[Kuat-System, Weltraum vor Kuat, COR Viper, Korridor]- Alynn
Wenige Minuten nach Anfrage durch den Kommunikationsoffizier der Viper war ein Transfershuttle – präziser ausgedrückt ein in derartigen Situationen häufiger verwendetes TIE/sh Shuttle – mit Kurs auf den Hangar der Corona-Fregatte aufgetaucht, um Alynn zu ihrem Gespräch mit dem Hafenadmiral Kuats, Rear Admiral Kohaku, zu transportieren. Sie konnte nicht behaupten, mit sonderlich rosigen Erwartungen in diese Unterredung zu gehen. Bei ihrer letzten – und bisher einzigen - Begegnung während der Nachwehen um die Schlacht von Bastion war es Kohaku gewesen, den sie überzeugt hatte, ihr das Kommando über die Viper und die an Bord stationierten Einheiten zu überlassen. Jetzt – eine gefühlte Ewigkeit später, zumindest, was die Lage der Galaxis anging – mochte der alternde Admiral ihre damalige Begegnung in einem entschieden negativen Licht betrachten. Die Berichte und Anfragen, die ihren Weg bis auf Elysas Schreibtisch gefunden hatten, sprachen zumindest dafür.
Während sie mit zügigen Schritten die letzte Distanz zum Hangar überwand, wurde Alynn sich einmal mehr des Gewichts ihrer – für einen ranghohen Flottenoffizier zumindest untypisch schweren – Bewaffnung bewusst. Neben ihrem Lichtschwert ruhte der SE-14r Blaster schwer in seinem Holster an ihrer Hüfte und auch die in einem Schulterholster unter ihrer Uniform neugierigen Blicken entzogene 22T4 machte bei jedem Schritt auf sich aufmerksam. Womöglich musste sie sich erst wieder daran gewöhnen, dass die Gänge eines imperialen Raumschiffes mitnichten eine so feindliche Umgebung waren, wie die Unteren Ebenen Coruscants. In Hinblick auf ihr Ziel wurde ihr allerdings ebenso bewusst, dass solche Einschätzungen immer sehr vom Standpunkt des Betrachters abhingen.
Das TIE Shuttle glich in einer äußeren Form den klobigen TIE-Bombern, wie sie auch in Staffelstärke an Bord der Viper stationiert waren, erweitert lediglich um einige Zusatzspezifikationen – und, natürlich, ohne die Bombenkammer – die den Transport auch ranghoher und somit weniger entbehrlicher Offiziere gewährleisteten. Der Komfort des Passagiers indes musste noch deutlicher als im Fall einer Fähre der Lamdba-Klasse hinter den pragmatischen Anforderungen schnellen Transports zurücktreten, sodass die Commodore, nachdem sie das Passagierabteil des Shuttles erklommen hatte, dankbar dafür war, dass der Transfer zu Orbitalstation Fünf nur wenige Minuten ihrer Zeit kosten würde. Dennoch meinte sie, als das Shuttle schließlich in einer der Hangarbuchten der Orbitalstation aufsetzte, ein leichtes Ziehen in ihrem Nacken zu verspüren, das sie mit einem verärgerten Stirnrunzeln versuchte, aus ihrem Bewusstsein zu verbannen. Die Konfrontation mit dem Rear Admiral würde auch ohne zusätzliche Ablenkung unangenehm – im Sinne von ermüdend und ihre Geduld strapazierend - genug werden.
Scheinbar hatte sich zu ihrem Empfang ein Zug Flottensoldaten eingefunden, mit stoischen Blicken in einer Reihe eine Art Spalier bildend, das sie auf dem Weg vom Shuttle hin zum nächsten Korridor zwangsläufig passieren musste. Erstaunlich, wie ähnlich in diesem Fall eine Ehrengarde einem Exekutionskommando sein konnte – möglicherweise machte Kohaku sich einen kleinen Spaß daraus, sie vor Ankunft in seinem Büro einzuschüchtern. Leider wurde er da eine herbe Enttäuschung erleben – auch ohne die Rückendeckung der Befehle Elysas war ein abgehalfterter Hafenadmiral des Imperiums im Herbst seiner Karriere kein Mann, von dem sich Alynn Kratas einschüchtern ließ.
Die zwei letzten Flottensoldaten folgten Alynn in den Korridor, ohne dass auch nur einer sich anmaßte, die Führung zu übernehmen. Es war ohnehin unnötig – sie kannte den Weg, da sie – ob aus Zufall oder Kalkül – in der selben Hangarbucht angekommen war wie bei ihrem letzten Besuch auf Orbitalstation Fünf, aller Wahrscheinlichkeit nach jene Bucht, von der der Weg hin zum Büro des Hafenadmirals kürzestmöglich ausfiel.
