- Esseles - Raumhafen - Imperiale Garnison - Allzweckraum -
Ruhig starrte Akemi auf die geschlossene Tür vor sich. Zum ersten mal seit Stunden war sie alleine. Getrieben von Erschöpfung gaben ihre Beine unter ihr nach und sie ließ sich zu Boden sinken. Ihre Augen schlossen sich automatisch und sie legte sich flach auf den Boden, sich dazu zwingend, regelmäßig tief ein und aus zu atmen. Sie hatte Angst, wahnsinnige Angst. Alles konnte passieren und sie war vor niemandem sicher. Schlagartig schlug sie die Augen wieder auf und stemmte sich hoch. Sie konnte nicht hier herum liegen. Selbst wenn sie sich am liebsten irgendwo verkrochen und nie mehr heraus gekommen wäre, konnte sie jetzt nicht zögern. Da war etwas, was sie tun musste: Sie musste Cris befreien. Diese Sache duldete keinen Aufschub.
Hastig griff Akemi nach ihrer Tasche. Niemand hatte es für nötig gehalten, sie zu öffnen und ihren Inhalt zu untersuchen. Wieso auch? Was sollte an dem Besitz eines fünfzehnjährigen Mädchens schon besonderes sein, selbst wenn sie beim Geheimdienst war? Im Gegensatz dazu konnte sie in dem Raum nirgendwo eine Spur erkennen, die irgendwie darauf deutete, dass man Cris' Kleidung auch hierher gebracht hatte. Als sie ihn vorhin gesehen hatte, hatte er nicht seine eigenen Sachen getragen. Er...nein, sie durfte sich nicht wieder von diesen Bildern übermannen lassen. Ihr Verstand musste klar bleiben! So gut wie es ihr möglich war, drängte Akemi die Erinnerung bei Seite und öffnete ihre Tasche. Fast ganz zu oberst lag er, der Blaster. Erfüllt von Erleichterung griff sie nach der Waffe und drückte sie zwei Sekunden lang an sich. Es war der Blaster, den sie aus der Otana mitgenommen, den sie unter der Sitzbank gefunden hatte. Den anderen, den, den Joseline ihr bei ihrer Flucht in die Hand gedrückt hatte, hatte Rima ihr entrissen. Aber Akemi hatte noch einen Ersatz! Damit hatte die blonde Verräterin nicht gerechnet!
Akemi wühlte weiter in ihrer Tasche und zog ein paar Klamotten heraus. Das Oberteil, das sie trug, war schmutzig und verschwitzt. Als sie es auszog, überkam sie ein Schüttelanfall. Es war so kalt... Rasch zog sie sich drei Schichten Kleidung über, ganz zu oberst einen weiten Pullover, der den in ihrem Hosenbund steckenden Blaster verdeckte. Ausgerüstet mit der Waffe fühlte Akemi sich nun schon ein wenig besser, wenn es auch auf der anderen Seite ein seltsames Gefühl war zu wissen, dass sie einen Blaster bei sich trug und diesen auch benutzen konnte. Aber mit solchen Gedanken durfte sie sich jetzt nicht aufhalten. Etwas verloren stand sie in dem Raum und starrte erneut auf die Tür. Zögernd ging sie darauf zu und versuchte sie zu öffnen. Natürlich, sie war verschlossen, blockiert, so wie die Sith gesagt hatte. Was also jetzt? Hier nutzte ihr der Blaster auch nicht viel. Oder würde die Tür sich öffnen, wenn sie auf den Öffnungsknopf schoss? Es war ein Risiko. Angestrengt nachdenkend schürzte Akemi die Lippen, als ihr Blick, fast beiläufig, die Wand entlang glitt und an einer bestimmten Stelle hängen blieb. Das war es, der Lüftungsschacht! Ohne zu zögern stemmte sie den Tisch genau unter die Öffnung des Schachtes, kletterte hinauf und versuchte probehalber, das Gitter zurück zu drücken. Es bewegte sich! Akemis Herz klopfte wie wild. Dies war ihr Weg in die Freiheit, ihr Weg zu Cris.
