das Tor zu, weil etwas in ihnen noch immer glaubte, dass die oberen Ebenen besser, sicherer für sie waren? Darauf gab es keine Antwort. Der Corporal stemmte sich ein wenig aus dem Sattel hoch, in eine halb stehende Position, und legte den schweren CR1-Blaster an. Mit lautem Knall entlud sich die erste Salve. Wie ein Schwarm rote Leuchtkäfer auf Stim sausten die Blasterblitze in die Menge. Zwei oder drei Personen gingen zu Boden. Der nächste Schuss. Dann war auch Dribiteg neben ihm. Dessen Waffe war präziser; er konnte einzelne Tobsüchtige anvisieren und gezielt ausschalten. Er kam genau in dem Moment, als das Schott sich erneut zu bewegen drohte, erst nach unten fiel, dann kippte und plötzlich in der Luft verharrte, um sich wieder in den Rahmen zu schieben. Das Loch schloss sich in einer Weise, die von den Konstrukteuren bestimmt nicht vorgesehen gewesen war.
»Das muss der Jedi sein!« sagte Dribiteg.
Wonto hatte denselben Gedanken gehabt. Er hatte auf Felucia gesehen, welche Kräfte die Macht entfesseln konnte. Hatte einstürzende Säulen und Gewölbe gesehen und tonnenschwere Steinquader, die sich in Geschosse verwandelten. Sein Blick suchte den Jedi in der Menge. Er entdeckte ihn, und nun konnte er auch sein Gesicht erkennen.
»Das ist Padawan Merillion!« stellte er fest. »Ich glaube, er...«
Der Rest des Satzes blieb dem Ortolaner im Hals stecken. Er wurde Zeuge einer Tat, die er Arlen trotz seiner Erfahrungen mit den Jedi nicht zugetraut hätte. Die Brust eines großen, offenbar in Raserei verfallenen Humanoiden war von innen heraus geplatzt, als hätte er einen Sprengkörper verschluckt, und sein Herz war herausgerissen worden. Es war das erste Mal, dass er beobachtete, dass jemand die Macht in so offensiver, gewalttätiger Weise einsetzte. Wonto war schwer beeindruckt. Über den moralischen Aspekt dachte er nicht nach - schließlich waren sie dazu übergegangen, scharf in die Menge zu feuern und so ein Massaker an der Zivilbevölkerung anzurichten. Längst ging es nur noch ums nackte Überleben.
Was das anging, sah es schlecht aus für diejenigen Nicht-Infizierten, die sich nahe des Schotts aufhielten. Mittlerweile hatten die Sicherheitskräfte zwar Verstärkung in Form von Soldaten und Fahrzeugen erhalten, die versuchten, den Mob aufzuhalten und eine Schneise für die Fliehenden zu schaffen; aber das geschah fast fünfhundert Meter entfernt, am anderen Ende des Lazaretts. Jetzt, da das Portal geschlossen war und die Gesunden ebenso wie die Kranken gefangen hielt, würden die Überlebenden es schwer haben, sich dorthin oder zu einem anderen sicheren Ort durchzuschlagen. Die Mission des Bike-Trupps hatte sich soeben verändert. Nun ging es nicht mehr darum, die wahnsinnige Masse zu bremsen, um andere Stadtteile zu schützen. Jetzt konnten sie nur noch versuchen, einzelne Leben zu retten. Der Corporal fackelte nicht lange. Noch einmal legte er an und schoss. Die Mündung war direkt auf ein kleines Knäuel von Kranken und Gesunden gerichtet, die miteinander rangen. Als der CR1 sich krachend entlud, durchlöcherten die feinen roten Strahlen den Rücken eines Tobsüchtigen, den anderen Beteiligten gab dieser unfreiwillig Deckung. Es nicht auszuschließen, dass auch Opfer getroffen worden waren, aber mindestens einer von ihnen schaffte es, sich loszureißen und zu entkommen. Es war eine spontane und zweifellos radikale Entscheidung gewesen, aber hoffentlich die richtige.
»Wir gehen runter!« befahl Wonto Sluuk. »Medhi, Benji - kommt hierher!«
Er ließ seinen Overracer rasch sinken. Als er nur noch einen Meter über der wogenden Menge war, gerade außerhalb der Reichweite von Händen und Klauen, griff er in eine der Satteltaschen. Er ertastete einen Detonator; ohne hinzusehen drückte er den Zündknopf und warf den Sprengkörper ein paar Meter weiter in die Menge.
»Blendgranate!« rief er, um die Verteidiger zu warnen. Doch als die Granate mit ohrenbetäubendem Knall explodierte, erkannte er seinen fatalen Irrtum. Anstelle eines blendenden Lichtblitzes entstand eine Druckwelle. Die Umstehenden wurden von den Beinen gerissen und davon geschleudert, andere wurden regelrecht zerfetzt. Mit Entsetzen wurde Wonto bewusst, dass er einen Splitterdetonator anstelle einer Blendgranate geworfen hatte. Diejenigen, die er auf humane Weise außer Gefecht setzen wollte, waren nun tot oder verstümmelt. Das hatte er nicht gewollt! Aber es war der falsche Moment für Reue. Die Explosion hatte ein Loch in die Menge gesprengt und bewies außerdem, dass auch die Infizierten noch ein Mindestmaß an Selbsterhaltungstrieb verfügten: Ein paar von ihnen wichen zurück, der gesamte Strom kam ins Stocken. Das war die Gelegenheit! Mit heulendem Repulsor senkten sich die beiden Bikes bis ganz zum Boden herab. Wonto sprang ab und stand nun unmittelbar neben Arlen und seinen Kampfgefährten. Er erkannte einen blonden Menschen, der mit der Waffe in der Hand dem Ansturm standhielt (Arkadi Duval) und einen seiner Artgenossen (Ben), der eher den Eindruck eines Flüchtlings als eines Streiters machte. Dem Droiden (CS-410), der in der Nähe stand und ebenfalls eine Waffe abfeuerte, schenkte er nur wenig Beachtung; ihm ging es vor allem um die Lebenden, zu denen er diesen nicht wirklich zählte.
Die Rechnung war einfach: Jeder Overracer konnte im Bedarfsfall eine zweite Person tragen. Kampftauglich war er dann nicht mehr, aber die Kraft seiner Repulsoren sollte genügen, sie über die Menge zu heben und in Sicherheit zu fliegen. Wonto konnte also einen Überlebenden retten, Dribiteg einen zweiten; ob es einen Weg gab, sie alle drei gleichzeitig zu retten, hing von einer wichtigen Frage ab:
»Kann einer von Ihnen einen Overracer fliegen?« rief er den Humanoiden zu. »Wir haben zwei Plätze; drei, wenn einer von Ihnen fliegen kann, dann überlässt der Private Ihnen die Maschine.«
Natürlich hatte Wonto nicht vor, seinen Kameraden und Freund Dribiteg im Stich zu lassen. Aber der Parwan war aufgrund seiner ungewöhnlichen Anatomie in der Lage, zu schweben, und konnte sich auch ohne ein Fahrzeug in die Lüfte retten.
An Arlen gewandt sagte Wonto noch:
»Freut mich Sie wiederzusehen, Padawan Merillion. Hätte mir nur einen anderen Ort gewünscht.«
Dann wurden sie wieder bedrängt und der Corporal hatte keine andere Wahl, als erneut auf coruscantische Mitbürger zu schießen, deren einziges Verbrechen es war, mit einem Virus infiziert und nicht Herr ihrer Sinne zu sein. Diesmal fielen die Schüsse aus nächster Nähe und damit unbedingt tödlich.
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