Das Büro schließlich hatte sich seit ihrem letzten Besuch kaum verändert. Spartanisch eingerichtet – mit einigen kleinen Erinnerungsstücken aus Kohakus langer Laufbahn im Dienste des Imperiums – bot es exakt das Bild, an das Alynn sich erinnerte. Der Mann selbst jedoch schien rapide, nahezu erschreckend, gealtert zu sein – die Augen des Admirals ruhten stumpf auf seiner Besucherin, mit der er – da die beiden Flottensoldaten vor der Tür Posten bezogen hatten – in seinem Büro alleine war, und nicht einmal ein Funken Missfallen oder Ärger in seinen Augen verriet irgendeine Emotion ob des Auftauchens der Sith. Ganz offensichtlich waren die jüngsten Rückschläge des Imperiums nicht spurlos an dem Mann vorübergegangen, der eben diesem Imperium die Blütezeit seines Lebens und noch mehr geopfert hatte.
„Ah, Commodore. Ich habe Sie erwartet.“
Mit gewölbten Augenbrauen registrierte Alynn, dass sogar die Stimme Kohakus abgearbeitet, verbraucht wirkte.
„Setzen Sie sich doch.“
Einladend deutete der Admiral auf den Stuhl vor seinem schlichten Schreibtisch, doch auch in dieser Geste steckte kaum noch Lebhaftigkeit.
Kurz mit dem Gedanken spielend, das Angebot auszuschlagen und somit weiterhin physisch die „Oberhand“ zu behalten, entschied Alynn sich schließlich, sich doch zu setzen. Man brauchte keine Kenntnisse der Macht, um festzustellen, dass Kohaku ihr gegenüber scheinbar keinen Groll ob vergangener Ereignisse hegte. Er würde kein Hindernis darstellen.
„Sie sind also hier, um das Kommando über die
Accuser und die ihr unterstellte Kampfgruppe zu übernehmen, ja?“
Die vom Alter gezeichneten Finger des Admirals durchstöberten einen Stapel auf seinem Schreibtisch liegender Datenblöcke, bis er offenbar den richtigen gefunden hatte und eine Datei – vermutlich die exakte Auflistung der Schiffe, die in Kürze unter Alynns Obhut sein würden – aufrief. Ein leichtes Seufzen entwich ihm dabei.
„Nun, Commodore, ich fürchte, Sie werden feststellen, dass man dieser Kampfgruppe den Umständen, unter denen sie zusammengestellt wurde, durchaus ansieht.“
Er entnahm die Datenkarte aus dem Block und verband sie offenbar mit einer Apparatur in seinem Schreibtisch, die wiederum mit einem Holoprojektor verbunden war, da in diesem Moment das Hologramm eines Sternzerstörers der Imperial II-Klasse zwischen den beiden Offizieren aufflackerte.
„Die Schäden an der
Accuser wurden nach dem besten Wissen der Techniker von KDY ausgeglichen. Das Schiff ist vollkommen einsatzfähig. Ich nehme an, Sie wünschen, dass Ihre Flaggkommandantin das Kommando übernimmt?“
Alynn nickte langsam.
„Gut. Während der Reparaturen war ranghöchster Offizier an Bord ein Lieutenant Commander, höchstens für die Aufgaben des ersten Offiziers geeignet. Dann bekommt Commander
Veantur jetzt also die Chance eines eigenen Kommandos.“
Kohaku lächelte flüchtig und für einen Moment schien zumindest ein wenig Leben in ihn zurückgekehrt. Das nächste Schiff, das zwischen ihnen erschien, war ebenfalls von klar erkennbarer Bauart. Alynn jedoch musste bei Anblick des Schiffes die Lippen zusammenpressen – sie hatte tatsächlich damit gerechnet, dass Dreadnaughts mittlerweile nur noch zur Systemverteidigung minder wichtiger Welten eingesetzt worden.
„Die
Iron Hammer“
, stellte Kohaku das vermutlich Jahrzehnte alte Schiff vor.
„Captain
Perseus Jeratai.“
Für einen Moment schien Kohaku Alynn zu studieren, fast so, als wartete er auf ihre Reaktion. Tatsächlich meldete sich irgendein Teil ihres Gedächtnisses, der den Namen dieses Offiziers irgendwo schon einmal vernommen hatte…
„Sie haben richtig gehört, Commodore“
, fuhr der Admiral schließlich fort. „Captain
Jeratai ist der Sohn von
Arnor Jeratai, zeitlebens für kurze Zeit Vorsitzender der Admiralität. Dieser starb, wie Sie vermutlich wissen, als wir die
Intimidator verloren.“
Kohakus Tonfall machte deutlich, dass das Imperium an diesem Tag nicht nur einen Supersternzerstörer verloren hatte. Wie einige andere Offiziere war er also offenbar der Meinung, dass an jenem schicksalhaften Tag die Zukunft des Imperiums verloren gegangen war. Die jüngsten Ereignisse schienen ihn in dieser Hinsicht zu bestätigen.
„Ein tüchtiger Offizier. Aber nach dem Tod seines Vaters und ohne durch diesen protegiert zu werden… Beförderungen und attraktive Posten werden dieser Tage nach anderen Kriterien vergeben.“
Das Bild der Iron Hammer erlosch und wich dem nächsten, bedeutend schlankeren Schiff. Die vier Wülste auf dem einem Sternzerstörer ähnelnden, keilförmigen Rumpf, ein deutliches Anzeichen für das Vorhandensein von Gravitationsprojektoren, wiesen dieses Schiff eindeutig als Immobilizer 418 Abfangkreuzer aus, ein seltenes und über seinen reinen Kampfnutzen hinaus wertvolles Schiff, wenngleich in ungeübten Händen schnell eine enorme Verschwendung an Materialien und Credits.