Die ganze Zeit über hatte Akemi gespürt, wie die Kraft aus ihrem Körper wich. Zum einen hatten sie die pure Anstrengung, die Verzweiflung über ihre Situation und die bereits voran gegangenen Erlebnisse dieses langen Tages erschöpft, doch zum anderen, das wusste sie, war es ihr Körper selbst, der nach Vitaminen schrie. Es war eine Extremsituation, in der sie sich befand und selbst wenn es nicht vergleichbar war wusste Akemi, dass sie schon während ihrer Karriere auf Naboo immer dann mehr Vitamine gebraucht hatte, wenn sie unter Druck stand, wenn sie Stress hatte. Irgendwie war es völlig logisch, in solchen Situationen verlangte sie ihrem Körper mehr ab als sonst. Sie hätte dringend ihre Tabletten gebraucht. Aber die hatte sie nicht. Cris hatte sie gehabt, aber jetzt hatte das Imperium sie...oder auch nicht mehr. Wahrscheinlich hatte man sie vernichtet, zusammen mit Cris' anderen Sachen. Akemi presste die Lippen zusammen, während sie sich durch den schmalen Schacht schob. Sie hatte alle Kraft gebraucht, die sie hatte aufbringen können, um sich zu der Öffnung hoch zu ziehen. Aber nun war sie mitten in dem Schacht und kroch auf allen Vieren vorwärts. Es war eng und erdrückend und selbst für Akemi schien es manchmal beinahe kein Weiterkommen zu geben. Doch irgendwie schaffte sie es, sich hindurch zu quetschen. Wäre sie jetzt nur ein Stückchen größer oder fülliger, hätte sie aufgeben und umkehren müssen. Lady Wingston mochte es schrecklich finden, dass Akemi so klein war, doch im Augenblick war es das Beste, das ihr passieren konnte.
Zwei mögliche Ausgänge hatte Akemi passiert. Den nächsten würde sie nehmen. Sie durfte sich nicht zu weit von ihrer Einstiegsstelle entfernen, damit sie nicht die Orientierung verlor. Außerdem war hier irgendwo Cris' Zelle und genau dorthin wollte sie - wenn auch nicht über den Lüftungsschacht. Das wäre sinnlos.
Lange ließ die nächste Luke auch nicht mehr auf sich warten. Vorsichtig näherte Akemi sich dem Gitter und lauschte auf mögliche Stimmen oder andere Geräusche, die ihr verrieten, dass jemand in der Nähe war. Doch sie vernahm nichts außer sturer Stille, also packte sie vorsichtig das Gitter und zog es aus der Fassung. Dann schaute sie herunter. Das waren die Toiletten! Sie befand sich genau im Lüftungsschacht der Toilettenkabine des Gefangenentrakts... ob man das in gewissem Maße nun Glück nennen konnte? Akemi drehte sich um, hielt sich an dem Vorsprung fest und ließ sich langsam an der Wand hinunter gleiten, bis sie nur noch ein paar Zentimeter über dem Boden war und beinahe lautlos hinunter sprang. Hatte sie sich dort oben in dem Schacht noch ein wenig sicher gefühlt, war es nun wieder vorbei damit. Erbarmunslos heiß wurde Akemi wieder bewusst, wo sie sich befand und was sie zu tun hatte. Angst übermannte sie. Nein, nur nicht aufhalten lassen. Sie hatte etwas zu erledigen! Ihren ganzen Mut zusammen nehmend schlich Akemi in Richtung Tür, lauschte erst noch einmal auf den Gang hinaus und öffnete sie dann vorsichtig. Niemand war zu sehen. Sie prüfte, ob ihr der Gang bekannt vorkam, aber in Wahrheit sah hier doch alles gleich aus. Aus welcher Richtung war sie gekommen? Sie versuchte sich an den Windungen des Lüftungsschachtes zu orientieren. Wenn sie nicht alles täuschte, musste sich Cris' Zelle irgendwo zu ihrer Rechten befinden. Akemi sah sich um und huschte über den Gang. Cris... dort hinten irgendwo war er. Es war nicht mehr weit. Leise schlich sie an er Wand entlang, ging am Ende des Ganges in die Hocke und spähte um die Ecke. Ruckartig zog sie ihren Kopf wieder zurück. Zwei Sturmtruppler standen etwa zehn Meter von ihr entfernt vor einer Tür. Sie hatten ihr halb die Rücken zugewandt. Akemi presste sich die Hand vor den Mund und ihre Gedanken rasten. Verschwommen nahm sie war, dass alle Türen hier anders aussahen, als im restlichen Teil der Garnison. Sicherheitstüren... Sicherheitstüren zu Zellen. Ja... und dort vorne, wo die Sturmtruppler standen... Akemis Hand glitt unter ihren Pullover und griff nach dem Blaster. Er fühlte sich kühl in ihrer Hand an. Fahrig wischte sie sich mit dem Ärmel über die Stirn. Beinahe automatisch, als hätte sie es bereits tausendmal gemacht, entsicherte sie die Waffe. Cris hatte ihr das gezeigt. Und für ihn tat sie es jetzt. Zwei Sturmtruppen, halb mit dem Rücken zu ihr. Der Überraschungseffekt lag auf ihrer Seite. Wenn sie schnell war, hatte sie beide getroffen, noch bevor sie reagieren konnten.