„Die
Purella’s Web. Ein Schiff, dessen Zuteilung zu Ihrer Kampfgruppe Sie vermutlich einer recht kuriosen Konstellation von Umständen zu verdanken haben. Während man ihrer Kommandantin kaum das bemerkenswerte Geschick mit diesem Schiffstyp abstreiten kann – die lange Liste an Erfolgen belegt das – gibt es wenige Flaggoffiziere, die dieses Schiff, wenn sie die Wahl haben, in ihren Verband aufnehmen würden. Captain
Amathera Tavira ist die Schwester der bei Bastion gestorbenen Adjutantin des Verräters
Niriz.“
Kohaku pausierte kurz.
„Ich muss wohl nicht betonen, Commodore, dass Sie keine Wahl haben.“
Alynn lächelte dünn, ein Lächeln, das man ebenso gut als Drohung hätte auffassen können, indes aber von dem unbeeindruckten Kohaku abzuprallen schien. Nun, er selbst war nicht verantwortlich für die Zusammenstellung dieser Kampfgruppe, auch wenn ihm vermutlich die Ironie nicht entging, Alynn einen Offizier zuzuteilen, der sie nur aufgrund ihres Nachnamens vermutlich bis aufs Blut hassen musste. Andererseits… sie war nie sonderlich begeistert von der Tendenz der imperialen Autoritäten gewesen, Individuen für die Taten von Verwandten in Sippenhaft zu nehmen. Auch, dass der Name ihres Bruders ihr möglicherweise in einigen Fällen gar geholfen hatte, akzeptierte sie nur mit äußerstem Widerwillen.
„Die übrigen Schiffe sind weniger brisant“
, fuhr Kohaku schließlich fort.
„Commander
Veantur wird die
Viper übernehmen. Commander
Hrakness von der Lancer-Fregatte
Tempest ist ein unauffälliger Offizier, abgesehen davon, dass er im Einsatz für das Imperium einmal sehr schwer verletzt wurde. Nun, diese Beförderung hat ihm sein derzeitiges Kommando eingebracht, also hat er wenig Grund, sich zu beklagen. Das letzte Schiff Ihrer Kampfgruppe ist das corellianische Kannonenboot
Stinger, Lieutenant Commander
Dex Canith…“
Ein kurzer Blick auf den Datenblock.
„… ein Muun.“
Mit einem erneuten Seufzen schob Kohaku Alynn einen Stapel Datenkarten über den Schreibtisch.
„Die Personalakten Ihrer Kommandanten, Dienstverzeichnisse und Leistungsprofile der Schiffe. Und Ihre Befehle, natürlich.“
Die letzten Worte des Admirals als Entlassung interpretierend, klaubte Alynn die Menge an Datenkarten zusammen und erhob sich, bevor eine zögernde – fast unterbrochene – Bewegung des Admirals sie innehalten ließ.
„Noch etwas, Commodore…“
In Kohakus Gesicht arbeitete es, fast so, als würde er um die Formulierung seiner nächsten Worte ringen.
„Ich denke, es ist nur fair, Sie zu warnen… ob der Historie der
Accuser und der Tatsache, dass sich ein Großteil der ursprünglichen Crew noch an Bord befindet, hat man sich dazu entschieden, einen Angehörigen des Kommissariats für Imperiale Angelegenheiten an Bord zu stationieren. Kommissar
Quintus Harthor wird die… die Loyalität und Moral der Crew für Sie im Auge behalten.“
Kohaku räusperte sich.
„Das Oberkommando war damit offenbar einverstanden. Denken Sie aber daran, dass kein Kommissar offiziellen Einfluss auf die Hierarchie der Imperialen Flotte nehmen kann. Was seinen inoffiziellen Einfluss angeht… da kann ich Ihnen nicht helfen.“
Die kurze Lebhaftigkeit, die Kohaku während der Vorstellung der Schiffe heimgesucht hatte, war wieder verschwunden. Da vor Alynn hinter dem, schlichten Schreibtisch, saß ein Mann am Ende seiner Karriere, seiner Kräfte und vermutlich seines Lebens.
„Die Dinge haben sich geändert.“
Der Admiral winkte kraftlos mit seiner rechten Hand.
„Wegtreten, Commodore. Und viel Glück.“
Mit einer ungewöhnlich schneidigen und präzisen Ehrenbezeichnung machte Alynn auf dem Absatz kehrt und verließ das Büro des Hafenadmirals, Kohaku mit seinen höchstwahrscheinlich trübseligen Gedanken alleine lassend. Das Gewicht der in ihren Händen liegenden Datenkarten diente als kleine Erinnerung daran, welche Aufgaben jetzt vor ihr Lagen… Aufgaben mit mehr Variablen, als jedem Offizier lieb sein konnte…
[Kuat-System, Orbit um Kuat, Orbitalstation Fünf, Korridor]- Alynn