Wie benebelt schmeckte Akemi den Geschmack von Salz. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie zu weinen begonnen hatte. Aber sie war im Begriff, zwei Menschen zu töten. Zwei Menschen! Dafür würde sie in die Hölle kommen. Ihre Unterlippe zitterte. Wer war sie, dass sie kurz davor stand, einen Blaster zu benutzen? War sie noch Akemi Akanato? War sie noch sie selbst? Oder kannte sie sich selbst nicht? Töten war Sünde. Es war falsch. Sie konnte es nicht tun...
Hinter dieser Tür war Cris.
Zum Teufel mit der Moral! Das Imperium handelte auch nicht danach! Es war Notwehr! Es war nicht böse.... es war für Cris. Zitternd nahm Akemi den Blaster und hielt ihn, wie sie es am Schießstand im Geheimdiensthauptquartier getan hatte. Sie konnte es. Zwei Schüsse. Dann wäre sie bei Cris. Benommen schloss sie die Augen, verharrte eine Sekunde, wandte sich herum und löste zwei Schüsse. Die Sturmtruppler fielen zu Boden, noch bevor sie ihre Waffen ziehen konnten. Akemi starrte mit offenem Mund auf die Leichen im Gang. Das war sie gewesen. Sie hatte es getan. Zögernd näherte sie sich und als sie sicher war, dass sich die Imperialen nicht mehr regen würden, stürmte sie auf die Tür zu, entriegelte sie mit Hilfe der an der Wand angebrachten Konsole und öffnete sie.
In dem Raum war es dunkel. Akemi wich zurück, zögernd in das Schwarz hinein starrend. Sie hörte nichts außer ihrem eigenen, dahin rasendem Atem. Eine kurze Weile verging, ehe sich ihre Augen an das Dunkle gewöhnt hatten und dann half ihr das vom Gang in die Zelle hinein fallende Licht, noch ein wenig mehr zu sehen. Sie wagte nicht, ihre Stimme zu erheben. Nicht hier, wo sie noch mitten auf dem Gang stand. Langsam bewegten sich ihre Beine hinein in den Raum. Ihre Hände tasteten an der Wand nach Halt. Alles in ihr sträubte sich, weiter zu gehen. Es war dunkel, es war gefährlich. Dunkelheit macht schutzlos. Doch dann sah sie seine Umrisse. Ein undeutbarer Laut entwich ihrer Kehle und sie ließ von der ihr Sicherheit gebenden Wand ab.
Cris! Cris, ich bins!
Sie glitt vor ihm zu Boden und umklammerte seine Hände. Ihre Stimme war dünn, aber fest.
Geht es dir gut?
Er war gefesselt. Eilig tastete Akemi nach einer Konsole, fand sie und löste die Lähmschellen. Mit einem Mal hatte eine unheimliche Ruhe von ihr Besitz ergriffen und sie fühlte sich mehr wie eine Beobachterin, als tatsächlich in die Ereignisse eingebunden. Sie hatte keine Ahnung, was dieser wahnsinnige Offizier, Rima und die Sith Cris angetan hatten, aber unbewusst war ihr klar, dass noch nicht der Zeitpunkt gekommen war, ihm schluchzend in die Arme zu fallen. Sie durften keine Zeit verlieren.
Wir müssen so schnell wie möglich hier weg!
Drängend versuchte Akemi, Cris hoch zu ziehen.
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